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Autor Roger Willemsen: „Differenzierung schadet dem Absatz“

„Niemand streitet noch gegen Guantanamo, und dass US-Geheimdienste sich zur Folter bekennen, nimmt man achselzuckend zur Kenntnis. Die Höherrangigkeit dieser ‘Wertegemeinschaft’ kann der Westen selbst immer dürftiger begründen.“ (iz). Das […]

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Berlin: Nach Brandanschlag fanden sich bei dem heutigen Freitagsgebet mehr als 1.000 Menschen ein

Berlin (iz). In der Nacht zum 12. August kam es zu einem Brand am Rohbau der Berliner Mevlana-Moschee im Stadtteil Kreuzberg. Seitdem begann für die Gemeinde in Kreuzberg ein Gezerre um Ursache und Tathergang. In der Presse hieß es zunächst weiträumig, die Baumaterialien hätten Feuer gefangen, von einem Brand in der Moschee war keine Rede.

Deutschlandweit löste das Ereignis Entsetzen aus und entfachte eine hitzige Debatte über den oftmals ignorierten antimuslimischen Hass in Europa. Der Islamische Förderation Berlin rief ihre Moscheegemeinden auf, aus Solidarität das Freitagsgebet vor der Mevlana-Moschee zu verrichten; auch in den sozialen Medien verbreitete sich die Aufforderung. Diesem Aufruf folgten mehr als 1.000 Muslime, wofür die, sonst stark befahrene, Skalitzer Straße gesperrt wurde.

//2// Zahlreiche Passanten beobachteten und fotografierten die auf Teppichen kniende Menschenmasse, während diese der Rezitation der Sura Yasin lauschte.

 Der Imam predigte von Verständigung und Vielfalt. Es dürfe nicht zu Rassismus kommen, mahnte er, und betonte, dass die Abstammung eines Menschen ihn weder besser noch schlechter macht, sondern lediglich das menschliche Gottesverständnis und ein guter Charakter.

Er sah im Stolz das Fundament für Feindseligkeiten gegenüber anderen und verwies darauf, dass der Islam keine Bevorzugung einer Kultur oder eines Volkes kennt, sondern für jeden offen stehe. Er fuhr fort: Die Muslime dürfen „in keine Opferrolle fallen“, vielmehr sollten sie Vorbilder sein und nachahmenswerte Wege vorweisen.

Die Besucher bestanden aus Jung und Alt, Frauen und Männern, waren dunkel- und hellhaarig. Die Stimmung war neutral, bis gelassen. Befürchtete Emotionen blieben aus. Die Polizei war mit einem großen Aufgebot erschienen, musste es aber in keiner Hinsicht nutzen.

//4// Im Anschluss an das Gebet fand man sich noch einmal vor dem beschädigten Rohbau der Moschee zu einer Pressekonferenz ein. Zahlreiche Kamerateams waren erschienen, ebenso Funktionäre und andere Personen aus der Öffentlichkeit. Der Imam nutzte die Gunst der Stunde, um den Unmut der Gemeinde zum Ausdruck zu bringen. Die Kooperationsbereitschaft der Polizei ließe sehr zu wünschen übrig. Man habe der Presse noch vor dem Moscheevorstand Eintritt in das Gelände gewährt und die Gemeindemitgliedern erst nach Bitte der türkischen Auslandsvertretung um 09.00 Uhr des Folgetages den Tatort besichtigen lassen.

