Der Gewinner ist die AfD

Es hat sich eingebrannt, das Holzkreuz, angemalt in Schwarz-Rot-Gold. Eine neue Studie zeigt jedoch, dass die Mehrheit der Pegida-Demonstranten nicht nur konfessionslos ist, sondern den Kirchen sogar misstraut.
Bonn (KNA) Von falscher Symbolik sprach vor kurzem der evangelische Bischof Gerhard Ulrich. Der katholische Erzbischof Ludwig Schick mahnte wiederholt, Christen sollten dort nicht mitmachen: bei Pegida, der Protestbewegung, die seit Herbst 2014 wöchentlich in Dresden demonstriert. Wer einem Kreuz in Nationalfarben folge, „hat nicht verstanden, aus welcher Geschichte und Kultur er selber kommt“, sagte Ulrich der „Zeit“-Beilage „Christ und Welt“.
Nun zeigt sich, dass Geschichte und Kultur den Pegida-Anhängern ohnehin eher Mittel zum Zweck sind. Eine Mehrheit bringt den Kirchen nämlich kaum Vertrauen entgegen. Das geht aus einer am Sonntag vorgestellten Studie des Göttinger Instituts für Demokratieforschung hervor. Knapp zwei Drittel der Befragten (65,2 Prozent) gaben demnach an, wenig oder gar kein Vertrauen in die Kirchen zu haben; nur 6,6 Prozent sprachen von vollstem oder viel Vertrauen.
Die Forscher um den Politologen Franz Walter hatten nach eigenen Angaben im November Print-Fragebögen mit frankierten Rückumschlägen auf einer Demonstration verteilt. Von 1.800 Bögen erhielten sie 610 zurück. Die Studie sei also nicht im strengen Sinne repräsentativ, sondern Baustein eines Forschungsprojektes, schreibt das Team in einem Blogeintrag auf der Homepage des Instituts.
Die Zahl der Konfessionslosen unter den Umfrage-Teilnehmern überwiege indes „deutlich“, wie das Forscherteam auf Spiegel Online erläutert. Und: Die Islamfeindlichkeit hat sich konkretisiert. „Der“ Islam stehe „nicht mehr nur als Chiffre für einen amorphen kulturellen und gesellschaftlichen Verfall und die Bedrohung durch ein vermeintlich ‘Fremdes’“, betonen die Forscher in ihrem Blog.
Es gehe den Demonstranten um die tatsächliche Religionsgemeinschaft, „die praktizierenden Moslems bzw. deren ‘nordafrikanisch-arabischen Kulturkreis’“. Dies bezeugten handschriftliche Anmerkungen auf den zurückgesandten Fragebögen – die vor den Gewalttaten der Silvesternacht ausgefüllt wurden.
Auch an der Positionierung zur Flüchtlingsdebatte werde die Haltung gegenüber dem Islam deutlich: „Grundsätzlich äußern viele Befragte eine gewisse Hilfsbereitschaft gegenüber Flüchtlingen – ausgenommen denjenigen aus islamischen Regionen.“ 45 Prozent forderten hier „eine klare Differenzierung“.
Die parteipolitische Gewinnerin dieser Entwicklung ist die AfD. Ein Drittel der Pegida-Anhänger wählte die Partei bereits bei der letzten Bundestagswahl; aktuelle Umfragen sehen sie bei 12 Prozent. Für Aufsehen sorgte am Wochenende die Äußerung von Parteichefin Frauke Petry, die Polizei müsse an der Grenze „notfalls“ Schusswaffen gegen Flüchtlinge einsetzen.
Vertreter der anderen Parteien äußerten sich entrüstet, doch bei den Pegida-Anhängern trifft Petry womöglich auf offene Ohren. Deren Ton habe sich im Vergleich zu Vorjahresbeginn verschärft, konstatieren die Göttinger Wissenschaftler. 41 Prozent der Befragten sprachen allen Menschen das Recht auf Asyl in Deutschland ab. 94 Prozent der Demonstranten plädierten für autoritäre Krisenlösungen, 82 Prozent forderten die „Befestigung und Verteidigung“ der deutschen Grenzen.
Die Studie hebt noch einen weiteren Aspekt hervor, der in der öffentlichen Debatte oft untergeht – fordern Politiker doch immer wieder Verständnis für die besorgten Bürger, die um ihre Jobs oder die hart erarbeiteten Ersparnisse fürchten. Dabei, so die Studie, hat rund ein Viertel der Pegida-Anhänger einen Universitäts- oder Hochschulabschluss, ein Drittel einen Berufsschulabschluss. Die Mehrheit ist zudem berufstätig (52 Prozent) oder in Rente (34 Prozent).
Von den sozial ausgegrenzten Schichten finde sich, so die Forscher, „kaum eine Spur“: 45 Prozent der Befragten schätzen ihre individuelle Lage als gut bis sehr gut ein, nur etwa 12 Prozent als schlecht bis sehr schlecht. Es sei also gut möglich, dass sich der Rechtspopulismus auch in Deutschland sozialstrukturell erweitert habe, schreiben die Forscher auf Spiegel Online: „Die Zivilgesellschaft hat Zuwachs im Engagementbereich erhalten – aber anders, als die Theoretiker und Festredner der Bürgergesellschaft und der Selbstinitiative sich das stets gewünscht und naiverweise erhofft hatten.“
Photo by opposition24.de

