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Das Ende der Debatten

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Ende der Debatten: ein Essay über die wehrhafte Demokratie und ihre Grenzen der Feindbekämpfung.

(iz). Es ist heute üblich, unbekannte Personen zu googeln, um mehr über ihren beruflichen und geistigen Hintergrund zu erfahren. Gerade im politischen oder religiösen Kontext erscheint dabei häufig das Problem einer Unterscheidung zwischen der imaginären, symbolischen und realen Darstellung einer Existenz.

Problematische Aspekte der Feindbekämpfung können zu einem Ende der Debatten führen

Die virtuelle Welt, die durch Texte, Berichte und Artikel gebildet und mit Suchmaschinen verbreitet wird, enthält immer häufiger Markierungen, die die Betroffenen mit Eigenschaften wie „extremistisch“, „radikal“, „umstritten“ oder „antisemitisch“ markiert.

Da diese Bewertungen Meinungen widerspiegeln und nicht unbedingt auf Tatsachen beruhen – es sei denn die Beschriebenen bekennen sich zu ihrem eigenen Extremismus –, sind diese Phänomene für eine offene Gesellschaft problematisch. Die Einstufung einer Person als extrem bedeutet nach einem kurzen Prozess den Ausschluss aus der Debatte.

Die Institutionen, die bewerten, ob ein Muslim ein „Islamist“, ein Rechter ein Rechtsextremer, ein Linker ein Kommunist oder ein Demonstrant ein Antisemit ist, greifen nicht nur in Grundrechte der Betroffenen ein, sondern bestimmen die Debattenvielfalt im Land.

Folgen von Markierungen

Die genannten Markierungen im öffentlichen Raum verstehen sich als Ausübung der Meinungsfreiheit, sie sind wirkungsmächtig – wenn auch nicht vor unabhängigen Gerichten überprüfbar. Die Frage stellt sich, wie eine Gesellschaft mit ihren vermeintlichen Rändern umgeht oder anders gefragt: Wie weit darf der Kampf gegen Extremismus gehen, ohne selbst extrem zu werden?

Seit einigen Wochen versammeln sich Millionen MitbürgerInnen für den Kampf gegen Rechts auf der Straße und demonstrieren eindrucksvoll eine Art Wir-Gefühl. Ihre Motivation ist dabei, angesichts der wachsenden Zustimmung für die AfD einen Rückfall der Bundesrepublik in einen antiquierten Nationalismus zu verhindern.

Die Mobilisierung der Bevölkerung beruht auf einem Bericht des Medienportals Correctiv, das über eine private Zusammenkunft einiger PolitikerInnen und Geschäftsleute, darunter Mitglieder der CDU und AfD, in Potsdam berichtet hatte.

Foto: Wikiwand | Lizenz: CC BY-SA 4.0

Rechte (Alp)Träume einer „Remigration“

Auf dem Treffen hatte der Kopf der sogenannten identitären Bewegung, Martin Sellner, ein dubioses Programm zur „Remigration“ vorgestellt. Im ersten Bericht der Journalisten kam der Begriff „Deportation“ vor, eine Zuschreibung, die an die historische Wanseekonferenz erinnerte und kurze Zeit später wieder auf dem Portal gelöscht wurde.

Der Eindruck entstand, dass hier die Vertreibung von Millionen Menschen mit Immigrationshintergrund, seien es Flüchtlinge oder Bürger dieses Landes, geplant wurde.

Die „Gefahr für die Demokratie“ ist seit den Potsdamer Ereignissen wieder in aller Munde. Die Vorstellung einer zerbrechlichen liberalen Gesellschaft, die von Rechtsextremen gefährdet und ausgehöhlt wird, ist das Bild dieser Tage. 

Diese Einschätzung ist kurz vor den Landtagswahlen in Ostdeutschland, die der AfD Regierungsbeteiligung bescheren könnte, wahrlich keine Phantasie.

Dagegen stehen der wehrhafte Staat und seine Einrichtungen, darunter ein Polizeiapparat mit beachtlicher Größe, Geheimdienste, und die diversen Behörden des Verfassungsschutzes. Hinzukommen – wie das Beispiel von Correctiv zeigt – eine wachsende Zahl von zivilen Akteuren, Stiftungen und Portalen, die sich im Kampf gegen den Extremismus engagieren.

Die zivilgesellschaftliche Seite des Widerstandes fasst der CDU-Politiker Ruprecht Polenz auf X zusammen: „Viele Organisationen, Verbände, Parteien, die Kirchen, Jugendorganisationen und Initiativen haben sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt: Verteidigung unserer Demokratie gegen die rechtsextreme AfD.“

Es gibt sicher eine überwältigende Mehrheit in der Republik, die eine etwaige Rückkehr neuer Nationalsozialisten auf der politischen Bühne mit Schaudern erfüllt.

Die Stimmen derjenigen häufen sich, die Begrenzungen fordern

Allerdings mehren sich Stimmen, die den Kampf gegen Rechts nicht grenzenlos führen wollen. Hinsichtlich des Verfassungsschutzes, der mit der Einschätzung von Parteien als „gesichert extrem“ in die demokratische Willensbildung eingreifen kann, erinnerte der Redakteur der „Süddeutschen Zeitung“, Ronen Steinke, an die Natur der Behörde.

Sein Befund: „Wenn der Inlandsgeheimdienst gegen legale politische Aktivitäten spioniert, dann schädigt das die Demokratie. Wenn der Inlandsgeheimdienst gegen – mutmaßlich – illegale politische Aktivitäten spioniert, dann ist das nicht viel besser, denn es unterläuft das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit.“

Ohne die Verdienste der Geheimdienste bei der Aufklärung terroristischer Umtriebe zu negieren ist hier eine gewisse Skepsis angebracht. Neue unbestimmte Begriffe, die sich auf eine „Delegitimierung des Staates“ beziehen und das Recht des Verfassungsschutzes, Äußerungen unterhalb der Strafrechtsgrenze anzuprangern, sind durchaus umstritten.