Auch von der Politik habe sich die Gemeinde mehr Anteilnahme erwartet, so habe die türkische Regierung ihnen mehr geholfen,als die deutsche und das dürfe nicht sein. Abgesehen von der Bezirksbürgermeisterin Monika Hermann von den Grünen habe kein zuständiger Politiker die Moschee besucht. Deutliche Kritik adressierte er namentlich an den regierenden Bürgermeister Berlins, Klaus Wowereit, und Innsensenator Frank Henkel. Außerdem gab er bekannt, dass am Morgen des 15.08. in der Asche Spuren von Brandbeschleunigern gefunden worden sind, wonach man von mutmaßlicher Brandstiftung ausgehen müsse. Er vertraue weiterhin den Ermittlungsbehörden und hoffe, dass solche „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ zukünftig nicht mehr geschehen mögen. 
Auch die Bürgermeisterin des Bezirks Kreuzberg-Friedrichshain, Monika Hermann, wollte die Wichtigkeit der kulturellen und religiösen Vielfalt Berlins erwähnen und sprach den Betroffenen ihr Mitgefühl aus. Sie appellierte an die Anwesenden, nicht selbstständig Schuldige zu suchen, sondern die Ermittlungsergebnisse der Polizei abzuwarten.

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Der Vorsitzende des Islamrats, Ali Kizilkaya, rief zu Besonnenheit und Vernunft auf. Man dürfe nicht vergessen, dass hier alle in einem Boot säßen und man gemeinsam den wichtigen Aufgaben nachgehen müsse. Auch Süleyman Kücük vom DITIB Landesverband Berlin zeigte sich solidarisch mit der Mevlana-Moschee. Seine Ansprache zur Pressekonferenz schloss der Imam mit einem Zitat von Rumi ab: „Wenn dir das Leben immer wieder seine dornige Seite zeigt, so sei nicht traurig. Wisse, dass das Leben dir dann auch die Rose zeigen wird.“

„IZ-Begegnung“ mit UN-Sonderberichterstatter Heiner Bielefeldt

(iz). Von deutschen Medien sollte man in Sachen Islam-Berichterstattung zumindest eine faire Haltung erwarten dürfen. Dies war einer der Schlüsse einer Fachtagung der Deutschen Islamkonferenz (DIK)Anfang Dezember 2012 zum Thema Muslimfeindlichkeit in Berlin. In den letzten Jahren haben sich im Verhältnis von Medien, Gesellschaft und Muslimen Fehlurteile und Missverständnisse verfestigt.

Neben einzelnen Diskus­sionen – wie die jüngste zum Thema Beschneidung – hat sich darüber hinaus eine tendenziell gruppenfeindliche Stimmung in die deutsche Debatte eingeschlichen. Zu ihren Vertretern gehören vermeintliche Tabubrecher wie der Ex-Banker Thilo Sarrazin, der seit Jahren auf der Welle des „das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“ reitet.

Hierzu sprachen wir mit Prof. Dr. Heiner Bielefeldt, der auf der DIK-Veranstaltung zur Muslimfeindlichkeit in Deutschland sprach. Heiner Bielefeldt ist ein deutscher Theologe, Philosoph und Historiker. Er ist Inhaber des Lehr­stuhls für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Seit Juni 2010 ist Heiner Bielefeldt Sonderberichterstatter für Religi­ons- und Weltanschauungsfreiheit des UN-Menschenrechtsrats. Bielefeldt engagiert sich im Interreligiösen ­Dialog und ist Mitglied des Kuratoriums der Muslimischen Akademie in Deutschland sowie des Kuratoriums der Christ­lich-Islamischen Gesellschaft. Daneben ist er Mitglied der Deutschen Gesellschaft zur Erforschung des Politischen Denkens (DGEPD) sowie im Beirat der Zeitschrift für Menschenrechte (zfmr).

Islamische Zeitung: Lieber Prof. Dr. Bielefeldt, Sie sprachen im Rahmen einer Tagung der Deutschen Islamkonferenz über das ­Thema Muslimfeindlichkeit. Hat die Islam-Berichterstattung in unseren Massenmedien in den letzten Jahren Auswirkungen auf die Einstellung gegenüber Muslimen? Lässt sich ein Verhältnis zwischen beiden Phänomenen ausmachen?

