NRW-Wahlen: Kann es ein konstruktives Verhältnis von Piraten zu potenziellen, muslimischen Wählern geben?

Ausgabe 203

(iz). Irgendwie sind die Piraten ja knuffig. Manche finden das scheinbar unorganisierte, kreative Chaos der neuen, rapide anwachsenden Partei faszinierend, wenn nicht gar süß. Der Wille zur Macht ist offenkundig. ­Immerhin ist ihre Motto ja auch „Klar machen zum Entern!“. Die Piraten wollten sich, so der mittlerweile über einen NSDAP-Vergleich gestrauchelte Pirat Delius, in Richtung Regierung bewegen.

Treffen die Neopolitiker auf Realpolitik, wird sich erweisen, ob sie alles neu machen, oder ob sie Fakten zur Übernahme von Kompromissen zwingt. Der erste Test sind die für den Mai angesetzten Neuwahlen im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen. Insbesondere hier gibt es aktuelle Entscheidungen in Sachen Integration und Islam – wie den Islamischen Religionsunterricht. Sollten die Piraten hier auf eine Entscheidungsfindung durch das ungeordnete, wabernde Inter­net setzen, stellen sich sicherlich viele Muslime die Frage, was ihre Positionen sein werden.

Politikinteressierte Muslime, die in der Vergangenheit mehrheitlich Rot-Grün die Treue hielten, werden sich die rapide wachsende Partei genau anschauen. Noch ist unklar, wie sich diese Partei in dem Politikfeld „Islam“ positionieren will. Dies macht eine Wahlentscheidung von Seiten muslimischer Wähler in NRW auch nicht nicht leichter für Muslime. Bei Grünen, der SPD und der CDU sind die grundsätzliche Punkte bekannt. So unterstützten alle drei den wegweisenden Beschluss zur Einführung des IRU. Hier werden auch die Piraten Stellung beziehen müssen, wollen sie die Wahlberechtigten unter den rund 1,3 Millionen NRW-Muslimen ansprechen.

Ein Interview der Katholischen Nachrichtenagentur vom 25. April mit den NRW-Spitzenkandidaten der Pira­ten in dem Bundesland, Joachim Paul, muss auf jeden Fall skeptisch stimmen, ob diese Partei die richtige für Muslime sein wird. Dank der medialen Debatte um „anti-semitische, anti-muslimische oder NS-relativierende Äußerungen an der Piraten-Basis“ (wie die „Zeit“ berichtete) besteht hier Klärungsbedarf. Dieser lässt sich auch nicht damit entkräftigen, dass ­Parteiaktivisten noch „unerfahren“ oder gar „überfordert“ seien.

Joachim Paul sieht im Gesellschaftsbild seiner Partei „schon eine ­kulturelle Barriere auch zum nichtextremistischen traditionellen Islam“. Dass der Spitzen-Pirat in NRW die „Kultur“ bemühen muss, zeigt, dass die ansonsten hippen Piraten noch nicht auf der Höhe der Debatte angekommensind. Was übrigens ein „nichtextremistischer traditio­neller Islam“ sein soll, hat Paul nicht gesagt. „Viele in der Partei sind bereit, gegenüber einem rückwärtsgewandten Islam ganz klare Kante zu zeigen“, meint der NRW-Oberpirat. (M. Khan)

Aktueler Lesetipp (Link zu einem ZEIT-Artikel vom 26.4.2012:
Ein WLAN-Anschluss macht noch keinen Demokraten