Auf der zivilgesellschaftlichen Seite wird die Nähe von politisch aktiven Organisationen und der Regierung kritisiert. Im November 2020 wurden den Netzwerken gegen den Extremismus bis 2024 über eine Milliarde Euros versprochen.

Allein das Programm Demokratie Leben erhält jedes Jahr etwa 182 Millionen Euro Steuergelder. Die Ermächtigung dieser Akteure – so der Vorwurf -–beinhaltet eine Förderung politischer Kreise, die sich durch Regierungsnähe auszeichnen und nicht nur Rechtsextreme, sondern Konservative schlechthin bekämpfen.

Finanziert hier die Regierung indirekt den Kampf gegen unbeliebte Konkurrenten? Zu diesem Thema gibt es sogar Streit in der Koalition. „Es wird kein sogenanntes Demokratiefördergesetz geben, das eine institutionelle Finanzierung von Vereinen und Verbänden vorsieht, die sich als sogenannte Nichtregierungsorganisationen bezeichnen“, kündigte der FDP-Politiker Kubicki angesichts neu geplanter Offensiven gegen den Extremismus an.

Im Fall der Berichterstattung der Journalisten von Correctiv hat die AfD – mit der Betonung ihres üblichen Opfernarrativs – schnell von „Inszenierung“, „Regierungsnähe“ und „Übertreibung“ gesprochen. Das ist durchsichtig.

Es gibt andererseits sachliche Kritik an der Methodik des Portals, deren Überwachung des Potsdamer Treffens hart an der Grenze zu Straftatbeständen operierte.

Foto: Deutscher Bundestag / Sebastian Rau / photothek

Bekämpfung oder „betreutes Denken“

Phillip Fess bemängelte auf „Telepolis“ nicht nur eine Tendenz zum Spektakel, sondern kommentierte, dass diverse Formen des betreuten Denkens die Demokratie auf Dauer kaum zu retten vermag. Für ihn sind Versuche der demokratischen Mitte, ihre Überzeugungen künftig mit mehr Emotionalität zu verbreiten, fragwürdig. Die Debatte über den Stil der Auseinandersetzung mit realen und vermeintlichen Extremisten hat längst begonnen.

Die harte Position vertritt zum Beispiel Rainer Rutz, Ressortleiter der taz berlin, in einem Text: „Niemand muss diesen Menschen politisch entgegenkommen. Sie müssen isoliert und bekämpft werden“. Wie immer man diesen Kampf gestaltet, die Wahlerfolge der AfD mit dem Einsatz von enormen Geldsummen zu begegnen, haben bisher kaum den gewünschten Erfolg gezeitigt.

Interessant ist in diesem Kontext die Positionierung der Religionsgemeinschaften. Unlängst hat sich die katholische Bischofskonferenz eindeutig positioniert: „Völkischer Nationalismus ist mit dem christlichen Gottes- und Menschenbild unvereinbar. Rechtsextreme Parteien und solche, die am Rande dieser Ideologie wuchern, können für Christinnen und Christen daher kein Ort ihrer politischen Betätigung sein und sind auch nicht wählbar“, heißt es in einer Presseerklärung.

Gleichzeitig wird von den Gläubigen eine gewisse Dialogbereitschaft eingefordert: „Bei alledem sind sich die Bischöfe auch darin einig, dass die Kirche sich dem Dialog mit Menschen, die sich für solche extremistische Botschaften empfänglich zeigen, aber gesprächswillig sind, nicht entziehen darf.“

Foto: knirpsdesign | Shutterstock

Republik der „Wahnsinnigen“?

Der Satiriker Florian Schroeder berichtet in seinem Buch „Unter Wahnsinnigen“ von Ausflügen in die Randzonen der Gesellschaft. Er erinnert in dem Sachbuch daran, dass die Welt ein Spiegel ist und wir es uns zu leicht machen, das Böse ausschließlich in unsere Feindbilder zu verlagern.

In seinen Gesprächen begegnet er Straftätern, Ideologen und Aktivisten aller Couleur und verlässt sich nicht nur auf die mediale Berichterstattung. Dabei versucht er, Lebensläufe zu verstehen, den Zeitpunkt zu ermitteln, wenn Entwürfe und Absichten in eine geschlossene, undemokratische Weltanschauung führen. Eine der Botschaften Schroeders ist, die direkte Begegnung zu suchen und sich nicht nur auf die veröffentliche Meinung zu verlassen. 

Es ergibt Sinn, die Tür für einen Dialog mit Andersdenken nicht zuzuschlagen oder unangenehme Debatten nur mit der eigenen Klientel zu führen. Die große Zahl der Menschen, die heute mit negativen Zuschreibungen versehen werden, sind in sich keine homogene Gruppe.

Es wäre ein später Sieg für die These Carl Schmitts, wenn wir die Essenz des Politischen künftig nur in der Unterscheidung zwischen Freund und Feind fassen.

Wo immer Gesprächsbereitschaft besteht, gibt es eine Hoffnung auf Veränderung. Auch müssen denjenigen BürgerInnen, die sich über falsche Einordnung beklagen Foren geboten werden, um ihr eigenes Bild in der Öffentlichkeit zu korrigieren. Sonst droht nicht nur das Ende aller Debatten mit Andersdenkenden, sondern eine Atmosphäre, die an Franz Kafkas „Prozess“ erinnert.

Gerade Muslime wissen, wie schädlich Generalverdachte ist

Wir Muslime sollten uns aus eigener Erfahrung dafür engagieren, dass die Idee des Generalverdachts nicht unser ganzes Zusammenleben prägt. Der unbestimmte Begriff des „Islamismus“ hat das Potenzial jedes politische Engagement zu verhindern.

