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Sudan: Gewalt ist ein allgemeineres Symptom

Sudan

Sudan: Der Machtkampf zwischen Armee und RSF-Milizen steht für ein systemisches Problem der politischen Ordnung in Afrika. (The Conversation). Im Sudan ist es trotz ausgerufener Waffenruhe anlässlich der Ramadanfeiertage erneut […]

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Deutschland liefert weiter Waffen an Jemen-Kriegsparteien

Siedlergewalt Nahost

Berlin (KNA). Deutschland liefert weiter Waffen an die am Krieg im Jemen beteiligten Länder. Allein für Kuwait erteilte die Bundesregierung zwischen dem 8. Dezember 2021 und dem 13. September 14 Einzelausfuhrgenehmigungen in Höhe von 1,3 Millionen Euro. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen hervor. Das Papier liegt der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vor.

Für Ägypten gab es demnach drei Genehmigungen über rund 377.000 Euro. Auch Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate und der Sudan stehen auf der Liste der Empfänger. Diese Länder beteiligen sich an der von Saudi-Arabien angeführten Koalition am Krieg im Jemen. Für Saudi-Arabien selbst wurden keine Ausfuhren von Rüstungsgütern bewilligt.

Unlängst erst hatte ein Sprecher der Bundeswirtschaftsministeriums auf KNA-Anfrage bekräftigt, dass auch künftig Anträge für Exporte nach Saudi-Arabien abgelehnt würden. Allerdings gebe es einen Sonderfall. „Besondere Verpflichtungen Deutschlands gegenüber Nato-Bündnispartnern werden erfüllt. In diesem engen Rahmen sind Ausfuhrgenehmigungen als Ausnahme möglich“, so der Sprecher.

Wie aus der nun erfolgten Antwort an die Abgeordnete Dagdelen hervorgeht, gehören auch weitere Staaten im Nahen Osten und auf der Arabischen Halbinsel zu den Empfängern deutscher Waffenlieferungen. Neben Jordanien und Oman ist dies vor allem Katar, Gastgeber der diesjährigen Fußball-WM. Hier erteilte die Bundesregierung 46 Einzelausfuhrgenehmigungen für 20,7 Millionen Euro.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) besucht an diesem Wochenende die drei Golfstaaten Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate und Katar. Dagdelen kritisierte, der Kanzler setze auf „Energiedeals mit blutigen Diktaturen am Golf“ und drohe den Weg für neue Waffenlieferungen freizumachen.

Lybien: Nicht nur Gaddafi, auch Haftar will kandidieren

Tripolis (dpa). Knapp sechs Wochen vor der geplanten Präsidentschaftswahl im Bürgerkriegsland Libyen hat der mächtige General Chalifa Haftar seine Kandidatur angekündigt. Er wolle damit keine Macht und keinen Status erlangen, sondern das libysche Volk „in einer entscheidenden Phase zu Ruhm, Fortschritt und Wohlstand“ führen, sagte er am 16. November in einer Rede, die der ihm nahestehende Fernsehsender Libija al-Hadath übertrug. Die Wahl ist für den 24. Dezember geplant.

Haftar wurden schon länger Ambitionen auf das Präsidentenamt nachgesagt. Mit der vorübergehenden Abgabe der Armee-Führung schuf er Ende September auch die Voraussetzung für eine Kandidatur. Bis dahin hatte Haftar die selbst ernannte Libysche Nationalarmee (LNA) im Osten des Landes angeführt. Im Bürgerkrieg kämpfte er gegen die international anerkannte Regierung des damaligen Ministerpräsidenten Fajis al-Sarradsch mit Sitz im Westen. Haftar wird unter anderem von der russischen Regierung unterstützt.

Wegen der anhaltenden Auseinandersetzungen zwischen den politischen Lagern ist derzeit aber weiterhin unklar, ob die Wahlen tatsächlich wie geplant stattfinden. Ein Streitpunkt ist der Zeitpunkt der Parlamentswahl, die eigentlich am selben Tag wie die Präsidentschaftswahl abgehalten werden sollte.

Libyen war nach dem Sturz von Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 in einem Bürgerkrieg versunken. In diesem Frühjahr wurde unter UN-Vermittlung eine Übergangsregierung gebildet, die das Land zu Wahlen führen soll.

Auch Gaddafis Sohn kündigte jüngst seine Kandidatur für das Präsidentenamt an. Saif al-Islam hatte in Libyen die brutale Niederschlagung von Protesten gegen seinen Vater unterstützt. Der Internationale Strafgerichtshof fordert seine Auslieferung.

Libyens Wahlkommission hat eigenen Angaben zufolge bislang fünf Präsidentschaftsbewerbungen erhalten – Haftars ist noch nicht darunter. Anmeldeschluss ist am 22 November.

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US-Generalstabschef: Bürgerkrieg in Afghanistan ist wahrscheinlich

Washington/Ramstein (dpa/iz). US-Generalstabschef Mark Milley hat sich besorgt darüber geäußert, dass Afghanistan nach der Machtübernahme der Taliban und dem Abzug der internationalen Truppen in einen Bürgerkrieg abgleiten könnte.

„Ich weiß nicht, ob die Taliban in der Lage sein werden, ihre Machtstellung zu festigen und eine Regierung zu etablieren“, sagte Milley dem Sender Fox News am 4. August in einem Interview auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz. „Meine militärische Einschätzung ist, dass sich die Lage wahrscheinlich zu einem Bürgerkrieg auswachsen wird.“

Eine solche Entwicklung könnte wiederum dazu führen, dass Terrorgruppen das Machtvakuum in Afghanistan für sich nutzen, warnte Milley. Zu befürchten sei, dass sich Al-Qaida neu formiert, die Extremisten des Islamischen Staats (IS) ihren Einfluss ausbauen „oder eine Vielzahl anderer Terrorgruppen“ sich am Hindukusch breit machen. „Es könnte sein, dass wir binnen 12, 24 oder 36 Monaten sehen werden, wie ausgehend von dieser Region der Terrorismus aufs Neue erstarkt. Und wir werden das beobachten.“

Mit dem Abzug der letzten US-Soldaten vom Flughafen Kabul war in der Nacht zu Dienstag der internationale Afghanistan-Einsatz nach fast 20 Jahren zu Ende gegangen.

