Mehr als in Silicon Valley. Die neuen Geschäftsfrauen im Nahen Osten meinen es ernst

Ausgabe 222

Es häufen sich die Hinweise darauf, dass Unternehmerinnen öfter im Nahen Osten zu finden sind als in Silicon Valley, der Hauptstadt für Firmengründungen. Einige meinen sogar, die Region tue mehr für sie, um ein Geschäft zu beginnen.

(IPS). Jasmine Elayat, eine Amerikanerin ägyptischer Herkunft, die in Silicon Valley zur Welt kam und dort aufwuchs, sprach mit IPS. Sie habe den Eindruck, dass das „Ökosystem“ von Investoren, Geschäftsförderern und anderen Unternehmern in Ägypten und im Nahen Osten besser sei als in den USA oder in Europa, wo sie bis 2011 am Aufbau ­ihrer Medienfirma GroupStream arbeitete. „Es ist eine motivierendere Umgebung für Firmengründerinnen“, sagte sie. „Hier geschehen andere Dinge; nennen Sie es Kultur oder Umgebung.“

Das einzige Mal, dass ihr Geschlecht thematisiert wurde, geschah nach Anga­ben der 31-jährigen in Europa während einer dreimonatigen Ausbildungszeit für künftige Firmenchefs in Kopenhagen. Ein männlicher Unternehmer aus Osteuropa war geschockt, dass sie keine Angestellte ihrer Firma war, sondern deren Gründerin. Und bei einer anderen Gelegenheit, nachdem sie ihr Geschäftsmodell einer Runde vorstellte, richtete ein männlicher Betreuer alle Fragen an ihren männlichen Mitbegründer. ­Elayat gehört zur wachsenden Gruppe von Frauen im Nahen Osten und Nordafrika (MENA), die sich in unternehmerische Wagnisse stürzen. Allerdings ist es nicht einfach, die Größe dieses Personen­kreises zu bestimmen.

Eine jüngst veröffentliche Studie der Organisation Global Entrepreneurship Monitor (GEM) behauptet, dass Frauen in der Region weltweit die geringste Wahrscheinlichkeit hätten, ein Geschäft zu beginnen. Nur vier Prozent der erwachsenen, weiblichen Bevölkerung seien als Unternehmerinnen zu betrachten. Ein großes Problem mit der Studie ist jedoch, dass keine Daten zu den Startup-Schwerpunkten Jordanien, Libanon, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar vorliegen.

In Jordanien liegt die Menge der von Frauen geführten Neugründungen bei fast einem Drittel – und damit in der Nähe des globalen Durchschnitts von 37 Prozent. Und in Ägypten, so Hossam Allam, Gründer der Investmentgruppe Cairo Angels, hätten rund die Hälfte aller Firmen, in die sein Unternehmen inves­tiert habe, Führungsteams mit gemischten Geschlechtern. Außerdem entspricht dies den Verhältnissen bei regionalen ­Ideen- und Unternehmerwettbewerben wie dem 2012 MIT Enterprise Forum Arab Startup Competition. Dort waren beinahe die Hälfte aller Mitbewerber ­Frauen – inklusive der Gewinnerin Hind ­Hobeika.

Die Menge der Unternehmerinnen in der Region liegt wahrscheinlich irgendwo in der Mitte, zwischen 15 und 20 Prozent. Nur um die Ergebnisse der GEM-Studie ins rechte Licht zur rücken: 10 Prozent der erwachsenen US-Frauen sind unternehmerisch tätig und 5 Prozent in den höher entwickelten ­Gebieten Europas.

Es gibt mehrere Gründe für das Wachstum von Chefinnen im Nahen Osten. Unter anderem liegt es daran, dass sich mit der Zunahme von Unternehmerinnen auch das Klima für Neugründungen verbessert hat. Nicht nur ­vervielfältigten sich in den letzten drei Jahren die Fördereinrichtungen in den wichtigen Städten der Region. Das gleiche gilt für Organisationen und Wettbewerbe, die sich gezielt auf Frauen ­spezialisierten.

Neben der gezielten Geschäftsförderung liegt die Entwicklung an einem besseren Zugang zur höheren Bildung und an den Möglichkeiten, die das Internet bietet. Die Weltbank berichtet, dass heute mehr Frauen als Männer im Nahen Osten eine Universität besuchen. Und GroupStream-Gründerin Elayat berichtet, dass im Vergleich zu ihrem ersten Semester während ihres Studiums der Computerwissenschaften in den USA, wo sie eine von zwei Studentinnen war, die Mischung der Geschlechter in der Amerikanischen Universität Kairo gerecht zwischen Männern und Frauen verteilt gewesen sei.

Die Mitbegründerin der arabischsprachigen Webseite Supermama, Jasmine el-Mehairy, berichtet, dass im Vergleich zu der geringen Anzahl an Studentinnen, die Computer und Ingenieurwissenschaften im Westen studieren, Mädchen in der arabischen Welt wegen ihrer guter Noten durch die ansonsten schwer zugänglichen Kurse geschleust würden. „Frauen neigen dazu, härter auf der Oberschule zu arbeiten. Daher fällt es ihnen leichter, bessere ­Noten zu kriegen, während Männer eher interessiert sind an Fußball und PlayStations“, sagt sie.

Der Ökonom und Wirtschaftsjournalist Ludwig Siegele schrieb im Juli, dass die Anzahl der Unternehmensgründungen von Frauen noch weiter wachsen könne, weil das Internet nicht per se männlich dominiert sei. Es ermöglicht gebildeten Frauen, eine Firma zu Hause zu gründen – wie beispielsweise in Saudi-Arabien, wo Familien Einspruch dagegen erheben könnten, dass sie auswärts arbeitet.

Sarah Abunar, die 28-jährige Mitbegründerin der ägyptischen Firma EduKitten, die arabischsprachige Edutainment-Apps verkauft, berichtet von ihren realen Erfahrungen im Umgang mit Geschlechterfragen in der arabischen Geschäftswelt.

Dazu gehört, dass sie Investoren davon überzeugen müsse, dass zwei Frauen genauso viel Zeit in ihr Geschäft investieren könnten wie männliche Firmengründer. Andere würden ihr erzählen, dass sie kein Unternehmen leiten können, weil sie Zeit bräuchten, um sich um ihr Haus, Ehemann und Familie zu kümmern.

Aber sie hat dafür auch eine Lösung gefunden, der alle Unternehmerinnen folgen, mit denen ich gesprochen habe. „Verschwenden Sie keine Zeit damit, die Leute davon zu überzeugen, dass Sie gut sind… Verbringen Sie keine Zeit damit. Handeln Sie und Ihre Taten zählen mehr als Worte.“