Das Dickicht aus Assoziationsketten und der Vorwurf der Kontaktschuld lässt viele Muslime in Meinungsartikeln ohne überprüfbare Tatsachenbehauptungen schnell zu Extremisten mutieren. Andererseits ist nicht jede Kritik am Islam schon ein Indiz für Rassismus oder Islamophobie.

Fakt ist das Zusammenspiel von Staat, Regierung und Zivilgesellschaft, das sich in der Ablehnung von Demokratiefeinden andeutet, steht unter Beobachtung mit dem Ziel, letztlich neuen Formen des Totalitarismus früh entgegenzuwirken. In diesen Zeiten gehört die Kritik an der Macht, der Ruf nach sozialer Gerechtigkeit oder die Forderung einer geordneten Immigration zum Alltag einer Demokratie.

Diese legitime Auseinandersetzung mit staatlichem Handeln muss scharf abgegrenzt werden von den Versuchen, den Staat zu zerstören oder zu delegitimieren. Lenkt die Konzentration auf den Feind vom Versagen politischer Entscheidungsträger, wichtige Fragen sachlich zu lösen ab? 

Johann Wolfgang von Goethe umschreibt diese Möglichkeit in den Gesprächen mit Eckermann: „Auch ich war vollkommen überzeugt, dass irgendeine große Revolution nie Schuld des Volkes ist, sondern der Regierung. Revolutionen sind ganz unmöglich, sobald die Regierungen fortwährend gerecht und fortwährend wach sind, sodass sie ihnen durch zeitgemäße Verbesserungen entgegenkommen und sich nicht so lange sträuben, bis das Notwendige von unten her erzwungen wird.“

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Von AfD über Ramadanlaternen bis zu Staatsverträgen – Kurzmeldungen Deutschland

Ramadan kurzmeldungen

Von AfD über Ramadanlaternen bis zu Staatsverträgen – Kurzmeldungen Deutschland der Ausgabe Nr. 346. Bischöfe: Die AfD ist nicht wählbar AUSGBURG (KNA). Rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien, die gegen Migranten, Muslime […]

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Rechtsextremisten arbeiten für AfD im Bundestag 

afd Rechtsextrem Bundestag

Die Bundestagsfraktionen und Abgeordneten beschäftigen zahlreiche Mitarbeiter. Bei der AfD sind darunter einem Bericht zufolge mehr als 100 Rechtsextremisten. Die Partei weist das scharf zurück. 

Berlin (dpa) Für die AfD-Bundestagsfraktion und AfD-Abgeordnete sollen einem Medienbericht zufolge mehr als 100 Personen aus Organisationen arbeiten, die von deutschen Verfassungsschutzämtern als rechtsextremistisch eingestuft werden. Der Bayerische Rundfunk (BR) stützt sich in einem am Dienstag veröffentlichten entsprechenden Bericht auf „interne Namenslisten“ aus dem Bundestag und Mitarbeiterverzeichnisse aus der AfD-Fraktion, die er einsehen konnte. Die Fraktion wies den Bericht scharf zurück und sprach von einer Kampagne. 

Unter den Mitarbeitern sollen laut BR Personen sein, die namentlich in Verfassungsschutzberichten erwähnt werden, die Führungspositionen in beobachteten Organisationen innehaben und die als Referenten beim als rechtsextremistisch eingestuften Institut für Staatspolitik (IfS) in Schnellroda aufgetreten sind. Auch ein Vertreter des Vereins „Ein Prozent“, der vom Inlandsgeheimdienst zur sogenannten neuen Rechten gezählt wird und ebenfalls als rechtsextremistisch eingestuft wurde, ist demnach darunter. 

Gesichert rechtsextrem: Die Junge Alternative

Einen großen Teil der mehr als 100 Mitarbeiter, von denen die Rede ist, machen den Recherchen zufolge Mitglieder der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA) aus, die der Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch einstuft, und Mitarbeiter aus den AfD-Landesverbänden Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, die von den dortigen Verfassungsschutzämtern als gesichert rechtsextremistisch eingestuft werden. Allein rund 25 Beschäftigte sind demnach in der JA und „Dutzende“ kommen laut dem Bericht aus den drei genannten Landesverbänden. 

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Bernd Baumann, bezeichnete die Veröffentlichung am Dienstag in Berlin als „Teil einer üblen Kampagne“. Er verwies auf die in Münster laufende Gerichtsverhandlung zwischen der AfD und dem Verfassungsschutz und sprach von nebulösen Verdächtigungen. Die Veröffentlichung am selben Tag sei kein Zufall. „Da ist nichts dran“, sagte Baumann. Er nannte den Verfassungsschutz einen „Büttel der Innenministerien“. Die AfD kritisiert die Verfassungsschutzbehörden immer wieder als nicht unabhängig und geht gerichtlich dagegen vor, dass der Inlandsgeheimdienst sie beobachtet. 

Insgesamt arbeiten den BR-Recherchen zufolge mehr als 500 Personen für die AfD-Bundestagsfraktion oder ihre Abgeordneten. Die Fraktion hat 78 Abgeordnete.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser brachte in Reaktion auf den Bericht eine Regelverschärfung im Bundestag ins Spiel. „In Regierung und Behörden dürfen nur Menschen arbeiten, die fest auf dem Boden des Grundgesetzes agieren“, sagte die SPD-Politikerin der „Rheinischen Post“ am Mittwoch. Der Bundestag könne seine eigenen Regeln überprüfen und Verschärfungen diskutieren. Die Regierung halte sich da wegen der Gewaltenteilung heraus. „Klar ist aber: Wir sind eine wehrhafte Demokratie und müssen alle Mechanismen nutzen, um diese vor ihren Feinden zu schützen“, sagte Faeser. 

