Optimistische Töne aus Gütersloh

Ausgabe 267

Pressefoto DITIB Jugend

(iz). In unregelmäßigen Abständen veröffentlicht die Bertelsmann Stiftung ihren Religionsmonitor. Nach den Jahren 2007 und 2013 hat der Gütersloher Thinktank nun seine dritte repräsentative Erhebung veröffentlicht. Und die Ergebnisse haben es im positiven Sinne in sich. Auch wenn klar ist, dass es keine Studien ohne eigenes Erkenntnisinteresse gibt, so dürfte diese Erhebung doch Einfluss auf deutsche Debatten nehmen. Aus der Befragung koppelte die Stiftung unter Leitung von Prof. Dirk Halm und Dr. Martina Sauer vom Essener Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung die Studie „Muslime in Europa – Integriert, aber nicht akzeptiert?“ aus. Darin werden die Gegegebenheiten von fünf EU-Staaten – Deutschland, Großbritannien, Österreich, Frankreich und der Schweiz miteinander verglichen.
Die Studie der Bertelmann Stiftung bekommt dadurch Relevanz, weil regelmäßig Integrationsdefizite von Muslimen in europäischen Ländern als Argument für einen Handlungsbedarf beschworen werden. Diese werden in der Aufzählung der Autoren als Aspekte der Muttersprache, der alltäglichen Lebensführung oder einer potenziellen Gefahr durch mögliche Radikalisierung beschrieben. Rechtspopulistische Bewegungen, so der Text, zögen dabei grundsätzlich in Zweifel, „dass muslimische Religiosität mit dem Leben“ in Europa vereinbar sei. Ihre Autoren möchten mit der Erhebung einen Beitrag zur Versachlichung der öffentlichen Debatte leisten.
Entscheidend sei für die Wissenschaftler, wie „Integration“ definiert werde. Sie verstünden darunter nicht die Assimilation an eine wie auch immer geartete Leitkultur. In einem „pluralistischen Einwanderungsland“ messe sie sich viel mehr daran, inwieweit Teilhabechancen verwirklicht würden und Pluralität lebbar werde. Entgegen mancher Debatte sei religiöse Differenz in diesem Sinne kein Anzeichen für ein Integrationsdefizit.
In dem Bertelsmann-Papier wurden verschiedene Aspekte definiert, anhand derer ihre Autoren den Integrationsgrad von Muslimen in den untersuchten europäischen Ländern untersucht haben. In sprachlicher Hinsicht sind drei Viertel der in Deutschland geborenen Muslime mit dem Deutschen als Erstsprache aufgewachsen. Ein Teil beherrscht außerdem die Herkunftssprache ihrer Eltern. Bei eingewanderten sei es ein Fünftel.
Bei der Bildung gibt es im europäischen Vergleich noch Nachholbedarf für Deutschland. Zwar holten die muslimischen Nachfolgegeneration auf. Das brauche allerdings Zeit, weil das „früh sortierende Bildungssystem“ dazu führe, dass hier Nachteile fortbestünden. Bisher machten noch 36 Prozent ihren Abschluss vor dem 17. Lebensjahr.
Wegweisend ist Deutschland bei der Berufstätigkeit von Muslimen. Hier zeige sich, „wie wichtig arbeitsmarktpolitische Rahmenbedingungen für eine gelingende Integration sind“. Dabei bekommt Deutschland mit Abstand die besten Noten bei der Integration der Einwanderer auf dem Arbeitsmarkt. Bei Arbeitslosenquote und Vollzeitstellen gibt es der Studie zufolge kaum noch Unterschiede zum Bevölkerungsschnitt. Auch Vorbehalte gegenüber Muslimen in Hinblick auf eine angebliche Abschottung seien nicht haltbar. Die Zahlen des Religionsmonitors widerlegen dies. Eine große Mehrheit der Muslime in Deutschland verfüge über (sehr) häufige Freizeitkontakte zu Nichtmuslimen. Im Ländervergleich werde deutlich, dass ein gegenüber Muslimen offenes Klima die Sozialkontakte fördere. Gleiches gelte für die Loyalität gegenüber ihrer Heimat. 96 Prozent der deutschen Muslime fühlten sich diesem Land sehr oder eher verbunden.
Diese optimistisch stimmenden Rahmenbedingungen und die derzeitige institutionelle Anerkennung gingen, so eine andere Feststellung des Religionsmonitors 2017, nicht mit einer breiten Anerkennung von Muslimen im Alltag einher. In Deutschland lehnten 19 Prozent der nichtmuslimischen Befragten Muslime als Nachbarn ab. Bezüglich dieses Punktes erwähnen die Autoren, dass sich persönliche Kontakte als „vertrauensbildend“ auswirkten.