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Mazyek: CDU-Grundsatzprogramm stigmatisiert Muslime

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Debatte um CDU-Grundsatzprogramm reißt nicht ab. Auch eine geänderte Formulierung zum Islam stößt auf Widerstand

Berlin (KNA, dpa, iz). Die CDU erhielt für eine Passage zu Muslimen in ihrem Grundsatzprogramm deutliche Kritik. Deswegen soll der Satz nun geändert werden. Doch besser wird es dadurch aus Sicht des Zentralrats der Muslime nicht.

Auch die Änderung einer umstrittenen Formulierung zu Muslimen in Deutschland im Grundsatzprogramm der CDU ist aus Sicht des Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, eine Stigmatisierung.

„Wenn überhaupt, wäre eine Formulierung, die alle Weltanschauungen und religiösen Gemeinschaften anspricht, akzeptabel, anstatt nur eine bestimmte herauszugreifen und negativ zu markieren“, sagte Mazyek dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Mittwoch). „Diese selektive Vorgehensweise bedient anti-muslimische Ressentiments und Stereotypen, abseits der breiteren Debatte über eine sogenannte Leitkultur.“

„Ein weiterer Versuch der Christlich Demokratischen Union in trüben Gewässern zu fischen, um Muslime zu stigmatisieren“, zitierte ihn das Medium weiter.

Foto: Marco Urban, Deutscher Bundestag

CDU-Grundsatzprogramm bemüht Wert und das Subjekt „Islam“

Zuvor hatte sich die Antragskommission der CDU nach Angaben des Politik-Newsletters Table.Media darauf geeinigt, den betreffenden Satz im Entwurf für das Grundsatzprogramm zu ändern. Statt „Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland“ heißt es demnach nun: „Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland.“

Das sei das Ergebnis eineinhalbstündiger Beratungen mit Generalsekretär Carsten Linnemann bei einer Sitzung am Wochenende, an der zeitweise auch Parteichef Friedrich Merz anwesend gewesen sei. Schon die ursprüngliche Formulierung hatte Mazyek damals kritisiert. Er warf der CDU vor, am rechten Wählerrand fischen zu wollen.

Dass es in der Sitzung der Antragskommission Änderungen am ursprünglichen Entwurf gab, hatte zuerst das Nachrichtenportal „Table Media“ berichtet. An der ursprünglichen Formulierung hatte sich heftige Kritik entzündet, SPD-Chef Lars Klingbeil sprach von rhetorischer Ausgrenzung einer ganzen Bevölkerungsgruppe.

Migration islamberater islamischer staat

Foto: Crazy Cloud, Adobe Stock

Unionspolitiker verteidigen Passage

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei (CDU), verteidigte am Mittwoch den Wortlaut der überarbeiteten Passage. Es sei klar, „dass wir Ausprägungen des Islams auch in Deutschland haben, die mit unseren Werten nicht vereinbar sind“, sagte er den Sendern RTL und ntv. Das gelte etwa für die Frage, ob die Scharia, das Rechtssystem des Islams, über den weltlichen Gesetzen stehe.

„Das sind Dinge, die wir eben nicht akzeptieren können“, betonte Frei. „Und deswegen müssen wir das klar adressieren und deutlich machen, dass natürlich auch Muslime zur religiösen Vielfalt in unserem Land gehören, aber dass wir nicht bereit sind, jede Ausprägung des Islams zu akzeptieren.“

Beim nächsten Bundesparteitag werde man sehen, ob der neue Entwurf mehrheitsfähig sei, so der CDU-Politiker. Die Kritik des Zentralrats der Muslime bezeichnete er als nicht nachvollziehbar.

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Kontrolle von Moscheevereinen: Streit um Stiftung

moschee

Die Union verlangt schärfere Gesetze zur Kontrolle des Moscheeverbandes DITIB. Jens Spahn will durch eine Bundesstiftung mehr finanzielle Unabhängigkeit der Gemeinden durchsetzen. (KNA, IZ). In der Debatte über ausländische Einflüsse […]

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CDU-Programmdebatte 2023: Muslimsein ohne Islam ist ein Paradox

Programmdebatte cdu

In der CDU-Programmdebatte diskutiert die Union ihre „neue“ Islampolitik. Kommentar über die Rückkehr von „Leitkultur“.

(iz). Das neue CDU-Programm soll sich wieder mit Werten, der deutschen Leitkultur und einem neuen Verhältnis gegenüber dem Islam beschäftigen.

Nun gut. Gott sei Dank wird die Werteordnung in Deutschland nicht von Parteien bestimmt. Die Grenzen der Religionsfreiheit legt das unparteiische Grundgesetz fest und wird notfalls von deutschen Gerichten verteidigt. Die Bemühungen des jahrzehntelangen Dialogs der Religionen zur Betonung gemeinsamer Werte fallen dieser Politik zum Opfer.