Wer in Gebäuden des Bundestages arbeitet, bekommt für den Zutritt einen Bundestagsausweis. Dieser wird auf Antrag erstellt. Laut Hausordnung des Bundestages wird eine sogenannte allgemeine Zuverlässigkeitsüberprüfung der betreffenden Person durchgeführt, wofür Polizeidatenbanken genutzt werden. Der Antrag kann abgelehnt werden, „wenn begründete Zweifel an der Zuverlässigkeit der Antrag stellenden Person bestehen“. Der Ausweis kann später aus diesen Gründen auch wieder eingezogen werden. 

Ende der Debatten und neue Feindlinien

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Ende der Debatten: ein Essay über die wehrhafte Demokratie und ihre Grenzen der Feindbekämpfung.

(iz). Es ist heute üblich, unbekannte Personen zu googeln, um mehr über ihren beruflichen und geistigen Hintergrund zu erfahren. Gerade im politischen oder religiösen Kontext erscheint dabei häufig das Problem einer Unterscheidung zwischen der imaginären, symbolischen und realen Darstellung einer Existenz.

Problematische Aspekte der Feindbekämpfung können zu einem Ende der Debatten führen

Die virtuelle Welt, die durch Texte, Berichte und Artikel gebildet und mit Suchmaschinen verbreitet wird, enthält immer häufiger Markierungen, die die Betroffenen mit Eigenschaften wie „extremistisch“, „radikal“, „umstritten“ oder „antisemitisch“ markiert.

Da diese Bewertungen Meinungen widerspiegeln und nicht unbedingt auf Tatsachen beruhen – es sei denn die Beschriebenen bekennen sich zu ihrem eigenen Extremismus –, sind diese Phänomene für eine offene Gesellschaft problematisch. Die Einstufung einer Person als extrem bedeutet nach einem kurzen Prozess den Ausschluss aus der Debatte.

Die Institutionen, die bewerten, ob ein Muslim ein „Islamist“, ein Rechter ein Rechtsextremer, ein Linker ein Kommunist oder ein Demonstrant ein Antisemit ist, greifen nicht nur in Grundrechte der Betroffenen ein, sondern bestimmen die Debattenvielfalt im Land.

Folgen von Markierungen

Die genannten Markierungen im öffentlichen Raum verstehen sich als Ausübung der Meinungsfreiheit, sie sind wirkungsmächtig – wenn auch nicht vor unabhängigen Gerichten überprüfbar. Die Frage stellt sich, wie eine Gesellschaft mit ihren vermeintlichen Rändern umgeht oder anders gefragt: Wie weit darf der Kampf gegen Extremismus gehen, ohne selbst extrem zu werden?

Seit einigen Wochen versammeln sich Millionen MitbürgerInnen für den Kampf gegen Rechts auf der Straße und demonstrieren eindrucksvoll eine Art Wir-Gefühl. Ihre Motivation ist dabei, angesichts der wachsenden Zustimmung für die AfD einen Rückfall der Bundesrepublik in einen antiquierten Nationalismus zu verhindern.

Die Mobilisierung der Bevölkerung beruht auf einem Bericht des Medienportals Correctiv, das über eine private Zusammenkunft einiger PolitikerInnen und Geschäftsleute, darunter Mitglieder der CDU und AfD, in Potsdam berichtet hatte.

Foto: Wikiwand | Lizenz: CC BY-SA 4.0

Rechte (Alp)Träume einer „Remigration“

Auf dem Treffen hatte der Kopf der sogenannten identitären Bewegung, Martin Sellner, ein dubioses Programm zur „Remigration“ vorgestellt. Im ersten Bericht der Journalisten kam der Begriff „Deportation“ vor, eine Zuschreibung, die an die historische Wanseekonferenz erinnerte und kurze Zeit später wieder auf dem Portal gelöscht wurde.

Der Eindruck entstand, dass hier die Vertreibung von Millionen Menschen mit Immigrationshintergrund, seien es Flüchtlinge oder Bürger dieses Landes, geplant wurde.

Die „Gefahr für die Demokratie“ ist seit den Potsdamer Ereignissen wieder in aller Munde. Die Vorstellung einer zerbrechlichen liberalen Gesellschaft, die von Rechtsextremen gefährdet und ausgehöhlt wird, ist das Bild dieser Tage. 

Diese Einschätzung ist kurz vor den Landtagswahlen in Ostdeutschland, die der AfD Regierungsbeteiligung bescheren könnte, wahrlich keine Phantasie.

Dagegen stehen der wehrhafte Staat und seine Einrichtungen, darunter ein Polizeiapparat mit beachtlicher Größe, Geheimdienste, und die diversen Behörden des Verfassungsschutzes. Hinzukommen – wie das Beispiel von Correctiv zeigt – eine wachsende Zahl von zivilen Akteuren, Stiftungen und Portalen, die sich im Kampf gegen den Extremismus engagieren.

Die zivilgesellschaftliche Seite des Widerstandes fasst der CDU-Politiker Ruprecht Polenz auf X zusammen: „Viele Organisationen, Verbände, Parteien, die Kirchen, Jugendorganisationen und Initiativen haben sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt: Verteidigung unserer Demokratie gegen die rechtsextreme AfD.“

Es gibt sicher eine überwältigende Mehrheit in der Republik, die eine etwaige Rückkehr neuer Nationalsozialisten auf der politischen Bühne mit Schaudern erfüllt.

Die Stimmen derjenigen häufen sich, die Begrenzungen fordern

Allerdings mehren sich Stimmen, die den Kampf gegen Rechts nicht grenzenlos führen wollen. Hinsichtlich des Verfassungsschutzes, der mit der Einschätzung von Parteien als „gesichert extrem“ in die demokratische Willensbildung eingreifen kann, erinnerte der Redakteur der „Süddeutschen Zeitung“, Ronen Steinke, an die Natur der Behörde.

