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Köln will Muezzinruf ab Mitte Oktober erlauben

Düsseldorf/Köln (KNA) An der Kölner Zentralmoschee könnte die Türkisch Islamische Union DİTİB womöglich ab 14. Oktober den Muezzin per Lautsprecher zum Gebet rufen lassen. Eine Sprecherin der Stadt Köln bestätigte auf Anfrage der „Rheinischen Post“ (Sonntag, den 02. Oktober), dass es nur noch kleinere Nachfragen gebe, dass die Stadt aber im Prinzip grünes Licht geben werde.

Formale Voraussetzung für den Muezzinruf ist nun noch ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen Stadt und DİTİB. Sollte er in den nächsten Tagen unterschrieben werden, könnten ab dem 14. Oktober die ersten Muezzinrufe in Köln erschallen. Erlaubt wäre das dann immer freitags in der Zeit zwischen 12.00 und 15.00 Uhr für fünf Minuten.

Die Stadt Köln hatte Anfang Oktober 2021 erklärt, dass Moscheegemeinden auf Antrag und unter Auflagen künftig ihre Gläubigen zum mittäglichen Freitagsgebet rufen dürften. Zu den Auflagen gehört etwa, dass der Gebetsruf nicht länger als fünf Minuten dauert. Für die Lautstärke gibt es eine Höchstgrenze, die je nach Lage der Moschee festgelegt wird. Außerdem muss die jeweilige Moscheegemeinde die Nachbarschaft frühzeitig mit Flyern informieren und eine Ansprechperson benennen, die Fragen beantworten oder Beschwerden entgegennehmen kann. Das Modellprojekt ist zunächst auf zwei Jahre befristet.

Die Erlaubnis ist umstritten. Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) steht dahinter. Auch der Kölner katholische Stadtdechant Robert Kleine befürwortet das Muezzin-Projekt. Das Grundrecht auf freie Religionsausübung stehe auch „den islamischen Gemeinden in Form des Muezzinrufes“ zu, sagte er im Mai. „Es geht dabei ja um ein verfassungsmäßiges Recht, das auch nicht mit dem Hinweis auf religiöse Intoleranz oder die politische Instrumentalisierung der Religion in anderen Teilen der Welt relativiert werden darf. Wir nehmen uns eben kein Maß an autoritären Staaten.“

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) äußerte dagegen Kritik. Er fürchtet um den gesellschaftlichen Frieden, wenn viele Moscheegemeinden entsprechende Anträge stellten.

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Natürlich dürfen Muslime zum Gebet rufen

(iz). Seit Wochen diskutieren Politik und Medien über die Frage, ob man Muslimen den Gebetsruf erlauben sollte. Dabei stellt sich die Frage gar nicht. Denn juristisch ist das Recht auf Muezzin-Ruf eindeutig.

Seit der Ankündigung von Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker, muslimischen Gemeinden den öffentlichen Gebetsruf (arab. adhan) zu erlauben, kennt die Debatte kein Halten mehr: In unzähligen Gastbeiträgen und Interviews haben echte und vermeintliche „Experten“ in den vergangenen Tagen kundgegeben, warum ihrer Meinung nach der Adhan erlaubt oder verboten werden sollte. Die einen argumentieren mit persönlichen Erfahrungen, die zweiten machen den Muezzinruf abhängig von der Erfüllung integrationspolitischer Forderungen, die dritten reihen einfach plumpe Klischees aneinander. Das mag alles sehr interessant sein, für die Frage aber, ob Muslime zum Gebet rufen dürfen, ist es letztlich unerheblich. Denn die Antwort darauf ist eindeutig: Natürlich dürfen sie.

Der Grund hierfür steht in Art. 4 des Grundgesetzes. In Absatz 1 heißt es: „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich“. Absatz 2 fügt hinzu: „Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“ Dass diese grundgesetzlich garantierte Religionsfreiheit auch öffentliche Gebetsrufe abdeckt, haben Gerichte immer wieder bestätigt.