Goethe Koran Divan

Bild: Johann Heinrich Wilhelm Tischbein | Lizenz: gemeinfrei

Die CDU-Programmdebatte und eine schwammige Leitkultur

Sollte zum schwammigen Begriff der Leitkultur, die die konservativen Strategen ins Feld führen, auch das Werk Goethes gehören, wäre immerhin ein wissender, wohlwollender und verstehender Umgang mit dem Islam zu erwarten.

Dann wäre beispielsweise auch bekannt, dass die „Scharia“, die nach der CDU nicht zu Deutschland gehören soll, alltägliche Dinge lehrt wie das einfache Gebet, Stiftungswesen, die lokale Verteilung der Zakat oder die Ausgrenzung von Terrorismus. Goethes Feststellung über die Natur, dass sie kein System sei, gilt auch für den Islam.

Die Rechtsschulen des Islam passen die muslimische Praxis an Ort und Zeit an. Sie garantieren, dass das Verhalten der im Islam gebildeten Muslime berechenbar und konstruktiv bleibt. Muslime sind auf dieser Grundlage konservativ, weil sie ihre Religion bewahren wollen und liberal, weil sie ihr Leben an das hier und jetzt anpassen. 

Diese Wirklichkeit bestimmt den Alltag von Millionen von Muslimen. Der Normalfall des Muslimseins wird von den Konservativen letztlich ignoriert, um die eigene Logik am Ausnahmefall, dem Extremisten, festzumachen. Dieses unaufgeklärte Feindbild ist leider wieder zu einem konstitutiven Element des konservativen Weltbildes geworden.

Das einfache Kalkül in der Union

Hinter der Strategie liegt ein einfaches Kalkül: Man gewinnt mehr Stimmen mit einer populistischen Anti-Islampolitik als mit einem Angebot an Muslime zur Mitwirkung in der Partei. Letzteres wäre ein Erfolg für die Demokratie.

Die Folgen der Ausgrenzung sind dagegen fatal: Für Muslime in Deutschland verfestigt sich der Eindruck, dass ihrem Dasein – solange man sich nicht ausdrücklich vom Islam distanziert – grundsätzlich und dauerhaft mit Misstrauen begegnet wird.  

Zu befürchten ist, dass das neue Schlagwort-Programm allein dem rechten Rand dient und (konservativ-liberale) Muslime von der Partei fern hält. Praktizierende Muslime werden so in die Parallelgesellschaft gedrängt – hin zu zum Status eines Bürgers 2. Klasse, der keine Repräsentanz in den Parteien und damit auch nicht in den politischen Institutionen zu erwarten hat.

Das Programm fördert so, was es angeblich verhindern will. Wo soll denn nach Ansicht der Konservativen die politische Heimat von gläubigen Muslimen sein? Die Forderung nach einem „Muslimsein ohne Islam“ ist jedenfalls ein Paradox.

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Debatte um Parteiprogramm: Die Union entsorgt die Ära Merkel

Parteiprogramm union

Mit dem neuen Parteiprogramm will die Union ihr Profil schärfen und setzt auch auf einen Abschied von der Politik Angela Merkels.

Berlin (KNA). Die CDU sei wieder regierungsfähig – so formuliert es Generalsekretär Carsten Linnemann am Montag in Berlin selbstbewusst bei der Vorstellung des Entwurfs für ein neues Grundsatzprogramm. Anstoß für die Erneuerung war die verlorene Bundestagswahl 2021.

Parteiprogramm: Abschied von Angela Merkel

Gleich in mehreren Grundfragen setzt sich das 70-Seiten-Papier von der Ära der ehemaligen CDU-Vorsitzenden Angela Merkel ab. Das gilt nicht nur für ein Überdenken des Ausstiegs aus Kernkraft und Wehrpflicht oder einer Wende in der Asylpolitik. Es wird auch am besonders hervorgehobenen Begriff der Leitkultur deutlich. Allerdings will das Papier ehemalige Merkelwähler auch nicht verprellen.

Foto: Sandro Halank, via Wikimedia Commons | Lizenz: CC BY-SA 3.0

Als Volkspartei will sich die CDU weiterhin breit aufstellen: „Auf der Basis des christlichen Menschenbildes vereint die CDU christlich soziale, liberale und konservative Haltungen und Anliegen“, heißt es. Dabei soll das „christliche Bild vom Menschen“ als Kompass dienen.

Konkret heißt das für die CDU-Verantwortlichen: der einzelne Mensch mit seiner unantastbaren Würde soll im Mittelpunkt der Politik stehen. Er wird aber in seiner Verantwortung für die Gemeinschaft gesehen.

Zugleich stehe das „C“ für die Einsicht, dass es in der Politik nur um vorletzte Wahrheiten gehe. Dabei nimmt die Union für sich in Anspruch „im besten Sinne bürgerlich“ zu sein – ohne das „C“ durch „bürgerlich“ zu ersetzen, wie es auch zur Diskussion stand.