Heiner Bielefeldt: Natürlich besteht ein Zusammenhang zwischen stereotypen Darstellungen des Islams in den Medien und der Einstellung der Bevölkerung gegenüber Muslimen, die sich laut der jüngsten Allensbach-Umfrage (veröffentlicht im November 2012) zwar leicht verbessert hat, aber immer noch recht negativ ausfällt. Ein allgemeines Medien-Bashing wäre aber ganz falsch. Wenn man die Berichterstattung in journalistisch gestalteten Medien mit Positionierungen im Internet vergleicht, wo Menschen ganz ungefiltert ihre Ressentiments vom Stapel lassen, wird einmal mehr deutlich, wie wichtig professionelle journalistische Arbeit ist. Ohne sie kann gesellschaftliche Aufklärung nicht gelingen, und gerade auch für die Überwindung von Vorurteilen braucht man Verbündete in den Medien, die es ja in gar nicht so geringer Zahl gibt.

Islamische Zeitung: In einem Bericht über Ihr Referat in der DIK-Tagung schlussfolgerte ein Magazin, dass die Medien zumindest ein „faires Bild“ von den Muslimen in Deutschland zeichnen sollten. Ließe sich dergleichen überhaupt durch äußeren Druck bewerkstelligen? Bis in die höchsten europäischen Gerichte waren solche Versuche zumeist gescheitert. Oder setzen Sie auf die Einsicht der beteiligten Medien?

Heiner Bielefeldt: Zunächst braucht man ein Leitbild, zu dem meiner Meinung nach vor allem das Prinzip der Fairness gehört. Es kann nicht darum gehen, auf klischeehafte, negative Berichterstattung mit Image-Kampagnen zu reagieren, die letztlich doch nur Misstrauen schüren. Das Ziel muss vielmehr darin bestehen, Klischees durch die Bereit­schaft zur Differenzierung zu ersetzen. Es geht um Genauigkeit, komplexe Bilder und eine Berichterstattung, in der die betroffenen Menschen – hier also Muslime – in ihrer ganzen Vielschichtig­keit angemessen vorkommen. Dazu gehört auch, dass Muslime selbst stärker in den Medien aktiv werden.

All das ist anstrengend, dauert Zeit und fordert Frustrationstoleranz. Einen anderen Weg gibt es aber nicht. Niemand kann doch im Ernst wollen, dass die Gerichte ständig die Angemessenheit der Berichterstattung überprüfen; das wäre das Ende der freien Gesellschaft. Gericht­liche Klagen können nur in extremen und zugleich sehr eindeutigen Fällen in Frage kommen.

Islamische Zeitung: Sie verwiesen auf den Mechanismus, wonach führende Köpfe der Islamkritik sich „als letzte Heroen der Meinungsfreiheit“ aufgespielt hätten. Spielt dieser Mechanismus des vermeintlichen Tabubruches eine Rolle innerhalb der deutschen Islam-Debatte?

Heiner Bielefeldt: Das ist ganz offen­sichtlich der Fall. Der Gestus „man wird doch wohl noch sagen dürfen“ ist allzu bekannt. Er richtet sich übrigens nicht nur gegen Muslime, sondern auch gegen andere Minderheiten. Im Namen der politischen Unkorrektheit arbeitet man sich an angeblichen Tabus ab, die bei Licht gesehen meistens gar nicht existieren. Sprachliche Gemeinheiten (wie die „Produktion kleiner Kopftuchmädchen“) lassen sich auf diese Weise als öffentliche Mutproben inszenieren. Mit echter Aufklärung hat das nichts zu tun. Der Ges­tus ist letztlich albern, und die beste Reak­tion besteht darin, mit Ironie und Satire zu antworten. Es gibt ja mittlerweile auch in Deutschland ein paar begnadete Kabarettisten aus dem islamischen Milieu. Die sollen da mal verstärkt rangehen.

Islamische Zeitung: Sie sprachen von einer ­verbreiteten Muslimfeindlichkeit, die teilweise zum Rassismus tendiere. ­Welchen Grad hat das Ressenti­ment gegen Muslime in unserem Land erreicht?

