"Muslime & Globalisierung" – Kritische Stimmen bezweifeln Relevanz des Weltwasserforums. Das Blaue Gold ist zum internationalen Zankapfel geworden. Von A.D. McKenzie

Ausgabe 202

(IPS). Nicht von ungefähr gilt die ­lebenswichtige Ressource Wasser seit Längerem als das „Blaue Gold“. Geostrategen, Ökologen und Hydrologen glauben, dass potenzielle Konflikte – mancher spricht schon von „Wasserkriegen“ – den Streit um Erdöl oder Erdgas um ein Vielfaches übersteigen könnten. Regionen, die bereits heute unter Druck stehen, sind das Gebiet zwischen Türkei und Israel, die Anrainerstaaten am Nil oder der Indische Subkontinent.

Im Vorfeld des Weltwasserforums, das am 12. März in Marseille begann, bezweifelten Nichtregierungsorganisationen die Relevanz dieses Events. Außerdem bestünde hier eine zu große Nähe zu den Wasserkonzernen. Die Vereinten Nationen erklärten hingegen, dass ein koordinierter Ansatz in der Wasserverwaltung und seiner Verteilung entscheidend sei. Auf der Konferenz in der französischen Hafenstadt wurde der, alle drei Jahre erscheinende UN-Report zur weltweiten Wasserentwicklung (WWDR) vorgestellt. Unter dem Titel „Wasserwirtschaft in Zeiten von Unsicherheit und Risiko“ beschreibt der Bericht ein ernüchterndes Bild der Folgen einer unsachgemäßen Handhabung von Wasserfragen. Experten warnen vor politischen Konflikten um Rohstoffe, Gefährdung ­seiner zukünftigen Verfügbarkeit und einer Abnahme von wirtschaftlicher und sozialer Wohlfahrt. „Wir wären gerne optimistisch, aber es herrscht ein steigender Druck in Sachen Wasser. Dies könnte seine Verfügbarkeit weiter reduzieren. Das ist ein düsteres Bild“, sagte Dr. ­Olcay Ünver vom UN-Programm für die Begutachtung von Wasser, welches den Bericht mitverfasste.

Der Einsatz ist hoch: Mehr als eine Milliarde Menschen hat keinen ausreichenden Zugang zu Wasser und 1,4 Milliarden fehlt Strömt (der durch Wasserkraft erzeugt werden kann). 2050 soll die Weltbevölkerung bei 9 Milliarden ­liegen. Dementsprechend stiege die ­Nachfrage. Die UNO schätzt, dass diese Nachfrage in Entwicklungsländern um 50 Prozent steigen könnte. Mehr als 40 Prozent aller Länder, insbesondere die armen in Schwarzafrika und Asien, könnten ab 2020 unter Frischwassermangel leiden.

„Wenn man andere Industrien betrachtet, wird die Politik üblicherweise nicht auf einer kommerziellen Messe [wie in Marseille] bestimmt, sondern von ­Regierungen oder auf UN-Ebene der Vereinten Nationen. Aber im Falle des Wassers haben wir einen so genannten Weltwasserrat, der alle drei Jahre das Weltwasserforum abhält“, sagte die italienische NGO-Aktivistin Gabrielle Zanzanaini. Sie berichtet, dass Aktivis­ten für Wassergerechtigkeit nicht glauben, dass private Unternehmen „diktieren“ sollten, wie eine globale Wasserpolitik auszusehen hat. Sie wollten vielmehr sehen, dass es eine wirkliche Beteiligung der Gesellschaft an der Wasserwirtschaft gibt. Mangelnde Koordination und fehlende Abkommen führten zu Konflikten, wenn mehrere Länder sich einen Fluss teilen, wie der Mekong in Südostasien. Hier beeinträchtigt der Bau von Staudämmen Feuchtgebiete und Fischerei, erklärt Alain Vidal.

Vidal ist ein französischer Agronom und Ökologe, der die NGO Challenge Programme on Water and Food (CPWF) leitet. „Die Herausforderung besteht darin, dass Staudämme die Wasser- und Lebensmittelsicherheit nicht beeinträchtigen.“ Vidals NGO ist der Ansicht, dass ein anhaltender Dammbau im Mekongbecken die Fischergemeinden in der Region schädigen werde. Hinzu käme die Verunreinigung landwirtschaftlicher Nutzflächen in Vietnam durch das Eindringen von Salzwasser.

„Die Welt ist heute ein sehr anderer Ort, weil die Beschäftigung mit Unsicherheiten – die in Zusammenhang mit Lebensmittel, Energie und Wasser stehen – sich ganz vorne auf der Liste globaler Entwicklungsstrategien befinden. Insbesondere in den am wenigsten entwickelten Ländern“, erklärt der ­Wasser-Aktivist Vidal. Lebensmittelsicherheit ist einer der Schwerpunkte in dem Bericht der Vereinten Nationen. Demnach steige die globale Nachfrage nach Nahrungsmitteln in den kommenden vier Jahrzehnten um 70 Prozent. Dies erhöht die Belastung der Ressource Wasser durch die Landwirtschaft.