Foto: Irina Savchuk, Freepik.com

„Leitkultur“ wird wieder aufgewärmt

Die Leitkultur soll nach den Worten der Vorsitzenden der Programm- und Grundsatzkommission Serap Güler den Zusammenhalt der Gesellschaft garantieren.

Dazu sei mehr erforderlich als ein Bekenntnis zur Verfassung, so Güler weiter: Nämlich unter anderem „Respekt und Toleranz, das Bewusstsein von Heimat und Zugehörigkeit sowie die Anerkennung des Existenzrechts Israels“, wie es im Entwurf heißt. Nur wer dies ohne Wenn und Aber anerkennt, kann nach Ansicht der CDU deutscher Staatsbürger werden.

Ausdrücklich betont der Entwurf, dass Deutschland „ein christlich geprägtes Land“ sei. Kirchen und Gemeinden gelten als „wichtige Partner bei der Gestaltung unseres Gemeinwesens“ und übernähmen „eine wichtige Rolle in der öffentlichen Daseinsvorsorge“.

Mehr noch: „Sie sind gesellschaftspolitische Stabilitätsanker, die Menschen Orientierung geben, Sinn stiften und Seelsorge betreiben.“ Deshalb müssten christliche Symbole „im öffentlichen Raum sichtbar bleiben, sie sind ebenso zu schützen wie der Sonntag und die christlichen Feiertage“.

Daneben werden auch die anderen Religionen gewürdigt – allerdings mit unterschiedlichem Akzent: „Jüdisches Leben gehört zu Deutschland“, lautet schlicht die Formel für das Judentum.

Foto: Schura Rheinland-Pfalz

Muslime als Bürger 2. Klasse?

Beim Islam wird dies eingeschränkt: „Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland“ heißt es hier – ergänzt durch die Aussage: „Die Scharia gehört nicht zu Deutschland.“ Ziel ist demnach „ein lebendiges Gemeindeleben auf dem Boden des Grundgesetzes“, einschließlich deutscher Imamausbildung und ohne Einflüsse aus dem Ausland.

Die Familie wird in dem Text wieder von der Kernfamilie her gedacht im Sinne eines „Leitbildes von Ehe und Familie“. Sie soll dabei unterstützt werden, „Werte zu vermitteln“. Zugleich wird Alleinerziehenden sowie Kindern aus bildungsfernen und einkommensschwachen Familien Unterstützung zugesagt.

Bildung gilt laut Entwurf als Schlüssel zu Aufstieg und Integration. Und beim Sozialstaat soll nach Linnemanns Worten die Eigenverantwortung stärker gewichtet werden.

AfD demos

Foto: Shutterstock.com

Anbiederung an AfD-Wähler?

In der Migrationspolitik wird der Wandel am Konzept der sicheren Drittstaaten als Orte für Asylverfahren und mögliche Aufnahmestaaten für Flüchtlinge deutlich. Bei der Rente wird wiederum eine „verpflichtende kapitalgedeckte Altersvorsorge“ verlangt. Und dem Klimawandel will die CDU mit Technologie und Anreizen wie dem Emissionshandel entgegentreten.

Zugleich bekennt sich der Entwurf zu einem vorläufigen Erhalt der Kernkraft. Diese Konzepte eines „Zurück in die Zukunft“ zeigen sich etwa auch, wenn es nach der Aussetzung der Wehrpflicht „keine Denkverbote“ geben und ein „verpflichtendes Gesellschaftsjahr“ auch „den Streitkräften unseres Landes zugutekommen“ soll.

Bei manchen Themen scheint die Union, an die AfD verlorenes Terrain zurückgewinnen zu wollen, wenn sie sich etwa „gegen Gender-Zwang“ ausspricht. Für Linnemann folgt sie allerdings allein eigenen Überzeugungen; mit einer „klaren Handschrift und Zukunftsmelodie“, so der Generalsekretär.

Offiziell will der Vorstand das neue Grundsatzprogramm Mitte Januar auf eine Klausur in Heidelberg beschließen. Auf dem 36. Parteitag Anfang Mai müssen die 1.001 geladenen Delegierten in Berlin dann entscheiden, ob sie dem neuen Sound folgen wollen.

Foto: Islamrat, X

Muslimische Verbände kritisieren Entwurf

Dachverbände deutscher Muslime haben die Passagen zu Muslimen im Entwurf für das neue CDU-Grundsatzprogramm kritisiert.

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, warf der CDU vor, mit der Formulierung „Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland” am rechten Wählerrand zu fischen. „Spicken bei der AfD war schon in der Schule nicht besonders klug“, sagte er dem „stern“. „Im Übrigen wird erfahrungsgemäß der Wähler das Original am Ende wählen.“

Auch der Islamrat kritisierte die Passage: „Solche Diskussionen sind ausgrenzend und führen zu Verwirrung”, sagte dessen Vorsitzender Burhan Kesici dem Magazin. „Solche Aussagen erschweren die Identifikation der Muslime mit Deutschland.“

* Der Beitrag wurde am 12.12. um 12:35 Uhr erweitert.