Kommentar: Die Muslime und die ökonomischen Debatten um die AfD und den Euro

„Ist die Alternative für Deutschland (AfD) also eine, wie es Jakob Augstein in seinem SPIEGEL-Kommentar spektakulär formulierte, ‘Partei aus der Gruft der Geschichte’? Das mag durchaus sein. Die nationalistischen und islamophoben Tendenzen in der AfD sind zweifellos alarmierend und die Partei ist deswegen für Muslime schlicht nicht wählbar.“

(iz). Eigentlich ist es doch sinnvoll. Inmitten der größten Finanzkrise der Menschheitsgeschichte – der Rettung maroder Banken auf Kosten des Steuerzahlers und der titanischen Erweiterung der sich im Umlauf befindlichen Geldmenge – versucht sich auch in Deutschland der politische Widerstand zu formieren. Gesucht war zunächst eine Partei, die endlich einer alternativen ökonomischen Denkschule in der Debatte eine Stimme verleiht. Wer für ein Moment glaubte, die Alternative für Deutschland (AfD) könnte eine solche Alternative sein, ist inzwischen jeder Illusion beraubt.

Beobachtet man heute den AfD-Chef, Bernd Lucke, bei seinen öffentlichen Auftritten, dann wachsen die Zweifel, ob der biedere Professor die Geister die er rief, wirklich wieder loswerden kann. Lucke wird kaum noch zur Geldkritik gehört, sondern doziert, um im politischen Tagesgeschäft zu bleiben, auch über Flüchtlinge, innere Sicherheit oder Wohnungseinbrüche. Seine Partei ist längst von rechts unterwandert. Es geht nicht mehr nur um Fälle einiger Verirrter, die man schnell aus der Partei ausschließen könnte, sondern um das geistige Klima, in dem die Partei sich nunmehr gewollt bewegt.

Hierbei wird die künftige Substanz von Begriffen wie „Souveränität“, „Staat“ und „Kultur“ nicht etwa positiv bestimmt, sondern im Gegensatz zu anderen, vermeintlichen und realen, Kulturen konstruiert. Das populistische Schema ist bekannt: Wir haben Kultur, weil sie keine haben. Die Partei hat so nüchtern kalkuliert, dass ihr ursprüngliches Thema „Geld“ zwar durchaus eine Schicksalsfrage ist. Nur eine kleine Elite im Lande möchte das Thema aber wirklich substantiell diskutieren. Für die ersehnten Wahlsiege reicht das nicht.

Populär wird eine Partei in Deutschland nur mit anderen Themen und – wie es alle Politiker auf ihre je eigene Weise können – mit der Anrufung diverser Ängste: sei es die Furcht vor Überfremdung, wirtschaftlichem Niedergang oder eben die Innere Sicherheit. Nur ungern hört das Wahlvolk dagegen Erinnerungen an die Brüchigkeit des erarbeiteten Wohlstandes, die natürlichen Grenzen des Konsums oder die profane Notwendigkeit, den Gürtel etwas enger zu schnallen.

