Nach der Abstimmung: Abwarten und Kaffee trinken

Foto: Yildiz Yazicioglu (VOA) | Lizenz: Public Domain

Mit einem denkbar knappen Wahlergebnis haben die Türken am 16. April für die Verfassungsreform gestimmt. Das Endergebnis besagt, dass 51,4 Prozent der Wahlberechtigten mit Ja abstimmten.
Istanbul (KNA). Der Tag nach dem Referendum hatte ruhiger begonnen, als die meisten Istanbuler es wohl erwartet hatten. Am Montagmorgen sitzen am Galataturm ein paar Menschen in den Straßencafes und genießen die Sonne des ersten warmen Frühlingstages. Die Gegend um den im 13. Jahrhundert von den Genuesern erbauten Turm war lange das Zentrum der religiösen Minderheiten.
Mit 51,4 Prozent hatten etwas mehr als die Hälfte der Wähler für die umstrittene Verfassungsänderung gestimmt, mit dem Präsident Recep Tayyip Erdogan mehr Macht erhält. Für Erdogans Kritiker ist das Ergebnis ein Schock. Noch in der Nacht nach Bekanntgabe der ersten Ergebnisse gingen aufgebrachte Bürger auf die Straßen.
Die größten Oppositionsparteien zweifelten das Ergebnis an. Über ein Drittel der Wahlzettel seien ungültig. Die Wahlbehörde dagegen bekräftigte am Montagmorgen, die Auszählung sei korrekt verlaufen. Die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sprachen von „schweren Mängeln“. Zwar habe es technisch keine größeren Probleme gegeben, viele Wähler aber seien nicht ausreichend oder unvoreingenommen über die Hauptaspekte der Wahl informiert worden.
Befürworter der Verfassungsänderung vergleichen den von Erdogan vorangetriebenen Umbau des Staates oft mit dem Präsidialsystem der USA oder Frankreichs. Er ernennt das Kabinett und hat das Recht, das Parlament aufzulösen. Sein Einfluss auf die Rechtsprechung dürfte weiter steigen. Zudem wurde die Pressefreiheit in den Monaten nach dem Putschversuch im Sommer vergangenen Jahres massiv eingeschränkt.
Die ersten Reaktionen von europäischer Seite fielen zurückhaltend aus. Man nehme das Abstimmungsergebnis zur Kenntnis, teilten EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und der für die Beziehungen zu den EU-Anrainern zuständige Kommissar Johannes Hahn in einer gemeinsamen Stellungnahme mit.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) teilten mit, der knappe Ausgang der Abstimmung zeige, wie tief die türkische Gesellschaft gespalten sei. Auf Erdogan laste eine große Verantwortung. Moderate Töne gegenüber dem Präsidenten, der im Wahlkampf den Europäern vorgeworfen hatte, einen „Kreuzzug“ gegen den Islam zu führen.