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Berlin: Was bedeutet CDU-Wahlsieger Wegner für Migranten und Muslime?

Kai Wegner Berlin CDU Wahlsieger Populismus

Berlins CDU-Landeschef Kai Wegner hat sich in seiner Karriere auch mit populismusaffinen Positionen zu Muslimen und Migranten profiliert. Inwieweit sie landespolitisch an Einfluss gewinnen, ist trotz seines Wahlsiegs noch ungewiss.

Berlin (KNA). Der Erfolg hatte sich abgezeichnet: Dass die Berliner CDU mit ihrem Spitzenkandidaten Kai Wegner bei der Wiederholungswahl in der Hauptstadt deutlich besser abschneiden würde als beim regelwidrigen Urnengang von 2021, hatten Umfragen bereits seit Wochen vermuten lassen. Nun sind es nach ersten Hochrechnungen sogar bis zu 28 Prozent für die Christdemokraten im Abgeordnetenhaus, rund zehn Prozentpunkte mehr als vor knapp eineinhalb Jahren.

Welche Folge hat die Rhetorik von Wegner?

Wie sehr dieses Ergebnis außer auf Positionen der CDU etwa zur Verwaltungsreform und Wohnungspolitik auch auf ihre migrationskritischen Reaktionen nach den Silvesterkrawallen zurückzuführen ist, werden die Analysen ergeben. In Fragen von Zuwanderung und Integration steht Wegner jedenfalls bereits seit seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter auf der Seite jener, die bei der Flüchtlingsaufnahme und dem Umgang mit „islamistischen“ Tendenzen für schärfere Regelungen eintreten.

So warnte der Politiker, der früher in einem Bauunternehmen leitend tätig war, als „Großstadtbeauftragter“ der Unions-Fraktion schon 2016 vor einer Ghettobildung, wenn Flüchtlinge geballt in Großsiedlungen wohnen. Er verteidigte die Regelung des Integrationsgesetzes, nach der anerkannten Asylbewerbern bis zu drei Jahre ein Wohnsitz vorgeschrieben werden kann.

Wegner schaltet sich in altbekannte Debatten ein

Als Berliner CDU-Landesvorsitzender und -Fraktionschef meldete sich Wegner im vergangenen Jahr in der Debatte um eine geplante Anlauf- und Dokumentationsstelle für religiös motiviertes Mobbing an Schulen zu Wort und forderte eine auskömmliche Finanzierung. Mit Blick auf Vorfälle durch Schüler im Bezirk Neukölln, bei denen ein muslimischer Hintergrund kontrovers diskutiert wird, drang er darauf, „den Dominanzanspruch durch den politisch-fundamentalen Islam klar zurückzuweisen“.

Angesichts des Berliner Neutralitätsgesetzes, das muslimischen Lehrerinnen im Unterricht das Kopftuch verbietet, plädiert Wegner für eine Neufassung, die Beschäftigte des Staates auch künftig möglichst weitgehend dazu verpflichtet, im Dienst auf religiöse Kleidung und Symbole zu verzichten. Wie dies im Rahmen der jüngst bestätigten religionsfreundlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts möglich wäre, ist indes noch offen.

Wegner zu Religionspolitik

In den religionspolitischen Debatten Berlins hat sich Wegner auch in Sachen Stellenwert des Christentums zu Wort gemeldet. So verteidigte der Protestant das umstrittene Kuppelkreuz auf dem wiedererrichteten Stadtschloss, weil es die religiösen Wurzeln der säkularen Stadt Berlin sichtbar mache. Er bezeichnete die Rekonstruktion nicht nur als „Geste historischer Authentizität“, sondern wertete das Kreuz auch als „Symbol der Toleranz“ und mit Blick auf die völkerkundliche Sammlung des Humboldt Forums im Schlossbau als „Einladung zum Dialog der Weltkulturen“. Kritiker sehen in dem Kreuz dagegen ein Symbol des preußischen Obrigkeitsstaates.

Inwieweit Wegners migrations- und religionspolitische Positionen in der Berliner Landespolitik Einfluss haben werden, ist trotz des starken Stimmenzuwachses seiner Partei ungewiss. Wegen bisher fehlender Koalitionspartner für eine Regierungsbildung könnten sie weiterhin nur kritische Kommentare der Opposition zur Politik einer erneuten Koalition von SPD, Grünen und Linkspartei bleiben.

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Die CDU empört sich über Wahlspot, aber problematisiert politisch aktive Muslime

Tabubruch, schmutzige Wahlkampf, Angriff auf Religionsfreiheit: Nach der Kritik eines katholischen Laschet-Vertrauten in einem SPD-Wahlwerbespot, kennt die konservative Empörungsbubble kein Halten. Dabei gehören Angriffe auf die Religionszugehörigkeit von Menschen bei der CDU zum Alltag.

