Schlechte Behandlung von Frauen betrifft die muslimische Gemeinschaft als Ganze. Von Schaikh Habib Ali Al Jifri

Ausgabe 207

Im folgenden Text, dem ein kurzer Vortrag zugrunde lag, spricht Schaikh Habib Ali Al Jifri leidenschaftlich über die Verpflichtung, die den Muslimen – insbesondere den Männern mit Gottesfurcht – auferlegt wurde, um sicherzustellen, dass die Frauen gut von der Gemeinschaft behandelt werden. Zur Grundlage dient ihm eine prophe­tische Überlieferung, wie die ­Qualität des Charakters zur Güte gegenüber Frauen in Verbindung steht.

(iz). Soweit es eine Frau im Rahmen des islamischen Rechts betrifft, ist es eine gemeinschaftliche Obligation, sich um sie zu kümmern. Kommt ihr keiner nach, begehen wir insgesamt eine falsche Handlung. Wir tun dies nicht, um ihr einen Gefallen zu tun. Es ist unsere Pflicht; nicht, weil wir Mitleid mit ihr haben, sondern weil wir ihr ­etwas schulden. Es ist ihr Recht.

Wir müssen uns ernsthaft darum bemühen, bestehende Probleme zu lösen; wir müssen sie angehen. Unsere Gerede über den Aufgabe einer muslimischen Gemeinschaft oder den Streit zwischen Konservativen und diesen oder jenen ist Zeitverschwendung. All das Reden, Aufbauen von Gemeinschaften, ­Motivieren von Muslimen und die angebliche Zukunft des Islam sind unsinnig und eine Vergeudung von Zeit, solange wir nicht die Ungerechtigkeiten gegen die Mütter in unseren Gemeinschaften beenden und ein entsprechendes Problembewusst­sein schaffen. Den Männern sollte man sagen – insbesondere den religiösen, die mit ­Turban oder Bart darüber reden, dem Islam helfen zu wollen -, sollte man Folgendes ins Stammbuch schreiben: Blickt zur eurer Rechten und zu eurer Linken und schaut auf euch selbst. Welches Frauenbild habt ihr im Blick?

Das nächtliche Gebet? Das gespendete Geld? Das vermittelte Wissen? Nichts davon wird euch bei der Berufung vor Allah nutzen, wenn es nicht das Tor des guten Verhaltens gegenüber Frauen passiert. Dies sind nicht die Worte eines heutigen Menschenrechtsaktivis­ten. Der Prophet sagte: „Der Beste ­unter euch ist derjenige, der seine Familie am besten behandelt.“

Hiermit errichtete der Prophet einen Maßstab für die Güte in diesem Leben, die an das Verhaltens gegenüber Frauen gebunden ist. Es gibt immer noch Leute, die solches Zeug unterrichten; falsches Zeug aus ihrer eigenen Kultur, wonach eine Frau wie eine Ware behandelt werden kann. Wir müssen aufhören, vor der Realität unsere Probleme wegzulaufen; wenn beispielsweise muslimische ­Frauen vergewaltigt werden. Und es scheint, dass es sich hier nicht mehr nur um isolierte Fälle handelt, sondern dass sich dieses Phänomen ausbreitet.

Gemeinschaften rennen vor diesem Problem weg und stecken ihren Kopf in den Sand. Und wenn die Frau ihre Stimme erhebt, wird sie zur Ruhe gebracht. Befindet sich der Schaikh einer Moscheegemeinde in einer Lage, in der er nicht verhindern kann, was einer Frau angetan wird, wird sie sich an die Gerich­te wenden, um ihr Recht einzuklagen. Und die Gemeinde betrachtet die Frau, als hätte diese die Gemeinde betrogen. So wird das Opfer zum Verbrecher gemacht. Und die Person, die diesem Verhalten ihre Zustimmung verleiht, soll eine Führungsgestalt im Glauben sein?

Warum sollte man es seltsam finden, dass eine Generation danach den Glauben insgesamt verlassen wird? Wieso mutet es komisch an, wenn sich eine musli­mische Frau zur Erlangung ihrer ­Rechte an eine Organisation außerhalb ihrer Gemeinschaft wendet? Weil ihr nicht der notwendige Schutz eingeräumt wurde! Das Schlimmste ist, dass behauptet wird, die schlechte Behandlung von Frauen sei ein Befehl Allahs.

Unternimmt die muslimische Gemein­schaft – ausgehend von der Moschee – in Sachen Frauenrechte keine ­ernsthaften Schritte bei der Umsetzung von ­Allahs Befehlen und dem Rat des Propheten, dann werden die Leute diese Krankheit nicht behandeln wollen.

Wir sollten aufhören, bloß darüber zu reden, dass der Islam Frauen Rechte gab und sie befreite. Ja, dies war der Fall, aber die Frage ist nicht, ob Islam dies tat oder nicht. Die Frage, die sich jeder stellen sollte, ist, warum wir den Islam nicht in dieser Hinsicht implementieren. Warum belassen wir es bei Predigten? Oder nur als bei einem Mittel zur Selbstverteidigung gegenüber den Medien?

Die Wunde hat sich entzündet. Sie muss geöffnet und gereinigt werden. Ich würde es mir wünschen, wenn die Frauen damit begännen. Ich wünsche mir Frauenrechtsaktivistinnen, die Rechtsge­lehrte sind. Sie werden aufstehen und sich jene Rechte nehmen, die von Allah und dem Propheten festgelegt werden.