Ist die Alternative für Deutschland (AfD) also eine, wie es Jakob Augstein in seinem SPIEGEL-Kommentar spektakulär formulierte, „Partei aus der Gruft der Geschichte“? Das mag durchaus sein. Die nationalistischen und islamophoben Tendenzen in der AfD sind zweifellos alarmierend und die Partei ist deswegen für Muslime schlicht nicht wählbar. Auch wenn zum Beispiel eine substantielle (Papier-)Geldkritik der rationalen Sicht des islamischen Wirtschaftsrechts durchaus nahekommen würde: ein politisches Bündnis mit Nationalisten oder Rassisten ist zweifellos ausgeschlossen.

Im Ergebnis gibt es nun keine wählbare Partei mehr, die sich gegen die abenteuerliche Logik der „wundersamen Geldvermehrung“ stemmt. Inakzeptabel ist aber auch der geläufige Umkehrschluss einiger Euro-Befürworter, die jede ökonomische Alternative (ohne Banken) als undenkbar abqualifizieren lassen will. Ein These also, wonach dem geläuterten und geschichtsbewussten Europäer nur die blinde Unterstützung des Euros bleibt und die hoheitliche Manipulation der Geldmenge geradezu zwingend der Pfeiler unserer Moderne sein muss.

In Augsteins Kommentar kann man also die Geschichtskomponente nachvollziehen; man vermisst aber das Verantwortungsbewusstsein. Vielleicht auch Empathie, die ebenfalls die dramatischen Folgen der globalen Inflationskultur ins Visier nimmt. Sie ist weiß Gott kein nationales Thema mehr. Gerade, wenn man nicht „national“ denkt, müsste das Schicksal der Opfer unseres Finanzsysteme Sorge bereiten. Hierzu gehören auch als „Frühling“ verklärte Hungeraufstände oder der – für die andere Seite – fragwürdige Deal, wertvolle Rohstoffe gegen inflationäres Papier auszutauschen.

Die Währungs- und Rohstoffspekulationen dieser Zeit sind eben keine folgenlosen Instrumente. Sie fordern konkrete Opfer und sie schaffen reale Verheerungen. Die „Gruft“, die Augstein zu Recht erschauern lässt, hat auch eine Dimension im Hier und Jetzt. Die Bedrohung schließt niemanden aus. Und, wenn das Finanzsystem eines Tages zusammenbricht, dann stellt sich auch in unseren Komfortzonen die soziale Frage in der brennendsten Form. Was dann aus dem Potential der AfD wird, davor haben auch Muslime Angst.

Natürlich ist Augstein einer unser klügsten Köpfe. Dies wird im Interview mit dem Sachbuchautor Josef Vogl („Das Gespenst des Kapitals“) in der Wochenzeitung „Freitag“ klar. In diesem Gespräch wird präzise herausgearbeitet, dass die Finanztechnik und ihre Eliten, die übrigens allen bekannten Konfessionen angehören, die nationale Demokratie herausfordert, überlagert und in Teilen sogar dominiert. „Kapitalistische Entscheidungsprozesse“, fasst Vogl die bedenkliche Lage dann punktgenau zusammen, „sind weder verfahrenstechnisch legitimiert, noch revidierbar.“

Die Einschätzung über den realen Demokratieabbau ist wichtig. Denn nur so grenzt man sich von einer Paranoia ab, die uns erzählen will, dass etwa die Hundertschaften marodierender Salafisten die aktuelle Kerngefahr für unsere Demokratie seien. Der, bei nüchterner Betrachtung besehen, Hauptbeitrag der muslimische Extremisten für die Menschheitsgeschichte war es bisher, Vorlagen dafür geliefert zu haben: einerseits für geopolitische Machenschaften und andererseits den Ausbau nationaler Kontrollsysteme. Und sie verhindern nicht zuletzt, dass Köpfe wie Augstein das positive Potential des islamischen Beitrages überhaupt noch erkennen können.