Maßgeblich ist hierfür ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1968, wonach die Religionsfreiheit „extensiv“ zu interpretieren sei:  „Zur Religionsausübung gehören danach nicht nur kultische Handlungen und Ausübung sowie Beachtung religiöser Gebräuche wie Gottesdienst, Sammlung kirchlicher Kollekten, Gebete, Empfang der Sakramente, Prozession, Zeigen von Kirchenfahnen, Glockengeläute, sondern auch religiöse Erziehung, freireligiöse und atheistische Feiern sowie andere Äußerungen des religiösen und weltanschaulichen Lebens.“

Auch die Bundesregierung kennt das Recht auf Muezzinruf. In einer Antwort auf eine Große Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zum Thema „Islam in Deutschland“ aus dem Jahr 2000 schreibt sie: „Der islamische Gebetsruf als Betätigung einer Glaubensüberzeugung im Sinne der Bekenntnisfreiheit und der freien Religionsausübung wird durch Artikel 4 Abs. 1 und 2 GG geschützt.“

Gegner von Muezzinruf und/oder Glockenläuten argumentieren häufig, dass Religionsfreiheit der Gläubigen dann ein Ende finden müsse, wenn die Religionsfreiheit von Dritten, also zum Beispiel von Anwohnern, gefährdet sei. Doch das ist sie nicht. Entgegen dem landläufigen Verständnis begründet die „negative Religionsfreiheit“ kein Recht darauf, von religiösen Bekundungen unbehelligt zu bleiben. Sie bedeutet lediglich, dass niemand zu religiösen Bekenntnissen oder Praktiken gezwungen werden darf.

Im Kruzifix-Urteil von 1995 urteilte das Bundesverfassungsgericht beispielsweise, der Einzelne habe „in einer Gesellschaft, die unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen Raum gibt, kein Recht darauf, von fremden Glaubensbekundungen, kultischen Handlungen und religiösen Symbolen verschont zu bleiben.“

In diesem Sinne wies auch das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen im Jahr 2020 eine Klage gegen einen Muezzinruf ab. Die Richterin urteilte damals: „Jede Gesellschaft muss akzeptieren, dass man mitbekommt, das andere ihren Glauben ausleben.“

Politiker, die den Adhan verbieten wollen, ohne auf Kirchenglocken verzichten zu müssen, greifen ohnehin lieber zu einem anderen Argument. Ihnen zufolge passe der muslimische Gebetsruf schlicht nicht zur christlichen Kultur des Landes. Lässt sich diese These juristisch untermauern? Ja. Zumindest wenn man im Jahr 1955 hängengeblieben ist.

In einer aus heutiger Sicht abenteuerlich anmuteten Argumentation urteilte das Bundesverfassungsgericht damals: „Das Grundgesetz hat nicht irgendeine, wie auch immer geartete freie Betätigung des Glaubens schützen wollen, sondern nur diejenige, die sich bei den heutigen Kulturvölkern auf dem Boden gewisser übereinstimmender sittlicher Grundanschauungen im Laufe der geschichtlichen Entwicklung herausgebildet hat.“

Wer nun hofft, das passende Urteil gefunden zu haben, um allen Nicht-Christen ihre Religionsfreiheit abzusprechen, muss leider enttäuscht werden: Die sogenannte Kulturadäquanzklausel wurde von späteren Verfassungsrichtern nie wieder aufgegriffen und spielt heute keine Rolle mehr. Die heutige Rechtsprechung ist eindeutig: Das Grundrecht auf freie Ausübung der Religion gilt für alle Gläubigen gleich welcher Religion.

Trotzdem könne man Glockengeläut und Adhan doch nicht gleichsetzen. Schließlich handelt es sich bei dem einen nur um harmloses Gebimmel, während die anderen ihre Nachbarschaft mit einem religiösen Bekenntnis beschallen. Dieses Argument hat tatsächlich juristische Relevanz. Allerdings zugunsten der Muslime.

Denn gerade der eindeutig religiöse Charakter des Adhan lässt keinen Zweifel daran, dass er unter die Religionsfreiheit fällt. Im Falle von Kirchenglockenläuten unterscheiden Juristinnen hingegen manchmal zwischen liturgischem (wie Gottesdienst, Taufe) und profanem Glockenläuten (Zeitangabe, Sturmwarnung). Nur erstes fällt dieser Argumentation zufolge unter den Schutz der Religionsfreiheit. Andere sehen hingegen jegliches Glockengeläut von der Religionsfreiheit gedeckt. Sie argumentieren: Eine staatliche Unterscheidung zwischen liturgischem und profanem Geläut sei ein unzulässiger Eingriff in die Autonomie der Religionsgemeinschaften.

Grenzenlos ist das Recht auf öffentliche Gebetsrufe in der Bundesrepublik dennoch nicht. Das in der Rechtsprechung häufigste und wirksamste Argument gegen öffentliche Gebetsrufe lautet: Lärmschutz. Zwar stehen Glockengeläut und Muezzin-Rufe unter dem Schutz der grundgesetzlich garantierten Religionsfreiheit, unantastbar macht sie das dennoch nicht. Vor allem dann nicht, wenn sie mit anderen Grundrechten kollidieren.

