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Türkei verurteilt Scheinreferenden in russisch besetzten Gebieten

Ordnung

Istanbul(dpa). Auch die Türkei hat die von Russland und den russischen Besatzungsbehörden angekündigten Scheinreferenden in den besetzten Gebieten der Ukraine verurteilt. „Wir sind besorgt über Versuche, in einigen Regionen der Ukraine einseitige Referenden durchzuführen“, hieß es aus dem Außenministerium am Mittwochabend.

Solche „illegitim beschlossenen Tatsachen“ würden von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt. „Im Gegenteil, sie werden die Bemühungen um eine Wiederbelebung des diplomatischen Prozesses erschweren und die Instabilität vertiefen.“ Die Türkei stehe für die „territoriale Unversehrtheit, Unabhängigkeit und Souveränität“ der Ukraine.

Die Türkei ist NATO-Mitglied und pflegt mit der Ukraine enge Beziehungen, gilt aber auch als enge Partnerin Russlands. Ankara hat dennoch immer wieder die russische Annexion der Halbinsel Krim 2014 kritisiert – auch weil die muslimische Minderheit der Krimtataren historisch eng mit dem südlichen Nachbarn am Schwarzen Meer verbunden ist.

Die Abstimmungen in besetzten Gebieten der Ukraine über einen Beitritt zu Russland sollen vom 23. bis 27. September abgehalten werden. Sie werden weltweit als völkerrechtswidrig angesehen, weil sie ohne Zustimmung der Ukraine, unter Kriegsrecht und nicht nach demokratischen Prinzipien ablaufen. Beobachter sehen in den Scheinreferenden eine Reaktion auf die aktuelle ukrainische Gegenoffensive im Osten des Landes.

Stichprobe im Breisgau: Zur Lage von Mädchen und Frauen mit Kopftuch auf dem Ausbildungsmarkt

Freiburg/Mainz (iz). Die systematische Diskriminie­rung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt ist inzwischen kein Geheimnis mehr und wird seit Jahren durch zahlreiche Studien und Statistiken eindeutig belegt. Nun wurde vom Xenos-Modellprojekt „Vielfalt bewegt“ eine Studie in Auftrag gegeben, die die direkte und institutionelle Diskriminierung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund beim Zugang zum beruflichen Bildungs­system untersucht und dabei auch die Diskriminierung von Frauen und Mädchen mit Kopftuch unter die Lupe nimmt.

Die Studie „Toleriert und benachteiligt, Jugendliche mit Migrationshintergrund auf dem Ausbildungsmarkt im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald“ wurde von Albert Scherr und René Gründer von der Pädagogischen Hochschule Freiburg durchgeführt. Sie entwickelten einen Fragebogen, der allen 1.400 im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald registrierten Betrieben zugesandt wurde. 410 Betriebe (= 29 Prozent) Prozent nahmen an der Umfrage teil. Die Autoren der Studie gehen davon aus, dass der große Anteil der Betriebe, die den Frage­bogen nicht beantwortet hatten darauf hinweist, dass die tatsächliche Diskriminierungsbereitschaft in Wirklichkeit noch höher ist, als es die Ergebnisse der Umfrage ergeben letztendlich haben.

Die Chancen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund, eine Ausbildungsstelle zu bekommen, sind Bildungs­berichten von 2010 zufolge auch bei ­gleicher schulischer Leistung deutlich gerin­ger als für deutsche Bewerber. So gelang­ten 42,9 Prozent der deutschen Jugendlichen mit Hauptschulabschluss direkt in das duale Ausbildungssystem und nur 27.7 Prozent der Migranten mit Hauptschulabschluss.

Diese Daten seien laut Scherr und Gründer als deutliche Belege für eine Diskriminierung bei der Lehrstellenvergabe zu bewerten. Da Jugendliche mit Migrationshintergrund von einem Teil der Betriebe direkt – weil sie Migranten sind – und indirekt – unter anderem aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit – diskriminiert würden, sei davon ­auszugehen, dass die Einstellungspraxis eines relevanten Teils der Betriebe im Gegensatz zu den Vorgaben des Grundgesetzes und des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes steht.

Die Benachteiligung auf dem Arbeits­markt ist eine direkte Fortführung der Benachteiligung im Schulsystem. So verließen 2008 im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald 64 Prozent der deutschstämmigen Jugendlichen die Schule mit mindestens Mittlerer Reife. Dagegen haben nur 26 Prozent der ausländischen Jugendlichen mit einem mittleren Abschluss oder dem Abitur abgeschlossen. Diese Zahlen sind stellvertretend für ganz Deutschland.

