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Malaysia verliert Geduld mit Junta in Myanmar

New York/Kuala Lumpur (KNA). Angesichts der Krise in Myanmar fordert Malaysia von anderen Ländern die Aufnahme von mehr Rohingya-Flüchtlingen. „Die politische Krise in Myanmar hat auch die Lage von Millionen Flüchtlingen von dort verschlechtert, einschließlich der Rohingya-Flüchtlinge“, sagte Malaysias Ministerpräsident Ismail Sabri Yaakob vor der UNO-Vollversammlung in New York, wie der regierungsamtliche malaysische Pressedienst Bernama (Samstag) berichtet.

Obwohl Malaysia die UN-Flüchtlingskonvention nicht unterzeichnet habe, so Ismail Sabri Yaakob, habe das Land aus humanitären Gründen fast 200.000 Rohingya-Flüchtlinge aufgenommen. Die Grundursache der Rohingya-Krise müsse genau analysiert werden; aber eine Lösung sei nicht möglich, solange die Krise in Myanmar anhalte.

Unterdessen äußerte sich auch Papst Franziskus zur Lage der Rohingya in Myanmar. Sie irrten von Ort zu Ort, und niemand gestehe ihnen ihr eigenes Land zu, sagte er am Samstag bei einem Besuch in Assisi.

Malaysias Regierungschef zeigte sich enttäuscht, dass es „keinen nennenswerten Fortschritt“ bei der Umsetzung des Fünf-Punkte-Plans der ASEAN-Staaten durch die Junta von Myanmar gebe. Der im April 2021 beschlossene Plan für eine friedliche Lösung des durch den Militärputsch ausgelösten Konflikts in Myanmar wird von der Junta des ASEAN-Mitglieds boykottiert.

Malaysias Außenminister Saifuddin Abdullah setzt sich inzwischen für eine Einbeziehung der Untergrundregierung „National Unity Government“ von Myanmar in die Gespräche zur Lösung der Krise ein. Das derzeitige Engagement von ASEAN nur mit der Junta sei „einseitig“, sagte er im August.

Das mehrheitlich muslimische Malaysia hat Erfahrung als Vermittler bei Konflikten in Südostasien. So vermittelte es erfolgreich im Friedensprozess zwischen der Regierung der Philippinen und der muslimischen Rebellengruppe Moro Islamic Liberation Front (MILF) auf Mindanao. Die MILF gab im Laufe der Friedensverhandlungen ihre Maximalforderung nach einem eigenen Staat auf Mindanao auf. 2012 unterzeichneten die Philippinen und die MILF ein Rahmenabkommen als Grundlage der Gründung der „Bangsamoro Autonomous Region in Muslim Mindanao“ (BARMM) 2019.

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Menschenrechtler skeptisch: ASEAN ernennt Sonderbotschafter für Myanmar

brennpunkte

Yangon (KNA). Mehr als drei Monate nach dem ASEAN-Gipfel zur Lage in Myanmar hat der südostasiatische Staatenbund einen Sonderbotschafter für Gespräche mit der Militärregierung ernannt. Das Amt habe der Diplomat Erywan Pehin Yusof aus dem mehrheitlich islamischen Sultanat Brunei übernommen, teilte ASEAN am 4. August auf Twitter mit. Der Sonderbotschafter solle „Vertrauen und Zuversicht“ aufbauen und „Zugang zu allen beteiligten Parteien“ erhalten, hieß es.

Die Gruppierung „Asiatische Parlamentarier für Menschenrechte“ (APHR) reagierte skeptisch auf die Ernennung. Es sei „irritierend, dass ein Minister einer absoluten Monarchie, die sich nicht internationalen Menschenrechtsstandards verpflichtet fühlt, mit der Aufgabe betraut wurde, einer mörderischen Armee von der Achtung dieser Prinzipien zu überzeugen“, erklärte die APHR.