Ein von Kirchenglocken oder „Allahu Akbar“-Rufen täglich aus dem Schlaf gerissener und in Schlafstörungen, Migräne und Depressionen gestürzter Anwohner kann mit gutem Grund auf die Verletzung von Art. 2, Abs. 2 des Grundgesetzes verweisen: das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Der Großteil der Gerichtsverhandlungen zu Kirchenglockenläuten befasst sich tatsächlich mit diesem Konflikt.

Aber auch in diesen Fällen führt die Rechtsprechung nicht zum Verbot von Gebetsrufen. „Praktische Konkordanz“ nennen Juristen das Prinzip, wonach bei kollidierenden Grundrechten stets der Kompromiss gesucht werden sollte. In der Praxis bedeutet das zum Beispiel: der Muezzin ruft etwas leiser, die Kirchenglocken läuten etwas später. Häufig urteilen Richterinnen aber auch völlig pro Religionsfreiheit und muten Anwohnern Gebetsrufe weit jenseits der örtlich geltenden Lärmschutzbestimmungen zu. Urteile hingegen, in denen ein öffentlicher Gebetsruf zugunsten lärmgeplagter Anwohnerinnen generell untersagt wurde, gibt es nicht.

Was es dennoch leider reichlich gibt, sind Politiker, Journalistinnen und „Experten“, die fordern Muslime die Ausübung ihrer Religionsfreiheit zu verweigern. Auf dem Boden des Grundgesetzes bewegen sie sich – anders als zum Gebet rufende Muslime – nicht.

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Schnellschüsse aus der Hüfte

(iz). Längst sind das Internet und seine Kommunikationsformen zu einer Arena des Politischen geworden. Hier finden die Politik sowie ihre Themen ihren Widerhall. Alles, was früher den Wählern beziehungsweise jeweils […]

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Auszug der neuen Ausgabe: Interview mit Ersin Özcan, Vorstandsvorsitzender des DITIB-Landesverbands Nordrhein-Westfalen zur Zukunft von Zentralvertretungen

„Das Agieren von muslimischen Vertretern reduziert sich immer mehr zu einem Selbstgespräche. In einer solchen Situation sprechen die Öffentlichkeit und die Politik immer weniger mit den Muslimen – sie führen immer mehr Zwiegespräche mit politischen Akteuren, die zunehmend nicht mehr die Muslime beim Staat vertreten, sondern den Staat mit seinen Erwartungen bei den Muslimen.“

(iz). Die Debatten rund um das Islamgesetz in Österreich haben in den letzten Wochen auch Muslime und Politik in Deutschland beschäftigt. Forderungen nach einem ähnlichen Gesetz wurden auch hier laut. Ersin Özcan, Vorstandsvorsitzenden des DITIB-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen, unterstrich in einem langen Interview, was in der nächsten Ausgabe der Islamischen Zeitung in voller Länge zu lesen sein wird, dass das Islamgesetz von einem implizierten Vorwurf der Untauglichkeit und der Illoyalität geprägt sei.

„Letztlich erscheint mir das Islamgesetz als eine Art staatliche Obhut über Muslime und es manifestiert sich eine Haltung, in welcher der Staat bestimmt, wer ein guter Muslim ist“, so Özcan. Die befürwortenden Stimmen aus der Politik sind ihm ein Rätsel, erst recht die muslimischen, die solche Verbote oder Eingriffe fordern. „Ich glaube für Kirchen oder jüdische Gemeinden würde niemand aus der Politik so etwas fordern. Und schon gar nicht würden die Vertreter dieser Religionsgemeinschaften so etwas begrüßen“, sagte der NRW-Landeschef des größten Moscheeverbunds in Deutschland.

„Import-Imame“
Ersin Özcan geht im Interview auch auf die Problematik der so genannten Import-Imame im Kontext dieser Diskussionen ein. Die Muslime seien in der Lage, selbst entscheiden zu können, woran sie glauben, wie sie glauben und mit welchen Mitteln und mit welchem Personal sie ihren Glauben leben wollen. „So zu tun, als seien die Muslime nicht fähig zu erkennen, welcher Imam gut für sie ist, erscheint mir ziemlich paternalistisch“, betonte Özcan.

Dem Vorwurf, DITIB stehe unter Kontrolle Ankaras, geht Özcan aus dem Weg. Das seien „Nebelbombe“, in deren Schwaden all jene sich aus dem Staub machen würden, die in der Sache eine nachhaltige Debatte scheuten. „Ein solcher Auslandsbezug ist rechtlich wie tatsächlich bei anderen Religionsgemeinschaften, wie der Anglikanischen Kirche oder der Katholischen Kirche kein Problem“, so der DITIB-Vertreter. Man sollte auf das hören, was DITIB in Deutschland sage und die Inhalte wahrnehmen, um die es gehe. „Da spricht nicht die türkische Politik, da sprechen wir als Muslime in Deutschland über das, was uns hier wichtig ist“, so Özcan.