Die Gründe für eine Bevorzugung von deutschen Auszubildenden unterscheiden sich je nach Branchenzugehörigkeit der befragten Betriebe. Aus der Studie geht deutlich hervor, dass sich viele Firmen in Hinblick auf Muslime offen zu einer rechtswidrigen Diskriminierungspraxis bekennen. Auch bewerten 35 Prozent der Betriebe den „kulturellen Hintergrund“ als ein wichtiges Kriterium bei der Lehrstellenvergabe und verwendet damit ein Unterscheidungskriterium, das potenziell zur Benachteiligung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund beiträgt.

220 (also über 50 Prozent) aller Betriebe gaben an, keine Jugendliche mit Migrationshintergrund auszubilden. „Betriebe, die dem Schulabschluss eine sehr große Bedeutung beimessen, bilden zu 10 Prozent häufiger keine Jugendlichen mit Migrationshintergrund aus, als Betriebe, bei denen der Schulabschluss der BewerberInnen nur ‘eher wichtig’ oder gar ‘eher unwichtig’ ist. Die unzureichende schulische Förderung von SchülerInnen mit Migrationshintergrund führt zu schlechteren Noten, was sich nachteilig auf ihre Ausbildungschancen auswirkt.“ (Scherr/Gründer)

Die Kriterien für die Ablehnung eines Auszubildenden wurden ebenfalls erfragt. 375 Betriebe (91,5 Prozent) würden Azubis ablehnen, die einer rechtsradikalen Gruppe oder Partei (NPD) angehören, 281 (68 Prozent) solche, die polizeilich auffällig geworden seien, 171 Betriebe (41,7 Prozent) würden Frauen oder Mädchen ablehnen, die aus religiösen Gründen ein Kopftuch tragen und 62 (15,1 Prozent) würden Jugendliche ablehnen, die den Islam praktizieren.

Die Ablehnung des Kopftuches war in solchen Branchen häufiger, in denen das Personal eher nach außen tätig ist, und in denen mehr Wert auf das äußere Erscheinungsbild der Angestellten gelegt wird wie in Dienstleistungsbetrieben. „Jugendliche, die den Islam praktizieren, würden bei 20 Prozent der Gastronomiebetriebe und 26 Prozent der ­Betriebe im nichttechnischen Dienstleistungssektor (Banken, Versicherungen) keine Beschäftigung erhalten.“ Die Ablehnung von Frauen, die aus religiösen Gründen ein Kopftuch tragen, ist in praktisch ­allen Branchen auffällig hoch. Ein weiteres auffälliges Ergebnis der Studie war auch, dass die Ablehnung von Frauen mit Kopftuch bei kleineren Betrieben größer war, als bei größeren Firmen.

Diese Studie hat erstmals auch deutlich gezeigt, dass die geringeren ­Chancen von Migranten und insbesondere von muslimischen Mädchen mit Kopftuch im Ausbildungssektor nicht nur an ihrer sozialen Herkunft und niedrigeren Schulabschlüssen fest zu machen sind, sondern dass eine verbreitete Bereitschaft zu diskriminierendem Verhalten bei der Auswahl von Auszubildenden in deutschen Betrieben festzustellen ist.

Die Autoren der Studie fordern Informationsangebote, durch die Betriebe für die Problematik der Diskriminierung von Migranten sensibilisiert werden. Auch sollten sie mit Anti-Diskriminierungskonzepten unterstützt werden, um die innerbetriebliche Integrationsbereitschaft zu stärken. Außerdem sollten Firmen angeregt werden, sich mit dem Thema Islam auseinander zu setzen, da insbesondere die Diskriminierung muslimischer Jugendlicher dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG § 1 und § 2, Abs. 3) entgegensteht. Es ist zu hoffen, dass die Ergebnisse dieser Studie auch über den Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald hinaus bekannt werden und zu einem Umdenken in der deutschen Wirtschaft anregen. Besonders in Hinsicht auf den derzeitigen Fachkräftemangel ist es eine Ironie, dass tausende Jugendliche mit Migrationshintergrund arbeitslos auf der Strasse sitzen, während in deutschen Firmen die Fachkräfte fehlen, die man nun händeringend aus dem Ausland zu rekru­tieren versucht.

Die Studie „Toleriert und benachteiligt Jugendliche mit Migrationshintergrund auf dem Ausbildungsmarkt im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald“ ist im Internet unter http://www.xenos-jhw.de/wp-content/uploads/Scherr_Gründer_2011_Toleriert_und_-benachteiligt_final.pdf zu finden. In der Badischen Zeitung vom 21.02.2012 erschien ein Artikel zum Thema.