Als wichtigstes Argument für den Truppenabzug hatte die US-Regierung angeführt, dass das Terrornetzwerk Al-Qaida faktisch zerschlagen und nicht mehr in der Lage sei, von dort aus Ziele in den USA anzugreifen. Nach Einschätzung der Vereinten Nationen war Al-Kaida bereits vor dem Abzug der internationalen Truppen in fast jeder zweiten afghanischen Provinz präsent.

Persischer Golf: Der Kalte Krieg wird immer heißer

(iz). Zwei Aufgaben werden der UNO noch überlassen: Die Trümmer von Kriegen zu beseitigen, die sie nicht verhindern konnten, und das Offensichtliche festzustellen. Diese Aufgabe kam Jamal Benomar zu, dem […]

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Wo man helfen muss“– „Wir sehen uns im Paradies“: Die Geschichte von Mohannad und Hind. Von Tasnim El-Naggar

(IRD). Im November 2013 bin ich für Islamic Relief nach Jordanien geflo­gen. Dort habe ich Mitarbeiter von Islamic Relief Jordanien getroffen und mit palästinensischen und syrischen Waisenkindern gesprochen, um mehr über ihr Leben zu erfahren. Hier möchte ich von den beiden Waisen Hind und Mohannad aus Syrien erzählen. Mit dem Auto fahren wir am Morgen von Amman nach Irbid. Wir – das sind Hadeel und Olivia von Islamic Relief Jordanien. Und ich. Erst einmal besuchen wir das Feldbüro, das für die vielen syrischen Flüchtlinge errichtet ­wurde. Die meisten von ihnen sind glücklicherweise in Wohnungen untergekommen und werden dort von Sozial­arbeitern von Islamic Relief betreut.

Eine von ihnen ist Hala Al-Thalji, die uns auf unserem weiteren Weg ­begleitet. Ich kann mir gut vorstellen, wie sie mit ihrer lustigen und quirligen Art die Waisenkinder zum Lachen bringt.

Erst einmal besuchen wir zwei syrische Familien, die uns die bewegenden und auch traurigen Geschichten ihrer Flucht erzählen. Ein paar kurze Augen­blicke dürfen wir ihr Schicksal mit ­ihnen teilen, Anteil nehmen, unser Mitgefühl ausdrücken, ihre Hände halten, ihre Tränen wegwischen.

Wir begeben uns auf den Weg zu den syrischen Waisenkindern, die wir nun besuchen möchten. Da kommt uns ein kleiner Junge entgegen, ruft uns etwas zu, wirft sich uns stürmisch und unerschrocken in die Arme, freut sich. Wir sind entzückt, drücken ihn feste. Er nimmt eifrig meine Hand und führt uns zu seinem Haus, das sein neues Zuhause ist. Mohannad heißt der Kleine, dreijährige Junge, erfahren wir von seiner Oma. Und da ist Hind, seine große und ebenso herzliche Schwester. Sie ist fünf Jahre alt. Hind wurde nach ihrer Oma benannt, die mit ihren beiden Enkelkindern und ihrem behinderten Sohn nach Jordanien geflohen ist. Die 52-Jährige ist nun für diesen kleinen Rest der Familie, der noch übrig ist, verantwortlich. Schwer schluckt sie, als sie davon erzählt, wie erst ihr Mann unter Folter und dann ihr Sohn, der Vater von Hind und Mohannad, gestorben ist. „Er war einfach nur ein normaler Taxifahrer. Aber sie haben ihn entführt, und als wir das Lösegeld nicht bezahlen konnten, haben sie ihn getötet. Mit 26 Jahren.“ Nur drei Monate später starb die junge Mutter der Kinder. „Ich bin mit Hind und Mohannad zur Impfung gegangen. Als wir zurückkehrten war das Haus zerstört. Meine Schwiegertochter wurde unter den Trümmern begraben.“ Da packten sie ein paar Sachen und flohen so schnell sie konnten von Homs über Daraa nach Irbid. „Mein behinderter Sohn war in unserem Haus, als es zerstört wurde. Er hat ein Trauma ­erlitten und hat nun panische Angst vor ­Donner oder dem Zerplatzen eines Luftballons.“

Während die Kinder gerade noch ausgelassen spielten, sitzen sie im ­nächsten Moment auf dem Schoß ihrer Oma und fragen nach Mama und Papa. Fotos von ihren Eltern liegen vor ihnen, Erinnerungen kommen hoch. „Ihr werdet sie im Paradies treffen“, lächelt sie ihnen hoffnungsvoll zu, während ihr Herz schwer wird. Dann spielen die Kinder weiter, voller Freude stürzen sie sich auf die Geschenke, die wir ihnen mitgebracht haben, begeben sich für eine Zeit ganz und gar in ihre sorgenfreie Welt. Eine beim Anblick von Oma Hind übers ganze Gesicht strahlende Frau betritt den Raum. Es ist Najah, die Vermieterin. Täglich sehen sich die ­beiden Frauen, haben innige Freundschaft geschlossen. Dass Einheimische und syri­sche Flüchtlinge sich mögen ist nicht selbstverständlich; es herrscht viel Neid, viel Missgunst. Umso schöner zu sehen, wie sich die beiden Frauen drücken. „Ich bin so froh, dass sie da ist! Durch sie habe ich eine neue Familie gewonnen, als ich meine alte zurücklassen musste.“