Heiner Bielefeldt: Mit dem Begriff Rassismus sollten wir vorsichtig umgehen. Aber es gibt zweifellos hierzulande auch rassistische Tendenzen, unter ­denen unterschiedliche Gruppen leiden: Juden, Muslime, Roma, Menschen afrikanischer Abstammung und andere. Das Schlimme am Rassismus ist, dass er die Menschen ent-individualisiert: Sie verschwin­den gleichsam in einem negativ konnotierten anonymen Kollektiv und kommen mit ihren persönlichen Gesichtern, Stimmen und Überzeugungen nicht mehr zum Zuge. Deshalb ist Rassismus Gift für die Demokratie, und es muss uns allen ein Anliegen sein, dage­gen vorzugehen.

Islamische Zeitung: Nach einer Entscheidung des Bundestages hat sich der Streit um das Thema Beschneidung vorerst beruhigt. Welchen Stellenwert hatte diese Debatte Ihrer Meinung nach und wie einflussreich sind die anti-religiösen Stimmen?

Heiner Bielefeldt: Dass das Thema kontrovers diskutiert worden ist, konnte nicht wirklich überraschen. Geschockt war ich aber über den ätzend-verächtlichen Tonfall, der in der öffentlichen Debatte immer wieder durchbrach. Da war von „barbarischen Akten“ und „Angriffen auf wehrlose Kinder“ die Rede. ­Viele jüdische und muslimische Eltern haben verständlicherweise mit Entsetzen darauf reagiert, dass man ihnen absprach, für das Wohl ihrer Kinder zu sorgen. Die Diskussion hat Wunden geschlagen und gezeigt, dass sich in Teilen der Gesellschaft ein geradezu aggressives Unverständnis für religiöse Bedürfnisse und Fragen breit gemacht hat. Das wird uns noch lange beschäftigen müssen.

Islamische Zeitung: Als Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit des UN-Menschenrechtsrates haben Sie einen inter­nationalen Einblick. Wie nimmt man im Ausland die hiesigen Ansichten gegenüber Muslimen auf und können Sie einen Vergleich zu anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Italien oder den Niederlanden ziehen? Amnesty International hielt sich mit Kritik an Deutschland in einem aktuellen Bericht zum Thema zurück.

Heiner Bielefeldt: In meiner UN-Funktion bin ich bislang eher selten auf Deutschland angesprochen worden. Insge­samt hat Deutschland ­international einen guten Ruf – auch hinsichtlich der Religionsfreiheit. Das Beschneidungsurteil aus Köln und die sich anschließen­de Debatte haben aber auch im Ausland Erstaunen ausgelöst.

Islamische Zeitung: Sie haben auf dem DIK-Treffen die Muslime dazu aufgerufen, sich mit Aufklärung und öffentlichem Widerspruch gegen „Hass­reden“ zu wehren. Hätten Sie konkrete Vorschläge?

Heiner Bielefeldt: Es gibt positive ­Beispiele. Bemerkenswerterweise hat ja die jüngste Provokation der französischen Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ gar nicht gegriffen. Muslimische Verbände hatten im Vorfeld dafür geworben, das Ganze zu ignorieren und den Provokateuren, die einmal wieder mit Mohammed-Karikaturen Aufmerksamkeit gewinnen wollten, gar keine Bühne zu ­verschaffen. Manchmal muss man aber auch öffentlich reagieren. Thilo Sarrazins Deka­denzphantasien konnte man natürlich nicht ignorieren. Die Debatte um sein Buch hat deutlich werden lassen, dass es nicht möglich ist, verschiedene Proble­me der Integrationspolitik in einen Topf zu rühren und dann schlicht das Etikett „Islam“ darauf zu kleben. An dieser Debatte haben sich bekanntlich auch Muslime beteiligt.

Islamische Zeitung: Lieber Herr Prof. Dr. Bielefeldt, wir danken Ihnen für das Interview.

Open Source vs. Stratfor: Die Veröffentlichung von Firmen-Emails durch Wikileaks erlaubt einen Blick hinter die Kulissen. Von Sulaiman Wilms

(iz). Meine erste, wohl eher unbewusste Begegnung mit Philosophie war mein Biologielehrer in der 7. Klasse. Er erklärte uns, dass jedes Wissen von der Welt – inklusive der vermeintlich objektiven Wissen­schaften – von unserem Weltbild abhän­gig sei.

