„Muslime & Globalisierung“ – Reflexionen eines muslimischen Umweltaktivisten über die Pariser Klimagespräche vom Dezember. Von Fazlun Khalid

Ausgabe 247

(iz). Der Anfang des Monats Dezember sah den Beginn der Klima­gespräche von Paris. Üblicherweise als UN-Klimakonferenz in Paris (COP 21) bekannt, tagte die Konferenz eine Woche. Dabei handelte es sich um einen wichtigen Punkt in den Marathongesprächen, die seit langem abgehalten werden. Ihr Ziel ist es, einen Ersatz für das Kyoto-Prokoll zu finden, das 2012 auslief. Das Pariser Treffen hatte die Aufgabe, eine Übereinkunft zwischen beinahe 200 Nationalstaaten zu finden. Es soll einen katastrophalen Klimawandel aufhalten. Dieser birgt die potenzielle Gefahr, einen Planeten, den unsere Kinder erben werden, permanent zu degradieren.

In gewissem Sinne hat uns die globale Klimaerwärmung überrascht. Der Schaden war bereits angerichtet. Als wir in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts die Folgen unseres Handelns erkannten, war es bereits zu spät. Die folgenden Jahre sahen öffentliche Streitigkeiten, während wir versuchten, die Uhr zurückzudrehen, die Durchschnittstemperaturen und die atmosphärische CO2-Konzentration zu stabilisieren. Nun waren wir in Paris und es scheint, als sei ein genereller Konsens über die allgemeine Bedrohung erzielt worden, die uns alle betrifft. Der Teufel steckt jedoch im Detail. Die Frage ist jetzt, ob dieses beispiellose Treffen der Nationalstaaten uns Hoffnung für die – unmittelbare – Zukunft gibt.

Unsere NGOs Islamic Fundation for Ecology and Environmental Sciences (IFEES/Eco Islam) und Islamic Relief Worldwide vertraten die muslimische Position auf der Pariser COP 21-Konferenz. Wir arbeiten seit Jahren zusammen, aber der Klimawandel hat uns noch enger zusammengeführt. Unsere Kooperation bei der Niederschrift und Vorstellung der islamischen Erklärung zum Klimawandel in Istanbul (August 2015) verstärkte unsere Zusammenarbeit noch weiter. Ich wurde gebeten, eine muslimische Einschätzung auf einer Sonderveranstaltung in Paris im Rahmen von COP 21 zu geben. Ihr Publikum bestand aus Klimaforschern, Unterhändlern und Theologen.

Unsere Deklaration hat vier Absichten: Die COP 21-Konferenz in Paris über Prinzipien aufzuklären, die in den islamischen Lehren ausgedrückt werden; als Gedankenstütze für Delegierte aus muslimischen Ländern und als Bildungsressource für die muslimische Welt zu dienen; und um solidarisch mit Menschen aus anderen Traditionen zu interagieren.

Wir sollten, um beim Thema Solidarität zu bleiben, zwei Fakten betrachten: Rund 80 Prozent unseres Körpers sind aus Wasser gemacht. Und die Menge des Wassers auf dem Planeten ist begrenzt. Dieses wurde von Jahrtausend zu Jahrtausend unglaublich oft recycelt. Ich könnte heute mit einer Ressource duschen, die einmal in einem Strom durch Afrika floss oder mit dem einst ein chinesischer Bauer seine Felder goss. Wir sind unwiderruflich miteinander verbunden. Wir sind eine gemeinsame Spezies, eine Familie. Aus diesem Grund werden wir im Qur’an – nachdem wir als Völker, Stämme und Gemeinschaften beschrieben werden – dazu aufgerufen, einander kennenzulernen. Dieses Kennenlernen ist ein Prozess des Austausches, des Dialogs, des Konsens und des Streits.

Es gibt noch mehr. Die gleichen Moleküle könnten in der Vergangenheit durch den Körper eines Elefanten, eines Adlers oder eines Wals geströmt sein. Im Qur’an findet sich die Erinnerung, dass die Wesen, die krabbeln und fliegen, Gemeinschaften wie wir bilden. Warum handeln wir also gewaltsam gegen die nicht-menschliche Welt, mit der wir 90 Prozent der bekannten Erbanlagen gemein haben? Und zwar in einem solchen Ausmaße, dass wir zur Bedrohung für die Bio-Diversität des Planeten geworden sind. Wir sind eine Bedrohung für den Planeten selbst, indem wir ihn jenseits dessen erhitzen, was er zu ertragen vermag.

Ein aktuelles NASA-Foto, das aus großer Entfernung aufgenommen wurde, zeigt uns die Begrenztheit der Erde. Es zeigt keine Karte mit Grenzlinien von beinahe 200 Nationen, die alle um ihren Anteil am Kuchen herum trennen. Wir müssen die reichen Staaten daran erinnern, dass sie um der Gleichheit und Gerechtigkeit Willen weniger verlangen müssen, um es den armen Nationen zu ermöglichen mehr als nur Krumen zu haben.

Sollte dies nicht gelingen, werden die jüngsten Vorschläge für nachhaltige Entwicklung nur ein paar Allgemeinplätze wie in der Vergangenheit sein. Das ist eine Herausforderung für die Wachstumsvorstellungen, die von jedem einzelnen Nationalstaat verfolgt werden. Die simple Logik ist: Die Reichen müssen der Erde weniger entnehmen, damit die Armen ein Minimum einer nachhaltigen Lebensweise haben können. Sollte das nicht geschehen, dann wird die Schwelle von 2 Grad Celsius an globaler Erwärmung, die als oberes Limit gilt, sicherlich überschritten werden. Diejenigen, die unter unserem gegenwärtigen übermäßigen Konsum leiden, werden unsere Kinder sein. Wenn wir nicht mehr sind, können wir ihre Flüche nicht hören. Aber wollen wir das auf unserem Gewissen haben?

Folgt uns für News auf:
https://www.facebook.com/islamischezeitungdea

und:
https://twitter.com/izmedien

Noch kein IZ-Abo? Dann aber schnell!
http://www.islamische-zeitung.de/?cat=abo