Status Quo der Gemeinden: Notizen zur rechtlich-politischen Problematik

Ausgabe 251

Foto: Ömer Sefa

(iz). Die bestehenden muslimischen Gemeinschaften sind bisher noch als eingetragene Vereine organisiert. Gemeinschaften wie die DITIB, die IGMG, der VIKZ, die ATIB, die IGDB oder die IGD sind jedoch nach dem eigenen Verständnis, aber auch aus ihrem Wirken heraus, als Religionsgemeinschaften anzusehen.
Die Moscheegemeinden auf der kommunalen Ebene werden mittlerweile von der Wissenschaft, aber auch von Politik und Verwaltung als Religionsgemeinschaften oder Teile von Religionsgemeinschaften akzeptiert. Bis Mitte der 2000er Jahre wurde weniger die Moscheegemeinde als vielmehr die Rolle und Natur der Landes- und Bundesebenen und die der darüber liegenden Dachverbände in Frage gestellt.
Mittlerweile haben insbesondere in Ländern wie Hamburg, Niedersachsen und Hessen religionsverfassungsrechtliche und -soziologische Gutachten nachgewiesen, dass es sich bei den geprüften muslimischen Gemeinschaften rechtlich und inhaltlich um Religionsgemeinschaften handelt. Diese Ergebnisse dürften weitgehend auch für viele der nicht implizit geprüften Gemeinschaften Geltung haben.
Die Verweigerung von Politik und Verwaltung, den bestehenden Status der Verbände als Religionsgemeinschaften anzuerkennen, dürfte eher im Politisch-finanziellen zu suchen sein, als tatsächlich im Rechtlichen.
Das zersplitterte Auftreten der muslimischen Gemeinschaften verhindert jedoch immer wieder, dass Statusrechte gemeinsam eingefordert werden können. Eher kommt es sogar dazu, dass sich einzelne Gemeinschaften gegeneinander ausspielen lassen.
Auch wegen dieses Umstandes war es bisher keine Seltenheit, dass die muslimischen Gemeinschaften sich bei der Wahrnehmung von Rechten im Bereich der Kooperation mit dem Staat nur mit Rechten zweiter Klasse begnügen mussten.
Innermuslimische Problematik
Neben den allgemeinen politischen Herausforderungen mit Blick auf die Mehrheitsgesellschaft gibt es jedoch auch innermuslimische Probleme, die die Zusammenarbeit der einzelnen muslimischen Gemeinschaften erschweren und die immer wieder angestoßenen Einheitsprozesse am Ende scheitern lassen.
Der aktuelle Status Quo ist, dass statt der stärkeren Zusammenarbeit wieder die Ethnisierung der Gemeinschaften voranschreitet. Mittlerweile kann man sogar von einer Re-Ethnisierung der Verbandsarbeit sprechen. Die Ursachen liegen dabei einerseits in der Enttäuschung der kleineren Gemeinschaften gegenüber den Großen, wenn es um die Unterstützung ihrer Institutionalisierung und die aktivere Einbindung in Entscheidungsfindungsprozesse geht. Andererseits spielt aber auch die Überforderung der größeren Gemeinschaften eine gewichtige Rolle, neben der notwendigen eigenen Institutionalisierung und Professionalisierung diesbezüglich auch den kleineren Gemeinschaften die nötige Unterstützung zukommen zu lassen.
Die aktuelle Folge dieser Entwicklung ist, dass die muslimische Institutionalisierung in Deutschland in ihrem – institutionell betrachtet recht jungen – fünften Jahrzehnt noch immer keine gefestigten Koordinierungs- und Austauschstrukturen vorweisen kann, die auch in der Krisensituation belastbar wären und funktionieren können.
Die fehlenden gemeinsamen Entscheidungsstrukturen, die voranschreitende Zersplitterung in kleinere, ethnisch organisierte Einheiten und akuter Experten- und Fachkräftemangel bis in die Spitzengremien hinein führen schließlich dazu, dass die Sprachlosigkeit bei Fachthemen eher zugenommen hat. Einige wenige Gemeinschaften konnten zwar im öffentlichen Auftreten und bei Fragen der Wahrnehmung als islamische Gemeinschaft ihre Konturen schärfen, es mangelt jedoch noch immer an der adäquaten Besetzung von religionsverfassungsrechtlichen, politischen, aber auch theologischen Themen. Der Mangel an inneren Debatten zwischen den Gemeinschaften führt schließlich zur weitgehenden Abwesenheit von gemeinsam erarbeiteten Konzepten und Positionen.
Im Ergebnis stellt diese Situation nicht nur für die muslimischen Gemeinschaften eine Herausforderung dar, sondern auch für ihre aktuellen und zukünftigen Kooperationspartner. Immer wieder entstehen Missverständnisse und Konflikte, die aber in den seltensten Fällen das Resultat einer absichtlich ablehnenden Haltung sind, vielmehr strukturellen und persönlichen Unzulänglichkeiten und Überlastungssituationen geschuldet sind.
Bekenntniseinheit
Dabei bestehen innerhalb der sunnitischen Gemeinschaften keine bekenntnismäßigen Unterschiede. Sie gehören mehrheitlich den sunnitischen Rechtsschulen des Imam Abu Hanifa oder des Imam Schafi’i an, wenige der malikitischen oder hanbalitischen Rechtsschule. Die wenigsten der einfachen Moscheegänger dürften jedoch in der Lage sein, die wesentlichen Aspekte zu benennen, in denen sich diese Rechtsschulen untereinander unterscheiden.
In theologisch-inhaltlichen Fragen gibt es demnach zumindest bei der sunnitischen Mehrheit keine wesentlichen Differenzen. Mittlerweile kann in Deutschland sogar die Beziehung zwischen schiitischen und sunnitischen Gemeinschaften als entspannt angesehen werden. So sind in der Schura Hamburg, der Schura Niedersachsen, der Schura Bremen, in der Islamischen Glaubensgemeinschaft Baden-Württemberg und schließlich im ZMD und im Islamrat sowohl sunnitische als auch schiitische Gemeinden gemeinsam organisiert.
Konkret kann hinsichtlich der einzelnen Moscheeverbände kaum eine theologische Unterscheidbarkeit ausgemacht werden. Konsequenterweise werden innerhalb der Gemeinschaft die Unterschiede zwischen den einzelnen Verbänden auch nicht als theologisch wahrgenommen. Gerade bei Fragen des Ritus und der religiösen Praxis werden die Moscheegemeinden in der muslimischen Basis als gleichwertig angesehen. Die Mitgliedschaft einzelner Muslime bei mehreren Moscheegemeinden, die an sich unterschiedlichen Verbänden angehören, ist keine Seltenheit. Die Frage, in welcher Moscheegemeinde man das Freitagsgebet verrichtet, entscheidet sich nach jeweils individuellen Vorlieben, nicht nach einem theologischen Zugehörigkeitsverständnis.
Eine bekenntnismäßige Unterscheidung zwischen den Moscheegemeinden, insbesondere zwischen den sunnitischen, kann nicht begründet werden. Es besteht zwischen den Gemeinschaften innerhalb des Koordinationsrates der Muslime (KRM) keine Bekenntnisgemeinschaft, sondern Bekenntniseinheit. Dies wiederum stellt eine wichtige Voraussetzung für die Beantwortung weiterer Fragen des Religionsverfassungsrechtes dar.
Dieser Beitrag erschien auf der Webseite des Autoren. Abdruck mit Genehmigung.