Sein Befund: „Wenn der Inlandsgeheimdienst gegen legale politische Aktivitäten spioniert, dann schädigt das die Demokratie. Wenn der Inlandsgeheimdienst gegen – mutmaßlich – illegale politische Aktivitäten spioniert, dann ist das nicht viel besser, denn es unterläuft das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit.“

Ohne die Verdienste der Geheimdienste bei der Aufklärung terroristischer Umtriebe zu negieren ist hier eine gewisse Skepsis angebracht. Neue unbestimmte Begriffe, die sich auf eine „Delegitimierung des Staates“ beziehen und das Recht des Verfassungsschutzes, Äußerungen unterhalb der Strafrechtsgrenze anzuprangern, sind durchaus umstritten.

Auf der zivilgesellschaftlichen Seite wird die Nähe von politisch aktiven Organisationen und der Regierung kritisiert. Im November 2020 wurden den Netzwerken gegen den Extremismus bis 2024 über eine Milliarde Euros versprochen.

Allein das Programm Demokratie Leben erhält jedes Jahr etwa 182 Millionen Euro Steuergelder. Die Ermächtigung dieser Akteure – so der Vorwurf -–beinhaltet eine Förderung politischer Kreise, die sich durch Regierungsnähe auszeichnen und nicht nur Rechtsextreme, sondern Konservative schlechthin bekämpfen.

Finanziert hier die Regierung indirekt den Kampf gegen unbeliebte Konkurrenten? Zu diesem Thema gibt es sogar Streit in der Koalition. „Es wird kein sogenanntes Demokratiefördergesetz geben, das eine institutionelle Finanzierung von Vereinen und Verbänden vorsieht, die sich als sogenannte Nichtregierungsorganisationen bezeichnen“, kündigte der FDP-Politiker Kubicki angesichts neu geplanter Offensiven gegen den Extremismus an.

Im Fall der Berichterstattung der Journalisten von Correctiv hat die AfD – mit der Betonung ihres üblichen Opfernarrativs – schnell von „Inszenierung“, „Regierungsnähe“ und „Übertreibung“ gesprochen. Das ist durchsichtig.

Es gibt andererseits sachliche Kritik an der Methodik des Portals, deren Überwachung des Potsdamer Treffens hart an der Grenze zu Straftatbeständen operierte.

Foto: Deutscher Bundestag / Sebastian Rau / photothek

Bekämpfung oder „betreutes Denken“

Phillip Fess bemängelte auf „Telepolis“ nicht nur eine Tendenz zum Spektakel, sondern kommentierte, dass diverse Formen des betreuten Denkens die Demokratie auf Dauer kaum zu retten vermag. Für ihn sind Versuche der demokratischen Mitte, ihre Überzeugungen künftig mit mehr Emotionalität zu verbreiten, fragwürdig. Die Debatte über den Stil der Auseinandersetzung mit realen und vermeintlichen Extremisten hat längst begonnen.

Die harte Position vertritt zum Beispiel Rainer Rutz, Ressortleiter der taz berlin, in einem Text: „Niemand muss diesen Menschen politisch entgegenkommen. Sie müssen isoliert und bekämpft werden“. Wie immer man diesen Kampf gestaltet, die Wahlerfolge der AfD mit dem Einsatz von enormen Geldsummen zu begegnen, haben bisher kaum den gewünschten Erfolg gezeitigt.

Interessant ist in diesem Kontext die Positionierung der Religionsgemeinschaften. Unlängst hat sich die katholische Bischofskonferenz eindeutig positioniert: „Völkischer Nationalismus ist mit dem christlichen Gottes- und Menschenbild unvereinbar. Rechtsextreme Parteien und solche, die am Rande dieser Ideologie wuchern, können für Christinnen und Christen daher kein Ort ihrer politischen Betätigung sein und sind auch nicht wählbar“, heißt es in einer Presseerklärung.

Gleichzeitig wird von den Gläubigen eine gewisse Dialogbereitschaft eingefordert: „Bei alledem sind sich die Bischöfe auch darin einig, dass die Kirche sich dem Dialog mit Menschen, die sich für solche extremistische Botschaften empfänglich zeigen, aber gesprächswillig sind, nicht entziehen darf.“

Foto: knirpsdesign | Shutterstock

Republik der „Wahnsinnigen“?

Der Satiriker Florian Schroeder berichtet in seinem Buch „Unter Wahnsinnigen“ von Ausflügen in die Randzonen der Gesellschaft. Er erinnert in dem Sachbuch daran, dass die Welt ein Spiegel ist und wir es uns zu leicht machen, das Böse ausschließlich in unsere Feindbilder zu verlagern.

In seinen Gesprächen begegnet er Straftätern, Ideologen und Aktivisten aller Couleur und verlässt sich nicht nur auf die mediale Berichterstattung. Dabei versucht er, Lebensläufe zu verstehen, den Zeitpunkt zu ermitteln, wenn Entwürfe und Absichten in eine geschlossene, undemokratische Weltanschauung führen. Eine der Botschaften Schroeders ist, die direkte Begegnung zu suchen und sich nicht nur auf die veröffentliche Meinung zu verlassen. 

Es ergibt Sinn, die Tür für einen Dialog mit Andersdenken nicht zuzuschlagen oder unangenehme Debatten nur mit der eigenen Klientel zu führen. Die große Zahl der Menschen, die heute mit negativen Zuschreibungen versehen werden, sind in sich keine homogene Gruppe.

Es wäre ein später Sieg für die These Carl Schmitts, wenn wir die Essenz des Politischen künftig nur in der Unterscheidung zwischen Freund und Feind fassen.

Wo immer Gesprächsbereitschaft besteht, gibt es eine Hoffnung auf Veränderung. Auch müssen denjenigen BürgerInnen, die sich über falsche Einordnung beklagen Foren geboten werden, um ihr eigenes Bild in der Öffentlichkeit zu korrigieren. Sonst droht nicht nur das Ende aller Debatten mit Andersdenkenden, sondern eine Atmosphäre, die an Franz Kafkas „Prozess“ erinnert.