Der eigentlich kritische Punkt seien allerdings andere Entwicklungen innerhalb der muslimischen Community in Deutschland. Hierzulande würden wir eine zunehmende Veränderung des muslimischen Selbstverständnisses erleben. Özcan: „Muslimische Akteure scheinen immer mehr darum bemüht, zu gefallen, statt die Frage nach theologischer Wahrhaftigkeit zu stellen. Das mag als Geschäftsmodell für Partikularinteressen nützlich sein, für die muslimische Selbstfindung und den Erhalt einer an Lehraussagen orientierten, selbstgewissen religiösen Identität ist eine solche Entwicklung verheerend.“

Im Gespräch geht Özcan auch auf die jüngsten Diskussion über den Koordinationsrat der Muslime (KRM) ein. Politik und Öffentlichkeit habe jahrelang nach dem einen institutionellen Vertreter geschielt. Özcan sieht in einer zentralistischen Struktur Gefahren. Sie könne zu einer Art „Bischofskonferenz für Muslime“ mutieren. Durch diese Zentralisierung der muslimischen Selbstorganisation werde zudem nicht die ganze Vielfalt des muslimischen Lebens vertreten oder auch nur artikuliert. „Vielmehr hängt das, was die Muslime vermeintlich denken, wollen und tun von den Aussagen und Handlungen weniger Funktionäre ab, die im schlimmsten Fall nicht einmal eine gemeindliche Basis haben, bei der sie sich rechtfertigen müssten.“

Die Frage sei, betont Özcan, wie ein ernsthafter Austausch über islamische Grundfragen stattfinden könne. Eine weitere Zentralisierung sei diesem Austausch in keiner Weise dienlich. Er beobachtet eine Isolation der Funktionärseben von der muslimischen Basis. „Das Agieren von muslimischen Vertretern reduziert sich immer mehr zu einem Selbstgespräche. In einer solchen Situation sprechen die Öffentlichkeit und die Politik immer weniger mit den Muslimen – sie führen immer mehr Zwiegespräche mit politischen Akteuren, die zunehmend nicht mehr die Muslime beim Staat vertreten, sondern den Staat mit seinen Erwartungen bei den Muslimen.“

Mit einem solchen Modell werde man auf beiden Seiten nicht ernst genommen – weder bei der Basis, noch bei der Politik. Es führe kein Weg an einem wahrhaftigen und nachhaltigen innermuslimischen Austausch vorbei. Özcan würde ein Diskussionsforum für islamische Religionsgemeinschaften anstreben wollen, bei dem nicht mehr der Anspruch auf zentrale Vertretung im Vordergrund steht, sondern der Wunsch nach einer inhaltlichen Debatte.

Dieses Gremium sollte auch ergänzt werden durch Austauschforen mit Muslimen außerhalb der Verbände. „Da ist viel Potenzial, dass innerhalb der Verbände nicht genutzt wird“, folgert Özcan.

Das vollständige Interview wird in der nächsten Ausgabe der Islamischen Zeitung zu lesen sein.

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Nach einer internen Klausurtagung und mehrwöchigen Diskussionen in und um den KRM lud der Zentralrat zur Pressekonferenz

Köln (IZ/dpa/KNA). Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), Aiman Mazyek, hat die anderen muslimischen Verbände zu mehr Einigkeit aufgerufen. Es sei „völlig legitim“, wenn einzelne Mitglieder des Koordinationsrats der Muslime (KRM) unterschiedliche Ansichten verträten, sagte er am 19. März auf einer Pressekonferenz seiner Organisation in Köln.

Mazyek hat sich gegen den Vorwurf gewehrt, er wolle sich zum alleinigen Vertreter der deutschen Muslime aufschwingen. Wenn in der Öffentlichkeit oft vor allem er als Stimme der Muslime wahrgenommen werde, dann liege dies nicht daran, dass er die Vertreter anderer islamischer Dachverbände ausstechen wolle. „Ich rufe sie auf, dass sie sich mehr einbringen», sagte er auf der Pressekonferenz. Das Wochenmagazin „Die Zeit“ zitierte hierzu auch ZMD-Generalsekretärin Nurhan Soykan. Wer kein Deutsch spreche, so die Juristin, dürfe sich auch nicht beklagen, wenn er nicht in Talkshows eingeladen werde.

