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Sadaqa füllt die Lücken

Ausgabe 302

Foto: Dok NU Care-Lazisne

(academia.edu). Obwohl die indonesische Regierung ihr Haushaltsdefizit erhöht hat, um ein größeres Konjunkturpaket aufzunehmen, gilt es als unzureichend, um den wirtschaftlichen Schaden der ­COVID-19-Pandemie zu minimieren. Philanthropische Organisationen, insbesondere islamische Wohltätigkeitsorganisationen, haben die Lücken ­geschlossen.

Als aufstrebende Volkswirtschaft hat Indonesien in den letzten vier Jahrzehnten erhebliche Fortschritte bei der Bekämpfung der ­Armut erzielt. Die anhaltende COVID-19-Pandemie hat nicht nur zu einer massiven Krise der öffentlichen Gesundheit im Land geführt, sondern zusätzlich das wirtschaftliche Wohlergehen von Millionen von Indonesiern schwer getroffen, die ihren Arbeitsplatz und ihr Einkommen verloren haben. Umfragen ergaben, dass die Hälfte der indonesischen Arbeitnehmer infolge der Pandemie ihre Arbeit eingestellt hatte. Derzeitige Wachstumsraten und Indikatoren deuten darauf hin, dass 8,5 Millionen weitere Indonesier verarmt sind. Das löscht, so die Forschungseinrichtung SMERU, die positive Entwicklung der letzten Jahre aus.

Kürzlich kündigte die indonesische Regierung ein neues Wachstumspaket in Höhe von mehr als 41 Milliarden Euro an. Rund ein Drittel davon soll in Sicherungssysteme für Arme gehen, die von der Pandemie betroffen sind. Beobachter sorgen sich allerdings, dass sich die Maßnahme auf Zahlen aus dem Jahre 2014 beziehen. Das bedeute, viele Haushalte würden umgangen, da sie heute nicht als arm gelten. Bürokratische Hindernisse haben bisher eine Verteilung dieser Unterstützung behindert – insbesondere in den Regionen der äußeren Inselketten.

Seitdem im März ein nationaler Notstand wegen der Pandemie ausgerufen wurde, haben muslimische Hilfsorganisationen Unterstützung geboten. Diese religiös unterfütterten NGOs profitieren von erheblicher Hilfe durch die Mittelklassen. Es wird geschätzt, dass derzeit in Indonesien etwas mehr als 17 Milliarden Euro in Form der verpflichteten Zakat sowie in freiwilligen Spende (arab. sadaqa) gesammelt werden.

Während der Pandemie haben sich mehrere Organisationen durch die ­Bereitstellung von Nahrungsmitteln, Gesundheitsschutzausrüstung und an­deren Formen der Unterstützung für ­bedürftige Familien ausgezeichnet. Die Sammlungen für COVID-19 und Zakat wurden während des Ramadan-Fastenmonats zusammengefasst, da die Zahl der COVID-19-Fälle im April und Mai ihren Höhepunkt erreicht hatte.

Der Großteil der Spendenorganisa­tionen berichtete von einer enormen ­Zunahme an Zuwendungen im Vergleich zu 2019. Die meisten gingen online ein. Zu den führenden Einrichtungen gehören Lazisnu (die mit der Muham­madiyah, der zweitgrößten Organisation des Landes, verbunden ist) sowie NU Care-Lazisnu (verbunden mit Nahdlatul Ulama, Indonesiens größter islamischer Organisation). Beide berichteten von ­einem Spendenanstieg von bis zu 90 Prozent.

Die Organisationen stufen die Pandemie-Nothilfe nach islamischen Prinzipien als Sozialfonds für Menschlichkeit ein. Als solches können Bar- und Sach­spenden an alle indonesischen Bürger ungeachtet ihrer Zugehörigkeit verteilt werden.

Die Aktivitäten des Wohltätigkeitsarms der Muhammadiyah sind in einem neuen Koordinationszentrum zusammengefasst. In der ersten Juniwoche allein wurden beinahe 9,5 Millionen Euro für die Pandemiehilfe gesammelt. Schätzungsweise 3,2 Millionen Indonesier wurden durch sie unterstützt. Die Organisation betreibt des Weiteren 77 Krankenhäuser und rund 300 Gesundheitszentren im ganzen Land. Diese sind jetzt als Überweisungszentren für COVID-19-Fälle ausgewiesen.

Durch ihre Struktur ist die Nahdlatul Ulama dezentral organisiert. Ihr Wohltätigkeitszweig verlässt sich auf seine rund 29.000 Pesantren (Islamschulen), um Spenden zu sammeln. Eine wichtige Quelle der Einnahmen waren Spenden des beliebten Volkssängers Didi Kempot, der im Mai verstarb. Er organisierte im April eine ganze Reihe an Konzerten im Internet.

Religiöse, gemeinnützige Einrichtungen wurden in der Vergangenheit oft als Notlösung für die wirtschaftlichen Probleme des indonesischen Staates an­gesehen. Realistisch gesehen hängen sie ­jedoch auch von der Gesundheit der Wirtschaft und der finanziellen Leistungsfähigkeit ihrer Spender ab. ­Während sie in der anhaltenden Krise erheblich zur Unterstützung armer Indonesier beitragen, müssen sie mit dem Staat zusammenarbeiten, um sicher­zustellen, dass ihre Bemühungen zur Armutsbekämpfung diejenigen erreichen, die sie am dringendsten benötigen.

Nichtsdestotrotz ist es klar, dass die Erfahrung der Pandemie bisher gezeigt hat, dass diese Einrichtungen eine entscheidende Rolle in der Ausfüllung von Lücken spielen, die von den Behörden übersehen oder abgetan werden. Noch wichtiger ist, dass Wohltätigkeitsorganisationen gezwungen sind, zu überdenken, wie sie Spenden besser beschaffen und Dienstleistungen unter Bedingungen des Lockdowns erbringen können; entweder durch eine stärkere Digitalisierung für den ersten Fall oder eine stärkere Angleichung für den zweiten.