Neue Moscheen für Hamburg – Untersuchung vorgestellt

Ausgabe 221

Hamburgs Moscheegemeinden brauchen viel mehr Platz. In einer, vom Senat mitfinanzierten Studie ergab sich, dass die bunte und aktive Moscheeland­schaft der Hansestadt unter akutem Platzmangel leidet. Nicht nur die Beten­den sind dadaurch behindert.

(iz). Zu einem gemeinsamen Opferfestempfang luden in diesem Jahr SCHURA, DITIB und VIKZ in die Kocatepe-Moschee nach Hamburg-Bergedorf ein. Wie die drei Vorsitzenden, Mustafa Yoldas (Schura), Murat Pirildar (VIKZ) und Zekeri­ya Altug (DITIB), in ihren Grußworten betonten, war es das erste Mal, dass nach dem von den drei islamischen Religionsgemeinschaften geschlossenen Staatsvertrag in der Hansestadt das höchste islamische Fest als offizieller religiöser Feiertag begangen wurde.

Im Zentrum der Veranstaltung stand die Vorstellung der aktuell fertiggestellten Untersuchung über Moscheen und Gebetsräume in Hamburg. In dieser vom Hamburger Senat finanziell ­geförderten Studie wurde umfassend die räumliche Situation wie auch die religiösen und sozialen Aktivitäten der Hamburger Moscheen untersucht. Dazu besuchte ein Team unter Leitung der Kulturwissenschaftlerin Marion Koch und des Archi­tekten Joachim Reinig über zwei Monate sämtliche 42 Moscheen von SCHURA, DITIB und VIKZ und sprach mit Gemeindevorsitzenden, Imamen sowie ehrenamtlich Engagierten in der Jugend- und Frauenarbeit.

Heraus gekommen ist die bislang umfassendste Bestandsaufnahme über Moscheen in einer deutschen Großstadt. Die Studie zeigt das vielfältige, aber oft wenig bekannte soziale Engagement vieler Moscheegemeinden auf, weist aber vor allem auf die in vielen Fällen schlechte und unwürdige räumliche Situation von Moscheen hin und fordert Lösungen ein.

Marion Koch und Joachim Reinig betonten bei der Präsentation der Untersu­chung, dass fast jede Moschee einen großen Bedarf an zusätzlichem Raum hat. Zum einen für eine würdevolle Ausführung des Freitagsgebets: Fast alle Moscheen können ihre Gläubigen zum Freitagsgebet nicht in ihren Räumlichkeiten aufnehmen. Die jungen islamischen Gemeinden haben insgesamt zum Freitags­gebet etwa so viele Besucher wie die christlichen Kirchen zum sonntäglichen Gottesdienst. Die Räume sind mehrfach überbelegt und die Gläubigen beten auch auf Fluren, Kellern, Höfen und Vorgärten. Zum anderen für die Kinder- und Jugendarbeit, die weit über den Qur’anunterricht hinausgeht. Hier ist der Raummangel evident. Die Moscheegemeinden übernehmen hier Verantwortung bei der Integration in das gesellschaftliche Leben in Hamburg, indem sie Jugendlichen ein religiöses, kulturelles und sozia­les Zuhause geben und ihnen beratend in allen Lebensfragen zur Seite stehen. Die Arbeit in den Moscheegemeinden wird fast durchgängig ehrenamtlich mit großem Engagement ausgeführt.

In Hamburg gibt es nur zwei, auch als solche geplante und gebaute Moscheen: Die in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts von iranischen Geschäftsleuten an der Außenalster errichtete Imam-Ali-Moschee und die Kocatepe-Moschee von DITIB im Stadtteil Bergedorf. Die Untersuchung betont gerade die Bedeutung von Stadtteilmoscheen: Gerade sie tragen in hohem Maße zur gesellschaftlichen Integration bei. Über die Arbeit innerhalb ihrer Gemeinde hinaus engagieren sich ­zahlreiche Moscheen in Stadtteilbeiräten, interreli­giösem Dialog und zum Beispiel bei Stadtteilbazaren und Straßenfesten.

Der konkrete Bedarf wird deshalb bei den Stadtteilmoscheen verortet. So im Stadtteil Altona mit seinem hohen ­Anteil muslimischer Einwohner und derzeit nur einer Moschee; die Stadtteilmoscheen in Eidelstedt und Steilshoop sind viel zu klein für den jeweils großen Einzugsbereich. Ferner bei Stadtteilmoscheen mit zentraler Bedeutung für bestimmte ethnische Gruppen wie die afrikanischen Muslime (derzeit drei Moscheen, aber alle in schlechtem baulichen Zustand), den Marokkanern (wachsende Gruppe, derzeit ohne eigene Räume) und den schiitischen Muslimen aus dem Libanon (ebenfalls wachsende Gruppe in ­baulich maroden Räumen). Kein Bedarf wird in Hamburg dagegen für eine repräsenta­tive Großmoschee gesehen. Gefordert wird, einen Aufgabenbereich für Moschee-Entwicklungsplanung bei der Ham­burger Baubehörde und den Bezirken einzusetzen.