Gerade Muslime wissen, wie schädlich Generalverdachte ist

Wir Muslime sollten uns aus eigener Erfahrung dafür engagieren, dass die Idee des Generalverdachts nicht unser ganzes Zusammenleben prägt. Der unbestimmte Begriff des „Islamismus“ hat das Potenzial jedes politische Engagement zu verhindern.

Das Dickicht aus Assoziationsketten und der Vorwurf der Kontaktschuld lässt viele Muslime in Meinungsartikeln ohne überprüfbare Tatsachenbehauptungen schnell zu Extremisten mutieren. Andererseits ist nicht jede Kritik am Islam schon ein Indiz für Rassismus oder Islamophobie.

Fakt ist das Zusammenspiel von Staat, Regierung und Zivilgesellschaft, das sich in der Ablehnung von Demokratiefeinden andeutet, steht unter Beobachtung mit dem Ziel, letztlich neuen Formen des Totalitarismus früh entgegenzuwirken. In diesen Zeiten gehört die Kritik an der Macht, der Ruf nach sozialer Gerechtigkeit oder die Forderung einer geordneten Immigration zum Alltag einer Demokratie.

Diese legitime Auseinandersetzung mit staatlichem Handeln muss scharf abgegrenzt werden von den Versuchen, den Staat zu zerstören oder zu delegitimieren. Lenkt die Konzentration auf den Feind vom Versagen politischer Entscheidungsträger, wichtige Fragen sachlich zu lösen ab? 

Johann Wolfgang von Goethe umschreibt diese Möglichkeit in den Gesprächen mit Eckermann: „Auch ich war vollkommen überzeugt, dass irgendeine große Revolution nie Schuld des Volkes ist, sondern der Regierung. Revolutionen sind ganz unmöglich, sobald die Regierungen fortwährend gerecht und fortwährend wach sind, sodass sie ihnen durch zeitgemäße Verbesserungen entgegenkommen und sich nicht so lange sträuben, bis das Notwendige von unten her erzwungen wird.“

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Katholische Kirche positioniert sich klar zur AfD

mitte-studie katholisch kirche afd

Die katholischen Bischöfe in Deutschland haben unmissverständlich klargestellt, dass Christen nicht rechtsextrem wählen dürfen. Für die AfD sei das ein schwerer Schlag, sagt ein Experte. 

Köln (dpa) Der Politologe und Kirchenexperte Andreas Püttmann bewertet die Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz zum völkischen Nationalismus als „Coup (…), der die AfD kalt erwischt hat“. „Nachdem die Massendemonstrationen der jüngsten Vergangenheit schon den Anspruch ‘Wir vertreten das Volk’ hinweggefegt haben, reißt ihr nun auch noch die konservative Institution schlechthin das Etikett konservativ herunter“, sagte Püttmann, der als Kenner der rechtskatholischen Szene gilt, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Dabei sei wichtig gewesen, dass die Erklärung einstimmig angenommen worden sei, da man sonst hätte sagen können „Die einen sagen so, die anderen sagen so“.

Püttmann zog eine Parallele zwischen der Erklärung der Bischöfe und der päpstlichen Enzyklika „Mit brennender Sorge“. Darin hatte Papst Pius XI. 1937 den Nationalsozialismus verurteilt. 

Völkischer Nationalismus unvereinbar mit dem katholischen Glauben

Die in der vergangene Woche bei der Frühjahrsvollversammlung in Augsburg verabschiedeten Erklärung aller katholischen Bischöfe in Deutschland brandmarkt völkischen Nationalismus als unvereinbar mit dem christlichen Glauben. „Die Menschenwürde ist der Glutkern des christlichen Menschenbildes und der Anker unserer Verfassungsordnung“, heißt es. In der AfD dominiere eine völkisch-nationalistische Gesinnung, schreiben die Bischöfe. „Die AfD changiert zwischen einem echten Rechtsextremismus, den der Verfassungsschutz einigen Landesverbänden und der Jugendorganisation der Partei attestiert, und einem Rechtspopulismus, der weniger radikal und grundsätzlich daherkommt. Der Rechtspopulismus ist der schillernde Rand des Rechtsextremismus, von dem er ideologisch aufgeladen wird.“ In beiden Fällen werde stereotypen Ressentiments freie Bahn verschafft. 

Anschließend stellen die Bischöfe klar: „Völkischer Nationalismus ist mit dem christlichen Gottes- und Menschenbild unvereinbar. Rechtsextreme Parteien und solche, die am Rande dieser Ideologie wuchern, können für Christinnen und Christen daher kein Ort ihrer politischen Betätigung sein und sind auch nicht wählbar. Die Verbreitung rechtsextremer Parolen – dazu gehören insbesondere Rassismus und Antisemitismus – ist überdies mit einem haupt- oder ehrenamtlichen Dienst in der Kirche unvereinbar.“ 

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Kurzmeldungen Deutschland Februar 2024 (344)

kurzmeldungen

Rüstungsexporte auf Höchststand BERLIN (KNA). Die Bundesregierung hat in diesem Jahr mit 11,71 Milliarden Euro so viele Rüstungsexporte genehmigt wie nie zuvor. Das geht aus einer Antwort der Regierung auf […]

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AfD verliert erneut Prozess

AFD Muslimfeindlichkeit Deutschland Extremismus Verfassungsschutzbericht Prozess

Berlin (dpa/IZ) Das Bundesinnenministerium (BMI) muss seine Aussagen über den Anteil rechtsextremistischer Mitglieder der AfD im Verfassungsschutzbericht 2022 vorerst nicht ändern. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin im Eilverfahren entschieden, wie ein Sprecher am Mittwoch mitteilte. Das Ministerium sei nach dem Bundesverfassungsschutzgesetz berechtigt, die Öffentlichkeit über Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung zu informieren, soweit hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte hierfür vorlägen, hieß es. Im Bericht hieß es, die Partei habe „gegenwärtig schätzungsweise ein extremistisches Personenpotential von etwa 10 000 Personen¶ beziehungsweise „von 30 bis 40 % aller AfD-Mitglieder“. (Az.: VG 1 L 340/23) 

Die Partei wollte dem BMI diese Aussage im Eilverfahren vorläufig untersagen. Sie hält sie für nicht haltbar. Die entsprechende Passage sollte im Verfassungsschutzbericht vorerst gelöscht werden. Nach der Niederlage in erster Instanz hat die AfD nach Angaben des Gerichtssprechers bereits Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. 