In den Zeiten, als die Welt der ­meisten Menschen (mit Ausnahme einiger Abenteurer) aus dem bestand, was sie selbst erlebten, speiste sich ihr Weltbild aus ihrer direkten Anschauung. Heute ist die direkte Erfahrung einer globalisierten Welt und unser Bild von ihr in den aller­meisten Fällen voneinander getrennt. Eine bekannte Ausnahme dazu stellt wohl der Tourismus dar. Für den Rest benötigt die Mehrheit aller Menschen, die nicht aus beruflichen Gründen oder auf der Suche nach Wissen unterwegs ist, die verschiedensten Medien zur Vermittlung ihres Weltbildes.

Je größer die Komplexität der Welt ­(eines ihrer wichtigsten Elemente sind heute die unterscheidungslosen Weiten des Internets) wird, desto schwieriger wird in ihr die Aneignung echten ­Wissens und direkter Erfahrung. Vor allem dann, wenn die Weisheit offenbarter Religion aus dem öffentlichen Diskurs gedrängt wird.

Meinung versus Information
Für uns mediale Normalverbraucher hat das in der Regel keine gravierende Auswirkungen, da wir (eine der Ironien unserer durch-säkularisierten Welt) bei Schicksalsfragen immer häufiger auf die säkulare Glaubensform der „Meinung“ zurückgreifen (der Glaube an die Stabili­tät einer irrationalen Währung, an die vom Menschen gemachte Klimaerwärmung, an Vorstellungen vom globalen Kampf „Gut“ gegen „Böse“ etc.). Ein Autor der „Tageszeitung“ sprach vor ­einiger Zeit davon, dass wir in einer Welt leben, die von „Meinungen“ diktiert sei.

Moderne „Entscheidungsträger“ wie Politiker, Denkfabriken, institutionelle Investoren und internationale Unternehmen sind auf korrekte ­Informationen und mittel- bis langfristige Analysen angewiesen. Mit den vergleichsweise oberflächlichen Erzeugnissen der Tagespresse, die darüber hinaus seit Jahren einem stetigen Qualitätsverlust unterworfen sind, oder digitalen Informationsschnipp­­seln lassen sich weder außenpolitische Strategien, noch langfristige Auslandsinvestitionen planen. Soviel ist klar: Im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts sind Informationen zu einem Gut geworden, dass nicht nur einen realen Wert besitzt, sondern aus dem sich auch Kapital schlagen lässt.

Der Einfluss der Privaten
Es sind schon längst nicht mehr nur staatliche Einrichtungen, die ein Mono­pol auf nicht-öffentliche, gelegentlich geheime Informationen haben. Seit 1989 ist das globale Gewerbe der Informations­beschaffung, auf dem auch die Geheimdienste arbeiten, einem rasanten Wandel unterworfen. Experten gehen davon aus, dass in den USA (für andere Regionen kann eine ähnliche Entwicklung vorausgesetzt werden) mittlerweile die Hälfte aller staatlichen Mittel für die Informationssammlung, -auswertung und -manipulation an Privatunternehmen gehen. Parallel dazu wurden – der Irakkrieg und die folgende Okkupation sind ein Musterbeispiel – militärische Strukturen und Dienstleistung an Privatfirmen (Halliburton, Blackwater/Academi etc.) „outgesourct“. Experten sprechen von diesen Söldnerfirmen mittlerweile als einer Form der „Privatisierung des Krieges“.

Von privaten Verhörexperten im iraki­schen Foltergefängnis Abu Ghraib, über US-Firmen, die im Auftrage des US-Heimatschutzes in Windeseile Millionen Emails analysieren bis zur Observierung unliebsamer Gewerkschafter: Längst ist eine Welt privatisierter Geheimdienste entstanden. Diesem Bereich der Informa­tionsbeschaffung und Strategieberatung zuzuordnen sind auch unzählige, international agierende Denkfabriken. ­Einige Beispiele hierfür sind die RAND Corpo­ration oder Lincoln Group in den USA, Parteistiftungen wie die Heinrich-Böll-Stiftung in Deutschland oder aufstrebende Denkfabriken der wohlhabenden Staaten am Golf oder in Ostasien. Sie beraten die Politik, sind aber auch an der Beeinflussung globaler Meinungstrends beteiligt.