(iz). Wahlkampfzeiten sind auch immer Festivals der Doppelmoral. Da werden dem politischen Gegner Missstände vorgeworfen, die die eigene Partei selbst verbockt hat. Da wird die konkurrierende Kandidatin mit Schmutz beworfen – im vollen Wissen, dass die Leichen im eigenen Keller nur einen illoyalen Genossen, einen investigativen Journalisten von der nächsten Titelseite entfernt sind.

Soweit, so gewöhnlich. Was allerdings die CDU in diesem Wahlkampf an Bigotterie aufgeboten hat, lässt selbst erfahrene Politik-Frustrierte ungläubig zurück. Grund der geheuchelten Aufregung: In einem Wahlwerbespot hatte die SPD CDU-Politiker gedisst: Laschet, Merz, Maaßen sowie der bisher wenig bekannte Nathanael Liminski. Ein – so erklärte die Stimme aus dem Off – „erzkatholischer Laschet-Vertrauter, für den Sex vor der Ehe ein Tabu ist“.

Nun kann man darüber streiten, wie wichtig die Einstellung eines Düsseldorfer Staatskanzleichefs zum außerehelichen Geschlechtsakt für die Zukunft Deutschlands ist. Zumal es unzählige bessere Möglichkeiten gibt, um Liminski als christlich-reaktionären Hillbilly zu sehen: sein langjähriger Anti-Abtreibungskaktivismus, die Gründung einer Organisation, die Deutschland „rekatholisieren“ will, die Vermittlung eines AfD-nahen Vereins in den WDR-Rundfunkrat und und und.

Worüber sich aber nicht streiten lässt, ist die Verlogenheit, mit der sich das CDU-Establishment anschließend empörte. Von Tabubruch war die Rede. Von Schmutzwahlkampf. Vom einmaligen Angriff auf die Religionsfreiheit. Doch das vermeintliche Tabu „Religion nicht für den Wahlkampf zu missbrauchen“ – wie es CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak formulierte – brechen CDU-Politiker ständig. Zum Beispiel Paul Ziemiak selbst: Der schloss sich im Wahlkampf 2017 der Forderung nach einem Islamgesetz an und stellte damit nicht nur einen Politiker, sondern gleich fünfeinhalb Millionen Menschen allein wegen ihrer Religion unter Verdacht.

Einen „Tabubruch, den ich unter Demokraten nicht für möglich gehalten hätte“, machte auch Günter Krings aus. „Dass höchstpersönliche Themen und religiöse Überzeugungen zum Gegenstand politischer Angriffe gemacht werden, hat es in der Nachkriegszeit so noch nicht gegeben“, erklärte der Vorsitzende der CDU-Landesgruppe NRW im Bundestag gegenüber dem „Kölner Stadtanzeiger“. Sollte Krings nicht den Afghanistankrieg gemeint haben, liegt er mit dieser Einschätzung allerdings ebenfalls daneben.

Denn noch 2015 gehörte Krings selbst zu den Initiatoren eines CDU-Papiers „für einen Islam mitteleuropäischer Prägung“. In völliger Missachtung des grundgesetzlich gesicherten religiösen Selbstbestimmungsrechts bastelten sich Krings und Kollegen in dem Papier ihren Wunschislam. Dass Religion für Krings nur im Falle katholischer CDU-Politiker, nicht aber bei Muslimen ein „höchstpersönliches Thema“ ist, machte schon die Überschrift des Dokuments deutlich: „Religion ist keine Privatsache.“

Während die sehr realen christlich-reaktionären Einflüsse auf die Politik von Laschet-Vertrautem Nathanael Liminski vielen CDU-Politikern als Privatsache und damit nicht zu kritisieren gelten, reicht den Konservativen schon die bloße Vorstellung eines muslimischen Politikers, um auf die Barrikaden zu gehen.

Als der Vorsitzenden der Unionsfraktion im Bundestag Ralph Brinkhaus 2019 in einem Interview eher beiläufig auf eine Frage antwortete, dass er sich auch einen muslimischen Bundeskanzler vorstellen könnte, folgte eine Welle der Empörung: Unter der BILD-Schlagzeile „Aufruhr um Moslem als CDU-Kanzler“ standen CDU-Politiker Schlange, um sich von ihrem Parteikollegen und der Vorstellung eines muslimischen Regierungschefs zu distanzieren.