„Hinreichendes Gewicht für ein Rechtsextremismuspotential“

Die Partei sieht sich laut Gericht in ihrer Betätigungsfreiheit verletzt. Zudem verstoße die Darstellung gegen das Sachlichkeitsgebot und die Neutralitätspflicht, argumentierte sie. Aus Sicht des Gerichts ist die Berichterstattung jedoch zulässig und verstößt nicht gegen die Gebote staatlicher Neutralität und der Sachlichkeit. Es lägen „tatsächliche Anhaltspunkte von hinreichendem Gewicht für ein Rechtsextremismuspotential bei einem Teil der Mitgliedschaft der AfD vor“, teilte es mit. 

Der Bericht gebe den Begriff des Rechtsextremismus zutreffend wieder in Bezug darauf, dass nach rechtsextremer Vorstellung die Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Nation oder „Rasse“ über den Wert eines Menschen entscheide und eine solche ethnisch-rassisch definierte „Volksgemeinschaft“ die zentralen Werte der freiheitlichen demokratischen Grundordnung missachte. Diese Zuordnung habe das BMI zutreffend auf Grundlage der Stärke des früheren „Flügels“ der AfD und des Netzwerkes um den Thüringer Landes-, und Fraktionschef Björn Höcke gezogen. Es komme nicht auf die angebliche Auflösung des „Flügels“ an, weil damit das Potenzial nicht verschwunden sei. Die Schätzung der Personenzahl sei nicht als willkürlich anzusehen. 

Bereits die Junge Alternative gilt als gesichert rechtsextrem

Für die AfD ist es die zweite Niederlage vor Gericht binnen kurzer Zeit. Am Dienstag hatte das Verwaltungsgericht Köln mitgeteilt, dass die Einstufung der Jugendorganisation Junge Alternative (JA) als gesichert extremistische Bestrebung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) rechtens ist. Der Beschluss ist nicht rechtskräftig. (Az: 13 L 1124/23) 

Lesen Sie hierzu auch: https://islamische-zeitung.de/deportation-plaene-afd-reaktion-migranten/

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AfD-Deportationsträume haben nicht überrascht

deportation religion semantik

Offene Vorstellungen von Deportationen: Wie Migranten auf die Vorstellung der AfD und ihres ideologischen Umfelds reagieren. (KNA). In der Kölner Keupstraße hielt man die Correctiv-Recherche zuerst für einen „Fake“. Der […]

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Proteste gegen AfD: Demonstrationen gingen am Wochenende weiter

protest gemeinsam gegen rechts

Die Proteste gegen die AfD und Rechtsextremismus in der ganzen Republik wurden am Wochenende fortgesetzt. Hunderttausende Bürger nahmen teil.

Berlin (dpa, iz). Nach dem Demo-Wochenende mit Hunderttausenden Teilnehmern in ganz Deutschland soll am Montag in einigen Städten gegen Rechtsextremismus protestiert werden. Politiker zeigen sich unterdessen weiter beeindruckt von der großen Zahl an Demonstrierenden – und fordern Konsequenzen.

Am Wochenende waren in der ganzen Republik Hunderttausende Menschen auf die Straße gegangen, um sich gegen Rechtsextremismus und für die Demokratie stark zu machen.

Foto: H-stt, via Wikimedia Commons | Lizenz: CC BY-SA 4.0

Proteste: In Hamburg und München wegen Überfüllung beendet

In München musste der Protest am Sonntag wegen zu großen Andrangs – die Polizei sprach von rund 100 000 Teilnehmern – abgebrochen werden. In Berlin kamen nach Schätzungen der Polizei ebenfalls bis zu 100.000 Demonstrierende zusammen. Auch in Städten wie Frankfurt, Hannover, Köln, Bremen und Leipzig gingen Zehntausende auf die Straßen.

Und: Auch in vielen kleineren Städten protestierten Tausende, etwa in Erfurt machten sich nach Angaben der Polizei 6000 Menschen gegen rechts stark, in Kassel 12 000, in Halle waren es 16 000.

Soziologe Hurrelmann: Beleg für „einen Stimmungswandel“

Der Soziologe Klaus Hurrelmann wertete die Demonstrationen als Beleg für einen Stimmungswandel in der Bevölkerung. „Die Proteste gegen rechts wirken auf mich wie ein Befreiungsschlag von Gruppen der Bevölkerung, die wegen Corona und der vielen anderen Herausforderungen sehr lange mit sich selbst beschäftigt waren und fast übersehen hätten, was alles auf dem Spiel steht“, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“ (Montag).

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Recherchen von Correctiv waren Auslöser

Auslöser für die Proteste sind die Enthüllungen des Recherchezentrums Correctiv über ein Treffen von Rechtsextremisten am 25. November, an dem AfD-Politiker sowie einzelne Mitglieder der CDU und der „Werteunion“ in Potsdam teilgenommen hatten.

Der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, hatte bei dem Treffen nach eigenen Angaben über „Remigration“ gesprochen. Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll – auch unter Zwang.

