Der Nahe Osten lebt über seine Verhältnisse. Es braucht neue Konzepte und Ideen

Ausgabe 227

(IPS). Die Arabische Welt gilt weithin als mit Reichtümern gesegnet: schier unendliche Mengen Erdöl (Saudi-Arabien), eines der höchsten Pro-Kopf-Einkommen (Katar) und Heimat des welthöchsten Luxusgebäudes (Vereinigte Arabischen Emirate). Aber ihr fehlt eine der alltäglichsten Ressourcen, die für das menschliche Überleben nötig ist: Wasser.

„Der durchschnittliche arabische Bürger hat acht Mal weniger Zugang zu erneuerbarem Wasser als der durchschnittliche globale Bürger. Mehr als zwei Drittel des verwendeten Oberflächenwassers entstammen außerhalb der Region“, hieß es in einem Bericht des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP), das Ende des Jahres veröffentlicht wurde.

Darin wird gewarnt, wonach der Wassermangel in der Arabischen Welt bald „alarmierende Stände erreicht“. Das habe gravierende Folgen für die menschliche Entwicklung. Im Nahen Osten leben fünf Prozent der Weltbevölkerung von mehr als sieben Milliarden Menschen. Und die arabische Welt umfasst rund zehn Prozent der globalen Landmasse, verfügt aber nur über weniger als ein Prozent der weltweiten Wasservorkommen (sowie nur 2,1 Prozent aller globalen Niederschläge). Mehr als 87 Prozent aller Flächen des Nahen Ostens sind Wüste.

Die Wüstenbildung ist ein weitreichendes Problem in Ländern wie Syrien, Jordanien, dem Irak oder dem Iran. Die größten Verantwortlichen seien nach Ansicht der UN-Wasserexpertin Maude Barlow unhaltbare landwirtschaftliche Anbaumethoden, welche die letzten Grundwasser-Reserven verschlingen würden. „Staudämme und Umleitungen für umfangreiche Bewässerungsprojekte zerstören die Wasserressourcen in alarmierendem Maße“, berichtet sie.

Vor einiger Zeit räumte der Kronprinz des Emirats Abu Dhabi, General Schaikh Mohammed bin Zayed Al Nahyan, ein: „Mir ist Wasser [heute] wichtiger als Erdöl.“ Durch die Bedrohung eines kommenden Wassermangels haben verschiedene arabische Staaten, inklusive der Vereinten Arabischen Emirate (VAE), den Gebrauch unkonventioneller Wasserquellen ausgeweitet. Dazu gehören Entsalzung, gereinigte Abwässer, gesammeltes Regenwasser und andere.

Derzeit ist der Nahe Osten der größte Nutzer von Wasser-Entsalzungsanlagen. Hier liegt die Hälfte der globalen Kapazitäten. Während heute 1,8 Prozent des aus solchen Anlagen stammt, sollen es bis 2025 auf 8,5 Prozent sein. Es wird erwartet, dass es die größten Zuwächse in den reichen arabischen Staaten geben wird. Sie sind nach Ansicht des UNDP diejenigen, die sich diesen energie- und kapitalintensiven Betrieb leisten können.

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon warnte, dass Wassermangel zu sozialen Schwierigkeiten führen könnte, welche die Entwicklung behinderten. In einer Aussage, die sich implizit auf den Nahen Osten bezog, sagte der UN-Chef: „Sie führen zu Spannungen in konfliktreichen Regionen. Oft genug finden wir Gewehre, wo wir Wasser brauchen. Noch gibt es genug Wasser für uns. Aber nur, solange wir es sauber halten, es mit mehr Weisheit benutzen und es gerecht ­teilen.“

Die Studie des UN-Entwicklungsprogramms zählt unter den wichtigsten Herausforderungen für die Wasserwirtschaft im Nahen Osten überforderte Behörden mit unklaren Verantwortlichkeiten auf. Oft fehle es ihnen an der Übereinstimmung mit bestehenden Gesetzen sowie am Willen, Regeln durchzusetzen.

Nach Ansicht von Barlow habe der Erdölreichtum der Araber dazu geführt, dass einige wohlhabende Staaten ihre Wasserarmut maskierten. Dies schaffe den falschen Eindruck, als ob sie sich von der kommenden Krise freikaufen könnten. Mit den Vereinten Arabischen Emiraten befände sich am Persischen Golf ein Land, in dem die Einwohner den höchsten Pro-Kopf-Wasserverbrauch hätten.

Neben dem übermäßigen Einsatz von Entsalzungs-Anlagen für den Bau neuer Städte und die Bewässerung von Wüstenflächen. Wissenschaftler würden bereits vor der Gefahr von „peak salt“ warnen. Das heißt, dem Punkt, an dem der Golf so versalzen sein wird, dass es sich ökonomisch nicht mehr lohnt, ihn als Wasserquelle zu nutzen. Hinzu käme, so die Expertin, dass der Großteil der Abwässer im Nahen Osten nicht ausreichend geklärt werde beziehungsweise überhaupt nicht gereinigt würde.

„Nur eine gemeinsame Anstrengung, das Wasser in der Region kämpferisch zu beschützen wird Übernutzung, Verschmutzung und offenen Diebstahl von Wasser verhindern.“ Die Ressource sei ein öffentlich anvertrautes Gut und ein Menschenrecht. Gemeinsam mit „strikten Gesetzen“ solle so diese kommende Krise in der arabischen Welt verhindert werden.