Ich bewundere die Mütter und Großmütter, die wir bei unseren Besuchen getroffen haben, für ihre innere Stärke, ihre Geduld, ihre Ausdauer, mit der sie ihrem harten Los trotzen und versuchen einen Alltag zu leben, der seit ihrer Flucht fast unmöglich ist. Ich bewunde­re sie für jedes Lächeln, das ihr Gesicht erhellt, und den Dank, den sie an ­Allah richten, voller Bescheidenheit und Demut. Und ich bewundere sie für ihre Hoffnung, die sie auch jetzt nicht verloren haben. Ich weiß, dass ich mich noch lange an sie und das, was sie uns erzählt haben, erinnern werde, für sie beten werde. Aber auch, dass unser Besuch nur ein kurzer Einblick in das war, was diese Familien tagtäglich an Prüfungen erleben. Ich bin froh, dass wir von Islamic Relief ihnen durch die Mietbeihilfe, die Lebensmittelmarken und den seelischen Beistand ihre Last zumindest ein wenig erleichtern und ihre Not lindern können. (IRD).

Mehr zur Nothilfe Syrien von Islamic ­Relief unter: islamicrelief.de/notfall/syrien-nothilfe
Mehr zu meiner Reise nach Jordanien ­unter jordanienreise-islamicrelief.blogspot.de

In Istanbul geht es immer wieder um das Schicksal der Syrer. Ein Tagungsbericht von Abu Bakr Rieger

(iz). Istanbul wird zweifellos immer mehr zu dem Treffpunkt der islamischen Welt. Im November war die Metropole am Bosporus wieder einmal Tagungsort wichtiger internationaler Konferenzen. Auf dem „Bosporus Summit 4“ eröffnete Staatspräsident Abdullah Gül eine Kontaktbörse für islamische Geschäftsleute und Entscheidungsträger. Im Mittelpunkt der Veran­staltung, die konzeptionell an den Wirtschaftsgipfel in Davos erinnert, stand nicht nur die Rolle der Türkei als Regio­nalmacht, sondern auch die Rolle des „Nahen Osten“ in der Weltentwicklung. Hier – so auch Staatspräsident Gül – ­liegen gerade für Europa wichtige Herausforderungen für die nächsten Jahrzehnte. Gül forderte zwar kein Interven­tionsverbot raumfremder Macht, er rief aber die „islamische Welt“ auf, zunächst selbst aktiv für Lösungen und eine tragfähige Friedensordnung in der Region zu ­sorgen.

Im Mittelpunkt der aktuellen Sorgen steht dabei aus Sicht der Regierung in Ankara natürlich der ungelöste Syrienkonflikt. Nach einigen Jahren der ökono­mischen und politischen Kooperation mit dem Nachbarland, hat sich die Regierung Erdogan schlussendlich für eine harte Anti-Assad Haltung entschieden. Statt Neutralität zu wahren ist das Land nun mehr oder weniger klar auf der ­Seite der syrischen Opposition. Darin sehen nicht nur Kritiker in der AK-Partei selbst durchaus ein außenpolitisches Abenteuer mit ungewissem Ausgang. Bei aller verständlicher Empörung über die humani­täre Lage, steht auch die Türkei eher ratlos vor der unübersichtlichen Aufsplitte­rung der Opposition in einige Kleingruppen, deren Agenda auf Dauer kaum abzuschätzen ist. Hinzu kommt, dass sich diese Gruppen immer mehr radikalisieren, je länger der Bürgerkrieg andauert.

Das Dilemma der Türkei ist also offen­sichtlich. Es gibt bisher keine schnelle Lösung. Noch vor kurzem schien die dynamische Außenpolitik der aufstrebenden Wirtschaftsmacht mühelos neue Räume zwischen Sarajevo und Kairo zu erschließen, zwischenzeitlich wurde Ankara sogar eine „neo-osmanische“ Außen­politik vorgeworfen. Heute ist die Lage nach den Ereignissen in Kairo und Damaskus verworren und die alte ­Euphorie über die Rolle als Ordnungsmacht in der Region verflogen. Sicher ist nur, vor den Augen der Weltöffentlichkeit spielt sich jeden Tag eine humanitäre Katastrophe ab. Die UN ist durch die Vetorechte einiger Staaten paralysiert, zum Zuschauen verurteilt und dient eigentlich nur noch, wie Ministerpräsident Erdogan neulich bitter anmerkte, „zum Zählen der Toten“.

Aber, das syrische Problem ist natürlich komplex und die NATO-Staaten angesichts der Rolle des Iran und Russlands mit einigen Gründen nur verhalten aktiv. Der außenpolitische Coup Russlands, nach dem schrecklichen Giftgas-Angriff auf die Zivilbevölkerung, einen bevorstehenden Angriff der USA mit einer Abrüstungsinitiative zu kontern, hat die Kriegsdynamik vorerst beendet. Die Lösung passt auch zur Tendenz in den USA zur „Eisenhower-Doktrin“ zurückzukehren, sich also weniger als Weltpolizist aufzuführen und die eigenen Interessen pragmatischer zu verwalten. Der diplomatische Vorstoß Russlands in Sachen Syrien kam insoweit nicht ganz zur falschen Zeit. Im Moment muss Russland Ergebnisse bei der Abrüstung der Chemiewaffen liefern, Washington spielt dagegen auf Zeit. In Russland und den USA gibt es zudem Stimmen, die dafür plädieren, den Bürgerkrieg einfach sich selbst zu überlassen, denn auf beiden Seiten kämpfen schließlich „bad guys“ gegeneinander. Natürlich wäre ein Zerfall des syrischen Staates, unter den Bedingungen eines Bürgerkrieges, das Ende der Idee „multiethnischer und multikon­fessioneller“ Staaten. Einher ginge diese Entwicklung mit dem fatalen Eingeständnis der Muslime in der Region, kein Garant mehr für das Wohlbefinden und die Sicherheit von Minderheiten zu sein.

