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Ramadan-Erfahrungen neuer Muslime: Die etwas andere Herausforderung

Ausgabe 264

(iz). Als neue Muslimin hatte ich zu Beginn einige eher ungemütliche Fastenmonate. Als ich den Islam annahm, waren gerade Feiertage in den USA. Ich werde nie den Blick meiner Cousine vergessen, als ich während des Dinners zum Erntedankfest sagte, dass ich wegen des Fastens nicht essen könne. Ehrlich, das war denkwürdig.

Ich fastete auch schon, als ich die Oberschule in den USA besuchte. Hier musste man zur Mittagszeit in die Kantine gehen. Und ich saß viel rum, starrte auf das Essen und fühlte mich allgemein sehr hungrig, während meine Freunde Witze rissen. Als 16-jähriger Teenager war ich oft zu faul, um zum Suhur (dem morgendlichen/spätnächtlichen Essen vor Fastenbeginn) aufzustehen. „Bist Du nicht hungrig, Liv?“, wollten sie wissen.

Ramadan kann eine komische Sache sein, wenn man sie der Familie und Freunden zu erklären versucht. Das Fasten – wenn es auch einst in der jüdisch-christlichen Lehre existierte – ist längst so unwichtig geworden, dass es beinahe in Vergessenheit gerät. Ich war zuvor katholisch. Der engste Kontakt mit „Fasten“ war das Aufgeben gewohnter Dinge während der Passionszeit (zwischen Karneval und Ostern).

In meiner eigenen Situation musste ich feststellen, dass Ramadan meinen nichtsmuslimischen Angehörigen und Freunden extrem erscheint. Für sie etwas, das sie mit asketischen Mönchen oder hungernden Menschen in Drittweltländern in Verbindung bringen.

Dieser Monat kann recht heftig werden für einen neuen Muslim: eine belastende Periode gegenüber der nichtmuslimischen Familie, Freunden und Mitarbeitern. Man muss die eigene, extreme Anbetung (so scheint sie für viele Nichtmuslime) erklären, während man sich gleichzeitig wie ein schräger Einzelgänger inmitten all der gemeinschaftlichen Abendessen und Nachtgebete fühlt.

Ramadan ist irgendwie auch eine Anhäufung von „Feiertagen“, in denen unzählige Traditionen gelebt werden – einige haben ihre Grundlage im Glauben, andere in Kulturen. Dazu gehören die Speisen beim Fastenbrechen und wie sie gegessen werden. Auf dem Boden sitzen und gemeinsam essen kann für manchen neuen Muslim ungewöhnlich wirken; was auch für einige Dinge auf der Speisekarte gilt.

Bis zu meinem ersten Ramadan habe ich niemals eine Dattel gegessen. Und ich muss zugeben, dass mich Textur und Geschmack zuerst eher eingeschüchtert haben. Ich hatte das Gefühl, ich müsste das jetzt essen oder handle sonst sehr un-ramadan-mäßig.

Zu keinem anderen Zeitpunkt des Jahres – vielleicht mit Ausnahme der Feiertage – können Momente der Traurigkeit oder Einsamkeit für einen Konvertiten so gegenwärtig werden wie jetzt. Das Gefühl, nicht dazuzugehören, die Feiertage der eigenen Familie zu verpassen beziehungsweise der Wunsch nach einer eigenen, muslimischen Familie. Man bekommt oft das Gefühl, dass es für die harte Arbeit kein Gegenstück an Freude gibt.

Es gibt keine geliebten Menschen, die mit einem das Iftar teilen. Niemanden, der zusammen mit einem zum Tarawwih geht oder müde zum Suhur aufwacht. Während es einfach ist, zu sagen, das mache gar nichts aus, man handle ja nur für Allah, rate ich hier jeder Person, einen Ramadan alleine zu verbringen. Sie wird sehr schnell begreifen, wie wichtig Gesellschaft während dieses gesegneten Monats ist. Wer in diesem Trubel des Ramadan aufwuchs, mag ihn als gegeben erachten. Ich habe für mich einige Dinge ausgedacht, die das Fasten etwas einfacher machen.

Traurigkeit geht in Ordnung: Man mag zum Iftar oder Tarawwih in die Moschee gehen und sich wie ein Geist fühlen. Man mag die Wärme der anderen sehen und bei sich einen Knoten im Bauch haben. Es ist in Ordnung, traurig zu sein. Das macht niemanden zu einem „schlechten Muslim“. Es ist normal, an die Feiertage der Familie zu denken und dabei ein wehmütiges Gefühl zu verspüren. Das ist normal und inscha’Allah wird es eine Belohnung für die eigenen Opfer geben.