Der Staatenverband ASEAN, dem Myanmar angehört, hatte sich am 24. April auf dem Myanmar-Gipfel in Jakarta auf einen „Fünf-Punkte-Konsens“-Plan zur friedlichen Lösung des Konflikts in Myanmar geeinigt. Darin wird unter anderem das Ende der Gewalt gefordert. Myanmars Juntachef Min Aung Hlaing hatte dem Plan zugestimmt, distanzierte sich wenig später jedoch davon. Kurz nach dem Gipfel erklärte die Junta, zuerst müsse in Myanmar „Stabilität“ erreicht werden, bevor der Fünf-Punkte-Plan umgesetzt werden könne.

Die Ernennung eines ASEAN-Sonderbotschafters war laut Medienberichten lange durch Myanmar blockiert worden, da die Junta einen Diplomaten der vom Militär geführten Regierung Thailands bevorzugt habe. Die Junta hatte am 1. August, sechs Monate nach dem Putsch, den Ausnahmezustand um ein weiteres Jahr bis 2023 verlängert.

Nach Angaben der Gefangenenhilfsorganisation „Assistance Association for Political Prisoners – Burma“ (AAPPB) wurden seit dem Putsch mehr als 940 Demonstranten – darunter 75 Kinder – von Armee und Polizei erschossen.

5.444 Regimegegner wurden verhaftet und angeklagt. 229 seien bereits zu langen Haftstrafen und 26, darunter zwei Kinder, zum Tod verurteilt worden. Gegen weitere 39 seien in Abwesenheit Todesstrafen verhängt worden. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) warf der Junta am Wochenende „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ wie Mord, Folter und sexuelle Gewalt gegen Frauen vor.

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Die Lage in Burma ist schon lange dramatisch. Von Abu Bakr Rieger