Der ZMD-Chef hatte unter anderem eine zentrale Rolle bei der Mahnwache am Brandenburger Tor nach den Terroranschlägen von Paris gespielt. Die Türkisch-Islamische Union DITIB, der größte islamische Dachverband in Deutschland, hatte ihn kürzlich scharf angegriffen und ihm einen „Vertrauensbruch“ vorgeworfen. Derzeit wird vor und hinter den Kulissen in bisher unbekannter Heftigkeit und Offenheit über Interna aus der dem Umfeld des KRM und über seine Zukunft diskutiert. Bisher allerdings waren es vor allem einige Vertreter der KRM-Mitglieder, die diese Debatte führten. Elemente der muslimischen Zivilgesellschaft blieben bisher außen vor.

Zugleich betonte Aiman Mazyek, dass sein Verband „felsenfest“ am KRM festhalte, weil er eine wichtige Interessenvertretung sei. Der Dachverband werde derzeit reformiert. Arbeitsgruppen sollten für bestimmte Themen zuständig sein. „Der KRM ist nicht tot, sondern er lebt weiter.“ Die Muslime müssten „die ethnisch fragmentierte Landschaft der islamischen Religionsgemeinschaft“ aufheben. Auch im ZMD gebe es vom Ausland finanzierte Imame, räumte er ein. Aber es sei Konsens in der islamischen Gemeinschaft, dass deutschsprachige Imame mit Kenntnissen über die Mentalität und Kultur des Landes viel näher an den Menschen seien.

Nachfolge des DITIB-Modells? Umstrukturierungen im Zentralrat und Wohlfahrtsverband angekündigt
Dem ZMD gehören 33 Mitglieder an, die rund 300 Moscheegemeinden vertreten. Inzwischen gebe es Landesverbände in Hessen und Nordrhein-Westfalen. In Berlin stehe die Gründung am Freitag bevor, weitere Gespräche führe man in Bayern, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz.

Dieser Prozess sei notwendig, da Absprachen und Verträge zwischen Staat und Religionen auf Landesebene stattfänden. In NRW haben man nach Angaben von Generalsekretärin Nurhan Soykan bereits die „erste Hürde“ genommen. Laut es anfänglichen Gutachtens erfüll ihr Dachverband die nötigen juristischen Kriterien für einen Status als Religionsgemeinschaft. Laut der Juristin sei dazu aber auch eine Überarbeitung von Satzungen der Landesverbände nötig.

Man wolle darüber hinaus das soziale Portfolio stärker koordinieren. Noch in diesem Jahr sei die Gründung eines eigenen Wohlfahrtsverbandes geplant, kündigte sie an. Dieser solle auch offen sein für Mitglieder und Initiativen anderer Verbände. „Noch schöner wäre es natürlich, wenn wir einen KRM-Wohlfahrtsverband hinbekämen, aber zunächst wollen wir unsere eigenen Strukturen ausbauen.“

Bereits jetzt sei man damit beschäftigt, Jugendvereine an Moscheen in Landesverbänden und einem Bundesjugendverband zusammenzufassen. Dort sollten auch Nicht-ZMD-Vereine ihren Platz finden können. Damit solle es auf Dauer bundesweit ein strukturiertes Angebot muslimischer Jugend- und Sozialarbeit geben, so Soykan.

Vorbereitung mit den Mitgliedern
Fünf Tage vor der Kölner Pressekonferenz, am Samstag, den 14. März, lud der Zentralrat zu einer Versammlung für seine Mitglieder ins sauerländische Arnsberg ein. Laut verbandseigener Pressemitteilungen hätten die anwesenden Mitglieder sich für die Fortsetzung der bisherigen Ausrichtung ausgesprochen. Darüber hinaus bestätigte der Dachverband die Mitgliedsanträge verschiedener Gemeindezusammenschlüsse, Einzelmoscheen und andere Organisationsformen.

Ein Bericht von Norbert Müller zur Debatte der SCHURA Hamburg über den Salafismus

„Cefli Ademi forderte in seinem Vortrag, dass man sich des Themas Salafismus oder IS nicht dadurch entledigen könne, in dem man erkläre, dies habe mit dem Islam nichts zu tun. Vielmehr müssten Muslime die inhaltliche Auseinandersetzung suchen und verdeutlichen, dass dies eine modernistische Abweichung von jeglichem traditionellen islamischen Rechtsverständnis darstelle.“

(iz). Die wichtigen Debatten müssen wir Muslime unter uns selbst organisieren und sie nicht von Dritten über uns führen lassen. Ansonsten werden gerade die muslimen Verbände aus den üblichen Verdachts- und Distanzierungsritualen nicht heraus kommen. So lautet eine Erfahrung, die man bei SCHURA Hamburg konsequent umzusetzen versucht. Da Salafismus ein aktuell gesellschaftlich äußerst brisantes aber anscheinend innerislamisch wahrnehmbar kaum diskutiertes Thema ist, organisierte SCHURA am letzten Samstag im November (29.12.2014) hierzu eine ganztätige Tagung.