Ein Union-Kanzlerkandidat müsse „christdemokratische Werte vertreten und sich Deutschland zugehörig fühlen“, erklärte auch CDU-Innenpolitiker Christoph de Vries und stellte umgehend klar, wen er damit nicht meinte: „Dies gilt in gleichem Maße leider nicht für einen größeren Teil der Muslime“. Schließlich würden „die einem religiösen Fundamentalismus nacheifern und sich ausländischen Staatschefs verbunden fühlen.“

Der Hamburger Bundestagsabgeordnete De Vries ist so etwas wie der Beauftragte der CDU für inflationäre Islamismus-Vorwürfe und die Ausgrenzung von Muslimen aus dem öffentlichen Leben. Als Autor des im April dieses Jahres veröffentlichten Positionspapiers zum „Politischen Islam“ ist de Vries hauptverantwortlich dafür, dass die CDU mittlerweile so ziemlich jedes muslimische politische Engagement zum „Politischen Islam“ und damit zum Extremismus verklärt.

Gegenüber christlichen Hardlinern zeigt sich aber auch de Vries tolerant und solidarisch. Von einem „Schmutzwahlkampf der SPD unter der Gürtellinie“ und „AfD-Style“, tweetete der Katholik infolge des SPD-Wahlspots. Auch er erklärte: Liminskis Ablehnung von Sex vor der Ehe, sei dessen „höchstpersönliche Einstellung“.  Von so viel Verständnis gegenüber ihren religiösen Werten und Normen können Muslime nur träumen.  Als Merkmal islamistischer Bedrohungen identifizierte de Vries im erwähnten Positionspapier unter anderem Folgendes: „Die umfassende Reglementierung der Lebensführung von Musliminnen und Muslimen anhand der Kategorien des Erlaubten (halal) und des Verbotenen (haram).“

Wäre Nathanael Liminski Muslim, er hätte von der CDU vielleicht keinen kritischen Wahlwerbespot zu befürchten. Stattdessen würde er wohl gleich auf der Liste islamistischer Gefährder landen.

Koalitionsvertrag: GroKo-Positionen zu „Islam" sind erschreckend

(iz). Die Große Koalition steht. Wieder. Der 170-seitige Koalitionsvertrag gelangte über Medien an die Öffentlichkeit und wird aus verschiedenen Blickwinkeln diskutiert. Nur wenigen scheint dabei aufzufallen, dass die Absätze bezüglich […]

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Mit ihrer Unterstützung für das „Muslimische Forum Deutschland“ überschreitet die Konrad-Adenauer-Stiftung Grenzen der politischen Intervention

„Das erweckt das Zeichen der Spaltung der Community, weil der Eindruck erweckt wird, man sei besser, man sei liberaler und demokratiefähiger. Damit wird im Grunde den anderen unterstellt, man sei […]

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Den Parteien auf den Zahn gefühlt: Wichtige Fragen und Antworten der Politiker im Bundestag

Den Parteien auf den Zahn gefühlt Wahlkompass Islam, Integration & Internationales mit wichtigen Fragen und interessanten Antworten der Politiker im Bundestag von der Deutschen Muslim-Liga e.V. veröffentlicht

Die Deutsche Muslim Liga e.V. (DML) mit Sitz in Hamburg hat in Kooperation mit der Islamischen Zeitung (IZ) zur Bundestagswahl 2013 heute den „Wahlkompass Islam, Integration & Internationales“ mit Antworten von Spitzenpolitikern und Parteien aus dem Deutschen Bundestag veröffentlicht.

Was denken die Parteien über den Islam? Wie will Peer Steinbrück (SPD) die zunehmende Islamfeindschaft bekämpfen? Wird die CDU endlich das Kopftuchverbot abschaffen? Gibt es mit der Partei Die LINKE bald zwei Islamische Feiertage? Ist Rainer Brüderle (FDP) für den EU-Beitritt der Türkei? Was denken Bündnis‘90/Die Grünen über den Syrien-Konflikt? Und viele Fragen mehr.

„Der Islam ist nicht nur eine Weltreligion, sondern mittlerweile auch eine deutsche Religion. Im Bund haben wir als Liberale deshalb vier Millionen Euro für die Einrichtung islamischer Studien zur Verfügung gestellt. In den CDU/FDP-geführten Ländern Hessen und Niedersachsen haben wir islamischen Religionsunterricht eingeführt. Anders als das NRW-Modell erfüllen unsere Modelle den Anspruch der Muslime auf Religionsfreiheit und damit die Anforderungen des Grundgesetzes. In Hessen haben wir die erste islamische Gemeinschaft überhaupt als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt.“ (FDP/ Spitzenkandidat Rainer Brüderle)

Im Wahlkompass der DML – der ältesten muslimischen Vereinigung in Deutschland und Gründungsmitglied des Zentralrates der Muslime in Deutschland – beantworten die Spitzenkandidaten und Bundestagsparteien insgesamt 23 Fragen zu Themen wie: Islam, Diskriminierung, Rassismus, Bürgerrechte und Integration.

