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Schweiz: Beben des „Minarett-Verbots“ noch spürbar

Bern (KNA). Die Folgen des Schweizer „Minarett-Verbots“ sind laut Schweizer Expertinnen auch nach gut zehn Jahren präsent. Das „Beben“, das die Minarett-Initiative ausgelöst habe, sei bis heute spürbar, so die Mediatorinnen Angela Ullmann und Anna Jambers bei der interdisziplinären Konferenz „versöhnt leben“ an der Universität Bern. Bei einer Volksabstimmung am 29. November 2009 hatten sich 57,5 Prozent der Schweizer für ein Minarett-Verbot ausgesprochen.

Die Referentinnen verwiesen auf „Früchte“ auf der „religiösen Landkarte“ der Schweiz wie das „Haus der Religionen“, „Runde Tische“ oder die interreligiöse Arbeitsgemeinschaft „Iras Cotis“. Demgegenüber stünden jedoch Kopftuch- und Schleierverbote, „unterschwelliger Hass gegen Muslime“, Weihnachtslieder, die verboten würden, sowie Kruzifixe, die aus Klassenzimmern verbannt würden, so Ullmann und Jambers.

Grundsätzlich sei die direkte Demokratie als „Plus der Schweizer Politik“ zu loben; zugleich sei sie ein zweischneidiges Schwert, das bei Wertekonflikten auf nationaler Ebene nicht immer zu versöhnlichen Resultaten führe, sagte Jambers. „Die Leute vor Ort hätten sich direkt austauschen müssen, und nicht zuerst die rechtliche Schiene suchen sollen“, so Ullmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin für interreligiöse Studien an der Uni Bern. Vor diesem Hintergrund sei das Mittel der Mediation zur Konfliktbewältigung besonders wichtig, so die Referentinnen.

Die Zürcher Privatdozentin Christine Schliesser plädierte für eine Theologie der Versöhnung, „die den Versuch widerspiegelt, massiver Gewalterfahrung theologisch zu begegnen“. Die Wissenschaftlerin, die derzeit eine Vertretungsprofessur für systematische Theologie an der Uni Köln innehat, beschäftigt sich seit Jahren mit der Rolle der Kirche in Versöhnungsprozessen – gerade in Ländern, in denen Menschenrechtsverletzungen stattgefunden haben.

Schliesser verwies auf Vorbilder wie den südafrikanischen anglikanischen Bischof Desmond Tutu, der einen Weg gegangen sei, „den wir befolgen können“. Dabei sei Vergebung der Schlüsselbegriff. Den Akt der Vergebung habe die jüdische deutsch-amerikanische politische Theoretikerin Hanna Arendt (1906-1975) einmal als „Wunder“ bezeichnet, so die Theologin.