Man könnte nach diesen Lektionen der Realpolitik zur Tagesordnung überge­hen, wäre da nicht nach wie vor das unerträgliche Leid der Zivilbevölkerung. Nicht weit von dem „Bosporus Summit“ befasste sich eine andere Konferenz mit der unerträglichen Lage der Syrer. Die „Lawyers International ­Islamic Organization“, ein Ableger der saudischen Muslim World League, befasste sich mit dem Konflikt und seinen Implikationen für das internationale Recht. Im Kern gingen über 120 anwesende Juristen schlicht der Frage nach, ob das Regime Assad vor dem internationalen Gerichtshof zur Verantwortung gezogen werden könne. Viele Muslime, aus ­deren Sicht Asad schlicht ein Kriegsverbrecher ist, verstehen nicht, warum die Taten des Diktators keine Rechtsfolgen oder Anklagen auslösen.

Zur „Einstimmung“ auf die Konferenz wur­de dann auch ein Video über schlimmste Kriegsgreuel gezeigt. Der Rechtsberater der syrischen Opposition, Haitham al Maleh, wies dann auch in seiner Rede jeden Ansatz mit dem – aus seiner Sicht – „Mörder“ Asad zu verhandeln schroff zurück. Zahlen, die der Oppositionelle bitter präsentierte, verstören tatsächlich noch immer. Über 120.000 Tote, davon etwa 15.000 Kinder, unzählige Verletzte und Millionen Flüchtlinge sind die traurige Bilanz des Schreckens. Al Maleh, der unter dem Vater des aktuellen Präsidenten 7 Jahre in einem syrischen Gefängnis verbrachte, berichtete von hunderten Kilogramm Akten, welche die Kriegsverbrechen des Regimes eindeutig belegen könnten. Der Sprecher der UNIW, einem Dachverband islamischer NGOs, Ali Kurt, sprach ebenfalls von tausenden Dokumenten die seiner Organisation vorliegen. Zwar ist dieses Material bisher nicht ins Englische übersetzt und kann deswegen juristisch nicht von unabhängiger Seite bewertet werden, allerdings liegt es natürlich nahe, diesen Vorwürfen auch rechtlich nachzugehen.

Seit Jahren beklagen Muslime, dass der internationale Gerichtshof in diesen Angelegenheiten scheinbar nur sehr schwerfällig vorgeht. Es ist jedoch nicht unmög­lich, dass der Gerichtshof, der politische Bevormundung stets abstreitet, agiert. Die bosnische Juristin Vasvija Vidovic hat nicht nur jahrelang Beweismaterial gegen die Regierung Milosevic gesammelt, sondern stand auch langjährig unter Todesdrohungen serbischer Extremisten. Vor Jahren habe ich die coura­gierte Frau in Sarajevo besucht, die lange Zeit im Alleingang die Beweise für ­einen der spektakulärsten Strafprozesse Europas zusammengetragen hat. Sie weiß also aus leidvoller und langwieriger Erfahrung, wovon sie spricht. Auf der Konferenz verteidigte sie trotz mancher Unzulänglichkeit das System des internationalen Strafgerichtshofes. Doch, so Vidovic, Erfolg ist möglich, vor allem müsse dagegen fortlaufend auch eine interessierte Öffentlichkeit hinter diesen Verfahren stehen.

Eine Beobachtung, die viele Juristen, die Erfahrung mit den Verfahren in Den Haag haben, teilen. Der Autor dieses Berichtes, selbst Rechtsanwalt, hat ebenfalls eine Eingabe an den Staatsanwalt in Den Haag bezüglich der jüngsten Übergriffe gegen die Rohingya in Birma eingereicht. Nach der Erteilung einer Regis­trierungsnummer ist es aber oft schwer, ohne entsprechenden Druck der Öffentlichkeit, mit dem Staatsanwalt weiter in Kontakt zu treten oder zu kommu­nizieren. Ob und wie die Den Haager Staatsanwaltschaft ermittelt, bleibt so in einigen Fällen eher unklar. Hier spielt das öffentliche Interesse, bis hin zu Medienberichten und Konferenzen, eine wichtige Rolle.

Fakt ist, so zumindest die Meinung vieler Teilnehmer der Konferenz, dass der Internationale Strafgerichtshof im Falle Syriens bisher nicht losgelöst von politischen Vorgaben agiert. Dies liegt auch an der Konstruktion der Römer Verträge, die der Gerichtshof 1998 kons­tituierte, die aber von vielen Staaten nicht ratifiziert wurden. In Staaten wie den USA, Israel und natürlich auch Syrien, welche die Römer Verträge nicht gezeichnet haben, hat der Staatsanwalt zunächst keine „automatischen“ ­Befugnisse.

De facto muss der Staatsanwalt nur ermitteln, wenn ihn der UN-Sicherheitsrat dazu auffordert, er kann jedoch auch selbständig und in jedem Land ­ermitteln, wenn Eingaben und Vorwürfe das Vorliegen eines Genozids oder schwerer Kriegsverbrechen nahelegen. Im Falle Syri­ens hat der Sicherheitsrat, wegen des Vetos von China und Russland keine Schritte unternommen. Es macht dennoch Sinn, eindeutiges Beweismaterial gegen das Regime Asad oder sonstiger Akteure der Den Haager Staatsanwaltschaft zuzuführen, auch wenn die Staatsanwaltschaft immer wieder unter einigem politischen Druck steht und auch weder über Personal noch Mittel verfügt, allen Vorwürfen sofort nachzugehen.

Auf der Konferenz wurde teilweise kontrovers diskutiert, inwieweit der Bürgerkrieg erfolgsversprechend auch mit juristischen Mitteln begleitet werden kann. Dabei gab es durchaus Stimmen, die in dem Engagement internationaler Gerichte nur eine lästige Einmischung in das Kriegsgeschehen sehen. Einige ­Juristen wollen sich schon lieber mit einer Rechtsordnung für die „befreiten“ Gebie­te in dem auseinander fallenden Land befassen. In der Schlusserklärung ­wurde dann auch nicht ausdrücklich die Anklage gegen Asad eingefordert, eine Gruppe von spezialisierten Rechtsanwälten soll aber derartige Klagen und ­Begründungen vorbereiten.

