NSU-Komplex: Der Fall Hessen bestärkt die kritischen Stimmen

Ausgabe 238

Es gibt neue Hinweise auf die mögliche Mitwisserschaft eines hessischen Verfassungsschutz-Mitarbeiters bei einem Neonazi-Mord. Damit befasste sich im März ein Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags.

(GFP.com). Am 6.4.2006 wurde der Kasseler Internet-Café-Inhaber Halit Yozgat durch den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) ermordet. Anwälte, die seine Familie vertreten, haben neue Indizien dafür, dass ein V-Mann-Führer des hessischen Verfassungsschutzes vorab Kenntnis von Tatplänen und Tatort gehabt haben könnte. Eine Aufklärung ist durch den Verfassungsschutz und das hessische Innenministerium, dem er untersteht, erheblich behindert worden.

Der Fall, der zum wiederholten Mal Gegenstand der öffentlichen Debatte wird, zeigt exemplarisch, wie sich in von außen kaum kontrollierten Sicherheitsbehörden Strukturen herausbilden, die in diversen Fällen das Erstarken faschistischer Organisationen begünstigten und regelmäßig sogar die Aufklärung neonazistischer Verbrechen erschwerten.

Die Umstände des Mordes hatten von Anfang an Verdacht gegen den hessischen Verfassungsschutzbeamten Andreas Temme geweckt. Yozgat war am 6. April 2006 um ungefähr 17 Uhr hinter dem Tresen seines Internet-Cafés in Kassel erschossen worden. Temme hatte sich am Mordtag von 16.50 Uhr bis 17.01 Uhr in dem Internet-Café aufgehalten, verheimlichte dies allerdings zunächst vor der Polizei, die ihn Tage später aufspürte und am 21. April kurzzeitig festnahm. Er hat stets erklärt, beim Verlassen des Internet-Cafés Yozgat nicht gesehen und lediglich eine Münze auf den Tresen gelegt zu haben, hinter dem laut Einschätzung von Ermittlern bereits unübersehbar der niedergeschossene Inhaber gelegen haben muss.

Ursächlich für die fortbestehenden Zweifel ist vor allem das Verhalten des hessischen Verfassungsschutzes und des Innenministeriums, dem die Behörde untersteht. Angesichts der Umstände wird inzwischen nicht nur der Corpsgeist des Verfassungsschutzes, sondern auch das Vorgehen der Bundesanwaltschaft sogar in konservativen Medien kritisiert. Die Behauptung der Bundesanwälte, der Kasseler Mord sei „ausermittelt“ und es gebe nichts mehr zu klären, gehöre zu einer „Kette von behördlichen Pleiten, Pannen und Peinlichkeiten“, die die NSU-Morde und ihre mangelhafte Aufklärung begleiteten. Dabei ist der Fall, bei dem eine mögliche Mitwisserschaft eines Beamten bei einem Neonazi-Mord für möglich gehalten wird, nur ein extremes Beispiel für das Näheverhältnis zur extremen Rechten, das in den kaum kontrollierbaren Strukturen der Inlandsgeheimdienste immer wieder entsteht. Exemplarisch lässt sich dies an den Operationen eines anderen Landesamtes erkennen – in Thüringen, dem Bundesland, dem die drei untergetauchten NSU-Terroristen entstammten.

Dort ermöglichte die Zusammenarbeit mit dem V-Mann Tino Brandt in den 1990er Jahren den Aufbau des Thüringer Heimatschutzes, einer schlagkräftigen Neonazi-Organisation, der letztlich der NSU entstammte. Im Erfurter Landtag kam ein Untersuchungsausschuss zum Ergebnis, es seien an den V-Mann Brandt „neben Sachmitteln übermäßig hohe Prämien ausgereicht“ und dieser „so in die Lage versetzt“ worden, „Geld- und Sachmittel in den Aufbau und das Funktionieren des Thüringer Heimatschutzes … zu stecken sowie Reisen, Propagandamaterialien und Aktionen zu finanzieren“.

Verschiedene Beispiele, auch jenseits des NSU, belegen die fatalen Auswirkungen der rechten Strukturen, die sich immer wieder aus dem Zusammenwirken von Geheimdiensten und ihrer neonazistischen V-Männer ergeben.

Folgt uns für News auf:
https://www.facebook.com/islamischezeitungde

und:
https://twitter.com/izmedien

Noch kein IZ-Abo? Dann aber schnell!
http://www.islamische-zeitung.de/?cat=abo