Zielgruppe waren in erster Linie die Verantwortlichen in den Mitgliedsgemeinden, insbesondere deren Jugendliche. Diese waren auch zahlreich in die Klosterschule im Stadtteil St. Georg gekommen und zeigten sich dann sehr diskussionsfreudig, so dass die Tagung schon insoweit als Erfolg gewertet wird. Als Referenten waren Cefli Ademi, Jurist und Postdoc an der Universität Münster, der Islamwissenschaftler Muhammad Sameer Murtaza sowie der Imam und Prediger Abdelhay Fadil aus Dortmund geladen, um das Thema Salafismus aus theologischer, politischer und gesellschaftlicher Sicht anzugehen.

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Cefli Ademi forderte in seinem Vortrag, dass man sich des Themas Salafismus oder IS nicht dadurch entledigen könne, in dem man erkläre, dies habe mit dem Islam nichts zu tun. Vielmehr müssten Muslime die inhaltliche Auseinandersetzung suchen und verdeutlichen, dass dies eine modernistische Abweichung von jeglichem traditionellen islamischen Rechtsverständnis darstelle. Er erläuterte dies ausgehend von den Begriffen „Scharia“ und „Fiqh“. Dabei betonte Ademi, dass traditionelle Gelehrte sich immer der Relativität ihrer Rechtsmeinungen bewusst waren. Dadurch sei immer die Existenz einer Pluralität der Positionen selbstverständlich gewesen. Ein Verlangen nach dem Absoluten beziehungsweise dem „wahren Islam“ habe nicht bestanden. Ademi appellierte an die anwesenden Muslime, ein solches Verständnis positiv zu besetzen und selbstbewusst zu vertreten.

Eine historisch-politische Betrachtung zur Salafiyya nahm anschließend Muhammad Sameer Murtaza vor. Danach habe der Kolonialismus in islamischen Gesellschaften eine traumatische Krise ausgelöst. Man habe nun die traditionelle Rechtslehre als in der Nachahmung erstarrt wahrgenommen und nun in reformerischer Absicht einen unmittelbaren Zugang zu Qur’an und Sunna gesucht. Aus diesem Impuls seien in ihrer Ausformung sehr unterschiedlicher Strömungen von Salafiyya hervorgegangen: Die rationalistisch orientierte Reform-Salafiyya von Al-Afghani und Abduh genauso wie die politisch-ideologische Salafiyya von Al-Banna und Maududi sowie schließlich die literalistische Wahhabi-Salafiyya und – eine Verbindung aus den beiden vorgenannten – die literalistisch-ideologische Khalifats- und Dschihadi-Salafiyya von Al-Qaida, Hizb-ut-Tahrir und IS (sogen. Islamischer Staat).

Murtaza bewertet diese unterschiedlichen Strömungen differenziert: Den rationalistischen Reformismus sieht er im Grunde positiv, insbesondere dessen Impuls zu einem neuen Idschtihad. Die Muslimbruderschaft und ähnliche Bewegungen hätten einerseits den Muslimen einen sozialen Aktivismus gebracht, andererseits den Islam Verideologisiert. Alle Formen des Wahabi-Salafismus hätten sich dagegen gegenwärtig zu einem erheblichen Problem entwickelt: Insbesondere der Ungeist des Takfir, der sich, etwa gegenüber Sufismus und Schiiten, zu einem geradezu eliminatorischen Hass steigere, zeige seinen insgesamt destruktiven Charakter.

Nach einer längeren Pause für Gebet und Mittagessen näherte sich Abdelhay Fadil dem Thema von einer anderen Seite: Selbstkritisch und pointiert machte er auf bestimmte Strukturen und Verhaltensweisen in muslimischen Gemeinden und Familien aufmerksam, die einer Radikalisierung von Jugendlichen Vorschub leisten. Statt zu eigenständigem Denken und Kritikfähigkeit zu erziehen, dominierten autoritäres Verhalten und Denkverbote. Dies nehme jungen Menschen die Luft zum Atmen und treibe so manchen in die Rebellion und mache dann empfänglich für Extremismus.

