Der Beweis der Liebe

Ausgabe 188

(iz). Es gibt zwei grundlegende Fundamente im Islam; zwei Dinge, die jeder Gläubige haben muss, damit sein Din korrekt ist. Das erste ist Taqwa und das zweite Mahabbat Ar-­Rasul, die Liebe zum Gesandten Allahs. Allah sagt in Seinem Erhabenen Qur’an: „Sprich: ‘Wenn eure Väter oder eure Söhne oder eure Brüder oder eure Ehefrauen oder euer Stamm, oder jeglicher Reichtum, den ihr erlangt habt, oder jedes Geschäft, um dessen Verlust ihr fürchtet, oder jedes Haus, das euch gefällt, euch lieber sind als Allah und Sein Gesandter und die Bemühung auf Seinem Weg, dann wartet, bis Allah mit Seinem Befehl kommt.’“ (At-Tauba, 24)
Ohne Liebe zum Gesandten Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, gibt es keinen Iman [arab. Vertrauen auf Allah, wesentlich umfassender als „Glauben“]. Und vollkommener Iman kann nur erlangt werden, wenn die Liebe zum Propheten über die Liebe zu allem anderen gestellt wird. Der Prophet sagte: „Niemand von euch hat echten Iman, bis ich ihm nicht lieber bin als ­seine Familie, sein Besitz und alle ­Menschen.“
Dieser Grad der Liebe wird durch die Geschichte der Prophetengefährtin Sumaira bint Qais illustriert, die fünf Familienmitglieder bei der Schlacht von Uhud verloren hatte. Aber die einzige Frage, die über ihre Lippen kam, war: „Was ist mit dem Gesandten Allahs geschehen?“ Als man ihr sagte, dass mit ihm alles in Ordnung sei, bat sie: „Ich will ihn sehen!“ Nachdem sie den Propheten erblickte, sagte sie: „Keine Bedrängnis ist jetzt noch von Bedeutung, da ich weiß, dass du sicher bist, Gesandter Allahs!“
Die Liebe der Muslime für den Propheten, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, muss die Liebe zu ihrem eigenen Selbst überragen. Nur dann kann man von sich im wahrsten Sinne des Wortes behaupten, dass man ein echter Mumin [derjenige, der Iman besitzt] ist. Allah sagt im Qur’an: „Der Prophet ist für die Gläubigen wichtiger als sie selbst.“
Und der Gesandte Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, sagte: „Keiner von euch ist ein Gläubiger, bis ich ihm lieber bin als sein Selbst.“ Dies war der Grad der Zuneigung, die seine Gefährten ihm gegenüber hegten, was sie durch ihre Worte und ihre Handlungen bewiesen.
Und ‘Ali ibn Abi Talib riskierte trotz seines geringen Alters sein Leben, als er den Platz des Gesandten Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, in der Nacht der Hidschra [prophetische Auswanderung von Mekka nach Medina] einnahm. Die Götzenanbeter der Quraisch hatten die Absicht, den Propheten zu ermorden. ‘Ali wusste, dass sie stattdessen ihn töten könnten.
Und Talha ibn ‘Ubaidallah benutzte seinen eigenen Körper, um den Gesandten Allahs am Tag von Uhud vor der Angriffen des Götzenanbeter zu beschützen. Dabei erlitt er mehr als 70 Wunden, von denen viele einen geringeren Mann gefällt hätten. Deshalb sagte der Prophet über ihn: „Wer einen Mann sehen will, der nach seinem Tod noch auf der Erde geht, muss auf Talha ibn ‘Ubaidallah schauen.“
Ohne Zuneigung zum Gesandten ­Allahs kann es auch keine Liebe zu ­Allah geben. Allah sagt: „Sprich: ‘Wenn ihr ­Allah liebt, folgt mir, und Allah wird euch lieben.“ Daher besteht die wahre Liebe zu Allah in der Zuneigung zu und der Nachahmung des Gesandten Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben. Die Liebe zu Allah und zu Seinem Propheten sind untrennbar miteinander verbunden, denn man kann nicht Allah gehorchen ohne das gleiche mit dem Propheten zu tun. Der Prophet, möge Allah ihn segnen und Frieden geben, sagte: „Wer mich liebt, liebt auch Allah.“
Und Sahl ibn Abdallah sagte: „Das Zeichen der Liebe zu Allah ist Liebe für den Qur’an und der Beweis für dieser Liebe ist Zuneigung zum Propheten.“ Die Perennialisten irren sich, wenn sie glauben, dass Liebe zu Allah und der Glaube an Ihn ausreichend ist. Sie vergessen, dass die Schahada [das Glaubensbekenntnis] aus zwei Teilen besteht und dass beide bestätigt werden müssen, damit man als Gläubiger gelten kann: „Ich bezeuge, dass es keinen Gott gibt außer Allah und ich bezeuge, dass Muhammad Sein Gesandter ist.“ Es gibt nur ein Tor zu Allah.
