„Muslime & Globalisierung“ – Der Erdölfachmann Dr. Duncan Clarke ist nicht von der Peak-Oil-Hypothese überzeugt. Interview: Dawud Stewart Hurrell

Ausgabe 209

(iz). Mit über 30 Jahren Berufserfahrung in den Bereich Öl und Gas ist Dr. Duncan Clarke Berater für unzählige Firmen und Regierungen. Seit den frühen 1980er Jahren schriebt er grundlegende Forschungsarbeiten zum Thema. 2007 veröffentlichte er das Buch „The Battle For Barrels: Peak Oil Myth & World Oil Futures“. Mit ihm sprach Dawud Stewart Hurrell über Hypothese eines vermeintlichen globalen Ölfördermaximums (Peak Oil), das heißt, dass die globale Erdölerzeugung mittlerweile ihr größtmögliches Potenzial überschritten hätte und nun nicht mehr genug Vorkommen erschlossen werden, um die erschöpften auszugleichen.

Frage: Die Vorstellung eines globalen Ölfördermaximums hat viele Anhänger. Verteidiger dieser Hypothese gehen davon aus, dass der Höhepunkt der Erdölförderung überschritten ist…

Dr. Duncan Clarke: Es ist nicht geschehen – und wird nicht geschehen. In den letzten Jahren hat das Peak Oil-Syndrom einen Teil seiner Anhänger verloren, da es sich immer mehr von der Realität entfernt. Dank der Entdeckung neuer Vorkommen und der Eröffnung neuer Bereiche mit hohem Potenzial, während die Technologien weiter voranschritten (wie sie dies immer tun). Dies liegt aber auch an Entwicklungen in Bezug der Lagerstätten im Schiefergestein. Außerdem wurden Förderkapazitäten in Schlüsselzonen erhöht: Irak ist nur eine von ihnen, Saudi-Arabien eine andere. Die USA und Brasilien gehören ebenfalls dazu. Mit der klimatologischen Fixierung wird die Bevorzugung von Treibstoffen ohne Kohlenwasserstoffe von Regierungen (üblicherweise durch Subventionen) dem Großteil der Energiewelt aufgezwungen. Innerhalb der Erdölindustrie haben Vorstellungen vom Erreichen ­eines globalen Ölfördermaximums wenige Anhänger; und dies kommt von der ­größten Ansammlung der führendsten Geologen auf dem Planeten!

Frage: Warum hat diese Hypothese so viele Anhänger?

Dr. Duncan Clarke: Das so genannte Wachstum der „Peak Oil“-Anhänger ist eine Illusion. Sie stellen keinen Vergleich zu den weitaus größeren Stimmen dar, die ihren religiösen Thesen widersprechen. Das theoretische Modell für ein globales Ölfördermaximum ist in seinen konzeptionellen und wirtschaftlichen Aspekten zutiefst fehlerhaft – auch in Hinblick auf Geschichte, Realpolitik und empirische Belege. Es basiert auf selektiven Schlüssen und Annahmen, die sich bei genauerer Betrachtung als „Kaiser ohne Kleider“ erweisen.

Geschieht dies normalerweise im wissenschaftlichen Milieu, wird eine Hypothese aufgegeben. Die Lobby für die Peak Oil-Hypothese besteht aber aus einer Mischung von Aktivisten, Ideologen und Sonderinteressen.

Frage: manche behaupten, man könne nicht mit den Fakten im Boden ­argumentieren…

Dr. Duncan Clarke: Das Modell des globalen Erdölfördermaximums ist ein statisches. Seine Ergebnisse stehen wegen der numerischen Festlegungen und vorhersagbaren, parametrischen Linearität vorab fest. Es steht in keinem Zusammenhang mit der Komplexität des weltweiten Öl- und Gasspiels, des vermarkteten und nichtvermarkteten Öls, der Energiedynamik, der sich wandelnden Geopolitik, der verwirrenden Fragen der Reserven über dem Boden (…) und der Weise, wie die Erdölindustrie im letzten Jahrhundert funktioniert hat.

Frage: Ein weiteres Argument ist, dass die Bohrungen der Erdölleute immer tiefer gehen. Was ist Ihre Sicht?

Dr. Duncan Clarke: Natürlich …, Bohrungen gingen immer schon „tiefer“ – und in neue Bereiche. Dieses Muster wird andauern. Früher war es an Land, dann in den Küstenzonen, dann im freien Meer und jetzt extrem tief. Dieser Prozess wird nicht aufhören. Selbst in so genannten reifen Zonen erlauben neue Technologien die Verlängerung ihrer Lebenszeit und die Erhöhung ihrer Förderraten.

Immer mehr Erdöl wird von Regierungen oder staatlichen Erdölfirmen kontrolliert, sodass der Druck auf Privatfirmen im Laufe der Zeit zugenommen hat. Sie sind zu neuen Unternehmensstrategien gezwungen und müssen ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten. Hinzu kommt, dass härtere Vertragsbedingungen und ein Ressourcen-Nationalismus viele Firmen davon ausschließt, in potenziell ergiebigen Zonen zu operieren. Diese Lage erzeugt suboptimale Bedingungen, die Förderung und Versorgung beeinträchtigen.

Frage: 80 Prozent der weltweiten Erdölreserven liegen in den Händen staatlicher Erdölfirmen. Hat dies Einfluss auf die Peak Oil-Theorie?

Dr. Duncan Clarke: Staatliche Eingriffe sind direkte und normalerweise unvollkommene Interventionen in den Markt. Sie tendieren unausweichlich zu suboptimalen Ergebnissen. Und so agieren sie, um die Versorgung langfristig zu begrenzen. Die OPEC ist ein solches Konstrukt, Ressourcen-Nationalismus wie in Venezuela ein anderes. Russland wäre besser dran, wenn es tausenden unabhängigen Firmen erlauben würde, seine Reserven auszubeuten. Der Iran hat seine langfristige Versorgung durch selbstverschuldete politische Initiativen beschädigt. Überall steigt der staatliche Zugriff, was die maximal effektive Ausbeutung der Ressource einschränkt.