Die lebhaften Diskussionen nach jedem der Vorträge zeigten ein großes Bedürfnis nach Auseinandersetzung zu diesem Thema. Es ist gerade die Aufgabe der islamischen Verbände und Religionsgemeinschaften, hierfür Raum zu geben. Leider besteht – und das bekam SCHURA auch im Vorfeld der Tagung zu spüren – eine große Scheu, auch kontroverse Debatten zuzulassen. Die Folgen sind fatal: Was in der Moschee keinen Platz findet, verlagert sich in das Internet. Nur zu oft haben Extremisten auch leichtes Spiel, weil in den Moscheegemeinden man entweder nicht willens oder in der Lage ist, ihnen in fundierter wie selbstbewusster Weise entgegenzutreten.

Auch aufgrund der positiven Resonanz dieser Tagung will SCHURA Hamburg die inhaltliche Auseinandersetzung weiter führen – auch zu anderen Themen. Die nächste Tagung ist im Januar geplant.

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Nach der Randale am Kölner Hauptbahnhof gilt es, besonnen zu reagieren

(iz). „Les extrêmes se touchent“ – die äußersten Gegensätze berühren sich. An dieses Bonmot von Jean de la Bruyere erinnert man sich, angesichts der Randale von Hooligans und Nazis auf […]

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Zur Relevanz des österreichischen Islamgesetzes für Deutschland

(iz). Seit der ersten vom damaligen Innenminister Schäuble initiierten Deutschen Islamkonferenz (DIK) hat sich viel getan. Mittlerweile sind Standorte der „Islamischen Theologie“ an verschiedenen Universitäten entstanden und in der aktuellen DIK laufen die Verhandlungen für einen Wohlfahrtsverband. Zwar beobachten Vertreter muslimischer Verbände die jüngsten Entwicklungen hinsichtlich des Islamgesetzes und der Forderung einer so genannten Einheitsübersetzung des Qur’an im Nachbarland Österreich mit Kopfschütteln, nur sollten wir dies nicht eher als warnendes Beispiel zur Kenntnis nehmen?

Die sich abzeichnende politische Anerkennung auf Landes- und Bundesebene scheint aber bisher eher die Köpfe des politischen Islam zu verdrehen. Mit den Wohlfahrtsverbänden erhofft man sich den Zugang zu den heiß begehrten Geldtöpfen und auf Landesebene findet zwischen den konkurrierenden Mitgliedern des Koordinationsrates der Muslime (KRM) ein Wettlauf statt. Wer passt seine Strukturen schneller den Anforderungen für eine Anerkennung an? Darum geht es den verschiedenen Verbänden in erster Linie.

Die Auswirkungen sehen wir in den letzten Monaten. In wichtigen Fragen koordiniert der KRM kaum etwas, stattdessen konterkarieren bestimmte Verbände eine einheitliche Linie. Besonders deutlich wurde dies in der Causa Khorchide. Das gemeinsame Gutachten des KRM zu dieser Frage hat kaum noch Relevanz, wenn man sieht, dass der Generalsekretär der DITIB einen Lehrauftrag am Münsteraner Lehrstuhl annimmt und der amtierende stellvertretende Zentralratsvorsitzende dort arbeitet.

Auch scheut man sich davor, solidarisch mit Muslimen zu sein, die für ihre kritische Auseinandersetzung zu gewissen Einflussversuchen auf innermuslimische Angelegenheiten angegriffen werden. Jüngstes ­Beispiel ist der Wissenschaftler Muhammad Sameer Murtaza, der sich mit absurden Vorwürfen von Prof. Khorchide konfrontiert sieht, die gezielt seine berufliche Existenz angreifen. Sowohl von Seiten des KRM, als auch von anderen muslimischen Organisationen fehlt dort bisher die ­Solidarität.

Die bloße Fixierung auf eine Anerkennung seitens des Staates hat zur Folge, dass man jederzeit darauf aufpassen muss, nicht mit Personen oder einem Denken assoziiert zu werden, die die Anerkennungsbemühungen zunichte machen können. Heute kann die Springer-Presse einen als den „perfekten deutschen Muslim“ adeln – aber morgen schon, kann durch Assoziation der Spieß umgedreht werden; und schon ist man der böse, konservative Muslim.

Wer seine Macht über Staat und Öffentlichkeit definiert, wird über kurz oder lang seine Inhalte und auch seine freie Lehre verlieren. Wer sich heute auf die klassische Lehre im Islam beruft, muss bereits mit dem Vorwurf rechnen, nicht mehr politisch korrekt zu sein. Was wir als Muslime in Deutschland brauchen, ist in erster Linie eine gegenseitige Anerkennung, jenseits des gesamten Anerkennungskurses mit dem Staat. Das besteht auch in einer klaren aktiven Absage an jegliche Extreme und ist gleichzeitiger Schutz des Mittelwegs.

P.S.: Um beleidigten Reaktionen vorzubeugen; das ist kein „Verbandsbashing“.