Fazit: Es ist sehr wichtig, dass internationale Gruppen von Juristen die Geschehnisse in Syrien genau beobachten. Mittelfristig könnte der Internationale Gerichtshof die Verbrechen in der Regi­on nach dem Vorbild Bosniens ­durchaus aufarbeiten. Dabei dürfen sich gerade muslimische Juristen nicht politisch instrumentalisieren lassen. Leider wurden auf der Konferenz etwaige Kriegsverbrechen der Oppositionellen oder Übergriffe gegen Minderheiten nicht ausdrücklich verurteilt oder angesprochen. Für die Glaubwürdigkeit der Konferenz, gerade aus islamischer Sicht, wäre es meines Erachtens jedoch wichtig gewesen, diese Vorkommnisse nicht einfach nur als „Notwehr“ abzuhaken.

Am Ende scheint ein Waffenstillstand die Bedingung zu sein, um die Anarchie und Rechtlosigkeit in Syrien schnell zu überwinden. In der Zeitschrift „Internationale Politik“ hat es die Politikwissenschaftlerin Bassma Kodmani, wie ich finde, ganz gut auf den Punkt gebracht: „Im Prinzip ist ein Waffenstillstand am gefährlichsten für das Regime“.

Vorab aus der aktuellen IZ: Wie kann man die Menschen in Syrien erreichen? Ein Bericht von Oscar A.M. Bergamin, Gaziantep

Die internationale Gemeinschaft steht an der syrischen Grenze Gewehr bei Fuss. Nicht nur politisch und militärisch sondern hauptsächlich humanitär. Das Abwarten ist nicht ohne Grund, aber für die Betroffenen in Syrien nicht erklärbar. Es braucht dringend eine Anpassung der humanitären Strategie an eine neue Realität bewaffneter Konflikte. Internationale Organisationen stehen in der Kritik, sich vor den Risiken zu drücken.

(iz). Für Zehntausende Menschen, die durch den verheerenden Taifun auf den Philippinen obdachlos wurden, wurde sehr rasch Hilfe geleistet. Helikopter des US-Flugzeugträgers „USS George Washington“ und Armeeflugzeuge warfen Versorgungsgüter über die Regionen ab. Innert kürzester Zeit wurden Nahrungsmittel verteilt, ebenso wie Hygienekits, Kochutensilien und Material für temporäre Unterkünfte. Alle westeuropäischen Zeitungen präsentierten endlose Listen der Kontonummern für Spenden von dutzenden Organisationen.

Der gleichzeitige Appell der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften (IFRC) um Hilfe für syrische Flüchtlinge verhallte weitgehend ungehört im Wirbel um den Taifun „Haiyan“ in Südostasien. Im, am 18. November veröffentlichten – und bereits dritten – revidierten Nothilfe-Appell des IFRC in rund zwei Jahren bittet die in Genf ansässige Organisation um zusätzliche 36 Millionen Euro für Flüchtlinge in der Türkei und 35 Millionen Euro für Flüchtlinge im Libanon, im Irak und in Jordanien für die nächsten sechs Monate. Das Schlimme am „Taifun“ in Syrien ist, dass dieser schon seit drei Jahren wütet und kein einziges Nahrungsmittelpaket abgeworfen wurde.

Frust bei der Bevölkerung
Laut Angaben des Uno-Flüchtlingshilfswerks UNHCR vom 6. November sind 9,3 Millionen Menschen vor der Gewalt in Syrien geflohen, 3,2 Millionen davon ins Ausland (siehe weiter unten). Die große Herausforderung besteht darin die rund 6,5 Millionen Binnenflüchtlinge, so genannte IDP's (internally displaced people), in Syrien selbst mit humanitärer Hilfe zu versorgen. Vor allem jetzt, wo der Winter einsetzt, eine schier unmögliche Aufgabe da das UNHCR und die Weltgesundheitsorganisation WHO in Syrien nur mit Genehmigung der Regierung von Präsident Bashar al-Assad tätig sein dürfen, in der Praxis also gar nicht. Nach dem Ausbruch von Polio in Syrien werden in den umliegenden Ländern zwar massenweise Impfungen durchgeführt, in Syrien selber aber nicht oder kaum.

Die Tatsache, dass es auch etwas mehr als 980 Tage nach Ausbruch der Feindseligkeiten nicht möglich ist Lebensmittel, Decken, Matratzen, Hygiene- und Babyartikel und Medikamente in grösseren Mengen nach Syrien zu entsenden sorgt nicht nur für Frust bei den Hilfsorganisationen, sondern vor allem bei der syrischen Bevölkerung selber. Dass der Taifun „Haiyan“ in Nordeuropa in zwei Tagen mehr Spenden auslöst als die Höhe des Betrags, wofür die Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften fast auf den Knien bitten müssen, muss den Opfern der gewalttätigen Auseinandersetzungen in Syrien wohl wie Hohn in den Ohren klingen.

Kein Zugang, wen kümmert’s?
Obwohl man theoretisch mit jedem Flüchtlingskind per Handy Kontakt aufnehmen kann, steht die internationale Gemeinschaft ratlos an der syrischen Grenze Gewehr bei Fuss. Nicht nur politisch und militärisch sondern hauptsächlich humanitär. Das UNO-Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) in der Türkei arbeitet zwar auf Hochtouren an Lösungen, dennoch sind den UN-Organisationen wie das UNHCR oder der Unicef die Hände gebunden. Das Gleiche gilt für andere internationalen Akteure wie die Nobel-Preisträgerin „Ärzte ohne Grenzen“, aber auch „Islamic Relief“.

