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NSU-Tatorte als Fotoausstellung im Berliner Martin-Gropius-Bau

Foto: christophbrammertz (Christoph Brammertz), Wikimedia Commons | Lizenz: CC BY-SA 2.0

Berlin (KNA). Im Berliner Martin-Gropius-Bau ist am Freitag die Fotoausstellung „Blutiger Boden. Die Tatorte des NSU“ eröffnet worden. Sie wurde vom Militärhistorischen Museum in Dresden kuratiert und im dortigen Libeskindbau gezeigt. Bis zum 29. Oktober ist sie nun in der Stresemannstraße in Berlin zu sehen.
Die Fotokünstlerin Regina Schmeken hat die Tatorte des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) aufgesucht und fotografiert, zunächst als Bildjournalistin für die Süddeutsche Zeitung, dann im Auftrag des Dresdner Museums. Sie bereiste die Tatorte zweimal, um deren Veränderung zu markieren. Abgelichtet auf großen Schwarz-Weiß-Aufnahmen mit harten Kontrasten: Ein Fetzen Wiese, viel Straßenpflaster, eine Treppenstufe vor einem geschlossenen Laden – allesamt unscheinbare Orte, über die der Wind und die Passanten achtlos hinweggehen.
Diese Plätze sollen keine Leerstellen der Erinnerung bilden, denn sie sind Tatorte: Dort haben die NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zwischen 2000 und 2007 zehn Menschen ermordet. Und das im Namen ihrer nationalsozialistischen ausländerfeindlichen Ideologie. In Rostock, Hamburg, Dortmund, Kassel, Köln, Heilbronn, Nürnberg und München starben innerhalb von sieben Jahren neun Männer türkischer und griechischer Abstammung, eine deutsche Polizistin musste als letztes Opfer sterben, wohl weil das Mörderduo Waffen benötigte.
Im Bilder-Gedächtnis der Bundesrepublik sind politische Tatorte, an denen etwa die Rote-Armee-Fraktion (RAF) 1977 den Generalstaatsanwalt Siegfried Buback samt seinen Begleitern oder den Fahrer des entführten Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer ermordeten, immer noch präsent.
Was macht den Unterschied aus? Liegt es etwa daran, dass sich die RAF-Täter durch Bekennerschreiben outeten? Oder liegt es daran, dass die Opfer der linken Terroristen Personen des öffentlichen Lebens waren, deren prominente Namen nicht so schnell aus dem Gedächtnis verschwinden wie die Namen von neun ausländischen Mitbürgern?
Folgt man den Ausführungen Barbara Johns, der Ombudsfrau der Bundesregierung für die Opfer und Hinterbliebenenfamilien der Gewalttaten des Nationalsozialistischen Untergrundes, dann liegt ein wesentlicher Grund für die Betroffenheit über die zehn Morde in den schon chronisch zu nennenden Ermittlungspannen der Behörden und der zwielichtigen Rolle des Thüringer Verfassungsschutzes. Der Verdacht, dass Beweismittel vernichtet und Schützenhilfe für V-Männer geleistet wurde, steht immer noch im Raum.
Barbara John fand es als ehemalige Ausländerbeauftragte des Berliner Senats besonders erschreckend, dass Polizei und Justiz „wie selbstverständlich davon ausgingen, dass die Morde einem Konflikt unter Ausländern zugeordnet werden müssten, einer nicht gezahlten Schutzgeldforderung etwa“. Wären Deutsche ermordet worden, so John, „wären die Ermittlungen anders geführt worden“.
An den Tatorten treffen sich die Hinterbliebenen der NSU-Opfer, sie wuchsen inzwischen zu einer Gruppe zusammen, die gemeinsam das Geschehene verarbeiten will. Das Land Thüringen machte diese Reisen bisher mit einer Fördersumme von 50.000 Euro möglich. Dass die Opfer nicht namenlos bleiben, ist auch den Städten zu verdanken, die sich der Erinnerung verpflichtet fühlen. In Kassel gibt es den Halit-Platz, an dem des 21-jährigen Betreibers eines Internet-Cafes gedacht wird, Halit Yozgat, der am 6. April 2006 durch zwei Schüsse der NSU-Mörder tödlich getroffen wurde.
Fotokünstlerin Regina Schmeken fand, als sie den Rostocker Tatort zum ersten Mal besuchte, an dem der 25-jährige Mehmet Turgut in einem Döner-Stand ermordet wurde, eine matschige Wiese vor. Zwei Jahre später stehen auf einer ummauerten Rasenbefestigung zwei Bänke, die mit Schildern in deutscher und türkischer Sprache auf die Tat hinweisen. So haben ihre Fotos wohl etwas bewirkt.