Moschee trifft Weltladen

Ausgabe 247

Ein positiver Nebeneffekt bei der Beschäftigung mit dem Gerechten Handel ist, dass so Muslime und Nichtmuslime in einen wichtigen Austausch treten und zusammenarbeiten können.
(iz). Wieder ist aus Darmstadt ein neues Signal für die muslimischen und nichtmuslimischen Mitmenschen im ganzen Land gesant worden. Nach der einzigartigen, interkulturellen und interreligiösen Jubiläumsveranstaltung zu Umweltschutz und Nachhaltigkeit durch die ehrenamtlich tätige Organisation NourEnergy e.V., ist nun einen Monat später vom 27.-28.11.2015 ein neues Projekt in Gang gesetzt worden. „Fairtrade“ lautete das Motto der Darmstädter Muslime vom Bilal- und Imanzentrum und um dieses Thema näher zu beleuchten, ist eine Kooperation mit dem Weltladen Darmstadt, Fairtrade Deutschland, Halal-Control, ICJA Freiwilligenaustausch weltweit, Entwicklungspolitisches Netzwerk Hessen und Traid-Gold entstanden.
Die Auftaktveranstaltung fand mit einem Vortrag des Islamwissenschaftlers Saber Ben Neticha im Hörsaal der TU Darmstadt am Freitagabend statt. Hier wurde die islamische Sicht des Fairtrade beleuchtet. Am Samstag, den 28.11.2015 ging es dann in der Emir-Sultan Moschee weiter im Programm. In verschiedenen Vorträgen und Workshops sind Themen wie „Todschick“, „Bittere Schokolade“, „Fairgoldet“, „TransFairSiegel“ und „Halal-Konzept“ diskutiert worden. Den etwa 40 Anwesenden, die aus ganz Deutschland angereist waren, war es wichtig, mehr über die Hintergründe und Zusammenhänge des fairen Handels zu erfahren und praktische Tipps für den Alltag zu bekommen.
Eine wichtige Erkenntnis, die vielleicht jeder schon in sich trägt, aber hier tiefer ins Bewusstsein gerufen wurde, ist, dass die Nachfrage das Angebot bestimmt. Durch gezieltes Einkaufen kann der Markt und damit auch der Welthandel zum Besseren beeinflusst werden. Dass er durch das Kaufverhalten sogar positiv verändert werden kann, sehen wir bereits an dem zunehmenden Biotrend. Ein bewusster Konsum in den letzten Jahren hat ganze Ketten von Läden mit Biosiegel-Produkten ins Leben gerufen.
Ähnliches sei auch mit Fairtrade zu erwarten, berichtete Iris Degen vom Vorstand der Weltläden in Hessen, wenn die Menschen stärker dafür sensibilisiert würden. Damit könne die Ausbeutung auf der Welt verringert werden und Arbeiter in Goldminen oder Textilfabriken hätten eine angemessene Arbeitsatmosphäre und Bezahlung. Dass das der eigentliche Sinn des Wortes „Halal“ (was Muslime unter erlaubter Handlung und erlaubtem Konsum verstehen) ist, wurde in einem weiteren Workshop mit Mahmoud Tatari von Halal Control und Kerstin Buda-Friedrich (Fairtrade Deutschland) diskutiert und beleuchtet. Lydia Koblofsky vom Entwicklungspolitischen Netzwerk Hessen zeigte die geschichtliche Entwicklung des Fairtrades in Deutschland auf und betonte die gemeinsamen Ziele der Religionen zu diesem Thema.
Welchen Weg die Kakaobohne auf sich nehmen muss und welche Hürden bis zum Endprodukt überstanden werden, konnte in einem begehrten Workshop mit Petra Schefzyk und Friederike Mühlherr vom Weltladen Darmstadt praktisch erarbeitet werden. Dabei bekamen die Teilnehmer die einmalige Gelegenheit das Getränk Xocolatl selbst herzustellen und die entstehenden Düfte zu inhalieren. Natürlich konnten alle Beteiligten das Getränk am Ende in höchsten Zügen genießen.
Von hohem Interesse war die „todschicke“ Thematik. Annika Eberhardt vom Projekt Globe der „ICJA Freiweilligenaustausch weltweit“ erarbeitete mit den Teilnehmern konkrete und direkt umsetzbare Schritte für den Alltag. Wie man sich kleiden sollte und was beim Einkauf beachtet werden sollte wurde von Fachhand analysiert und dankend angenommen.
Der positive Nebeneffekt bei dieser wichtigen Thematik ist, dass hierdurch Muslime und Nichtmuslime miteinander in Kontakt treten und gemeinsam an diesem Projekt arbeiten. Alle Beteiligten konnten ein schönes Ambiente in der solarbetriebenen und grün beleuchteten Emir-Sultan Moschee erleben. Hier wurden die Gemeinsamkeiten zwischen den Religionen und Kulturen nicht nur angesprochen, sondern es wurde aktiv daran gearbeitet. In Zeiten von Flucht und Konflikten ist es wichtig, Projekte zu unterstützen, die unabhängig von Kultur und Religion sind und dabei nachhaltige Effekte für die Menschen auf der Welt und gleichzeitig auch für die Natur haben.
Die Teilnehmer beendeten die Tagung mit einem Gedankenaustausch über zukünftige Veränderungen und haben bereits begonnen weitere Projekte zu diesen Themen zu planen. Es wurde unter anderem geplant, unter dem Motto „Fairer Tee in der Moschee“ die lokalen Moscheegemeinden für Themen des fairen Handels zu sensibilisieren, sodass sie anstelle des konventionellen Tees auf den ausschließlichen Verbrauch von fair gehandeltem Tee umsteigen.
Eine weitere Idee war es, den jährlich stattfindenden Open-Air-Iftar, bei dem mehr als 1500 Besucher mit biologischen, regionalen und nachhaltigen Nahrungsmitteln gemeinsam ihr Fasten brechen, künftig in „Open-Fair-Fastenbrechen“ umzubenennen. Der Weltladen Darmstadt hatte hier bereits im Sommer 2015 einen Stand.
Darüber hinaus ist die Vernetzung zu anderen Gemeinden und Moscheen ein wichtiges Anliegen. Im Islamischen Informationsservice in Frankfurt werden beispielsweise seit 2011 in dem Info-Laden neben Büchern und Accessoires auch Fairtrade Produkte zum Verkauf angeboten. Auch eine Kooperation mit dem Projekt „Faire Moschee“ von der Dortmunder Wali e.V. Gemeinde ist angestrebt. Viele der Anwesenden freuten sich bereits auf weitere gemeinsame Diskussionen und Austausch zum Themenbereich des fairen Handels auf dem Fachtag der „Fairen Moschee“ am 24.01.2016 in Dortmund.
Insgesamt war die Veranstaltung ein großer Erfolg, da in einem sehr angenehmen Rahmen ein konstruktiver Austausch über wichtige Themen des fairen Handels stattfand und weiterführende Visionen erdacht werden konnten.
Vor allem freuen sich alle Beteiligten dieser wichtigen Thematik, wenn Interessierte dieses deutschlandweite Projekt in ihrer Region mit unterstützen würden. Wer Interesse hat ebenfalls in diesem Bereich aktiv zu werden, ist herzlich eingeladen den Kontakt zu einer der oben genannten Organisationen aufzunehmen.