Keine einzige Organisation ist wirklich im Bürgerkriegsland Syrien tätig – außer das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), das hauptsächlich Verhandlungen über den Zugang humanitärer Hilfe führt. Der Generaldirektor des IKRK, Yves Daccord, führt dies vor allem auf den Zweifel an der Glaubwürdigkeit, ja das fehlende Vertrauen in die internationale Gemeinschaft zurück. Am Humanitären Kongress Ende Oktober in Berlin, organisiert unter anderen von „Ärzten ohne Grenzen“, „Médecins du Monde“ und dem Deutschen Roten Kreuz war das Thema „No Access! Who Cares? How to reach people in need“ (Kein Zugang, wen kümmert’s? Wie Menschen in Not erreichen?).

IKRK-Chef Yves Daccord, der dort die Eröffnungsrede hielt, verlangte von den Hilfsorganisationen mehr Präsenz in den Konfliktzonen. Daccord kritisierte auch das so genannte „Outsourcing of Risks“, die Auslagerung von Risiken, die von der „westlichen humanitären Industrie“ in den vergangen Jahren zur Praxis gemacht wurde. Die Organisationen hätten den Mut verloren, mit Leuten zu verhandeln, an deren Händen Blut klebt. Die Unparteilichkeit verlange aber genau dies.

Zudem hätten die humanitären Organisationen sich trotz Erfahrungen vom Balkan, aus Afghanistan, aus dem Irak, aus Somalia oder Sudan immer noch nicht von der selten gewordene Situation eines Kriegs zwischen Staaten gelöst. Genau die um sich greifenden asymmetrischen Kriege zwischen staatlichen Kräften und nicht-staatlichen Akteuren wie Freischärlern, Guerillas oder Jihad-Kämpfern hätten dazu geführt, dass Hilfsorganisationen ins Abseits gedrängt würden, weil sie Aktivitäten an lokalen Organisationen weiter delegierten.

Das Gleiche macht auch Islamic Relief Deutschland, wie Nuri Köseli, Sprecher der Organisation, kürzlich gegenüber der „Neuen Zürcher Zeitung“ bestätigte. Dennoch will Islamic Relief bis Jahresende für 9,5 Millionen Dollar Lebensmittel, Decken, Matratzen, Hygiene- und Babyartikel sowie Medikamente nach Syrien transportiert haben. Im Gegensatz zu den UNO-Organisationen lässt Islamic Relief die Hilfsgüter nicht über den Syrischen Arabischen Roten Halbmond (SARC) – die einzige nationale Hilfsgesellschaft – in Syrien verteilen. Islamic Relief übergibt diese in der Türkei an syrische Freiwillige. Diese transportieren die Waren nach Idlib, Aleppo oder Hama.

Genau betrachtet ist diese Vorgehensweise illegal, da Hilfeleistungen in Syrien von der Regierung genehmigt werden müssen. Dennoch haben sich europäische und türkische Behörden längst auf diese Situation eingestellt. „Not kennt kein Gebot“, betonte – hinter vorgehaltener Hand – eine EU-Diplomatin gegenüber der IZ.

Lieferungen privater Sammelinitiativen, ein „Tropfen auf den heißen Stein“
Abseits der „westlich-humanitären Industrie“ sind es die Lieferungen privater Sammelinitiativen – in der Regel von muslimischen Organisationen mit besten Absichten – auf dem Landweg, die durch die Türkei nach Syrien gebracht werden. Dass es Organisationen wie „Aktive-Jugend.de“ immer wieder schaffen Krankenwagen und Medikamente nach Syrien zu bringen, mag lobenswert erscheinen, diese „Tropfen auf den heißen Stein“ sind aber kompliziert und brauchen eine professionelle Planung; wenn es um Medikamente geht erst recht.

Die privaten Helfer bekommen es mit Betäubungsmittelgesetzen verschiedenster Länder zu tun und sie transportieren möglicher Weise Medikamente, die in diesen Ländern verboten sind und gar als illegale Drogen gelten. Viele probieren es auf „eigene Faust“, aber an der türkischen Grenze ist dann endgültig halt. Dann braucht es eine in der Türkei offiziell anerkannte Hilfsorganisation als Empfänger, die das Material zu einer anderen privaten Hilfsorganisation nach Syrien bringt.

Ein Fax dieser Organisation mit der Bestätigung der erwarteten Lieferung (inklusive übereinstimmende Inhaltsliste) muss beim Eintreffen an der türkischen Grenze bereits beim türkischen Zoll vorliegen. Das heißt: Eine muslimische Organisation in Nordwesteuropa muss sowohl über eine türkische als auch eine syrische Partnerorganisation verfügen. In der Regel wird die gesamte Lieferung an der Grenze abgelehnt, denn die türkische Regierung weiß, dass 80 Prozent der Hilfsgüter in Syrien einfach verkauft werden. Viele „Islamic-Relief“-Nachahmer wiederholen Aktionen, wie sie schon früher in Bosnien oder Kosovo gemacht haben und vergessen, dass sie sich in der Türkei in ein hochentwickeltes Land mit einer modernen Industrie begeben. Dann fahren sie 4.000 Kilometer durch Europa mit Hilfsgütern, die sie auch vor Ort hätten kaufen und nach Syrien bringen können.

Unvorstellbare Zahlen
Laut Angaben des UNO-Flüchtlingshilfswerkes UNHCR vom 6. November sind 9,3 Millionen Menschen vor der Gewalt in Syrien geflohen, 3,2 Millionen davon ins Ausland. Das UNHCR schätzt, dass bereits 660.000 Menschen aus Syrien in die Türkei geflüchtet sind und hinter vorgehaltener Hand wird schon von 750.000 gemunkelt. Etwas mehr als 300.000 registrierte Flüchtlinge leben dort außerhalb der Lager, und noch hunderttausende warten auf einer Registrierung.