„DIE LINKE tritt für eine konsequente Gleichbehandlung aller Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften ein. Daher ist es nur konsequent, wenn auch muslimische Gemeinden ihre Moscheen so bauen, dass sie äußerlich als solche zu erkennen sind.“ (Die Linke)

„Bestimmte Themen entscheiden für Muslime und Migranten die Wahl. Welche Partei ernsthaft versucht die Probleme und Sorgen dieser deutschen Bürger zu lösen, die Menschen gleichzeitig in ihrer religiösen Individualität anerkennt und respektiert, der kann am Wahltag von deren Stimme profitieren,“ erklärt Belal El-Mogaddedi, der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Muslim Liga.

„Unser Grundgesetz verpflichtet den Staat zu strikter religiöser und weltanschaulicher Neutralität. Keine Religion darf diskriminiert oder ungerechtfertigt bevorzugt werden. Allen Religionsgemeinschaften steht Gleichberechtigung und –behandlung durch den Staat zu. Während bisher vor allem die christlichen Kirchen den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts besitzen, sind andere Gemeinschaften vereinsrechtlich organisiert. Grüne Politik wird ergebnisoffen nach Wegen suchen, diese rechtliche Ungleichheit zu beseitigen.“ (B’90/Grüne)

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Zur Bundestagswahl am 22. September 2013 sind fast zwei der ca. vier Millionen deutschen Muslime und mehrere Millionen Menschen mit Migrationshintergrund aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. „Die Muslime erkennen nach Jahrzehnten in Deutschland endlich das Gewicht ihrer Stimmen bei Wahlen. Und sie erkennen mit dem vorliegenden Wahlkompass, welche Partei vor allem allgemeine Aussagen liefert und welche Partei sich klar positioniert“, sagt Belal El-Mogaddedi weiter.

„Ich habe bei der Bundestags-Abstimmung zum Bescheidungsgebot vergangenes Jahr dafür gestimmt, dass die Beschneidung erlaubt bleibt. Durch das Gesetz gibt es nun endlich Rechtssicherheit. Bei der Schächtung ist es rechtlich ja so geregelt, dass es möglich ist, das Schächtungsgebot zu befolgen und die religiöse Schlachtung, natürlich im Einklang mit dem Tierschutz, vorzunehmen. Ich respektiere das, denn ich habe Respekt vor religiösen Bräuchen.“ (SPD/Steinbrück)

Der vollständige „Wahlkompass Islam, Integration & Internationales“ steht auf der Internetseite der Deutschen Muslim Liga e.V. in Layout- und Druckversion zur Ansicht und zum Download ab sofort bereit.

„CDU und CSU haben zunehmend auch Mitglieder muslimischen Glaubens in ihren Reihen. Religiöse Feste wie Fastenbrechen oder Weihnachtsfeiern werden in den Gremien unserer Parteien gemeinschaftlich begangen. Erstmals bewirbt sich mit Cemile Giousouf eine muslimische CDU-Kandidatin im Wahlkreis Hagen/ Ennepe-Ruhr-Kreis um ein Direktmandat für den Deutschen Bundestag.“ (CDU/CSU)

Die Fragen des Wahlkompasses hat die DML in ihrem 60-jährigen Jubiläumjahr unter der Überschrift „Welche Themen und Fragen entscheiden ihre Wahl?“ bei Migranten und Muslimen im Vorfeld gesammelt.

Links zum Download:
1.) DML-Wahlkompass Islam Integration Internationales
2.) Druckversion DML-Wahlkompass zur Bundestagswahl

Presseerklärung der SCHURA Niedersachen zum neuen Handlungskonzept des Innenministeriums

Hannover (PE Schura). Arbeitgeber sollen laut Schünemann in die Lage versetzt werden, „Radikalisierungsprozesse im eigenen Firmenumfeld frühzeitig zu erkennen“, so im Handlungskonzept. Das Netzwerk des Arbeitsbereichs Wirtschaftsschutz soll in Unternehmen und Wirtschaftsverbänden eine Sensibilisierung für die Themenfelder „Islamismus“ und „Radikalisierung“ übernehmen. Sie werden aufgefordert, „in gebotenen Einzelfällen konkrete fallbezogene Informationen über die betroffene Person zwischen den Kooperationspartnern und den Sicherheitsbehörden auszutauschen“. Arbeitgeber sollen also ihre muslimische Mitarbeiter beobachten und Erkenntnisse den Sicherheitsdiensten melden.