Überlebende des Holocaust zeigen sich dankbar

Das Internationale Auschwitz Komitee dankte den Menschen für ihren Protest. „Überlebende des Holocaust sind all denjenigen, die in diesen Tagen gegen den Hass und die Lügenwelt der Rechtsextremen auf die Straße gehen mehr als dankbar. Sie empfinden diese Demonstrationen als ein machtvolles Zeichen der Bürgerinnen und Bürger und eine Belebung der Demokratie auf die sie lange gehofft und gewartet haben“, teilte Exekutiv-Vizepräsident Christoph Heubner mit.

Reem Alabali-Radovan nannte Demonstrationen „gut und wichtig“

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, bezeichnete die Demonstrationen als „gut und wichtig“. „Wir brauchen ein gesamtgesellschaftliches Bündnis“, sagte die SPD-Politikerin „Zeit Online“ (Sonntag).

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Deportationsszenarien: Politik reagiert empört

Debattenklima gesellschaft Deportationsszenarien

Nach Bekanntwerden von Potsdamer Deportationsszenarien reagieren Teile der Öffentlichkeit alarmiert. Sie fühlen sich an die NS-Zeit erinnert.

Berlin (dpa, iz). Das Treffen radikal rechter Kreise mit Extremisten und AfD-Funktionären in Potsdam hat unter den anderen Parteien die Besorgnis wegen des wachsenden Einflusses der AfD verstärkt. Führende Politiker sehen ein Alarmsignal und fordern mehr Engagement der Bürger.

Rechtsextreme formulierten zukünftige Deportationsszenarien

Bei dem Treffen in einer Villa stellte der Vordenker der rechtsextremen Identitären Bewegung, der Österreicher Martin Sellner, Konzeptideen zur „Remigration“ vor, wie er der Deutschen Presse-Agentur bestätigte.

Der AfD-Berater von Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel, Roland Hartwig, hatte nach Angaben eines Weidel-Sprechers vorab keine Kenntnis von Sellners Auftritt, obwohl dieser in der Einladung angekündigt war. Sachsen-Anhalts AfD-Fraktionschef Ulrich Siegmund war anwesend, wie er Correctiv bestätigte, ebenso – nach eigenen Angaben erst später – der Potsdamer AfD-Kreisvorsitzende Tim Krause.

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Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr sieht Parallelen zum Nationalsozialismus. „Die Pläne zur Vertreibung von Millionen Menschen erinnern an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte“, schrieb er auf der Internet-Plattform X. Die vom Medienhaus Correctiv angeführte Recherche „zeigt, dass die AfD die Demokratie und unsere freiheitliche Grundordnung zutiefst ablehnt“.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann riefen Bürgerinnen und Bürger zum Engagement gegen die AfD auf. „An alle gerichtet, die nicht wollen, dass sich Geschichte wiederholt, appelliere ich: Bekennen Sie Farbe, und überlassen Sie das Feld nicht den Menschenfeinden“, sagte er der Funke-Mediengruppe.

Haßelmann mahnte auf X: „Unsere Demokratie, unsere Freiheit, unser Grundgesetz und die Errungenschaften unserer vielfältigen Gesellschaft müssen wir verteidigen gegen die Feinde der Demokratie. Das ist hoffentlich spätestens jetzt vielen Menschen klar.“

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Kanzler ruft zu „Zusammenstehen“ auf

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat auf Berichte über ein Treffen rechter Politiker und Aktivisten in Potsdam mit einem eindringlichen Appell reagiert. „Dass wir aus der Geschichte lernen, das ist kein bloßes Lippenbekenntnis. Demokratinnen und Demokraten müssen zusammenstehen“, schrieb der Kanzler auf X. Wer sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richte, sei ein Fall für Verfassungsschutz und Justiz.

„Wir lassen nicht zu, dass jemand das ‘Wir’ in unserem Land danach unterscheidet, ob jemand eine Einwanderungsgeschichte hat oder nicht“, kommentierte Scholz. Er fügte hinzu: „Wir schützen alle – unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder wie unbequem jemand für Fanatiker mit Assimilationsfantasien ist.“

Grafik, Monitor, X

Politikforscher Botsch: Das Schlagwort „Remigration“ – AfD hat Identitäre integriert

Unter dem Begriff „Remigration“ verstehen Fachleute die Rückkehr von Menschen, die geflohen oder eingewandert sind, in ihre Herkunftsländer. Sellner schrieb der dpa in einer E-Mail, sein Vorschlag umfasse „nicht nur Abschiebungen, sondern auch Hilfe vor Ort, Leitkultur und Assimilationsdruck“. Er habe eine „Musterstadt“ vorgeschlagen, „die als Sonderwirtschaftszone in Nordafrika gepachtet und organisiert werden könnte“.

Die rechtsextreme Identitäre Bewegung ist aus Sicht des Potsdamer Politikwissenschaftlers Gideon Botsch weitgehend in der AfD aufgegangen. Seit dem Einzug der AfD in die Parlamente 2018/19 spiele die Identitäre Bewegung in Deutschland keine Rolle mehr, sagte Botsch am Donnerstag im Inforadio des RBB.

Das Label sei vielmehr in das Umfeld der AfD gewandert. Der Politikwissenschaftler leitet das Zentrum für Antisemitismus- und Rechtsextremismusforschung am Moses Mendelssohn Zentrum der Universität Potsdam.

„Wenn wir gucken, was identitäre Aktivisten heute tun und wo das identitäre Gedankengut sich heute findet, dann müssen wir in die Flure der Parlamente gucken, in die Flure der AfD-Fraktion“, sagte Botsch. Dort säßen die Anhänger dieser Bewegung in den Mitarbeiterbüros der AfD-Abgeordneten. Auch bei der Parteijugend Junge Alternative seien Sprache und Aktionsformen der Identitären sehr präsent.