Letzteres wurde für den Hamburger Senat durch den Chef der Senatskanzlei, Dr. Christoph Krupp (SPD), positiv aufgegriffen. Er sicherte Unterstützung bei der Suche neuer Standorte zu und sprach sich für die Bildung entsprechender fachlicher Koordinationsgremien aus. Außerdem würdigte Dr. Krupp nochmals ausdrücklich die positive Rolle der Moscheen für das gesellschaftliche Leben in Hamburg.

Auf ein besonderes Engagement einiger Hamburger Moscheen wies Rafiu Selami, SCHURA-Vorstandsmitglied und Vorsitzender der Rahma-Moschee, hin. Seit Monaten unterstützt man so genannte „Lampedusa-Flüchtlinge“, indem man sie verpflegt und sie in den Moscheen übernachten können. Es sind aus Italien vertriebene afrikanische Flüchtlinge, die sich illegal in Hamburg aufhal­ten. Die Stadt verweigert beharrlich eine Aufenthaltserteilung und droht mit Abschiebung. Selami prangerte Unaufrichtigkeit im Umgang mit den Flüchtlingen an: „Einerseits trauert man um im Mittelmeer Ertrunkene, anderseits will man die Flüchtlinge in Hamburg genau dorthin zurückschicken.“ Die Veranstaltung endete mit einigen Betrachtungen aus theologischer Sicht zur Bedeutung der Moschee von Burhanettin Dag von der Imam-Ali-Moschee und der DITIB-Religionsbeauftragten Reyyan Özen.

Hamburg: Zahlen und Fakten
An den Gebeten nehmen werktags etwa 1.305 Gläubige teil (Schwerpunkte sind Mittags- und Abendgebet), am Freitagsgebet 12.208 (im Mittel 291 pro Gemeinde, das heißt, von 70 beim Jugend Bildungsverein Bergedorf e.V. bis 1.000 bei der Centrum Moschee oder noch mehr bei der Imam-Ali Moschee und der Al-Nour-Moschee). An beiden großen Feiertagen Ramadanfest und Opferfest nehmen doppelt so viel Gläubige teil wie am Freitagsgebet: 25.220, im Mittel 600 pro Gemeinde.

Die Hauptsprachen beim Freitagsgebet geben Hinweise auf die Herkunftsländer: 25 Türkisch, 4 Arabisch, 5 Deutsch, 2 Dari, 2 Persisch, 2 Hausa. Jeweils in ­einer Moschee wird freitags in Albanisch, Bosnisch, Kodokoli und Urdu gepredigt. In immerhin weiteren 22 Moscheen gibt es Übersetzungen oder Zusammenfassun­gen in Deutsch.

Die 42 untersuchten Moscheen haben eine Gesamtfläche (Gebetsräume und Nebenräume, ohne Wohnungen und verpachtete Flächen) von 23.466 m2, das sind im Mittel 559 m2 pro Moschee. Wenn man die drei größten Stadtmoscheen herausnimmt (Imam-Ali Moschee mit 2.000 m2, Centrum Moschee mit 2.000 m2 und Mescid-i Aksa Moschee mit 1.500 m2) ist die durchschnittliche Größe immerhin noch 449 m2. Die kleinste Moschee befindet sich in Kirchdorf und hat eine Größe von 100 m2.

Insgesamt sind 61 Imame hauptamtlich beschäftigt, dazu Imame ehrenamtlich. Auch existieren die Moscheegemeinden mit Hilfe einer sehr großen Zahl ehrenamtlich arbeitender Mitglieder, insgesamt wurden 626 aktive Gemeindemitglieder genannt, die verantwortlich sind für die Vereinsarbeit, die Finanzen, die Frauenarbeit sowie Kinder- und Jugendarbeit.

Die befragten Moscheen sprechen etwa 4.777 Kinder und Jugendliche an. Das sind im Schnitt 114 Kinder und Jugendliche pro Moschee. Die Größe der Frauenräume wurde mit 3.560 m2 in 42 Moscheen angegeben, d.h. 85 m2 im Mittel pro Moschee. Gemessen an den Gesamtflächen sind das 15 Prozent der Flächen.

Marion Koch / Joachim Reinig, Moscheen und Gebetsräume in Hamburg, Untersuchung der räumlichen Situation. Erhältlich über: info@schurahamburg.de