Der Türkische Rote Halbmond, der Türkiye Kızılay Derneği (TRC), beherbergte Ende November 201‘292 Flüchtlingen in 23 Lagern in den Provinzen Hatay, Gaziantep, Kilis, Adana, Osmaniye, Adiyaman, Kahramanmaraş, Şanliurfa, Mardin und Malatya. Die Kosten für die türkische Regierung haben nach bestätigten Angaben die Zahl von zwei Milliarden US-Dollar bereits überschritten.

Um die enorme logistische Leistung in Zahlen zu begreifen: Seit dem Frühling 2011 hat die Türkiye Kızılay Derneği unter anderem 42.050.073 warme Mahlzeiten abgegeben. Unvorstellbar ebenfalls die Zahlen an Toiletten-oder Dusch-Containers, Hygiene-Sets oder Matratzen.

Jordanien beherbergt laut UNHCR 600.000 Flüchtlinge wovon 25 Prozent in den Lagern Za’atari, Cyber City, King Abdallah Park und Hallabat Maregib Al-Fihud leben. Rund 200.000 Menschen sind in den Irak geflohen. Im Libanon gab es UNHCR-Angaben zufolge im Oktober 800.000 Flüchtlinge. Die libanesische Regierung spricht sogar von 1,5 Millionen.

An dem Wochenende, als der Taifun die Philippinen heimsuchte, erreichte eine Flüchtlingswelle von rund 10.000 Personen die libanesisch-syrischen Grenzstadt Arsan im Beka‘a-Tal im Libanon nach Aufflammen neuer Kämpfe auf der Syrischen Seite.

Von Angesicht zu Angesicht mit Kämpfern
Nach dem Taifun „Haiyan“ auf den Philippinen kann dort die Aufbauarbeit beginnen, in Syrien kann das noch Jahre dauern. Die fünf UNO-Vetomächte und mehrere Nahost-Staaten sind sich zwar einig, dass in Damaskus eine Übergangsregierung die Macht übernehmen soll, an der geplanten internationalen Konferenz zu Syrien „Genf 2“ scheint eine Einigung aber nicht realistisch. Ein kleiner Ansatz wäre aber die Schaffung humanitärer Korridore damit die Hilfsorganisationen ihre Arbeit machen können.

Diese Organisationen müssen aber gleichzeitig lernen, ohne solcher Korridore auszukommen, denn mehr Präsenz in den Konfliktzonen ist zwar Risiko-behaftet, die Kommunikation von Angesicht zu Angesicht mit am Konflikt beteiligten Gruppen erhöht den Druck auf sowohl alle staatliche Kräfte als auch auf nicht-staatliche Akteure, sich an die Grundprinzipien der Humanität zu halten.

Nach Assad: Rupert Neudeck berichtet von seinen ersten Eindrücken aus der humanitären Arbeit im syrischen Azaz

„Warum, frage ich mich die ganze Woche in Azaz, macht sich 2012 nicht das junge Europa auf den Weg nach Syrien, wie es das 1936 nach Spanien aus allen Ländern Europas tat, um dort den Faschismus zu bekämpfen?“

Azaz, Sept. 2012 (iz). „Welcome to free Syria“, heißt es enthusiastisch an der türkisch-syrischen Grenze. Und der neue Staat soll so schnell entstehen, dass man keine Zeit hatte, Leute aus der Etappe zu besorgen, die ordentlich Englisch gelernt haben in einem Land, in dem lange Zeit das Französische bevorzugt wurde. Immerhin war Syrien zwischen den Weltkriegen französisches Mandatsgebiet.

So leuchtet uns das große Plakat hinter den langen türkischen Immigrations- und Zollgrenzbefestigungen entgegen, auf dem es heißt: „Free SYRIA REPABLIC“. Und auf dem nächsten riesengroßen Plakat in lateinischen Lettern, die in dem arabischsprachigen Syrien nicht die Regel sind, steht es in ähnlich großen Buchstaben „Welcome in SAFTY“.

Das mindert nicht die bebend freundliche Atmosphäre, die den seltenen Besuchern am ersten Übergang entgegenschlägt, der von der FSA, der Free Syrian Arm (Freie Syrische Armee), erobert wurde. Die Spuren der Kämpfe um dieses weitläufige – und als Übergang zum wohl wichtigsten unmittelbaren Nachbarland Syriens strategisch wichtige Areal – sind noch zu spüren.

Ganz sympathisch hört die neue syrische Widerstands-Bewegung nicht zu stark auf die westlichen Anforderungen, die ja viel Verlegenheit verbergen. Verlegenheit darüber, dass alles in der Syrienpolitik zwischen Washington und Jerusalem abgemacht wurde. Die Rolle von Russland und China ist dabei nicht so groß, wie uns weisgemacht wurde, denn natürlich spielt die israelische Politik auf der Klaviatur der alten Diktatoren-Kumpanei.

Es gibt mittlerweile eine Kommandostruktur der FSA-Einheiten, die von acht Leuten aus dem syrischen Widerstand gebildet wird und jetzt die Operation in und von Aleppo aus leitet. Die Opposition versucht jetzt auch, einen zivilen Widerstand und eine Übergangsverwaltung aufzubauen. Ausdrücklich zivile Personen leiten das politische Büro der FSA in Azaz und den Zoll- und Pass-Übergang nach Kilis in die Türkei. Die Stimmung und Freude in der Stadt Azaz ist einzigartig. Jeder zeigt sich freundlich, jeder ist ein Redner, es herrscht Revolution und Befreiungsstimmung. Jeder von denen, die geblieben sind – nach unserer Schätzung 60 Prozent –, hält sich zu Recht für einen Teilhaber der Gründung des freien Syriens.