Ohne Zuneigung zum Gesandten Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, kann niemand einen vollkommenen Verstand beanspruchen. Er repräsentiert die besten Dinge im menschlichen Wesen. Er ist das „Iswatun Hasana“, das schöne Vorbild. Der Prophet, möge Allah ihn segnen, verkörperte die besten Eigenschaften, die die Menschen von Anbeginn der Zeiten anstrebten. Nur er kann zu den Dingen aufrufen, die uns erheben, und unsere Zeit in dieser Welt erfreulicher und erfüllender machen. Der Prophet verspricht Glück in der nächsten Welt. Nur der Wahnsinnige und Verrückte übergeht das Beste im Austausch für das Schlechtere. Ohne Zuneigung zum Gesandten Allahs wird uns das ­Beste dieser und der nächsten Welt verweigert. Was diese Welt betrifft, so ist der ­Prophet die Quelle aller Segnungen und der Grund, warum wir hervorgebracht wurden. Dies beginnt mit unserer eigentlichen Existenz. Imam Al-Busairi schrieb in seiner Burda: „Wäre es nicht um seinetwillen, dann wäre diese Welt nicht aus dem Nichtsein hervorgebracht worden.“
Eine Mutter wird geliebt wegen ihrer Freundlichkeit, mit der sie ihr Kind behandelt, ein König für seine Umsetzung eines gerechten Gesetzes, ein Spender für seine Großzügigkeit, und wir lieben einen Retter für den Einsatz, der uns vor einem Schaden bewahrt. Der Gesandte Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, hat all dies und noch mehr für uns getan – aber auf einer wesentlich höheren Ebene. Können wir also etwas anderes tun, als ihm zugeneigt zu sein? Ist die Verweigerung der Liebe zu ihm nicht die höchste Form der Undankbarkeit gegenüber Allah?
Die Liebe zum Gesandten Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, ist die Ursache dafür, dass der Mumin die höchsten Stufen im Garten erlangt. Dort befindet sich der Prophet und alle, die ihm zugeneigt sind. Er sagte: „Wer mich liebt, wird mit mir im Garten sein.“ Und er sagte, während er die Hände seiner beiden Enkel, Hasan und Hussain, hielt: „Wer mich liebt und diese beiden und ihren Vater und ihre Mutter, wird den gleichen Rang im Garten haben wie ich.“
Seine Gefährten verstanden dies umfassend und liebten ihn vollkommen. Sie sehnten sich nach seiner Gesellschaft, den Blick auf ihn und hassten, sich nur einen Augenblick von ihm trennen zu müssen. So war es während seiner Lebenszeit und sein Tod bewirkte nur, dass sich ihre Sehnsucht noch steigerte. Es wurde von ‘Abdallah ibn Zaid berichtet, dass dieser, als er vom Hinscheiden des Gesandten Allahs hörte, es nicht ertrug, dass seine Augen etwas anderes in dieser Welt sahen, nachdem ihr Blick den Gesandten Allahs gestreift hatte. Also flehte er seinen Herrn an: „O Allah, lasse mich erblinden, damit ich nichts als meinen Geliebten sehen kann, bis ich ihm ­wieder begegne.“ Er erblindete augenblicklich.
Es fiel vielen schwer, in der Nähe von etwas zu sein, dass an ihn erinnerte, denn es erinnerte sie auch an seine Abwesenheit. Bilal fühlte dies so stark, dass seine Stimme nicht mehr zum Gebet in der Prophetenmoschee rief, wie er dies noch zu Lebzeiten des Gesandten Allahs getan hatte. Er sah sich gezwungen, Medina zu verlassen; eine Stadt, in der jede Ecke und jeder Ort Erinnerungen an seine Zeit mit dem Geliebten wachrief. Er ging nach Syrien. Während seines gesamten, dortigen Aufenthalts blieb der Wunsch Bilals, den Propheten sehen zu können, stark. Als die Stunde seines Todes kam und er dessen Ankunft fühlte, verwandelte sich seine Traurigkeit in Freude. Bilal rief aus: „Welch Freude! Morgen werde ich jenen begegnen, die ich liebe: Muhammad und seinen Gefährten!“
Viele behaupten von sich, dass sie den Gesandten Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, lieben. Aber ihr Anspruch besteht bloß aus leeren Worten. Zu sagen, dass man jemandem zugeneigt ist, macht es noch nicht zu einer Tatsache. Um zu gewährleisten, dass Liebe wahr und aufrichtig ist, muss man deren sichtbare Zeichen betrachten. In seinem Buch „Asch-Schifa“ führte Qadi ‘Ijad verschiedene Zeichen für echte Zuneigung auf.
