(iz). Volker Kauder betonte seine Ansichten und trat so in die Fußstapfen des CSU-Kollegen Hans-Peter Friedrich. Jener Innenminister, der wie Kristina Köhler so einige Parolen geschwungen hat und Studien instrumentalisierte, zeigte mit seiner ersten Amtshandlung seine Position. Er revidierte die Aussage von Christian Wulff, wonach der Islam zu Deutschland gehöre. Was bedeutet diese Aussage eigentlich und welche Konsequenzen ziehen Schröder, Friedrich und Co. daraus?
In Deutschland sind über vier Millionen Muslime zugegen. Davon ist ein großer Teil vor mehreren Generationen zugewandert. Von diesen vier Millionen Muslimen sind etliche in Deutschland geboren und besitzen die deutsche Staatsbürgerschaft. Mittlerweile zählen auch zahlreiche Deutsche dazu, die ihren alten Glauben ablegten und den Islam für sich persönlich aussuchten, um so ihr Heil zu finden. Verwerflich?
Reitet Kauder auf einer längst zu den Akten gelegten Debatte herum, oder versucht er bereits jetzt, Wahlkampf zu machen? In konservativen Kreisen findet diese Parole oft Anklang. Es scheint, als gäbe es nichts Wichtigeres, als eine Meinung zu betonen, die zu begründen auf Wege führt, die allenfalls ins Verderben münden. Wie argumentiert eine Person eine solche Position? Mit äußeren Merkmalen der Muslime? Mit ihrem Verhalten? Ihrer Bildung? Ihren sprachlichen Fähigkeiten? Ihrer Gewalt, sei sie geringer oder stärker ausgeprägt? Und wenn nun diese Position vertreten wird, welche Schlussfolgerung zieht sie nach sich? Die Anwesenheit der Muslime in Deutschland begann weit vor hundert Jahren. In Europa seit über tausend Jahren. Das sind Fakten, keine Hirngespinste. Im Zuge der Gastarbeiterrekrutierung, in Zeiten in denen man vom „Wirtschaftswunder“ sprach, wurden gezielt ungelernte, aber kräftige Männer aus der Türkei, Griechenland und anderen Ländern angeworben. Natürlich sorgte man sich um sie und bot ihnen eine nette Rückkehrprämie an und fügte Anfang der 1980er hinzu, dass mit der Annahme der Prämie alle Rentenansprüche aufgehoben werden würden. Dass die meisten aus der Türkei stammten und Muslime waren, ist dem Kapitalismus egal. Er funktioniert einfach.
…und was folgt daraus?
Keine Gotteshäuser für Muslime? Keine freie Schul- und Berufswahl? Extra Steuern? Keinen Islamunterricht an Schulen? Wie soll es denn mittel- und langfristig aussehen? Sollen die Parolen, die Instrumentalisierungen der Studien, die Uminterpretation der islamologischen Erkenntnisse so lange vollzogen werden, bis die Muslime selbst verwirrt sind und ihres Selbstbewusstseins beraubt werden? Ist mit Integration tatsächlich Assimilation gemeint? Was will man von den Muslimen und dem Islam? Wieso wird andauernd um den heißen Brei geredet?
Das Herumreiten von Kauder auf dieser Frage kommt zur richtige Zeit. Die Koranverteilung einiger Muslime, denen das Staatsfeind-Trikot übergezogen wurde, erregt die Gemüter dieses Landes. Das der „Wachturm“ der Zeugen Jehovas an jeder Straßenecke zu finden ist und einem in die Hand gedrückt wird, wird dabei außer Acht gelassen und gar nicht thematisiert. Traut man den bundesdeutschen Bürgern so wenig zu, als das sie sich selbstbewusst und vernünftig mit einer Weltreligion auseinandersetzen?
Ist Deutschland nicht das Land der Dichter und Denker, das Land der Ingenieurskunst und nicht zuletzt eine Kulturnation? Es scheint, als sei das Selbstvertrauen in die geistigen Fähigkeiten der Deutschen verloren gegangen. Die Aussage, „Der Islam gehört zu Deutschland“, ist richtig. Die Aussage, dass die Muslime zu Deutschland gehören, ist auch richtig. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Muslime aus Deutschland auswandern, ist gering. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie sanktioniert werden für das, was sie sind, scheint zu steigen. Zu Recht?