Suhur in greifbarer Nähe: Das ist ein Rat von jemandem, der als Teenager zu Anfang das Suhur verpasste. Am besten stellt man es in die Nähe des Bettes. Wenn der Wecker klingelt, sofort essen und die Krümel vom Bett wischen. In der Mahlzeit vor dem Fastenbeginn liegt ein Segen und Flüssigkeitsmangel kann zum Problem werden.

Suhur und Iftar nach eigenen Wünschen: Machen Sie Ihre Ramadaneinkäufe, wie Sie wollen und holen Sie Dinge zum Suhur, die Sie essen wollen. Das können Superfoods, Fastfood oder Schokoriegel sein. Glauben Sie nicht, Sie müssten irgendwelche Traditionen von gebürtigen Muslimen kopieren. Niemand sollte etwas essen, was für ihn langweilig ist. Und auch nicht, weil es keine Familie gibt, mit der man ein Biryani teilen kann. Bis zum heutigen Tage, obwohl ich einen muslimischen Ehemann und vier Kinder habe, wissen meine Kids, dass Ramadan ist. Aber nicht durch besondere Getränke mit Rosenwasser oder wegen der Samosas.

Und machen Sie sich auch keine Sorgen darüber, Sie müssten plötzlich von Hand geschlachtetes Fleisch kaufen (wenn Sie es nicht sowieso schon tun), weil jetzt gerade Ramadan ist. Es reicht, das Hühnchen, Rind oder Lamm anzubieten, das es eh schon im Rest des Jahres gibt (ich spreche jetzt nicht von Ziege, denn die meisten Konvertiten würden Ziegen wohl eher als Haustiere halten, anstatt sie zu servieren). Und machen Sie den Ramadan auch nicht doppelt so schwer als sonst und werden plötzlich Vegetarier.

Einfache Erklärungen für die Familie: Fasten zu erklären, kann peinlich werden, denn es klingt für viele extrem: „Du hungerst von Sonnenaufgang bis -untergang?“ Oder: „Ist Dehydrierung nicht schlecht für den Körper?“ Als ich sagte, ich faste einen Monat lang, dachten die Leute, ich würde 30 Tage lang nichts essen! Nichtmuslime verstehen Dinge wie das Gebet, Bescheidenheit oder die Moschee. Aber Fasten scheint vielen zu weit zu gehen. Bereiten Sie eine passende Erklärung vor und halten Sie diese so einfach und verständlich wie möglich. Es gibt viele Gründe für und Vorteile des Fastens, denken Sie an Ihr Publikum. Wenn ich sage: „Ich faste, weil Ramadan der Monat ist, in dem der Qur’an offenbart wurde“, entsteht für viele eine Verständnisbarriere.

Nicht die Familie meiden: Nicht nur kann man sich im Ramadan von der muslimischen Gemeinschaft entfremdet fühlen. Auch sieht die eigene Familie das ähnlich, weil man etwa nicht mehr gemeinsam mit ihr isst. Ich kenne den Wunsch, so leise und unkenntlich wie möglich zu sein, wenn es um die nichtmuslimische Familie geht. Ihre Familie mag fühlen, Ramadan beweise, wie weit Sie sich von ihr entfernt haben. Das gilt insbesondere, wenn der gemeinsame Tisch als das Mittel gilt, durch welches sich die Familie nach einem langen Tag begegnet. Seien Sie fröhlich und lächeln Sie. Fragen Sie ihre Angehörigen, was ihnen gefällt und seien Sie diesen nah. Hier hilft es, aktiv eine gute Zeit mit der Familie zu verbringen.

Tarawwih ist großartig, aber keine Pflicht: Natürlich ist es wunderbar, zum Tarawwih-Gebet zu gehen. Es ist aber nicht verpflichtend und auch eine Sunna, es manchmal einfach zu Hause zu machen. Das heißt nicht, dass man schwach ist. Und in vielen muslimischen Ländern schaffen die Leute das Nachtgebet, weil sie tagsüber schlafen und so ihren Tagesablauf umgestellt haben.

Fasten ist anstrengend: Fasten ist auch kraftraubend, insbesondere an langen Sommertagen. Als neuer Muslim ist man eingeschüchtert und fragt sich gar, ob man es überhaupt schaffen kann. Ich möchte Ihnen sagen, dass es machbar ist. Sie können das. Allah belohnt uns für jeden Augenblick, in dem wir fasten. Er weiß, was für einige schwieriger ist als für andere.