Das Dilemma für uns Muslime, die sich an den wichtigen Debatten unserer Zeit konstruktiv beteiligen wollen zeigt sich dabei in der letzten Frage Augsteins in seinem Interview. Dort fragte er schlussendlich, „ob der Islamist der letzte Gegner des Kapitalismus sei?“ Damit reduziert er das mögliche Gegengewicht des Islam letztendlich auf Gewalt.

Augstein verkennt dabei, dass gerade der so genannte politische Islam, im Grunde in allen seinen Facetten von liberal bis extremistisch, sich kaum um das ökonomische Thema kümmert; geschweige denn eine ökonomische Alternative (die noch vor dem Paradies einsetzt) intellektuell schlüssig vorstellen kann. Das sollte den interessierten Beobachter verwundern; dreht sich doch islamische Geschichte und Lebenswirklichkeit entscheidend um Verträge, Märkte und Handelsbeziehungen.

Demzufolge ist das ökonomische Modell des Islam heute nach wie vor eine unbekannte Größe. Sie wird auch nicht von den berühmten Verbandstheologen gelehrt. Der Begriff Antikapitalismus ist – auf die islamische Lebenspraxis bezogen – übrigens eine nur partiell treffende Bestimmung, bestätigt doch das islamische Recht gerade das Eigentum und das Gewinnstreben des Unternehmers. Statt um das „Anti“, oder gar um Gewalt, geht es hier um die Freiheit der Märkte, die Segnungen des Gerechten Handels – also letztlich um eine freie Marktwirtschaft, die diesen Namen auch verdient.

Wenn man schon negativ denken will, ist der Islam so gesehen am ehesten Anti-Finanztechnik. Das heißt dann, philosophisch betrachtet, dass auch wir Muslime wissen, dass das Phänomen globaler Technik nicht allein mit politischen Machenschaften dem politischen Willen unterzuordnen ist. Alle muslimischen Staaten sind natürlich, ob sie wollen oder nicht, in den finanztechnischen Apparat eingebunden. Als europäische Muslime beobachten wir mit einiger Skepsis den hilflosen Versuch des politischen Islam, das eigene ökonomische Modell auf die hierzulande umstrittenen Banken zu reduzieren, so anzupassen und die „islamische“ Bank dann als angeblich moralisch höherstehende zu verklären.

Was uns positiv beschäftigt, ist die Ethik der Geldproduktion, die Suche nach dem Maß und die Unmöglichkeit, als vernünftige Menschen in dem Drucken von immer mehr Geld die Vernunft-Lösung unserer Zeit zu sehen. Ein solcher Diskurs kann nicht nur exklusiv zwischen Muslimen stattfinden. Hier ist auch das Gespräch mit den anderen Religionen oder über die partielle Übereinstimmungen mit der Österreichischen Schule oder den Gesellianern gewinnbringend. Mt politischen Extremisten welcher Couleur auch immer kann diese Auseinandersetzung auf der Höhe der Zeit nicht sinnvoll geführt werden.

Jenseits des Politischen bleibt in jedem Fall, ob Muslim oder nicht, die tiefe Irrationalität des Lösungsansatzes, durch endloses Geldwachstum ein System der Gerechtigkeit und des Wohlstandes zu errichten. In diesem Ansatz „contra naturum“ verbirgt für jeden denkenden, aufgeklärten Menschen das Problem.

Hier fordern wir Muslime, die Gesetze der Aufklärung auf das Feld der Ökonomie auszudehnen. Wer aber nach keinen echten Alternativen mehr suchen will, gibt das Politische und die Freiheit auf und unterwirft sich schlussendlich der Totalität einer globalen Finanztechnik. Die Rolle der Muslime wäre dann in diesem System auf Pseudo-Gegnerschaft reduziert.

Was AfD-Chef Bernd Lucke zum Thema Islam einfiel

(iz). Die Parteienlandschaft wird von der 2013 gegründeten Alternative für Deutschland (AfD) massiv aufgemischt. Nachdem sie den Einzug in den Bundestag nur knapp verpasste und sowohl in das Europaparlament gewählt […]

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