Diese bestehen unter anderem in der Nachahmung des Gesandten Allahs, der Anwendung seiner Sunna, der Befolgung seiner Worte, dem Gehorsam gegenüber seinen Anweisungen, der Vermeidung jener Dinge, die er untersagte und der Übernahme seines Adabs in Zeiten der Leichtigkeit wie der Beschwerlichkeit. Diese Eigenschaften beziehungsweise jenes Bemühen ist das Charakteristikum, anhand dessen die Zuneigung zum Propheten Muhammad, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, bemessen werden kann. Egal, ob die Worte oder das Aussehen einer Person „nett“ sein mögen: Man sollte nichts von ihr nehmen, solange sie nicht der prophetischen Sunna folgt. Ein weiterer Hinweis auf echte Liebe zum Gesandten Allahs ist die häufige Erwähnung seines Namens. Er, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, sagte: „Wer jemanden liebt, spricht dessen Namen häufig aus.“ Und je mehr man den Geliebten erwähnt, desto häufiger denkt man an ihn und desto stärker wird die Liebe zu diesem. In Bezug auf den Propheten äußert sich das beispielsweise in der Lektüre der Sira, seiner Lebensgeschichte, der Erinnerung an Begebenheiten aus seinem Leben, der Feier seines Geburtstages, das Bittgebet für ihn bei jeder sich bietenden Gelegenheit und sein anhaltendes Lob. Dies war ein Markenzeichen der noblen Prophetengefährten und jener Leute, die Allah nahe sind – wie Qadi ‘Ijad, Imam Al-Dschazuli, Imam As-Sujuti, Imam Al-Busairi und andere. Ihr Leben, ihre Worte und Gedanken waren geprägt durch ihre unstillbare Zuneigung zum Gesandten Allahs. Selbst nach ihrem Tode hält ihr Lob des Propheten an, denn die nach ihnen kommenden Generationen lesen und rezitieren ihre Werke und Gedichte über den Propheten.
Ein weiterer Beweis für die Liebe zum Propheten ist das Verlangen, ihm zu begegnen. Jeder Liebende sehnt sich nach dem Treffen mit dem Geliebten. In jedem verstreichenden Augenblick wächst die Sehnsucht im Herzen. Zu jenen, die sich am stärksten nach einer Begegnung mit dem Gesandten Allahs sehnen, zählen jene, die niemals die Gelegenheit hatten, ihn in dieser Welt zu sehen. Abu Huraira überlieferte eine Aussage des Propheten: „Jene in meiner Gemeinschaft mit der stärksten Liebe zu mir sind die Leute, die nach mir kommen werden. Einige von ihnen würden ihre Familie und Wohlstand geben, hätten sie mich sehen können.“
Ein weiterer Weg zum Nachweis des wahren Respekts gegenüber dem Propheten ist Demut, wenn sein Name erwähnt wird. Ishaq At-Tudschibi: „Wenn die Gefährten des Propheten seinen Namen nach dessen Tode hörten, wurden sie demütig. Ihre Haut zitterte und sie weinten. Und es war das gleiche bei vielen der Nachfolger [Tabi’in].“ Abu Huraira berichtete, dass Abu Bakr oft nicht in der Lage war, etwas vom Propheten zu berichten, ohne dabei zu weinen.
Zuneigung zum Gesandten drückt sich auch in der Liebe zum Qur’an aus, den der Prophet brachte. Durch diesen leitete er recht und wurde rechtgeleitet. Die Liebe zum Qur’an drückt sich beispielsweise in dessen häufiger Rezitation aus, und Nachdenken seiner Bedeutungen und die Umsetzung seiner Befehle und Gebote. Von Ibn Mas’ud wurde die folgende Aussage weitergegeben: „(…) Wer den Qur’an liebt, liebt Allah und Seinen Gesandten.“