Es ist eine Revolution der jungen Leute in einer Gesellschaft, in der immer noch die Alten, die Großväter das Sagen hatten. Erkennbar wird dies in der Klinik in der Stadtmitte von Azaz, die typischerweise von einem Tausendsassa geleitet wird, dem Anästhesie-Krankenpfleger Dr. Anas Hiraki. Akademisch ist Anas natürlich kein Doktor, aber hier ist er mehr als ein Doktor. Er ist nicht nur in Azaz geblieben, er schläft jede Nacht im Krankenhaus. Seine Familie lebt und überlebt in Deraa, der Hauptstadt der Revolution, von der sie am 17. März 2011 ausging. Würde man Dr. Anas als Kandidaten zum ersten Präsidenten der freien arabischen Republik Syrien vorschlagen, er würde gewählt. Gläubig, aber nicht extrem, fastet er am 6. September (Donnerstag) für den Sieg in Aleppo. Und siehe da, der Samstag, der 8. September beginnt mit der Nachricht, die alle ganz glücklich macht: Die FSA hat in Aleppo die größte Kaserne eingenommen mit einem riesigen Arsenal an Waffen.

Eine heftige Stehauf-Mentalität hat Azaz ergriffen. Noch ist hier nichts entschieden, wie in Syrien nichts entschieden ist, aber alle nehmen diese Entscheidung schon vorweg. Geschäftsbesitzer rühren den Zement an, um ihr zerstörtes Geschäftshaus wiederaufzubauen. Photos auf der Strasse von dem strahlenden jungen Bashar al-Assad werden wütend zertrampelt. Es ist noch alles in der Schwebe: Sieben Kilometer von Azaz entfernt hält die Regierung den Hubschrauber-Flugplatz, der aber nur noch aus der Luft versorgt werden kann. Er ist umzingelt von Kämpfern der FSA, die aber den Ring nicht zuschnüren können; dafür fehlen ihnen die schweren Waffen.

Es ist möglich, dass die Assad-Propaganda gleich zwei dicke Nachrichten bis in unsere Medien hinein hat streuen können, die bei uns bereitwillig aufgegriffen wurden, ohne dass sie eine Grundlage in der Realität hätten. Die ausländischen Truppen, die sich hier einfinden sollen, suchen wir vergebens. Wir finden nicht einen. Dagegen verfügt der Kommandeur der FSA-Einheiten kaum über die schweren Waffen, die ihm angeblich aus der Türkei, Saudi Arabien, Qatar oder vom CIA bereitwillig gegeben worden seien. Der FSA-Kommandeur Abu Ibrahim hat mit seinen 1.500 Kämpfern – davon 85 Prozent aus den zivilen Rängen der Bevölkerung – nur jene Waffen, die die Freie Syrische Armee der Regierungsarmee gestohlen oder weggenommen hat.

Man kann mit dem eindrucksvollen Kommandeur Abu Ibrahim über alles reden. Wie viele Soldaten hat er bisher verloren? 41, sagt er ganz traurig, und alle 41 habe er vor seinen Augen fallen gesehen. Bereitwillig sagt er auf die Frage, wie gefährlich für ihn das Leben ist: Auf seinen Kopf sei die Summe von umgerechnet drei Millionen Euro ausgesetzt worden. Ja, räumt er ein, es gäbe Dschihadisten, die seien aber eine kleine Minderheit von fünf Prozent und man würde auf sie einwirken, weil niemand ihre Politik mitmachen wolle.

Mit den Kurden zieht man ebenfalls eine neue Linie: Sie sind beim Befreiungskampf willkommen, aber nur, wenn sie Syrien-zentiert sind, und nicht, wenn sie eine türkische Agenda haben. Mit der PKK hat man nichts am Hut, die wurde von Assad als letzte Reserve des Regimes ausgerüstet. Und sie stört auch die so guten Beziehungen zur Türkei. Deshalb sind die Fragen über das künftige Verhältnis zu den Kurden noch offen. Die Kurden selbst haben elf verschiedene Gruppierungen. Nach Meinung von Kommandeur Abu Ibrahim sollten sie sich selbst erst mal richtig einigen.

Die vergleichsweise kluge Politik der Türkei wurde bisher nicht ausreichend gewürdigt. Nicht nur, dass bisher fast alle Flüchtlinge aufgenommen worden sind, es wird auch jetzt die Grenze für humanitäre Transporte geöffnet. Die türkische Hilfsorganisation IHH versorgt die mittlerweile 5.000 Flüchtlinge auf der syrischen Seite der Grenze.

Warum, frage ich mich die ganze Woche in Azaz, macht sich 2012 das junge Europa nicht auf den Weg nach Syrien, wie es das 1936 nach Spanien aus allen Ländern Europas tat, um dort den Faschismus zu bekämpfen? Unter den heutigen Bedingungen der Mobilität, von Facebook und von Flugverkehr müsste das alles viel leichter sein als zu Zeiten George Orwells und Willy Brandts. Sind wir alle Waschlappen geworden? Haben wir keine Phantasie mehr? Was, wenn morgen 200, übermorgen 300, dann die nächste Woche 4.000 junge Europäer mit dem gesamten EU-Parlament, mit jungen Vertretern der Gewerkschaften und der Parteien der Pfadfinder und der Kirchen, der Moschee- und Kirchengemeinden sich aufmachen, nach Syrien gingen, um das Land für die Freiheit und die Zukunft der Menschheit zu retten?

Wenn man heute in Azaz George Orwell und Arthur Koestler liest, wird einem klar, dass daraus nichts wird. Es sind die Versicherungs- und Rückversicherungsregeln, die den jungen Europäern den Weg versperren.

Hoffnungen auf langfristige Friedenslösung erhielten schweren Dämpfer

(Agenturen/KNA). Die Regierung der Philippinen kündigte am 21. August an, dass sie eine wegweisende Vereinbarung [siehe IZ-Ausgabe Nr. 158] mit der größten muslimischen Separatistenbewegung des Landes über ein Ende des […]

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