„Schura Niedersachsen wurde im Rahmen des Handlungskonzepts weder über die einzelnen Vorhaben informiert, noch hat sie Bereitschaft zu einer diesbezüglichen partnerschaftlichen Zusammenarbeit erklärt, wie es vom Niedersächsischen Innenministeriums behauptet wird“, erklärte Avni Altiner, Vorsitzender der Schura Niedersachsen, anlässlich des am 6. März 2012 vorgestellten Handlungskonzept zur „Antiradikalisierung“. Altiner weiter: „Es ist befremdlich, wenn Innenminister Uwe Schünemann erklärt, dass ‘schon bei der Erarbeitung des Konzeptes muslimische Vertreter mitgewirkt haben‘. Das entspricht nicht der Wahrheit. Vorschläge und Einwände der Schura Niedersachsen wurden weder berücksichtigt noch haben sie Eingang in das Handlungskonzept gefunden. Wenn dies dennoch behauptet wird, entspricht das allenfalls dem Wunsch, nach außen Einigkeit vorzutäuschen.“

„Richtig ist, dass beide Islamischen Religionsgemeinschaften ab einem gewissen Zeitpunkt auf ihr Drängen hin eingeladen worden sind. Nur zufällig haben die Islamischen Religionsgemeinschaften nach einer lange verstrichenen Arbeitsphase von den Arbeits- und Projektgruppen erfahren. Bedenken, Kritik und Vorschläge, die dazu geäußert wurden, wurden außer Acht gelassen. Daher ist es falsch, dass die Islamischen Religionsgemeinschaften dieses Handlungskonzept für aus unserer Sicht untragbare Maßnahmen mitgestaltet oder mitgetragen hätten.

Somit wurden der Einladung des Innenministeriums zu einem gemeinsamen Auftritt in der Landespressekonferenz folglich auch nicht entsprochen, würde dies doch zu einer öffentlichen Fehlinterpretation dieser Arbeiten führen.

Wir hatten uns schon dem Versuch der Instrumentalisierung während der langjährigen und äußerst diskriminierenden verdachtsunabhängigen Kontrollen des Innenministers vor Moscheen widersetzt und werden dies auch in Zukunft tun; solche waren vom Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtages als verfassungswidrig eingestuft worden.

Die Islamischen Religionsgemeinschaften sitzen seit Jahren gemeinsam mit den Niedersächsischen Sicherheitsbehörden an einem Tisch. Für uns ist es wichtig, gemeinsam Konzepte zu entwickeln und diese umzusetzen. In konkreten, nachweisbaren Fällen unterstützen wir die Verfolgung terroristischer Umtriebe unter voller Ausschöpfung der strafermittelnden und -rechtlichen Möglichkeiten. Es ist aber mehr als laienhaft anzunehmen, dass sich fragliche Personen innerhalb der Gemeinden profilieren würden. Die Sicherheit im Lande, in der Gesellschaft und auch für unsere Gemeinden ist uns wichtig! Insbesondere wenn es um die Sensibilisierung und Aufklärung der Sicherheitsbehörden und der Mehrheitsgesellschaft geht. Allerdings muss dies im gegenseitigen Respekt, einem angemessenen Procedere und auf entsprechender Augenhöhe geschehen.

Die ‘vertrauensbildenden Maßnahmen’, von denen im Papier des Innenministeriums die Rede ist, können mit den vorgelegten Handlungskonzepten nicht erreicht werden. Denunziantentum im Arbeits- oder sozialen Umfeld oder gar in Schulkassen sind allenfalls geeignet, Vorurteile zu schüren, Muslime unter Generalverdacht zu stellen und sie letztendlich in das soziale Abseits zu drängen. In einem Klima des Misstrauens, wo Arbeitgeber, Dialogpartner oder Lehrer aufgefordert werden, bei ‘Auffälligkeiten’ ‘fallbezogene’ Informationen an die Sicherheitsbehörden zu liefern, kann kein Vertrauen entstehen.

Wenn Schünemann in Niedersachsen wieder eine Blockwart-Mentalität installieren möchte, dann macht er gesamtgesellschaftlich ein Fass auf, über das auch in der gesamten Gesellschaft der Diskurs geführt werden muss. ‘Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant’ – Dieser Satz des Dichters August Heinrich Hoffmann von Fallersleben hat ja in der Geschichte der deutschen Diktaturen seine unrühmliche Bestätigung gefunden. Will jemand dorthin zurück? Dies widerspricht auch dem Selbstverständnis der Schura Niedersachsen.

Wir sehen die konkrete Gefahr darin, dass der gesamtgesellschaftliche Frieden in Niedersachen durch solche unbedachten Schritte nachhaltig gestört wird. Diese Arbeiten sind einerseits rechtlich bedenklich, anderseits entsprechen sie einem politischen Taktieren, das dem Ethos der Demokratie und den Grundlagen einer offenen, pluralistischen Gesellschaft widerspricht, indem es aus unserer Perspektive zunehmend den Zug einer Einschüchterungspolitik trägt.

Es dürfte zudem abschreckend wirken, wenn die Federführung für diese Maßnahmen beim Verfassungsschutz bleibt. Leider hat dieser durch die letzten schrecklichen Ereignisse in Bezug auf den rechtsradikalen Terrorismus große Verluste an Vertrauen – nicht nur unter den Muslimen – einstecken müssen. So empfindet sich die breite Masse der Muslime in Niedersachsen wieder mal unter Generalverdacht, vorverurteilt und als Opfer eines schlichten politischem Populismus.“