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Die IZ-Redaktion bleibt den „Weimarer Gesprächen“ verpflichtet

(iz). Die Muslime in Weimar – ein „Happening“, eine „Provokation“ oder auch eine denkbare Quintessenz ihrer Präsenz in Deutschland? Schon seit Jahren lädt die Islamische Zeitung immer wieder zu Seminaren […]

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Die IZ-Blogger: Tarek Bärliner über die ständig wiederkehrenden Talk-Shows

(iz). In immer kürzer auftretenden Abständen versorgen öffentlich-rechtliche Talkshowformate unser Spießbürgertum mit Schreckensszenarien rund um den Islam und die Muslime. „Planen menschenfressende Außerirdische von der Kanalisation Mekkas aus die Versklavung von Babykatzen?“ Eingeladen sind die Berufsexperten für alles, aber natürlich auch Muslime. Aber welche Muslime lädt man ein, wenn man über den Islam spricht? Richtig, diejenigen, die nicht repräsentativ für die Masse der Muslime sind.

Es ist das altbewährte Spiel. Angst ist ein lukratives Mittel und der Markt liebt die Bedrohung durch das Undefinierte. Deswegen müssen wir auch ständig aufs Neue über alles sprechen beziehungsweise sprechen lassen. Es ist keine Überraschung, dass noch nie ein Gelehrter in den Runden saß, das könnte ja konstruktiv werden. Wer anwesend ist, fügt sich. Oder rebelliert und verliert. Das Schema zu durchbrechen, ist unmöglich, weil spätestens eine Woche später die Anne wieder Will. Irgendetwas mit Islam geht halt immer. Man stelle sich vor, man tausche „Islam“ mit „Christentum“ oder „Judentum“, da wäre eine Diskussion im Gange. Oder zumindest Aktion hinter den Kulissen.

Es hilft aber nicht ansatzweise, deshalb etwas selbstmitleidig zu werden und sich in die Opferrolle zu begeben. Längst hätten wir uns um juristische Vertretungen und eine funktionierende Lobby kümmern können. Derartige Hetze kann und muss angeklagt werden.

Durch die Unterteilung in „guter Muslim“ und „böser Muslim“ werden die „Millionen Muslime“ gezwungen, sich Randlagern anzuschließen. Denn so gut wie immer werden Extremisten als Vertreter präsentiert. Sowohl extrem Liberale, als auch extrem Radikale. Dass diese aber für nur einen minimalen Bruchteil der Muslime in Deutschland sprechen können, wird nicht erwähnt. Genauso wenig, wie viel die Muslime sich um positive Signale bemühen. Geht es um die Terrorgruppe IS, muss ein Freizeitprediger herhalten. Keiner kommt auf die Idee zur Debatte beizutragen, dass die muslimischen Gelehrten ununterbrochen im großen Stil den IS verurteilen. Es wird lieber politisch mit Laien ausdiskutiert.

Der Muslim muss nicken oder grimmig werden, das sind die ihm zugeschriebenen Rollen. Das Konstrukt der Sendung lässt ihm auch keine andere Möglichkeit. Mehr Schaden, als Nutzen? Der Prophet, Allahs Frieden und Segen auf ihm, sagte sinngemäß, dass von den Rechtgeleiteten keiner irregehen wird, außer demjenigen, der viel debattiert. Eine ständige Weisheit der Gelehrten war es, dass die Diskussion mit einem Jahil, übersetzt so viel wie Sturen, nie gewonnen werden kann.

Ebenso wichtig war es schon immer, sich vom Schädlichen und Verstörenden fernzuhalten. In der Vergangenheit gelang es mir nie, eine derartige Sendung ohne enorme Emotionalität zu verfolgen. Ein Blick auf die Facebook-Timeline während und nach dem Programm offenbart, dass es beinahe allen so geht. Warum also einschalten, wenn es vorhersehbar ist? Nein, dieses Mal ist es vielleicht anders. So wie es die 15 Male davor hätten anders sein können, aber nicht gewesen sind? 

Islam ist im Alltag. Solange der Muslim in seiner Nachbarschaft als ehrlicher Händler, vertrauenswürdiger Gesprächspartner, hilfsbereiter Freund und liebevoller Mitmensch bekannt ist, kann ihm keine Berichterstattung der Welt schaden. Zugleich sollte man sich hinterfragen, wenn man Hoffnungen in Massenmedien setzt. Es gibt unlängst muslimische Alternativen, die mit der nötigen Unterstützung ein erstzunehmendes Gegenbild bieten können. Veränderung entsteht aus der Mitte der Gesellschaft, hier sind unserer Aufgaben und hier sind unsere Augen und Ohren.