Die Regierung Burmas – in Person des zwielichtigen Präsidenten Thein Sein – hat im Juli nicht nur erneut ein sogenanntes Ausnahmerecht ausgerufen, sondern – wie der HRW Bericht zeigt – auch mit seinem militärischen Apparat aktiv zur weiteren Eskalation der Lage beigetragen.
(iz). „Die Regierung hätte es verhindern können.“: Unter dieser düsteren Überschrift behandelt ein Bericht der Organisation Human Rights Watch die jüngsten Vorkommnisse in Burma. Ende Mai hatten zunächst – nach Presseberichten – drei Muslime eine Vergewaltigung begangen. Nach der Verurteilung der Straftäter zum Tod töteten buddhistische Anwohner in einer willkürlichen Racheaktion 10 unbeteiligte Muslime. Das Muster von Gewalt und Gegengewalt, dass anschließend im Juni und Juli zwischen Muslimen und Buddhisten ausbrach, kann aber nicht von der grundsätzlichen Verantwortung der Regierung Burmas ablenken.
Nur wenig ist bisher über die Jahrzehnte der Verfolgung der armen Menschen bekannt. Auch der neue HRW-Bericht basiert nur auf der spärlichen Grundlage von 53 Interviews, spricht dabei von „nur“ 79 Toten nach den jüngsten Unruhen im Juli, während islamische Medien allein im letzten Monat von über tausend Opfern berichten. Auf YouTube gibt es zudem Vutzende Videos, die ausreichend Material für Untersuchungen über weitere Massaker hergeben dürften. Inzwischen fordert auch der UN-Repräsentant für die Region, Tomas Quintana, weitere unabhängige Untersuchungen über das eigentliche Ausmaß der Massaker.
Klar ist: Der asiatische Staat ist in diesem Konflikt Partei und nicht etwa neutraler Vermittler in einem regionalen Religionskonflikt. In Burma wurde 1982 hochoffiziell eine ganze Bevölkerungsgruppe entrechtet, ihre Bürgerrechte aberkannt und damit ein bis heute funktionierendes, „legales“ System der Apartheid errichtet. Die planmäßigen Aktionen des Staates gegen Muslime sind also nicht etwa neu. In den siebziger und neunziger Jahren wurden bereits hunderttausende Muslime auf brutale Weise vertrieben.
Die Regierung Burmas – in Person des zwielichtigen Präsidenten Thein Sein – hat im Juli nicht nur erneut ein sogenanntes Ausnahmerecht ausgerufen, sondern – wie der HRW Bericht zeigt – auch mit seinem militärischen Apparat aktiv zur weiteren Eskalation der Lage beigetragen. Am 12. Juli hatte Sein in einer skandalösen Rede sogar die weitere Verbringung der Muslime in Lager gefordert und ihre Ausreise verlangt. Für diese Ausfälle wurde der Präsident weder von den USA noch der EU kritisiert.
Es kann wenig Zweifel bestehen, dass es der Regierung um nichts anderes als der Vertreibung der Muslime aus dem rohstoffreichen Landesteil geht. Die Region ist für das Regime und seine Wirtschaftsinteressen strategisch überaus bedeutsam. An der Küste Arakans wurden milliardenschwere Gas-und Ölvorkommen gesichtet. In Sittwe soll ein neuer Tiefseehafen entstehen. Das Militärregime – nach westlicher Lesart auf dem (langen) Weg zu einer Demokratie – wandelt sich gerade mit Hilfe der Weltbank de facto in einen autoritären kapitalistischen Staat. Der faschistoide Umgang mit Minderheiten spielt bisher im Umgang mit dieser Regierung keine entscheidende Rolle.
Irritierend ist auch das Schweigen der buddhistischen Gelehrten zu der Verfolgung in Burma. Nach dem HRW-Bericht hatten sich buddhistische Mönche sogar aktiv an der diskriminierenden Propaganda gegen Muslime beteiligt. Eine Stellungnahme des Dalai Lama oder anderer Persönlichkeiten der Weltreligion sind bisher nicht bekannt. Das verbreitete Bild des Buddhismus als einer Religion der Friedfertigkeit leidet so unter den Bildern, die uns aus Burma erreichen.
Nicht einmal Aung San Suu Kyi, die weltbekannte Ikone der demokratischen Bewegung, die nun im Parlament sitzt, hat sich bisher klar zu den Ereignissen geäußert. Die EU hat im April die Lockerung ihrer Sanktionen gegen das Land beschlossen, die Fortschritte der Demokratisierung begrüßt, ohne aber gleichzeitig das Ende der systematischen Diskriminierung der Minderheiten zu fordern. Westliche Staaten fordern bisher auch nicht eine schnelle Aufklärung über die tatsächlichen Opferzahlen in den Massakern der letzten Wochen. In der islamischen Welt gilt diese Zurückhaltung als ein weiteres Beispiel für Inkonsequenz westlicher Menschenrechtspolitik.
Das Schicksal der „Rohingya“, der muslimischen Minderheit in dem Staat, nach Angaben der UN eine der „meistverfolgten“ Bevölkerungsgruppen der Welt, bestätigt so auf tragische Weise die viel diskutierte Analyse Giorgio Agambens. Der italienische Philosoph hatte in seinem Buch „Homo Sacer“ argumentiert, dass das Lager und das Hervorbringen des rechtlosen „nackten Lebens” nicht im Widerspruch zum Nomos der Moderne stehe.
Die Lage in Asien gibt diesen Thesen einige Nahrung. Im Süden Bangladeschs leben seit Jahrzehnten zehntausende Muslime aus der Region in Lagern, die „Orte ohne rechtliche Ordnung“ sind. Erschütternde Bilder aus der Region zeigen nun erneut Menschen, die als „Staatenlose“ keine Bürger mehr sind und sich mit kleinen Booten sogar auf das offene Meer flüchten müssen, allein um Tod und Verfolgung zu entgehen. Ihnen bleibt nur – wie es Agamben formuliert – das „nackte Leben“ zu retten.