Nach Pariser Attacken: Deutschlands Muslime bezogen eindeutig Stellung. Von Ali Kocaman

Ausgabe 246

Deutschlands muslimische Organisationen haben schnell und einhellig Stellung zu den Pariser Mehrfachanschlägen bezogen. Eine gemeinsame, symbolische Mobilisierung steht noch aus.

(IZ/Agenturen). Die Mehrfachanschläge vom Abend des 13. November erschütterten nicht nur die französische Hauptstadt und ihre Einwohner. Sie wirken auch auf die hiesige Landschaft. Wie zu erwarten kamen schnell die reflexartigen Forderungen nach „Gesetzesverschärfungen“, die medialen Schlagzeilen waren auf Wochen gesichert und die bereits gereizte Islamdebatte wurde noch einmal verschärft.

Entgegen eines häufig geäußerten Verdachts haben sich die deutschen Muslime zeitnah, eindeutig und hörbar zu Wort gemeldet. „Wir sind bestürzt und entsetzt“, hieß es auf einer Pressekonferenz mehrerer Organisationen am 16. November in Köln. Getragen wurde sie von den in der Deutschen Islamkonferenz (DIK) vertretenen Verbänden. Die Anschläge seien „auch ein Angriff auf uns“. Terror stehe in gänzlichem Widerspruch zur Barmherzigkeit Gottes, hieß es in ihrer Erklärung. „Die Mörder von Paris irren, wenn sie glauben, sie seien die Vollstrecker eines göttlichen Willens.“ Mitgetragen wurde der Text von den Mitgliedern des Koordinationsrates der Muslime (KRM): DITIB, Islamrat, VIKZ und Zentralrat der Muslime (ZMD). Mitunterzeichner waren die Islamische Gemeinschaft der Bosniaken, der Zentralrat der Marokkaner sowie die Islamische Gemeinschaft der Schiiten.

In einem Interview mit dem Deutschlandfunk (DLF) vom 15. November sprach der Chef des ZMD, Aiman Mazyek, über die Gefahr eines erstarkten Generalverdachts. Er befürchte, dass wir jetzt in den nächsten Wochen und Monaten „wieder in eine Rechtfertigungsmaschinerie kommen“. Seine Sorge vor wachsender Islamfeindlichkeit brachte auch Gökay Sofuoglu zum Ausdruck. Der Chef der Türkischen Gemeinde in Deutschland zeigte sich besorgt, dass Gruppierungen und Parteien wie die AfD oder PEGIDA aus den Pariser Morden Nutzen ziehen könnten. „Wir Muslime müssen den Terror jetzt entschieden und für jeden laut hörbar verurteilen.“

Gleichzeitig forderte Mazyek einen offenen, allgemein selbstkritischen Umgang mit der Materie. „Es gibt da durchaus Versagen, ja, aber es ist ein gesamtgesellschaftliches Versagen. Diese Kinder, diese Jugendlichen, diese Kinder, sie sind auch in deutsche Schulen gegangen, (…) sie haben gleichermaßen wie jeder andere eine Sozialisation in Deutschland erhalten. Also müssen wir uns alle an die Nase packen, was haben wir falsch gemacht, dass Deutschland Exporteur von Hunderten von sogenannten Dschihadisten ist, die im Nahen Osten kämpfen?“, sagte er bezüglich der Verantwortung bei der Radikalisierung von Attentätern.

Parallel zur allgemeinen Stellungnahme und Pressekonferenz meldeten sich auch einzelne Bundesverbände von Muslimen zu Wort. Der ATIB-Vorsitzende Ihsan Öner sagte über die Pariser Gewalt: „Wir verurteilen erneut jegliche Terroraktionen, (…) gegen wen auch immer diese verübt werden, aufs Schärfste. Derartige Verbrechen können und dürfen wir nicht akzeptieren. Es reicht! (…) Wir sprechen unser herzlichstes Beileid den Hinterbliebenen und Familien und allen Menschen aus und wünschen den Verletzten baldige Genesung.“

„Die Terroranschläge in Paris erschüttern, sie machen fassungslos, sie schockieren, sie stürzen uns in tiefe Trauer. Das Festhalten an unseren freiheitlich pluralistischen Werten ist das Gebot der Stunde“, war die erste öffentliche Reaktion des Vorsitzenden der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG), Kemal Ergün.

Der Verband der Islamischen Kulturzentren e.V. (VIKZ) verurteilte „die grausamen und terroristischen Anschläge von Paris, bei der unzählige Menschen getötet und verletzt wurden, auf das Schärfste“. Sie seien ein Anschlag auf die Menschlichkeit.

Auch viele lokal organisierte Muslime haben sich mit den Ereignissen von Paris beschäftigt und ihre Anteilnahme öffentlich ausgedrückt. In vielen größeren und mittleren Städten kam es zu spontan organisierten Mahnwachen und Veranstaltungen. „Mit Abscheu und Entsetzen“ reagierte die Konferenz Islamischer Landesverbände (KILV) auf die gestrige Terrorserie von Paris, bei der mindestens 120 Menschen getötet wurden. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss muslimischer Dachverbände auf Ebene von acht Bundesländern. „Unsere Gedanken und Gebete sind bei den Opfern und ihren Angehörigen“, erklärte KILV-Sprecher Mustafa Yoldas. Auch wenn sich die Attentäter und ihre Hintermänner und Sympathisanten wieder auf den Islam berufen, für die überwältigende Mehrheit der Muslime sind sie unser gemeinsamer Feind“, sagte der Hamburger Yoldas.

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