Muammer Üce über ein Schullexikon von Naciye Kamcili-Yildiz und Fahimah Ulfat zum Thema Islam

Ausgabe 239

(iz). Ein Gymnasium im Ruhrgebiet. Vor mir sitzen 28 Fünftklässler im Fach Islamische Religionslehre, mehrheitlich mit türkischen Wurzeln, vereinzelt auch algerischer, pakistanischer und balkanesischer Herkunft. Das Thema der Unterrichtsstunde: Warum fasten wir Muslime im Ramadan?

Um einen hohen Lernertrag zu erzielen, möchte ich zum Einstieg mehrere Wahrnehmungskanäle (Siehe auch: F. Vester: Denken, Lernen, Vergessen, DTV 1997.) ansprechen: Sehen, Riechen und vor allem Schmecken.

Passend zur Unterrichtsstunde hole ich aus meiner Tasche für alle Schüler eine süße und zugleich zarte Trockenfrucht heraus. Die meisten Menschen hierzulande empfinden diese Wüstenfrucht mehr exotisch, aber für die meisten muslimischen Schüler ist sie eine allgegenwärtige Frucht. Sodann macht die Frucht die Runde und die Lerngruppe inspiziert die Frucht in all ihren Facetten und sie lassen es sich wahrlich schmecken.

Im Anschluss werfe ich eine Frage in die Runde: Wie heißt eigentlich diese Frucht, die ihr gerade gegessen habt? Einige rufen laut, teilweise noch mit vollem Mund, in die Klasse hinein: „Hurma, Hurma!“ Ich gebe mich nicht zufrieden, darauf versucht sich es ein anderer Schüler mit: „Tamr!“ Ich bohre nach: „Und jetzt noch auf Deutsch!?“ Verdutze Gesichter von Zehnjährigen schauen mich an, eine Reaktion und somit eine Antwort auf meine letzte Frage bleiben aus. Ich notiere groß an die Tafel: „Dattel, die“.

Das Beispiel ist kein Einzelfall, an einem anderen Gymnasium im Münsterland mache ich häufiger die Erfahrung, dass ich in der Klasse sieben von meinen Schülern im IRU neben meiner Lehrperson auch als ein „wandelndes Islam-Lexikon“ wahrgenommen werde. Anzumerken ist, dass diese Lerngruppe erstmalig mit Beginn der Klasse sieben Islamischen Religionsunterricht erteilt bekommt. Als Vertreter der konstruktivistischen Schule wollte ich, dass meine Schüler eigenständig nach den von ihnen erfragten Fachbegriffen recherchieren und damit Ihr Repertoire an Fachtermini erweitern können.

Jede Stunde den Informatikraum nutzen: unpraktisch. Handynutzung, wobei nicht jeder Schüler einen Internetzugang hat: Verstoß gegen die Schulordnung. Abhilfe und Unterstützung brachte das Werk „Islam vom Abendgebet bis Zuckerfest“ von Naciye Kamcili-Yildiz und Fahimah Ulfat. Das 174-seitige Lexikon hat den Anspruch, Grundwissen über den Islam in 600 Stichwörtern „schnell und umfassend“ zu vermitteln. In der Tat kann das Werk meines Erachtens aus religionspädagogischer Perspektive diesem Anspruch gerecht werden. Alle arabischen Begriffe werden in arabischer Schrift und in einer schülerorientieren Umschrift dargestellt. (Hinweis: Entspricht nicht der Umschrift nach DIN 31635, DMG)

Auch orientiert sich das Werk an der gegenwärtigen Lernausgangslage: Ein Faktum ist, dass die Schülerinnen und Schüler, die den Islamischen Religionsunterricht besuchen, mehrheitlich türkisch geprägt sind. Aus diesem Grund ist unter den meisten Fachbegriffen auch das entsprechende Pendant in türkischer Sprache abgebildet. Durch neurobiologische Erkenntnisse bestätigt, kann das Lernen eines neuen Gegenstandes hier im Fall Fachbegriffe die Lernprogression fördern, wenn das „neu zu Lernende“ an das Vorwissen anknüpft. Erfahrungsgemäß wird die religiöse Sprache von den Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit der Muttersprache in einem gemeinsamen Prozess, idealerweise im Elternhaus, erlernt.

Neben den Querverweisen, welche die Begriffe in einem logischen Zusammenhang vernetzen, ist besonders die Ästhetik des Buches hervorzuheben. Angefangen von den unterschiedlichen Farbkodierungen bis zu den in Ornamenten gerahmten Seitenzahlen und dem schülerorientierten Bildmaterial. Das Ganze wird unterstrichen von 12 doppelseitigen Themenseiten, die bei Bedarf auf Folie oder Smartboard gezogen und im Unterricht thematisiert werden können.

Für wen ist das Buch geeignet? Kurzum ist es für alle interessierten Kinder und Erwachsene, die kompetent etwas über den Islam erfahren möchten, geeignet. In der Schule ist es von der Primarstufe bis zum Ende der Sekundarstufe I konfessionsübergreifend einsetzbar. Damit wären wir auch bei dem einzigen Kritikpunkt. Um den demnächst gemeinsam mit dem Kernlehrplan auch in der Oberstufe und damit Abitur eingeführtem Islamischen Religionsunterricht zu unterstützen, bedarf es mehr an Umfang und entsprechender Vertiefung sowie Vernetzung.

Letztlich bleibt festzuhalten, dass die Erarbeitung von Lehr- und Lernmaterialien zum kompetenzorientierten Islamischen Religionsunterricht noch in den Kinderschuhen, wenn nicht in „Baby-Füßlingen“, steckt. Dabei leistet dieses Lexikon wertvolle Pionierarbeit und ist zugleich auch ein treuer Begleiter im Unterrichtsalltag.

Der Autor ist Fachlehrer (und Fachschaftsvorsitzender) für Islamischen Religionsunterricht am Gymnasium Paulinum Münster Wissenschaftliche Lehrkraft am Zentrum für Islamische Theologie Münster sowie Moderator des Zertifikatskurses IRU (in NRW).

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