So mag ein Blick auf die internationa­len Publikationen und Symposien ­dieser Denkfabriken erklären helfen, warum in den letzten 10 bis 15 Jahren in allen westlichen Ländern die beinahe deckungsgleiche Islamdebatte ausgebrochen ist. Diese strategischen Think Tanks vernet­zen und koordinieren Strategien und definieren einprägsame Schlagworte, die dann über massenkompatiblen Medien verbreitet werden. Leider wird, insbeson­dere im deutschen Diskurs, viel zu ­selten auf den Einfluss derartiger Strukturen verwiesen. Als Fußvolk dienen ihnen gelegentlich auch vermeintliche Islam- und Terrorexperten, die sich des Öfteren in dem Dunstkreis aus privatisierten Geheimdiensten, Denkfabriken und Medien bewegen.

Die Welt von Stratfor
Die dritte Säule des privaten Informationswesens bilden die mehr oder weniger kleinen, aber exklusiven Informationsdienstleister. Sie verdienen ihr Geld entweder mit Recherchen für hochkarätige Auftraggeber aus Privatwirtschaft, Militär und Politiker. Andere generieren ihr Einkommen durch kostenpflichtige Newsletter über strategische oder regionale Themen. Das beste, weil nun öffentlich zugängliche Beispiel dafür ist der Informationsdienst Stratfor Forecasting Inc. (kurz: Stratfor), der beide Dienstleis­tungen in seinem Portfolio vereint.

Das 1996 vom Pub­lizisten George Friedman in Austin gegründete Unternehmen beschäftigt eine ganze Reihe ehemaliger Mitarbeiter aus US-Geheimdiensten und dem FBI. Am 27. Februar rückte es für einen kurzen Moment in das Blickfeld einer ­breiteren Öffentlichkeit, als die Informationsplattform Wikileaks – in Kooperation mit internationalen Medienpartnern wie dem NDR – die Webseite „The Global Intelligence Files“ startete.

Auf ihr sollen rund fünf Millionen interne Emails – vom Juli 2004 bis Ende Dezember 2011 – der privaten Schnüffler veröffentlicht werden. Gestohlen wurden die Daten von der internationalen Hackergruppe Anonymous. Laut Wikileaks offenbarten diese Emails „die inne­re Funktionsweise einer Firma, die sich als ein Herausgeber von Informationen ausgibt, aber vertrauliche Spionagediens­te für große Unternehmen (…) wie Dow Chemical Co., Lockheed Martin, Northrop Grumman, Raytheon und Regierungseinrichtungen (…) bereitstellt.“

Nach Ansicht von Wikileaks belegt die interne Stratfor-Kommunikation, wie private Geheimdienste funktionieren und wie sie Individuen und Gruppen im ­Auftrage ihrer Kunden und Abonnenten „abschöpfen“. So habe der CIA-Verschnitt im Auftrage des Chemieriesen Dow ­Chemical (der für die Katastrophe im indischen Bhopal verantwortlich ist) Aktivis­ten wie die „Yes Men“ überwacht und analysiert. Für Coca Cola observierte Stratfor die Tierschutzorganisation PETA.

„Die Emails stellen die ‘Drehtür’ bloß, wie sie in den privaten Geheimdienstfirmen in den Vereinigten Staaten operiert. Quellen aus Regierung und Diplo­matie in aller Welt liefern Stratfor hochwertiges Wissen über globale Politik und Ereignisse im Austausch gegen Geld. (…) Stratfor rekrutierte ein globales Netzwerk von Informanten, die über Schweizer Banken oder vorab bezahlte Kreditkarten entlohnt werden.“ Die so genannten „Quellen“, für die Stratfor-CEO Friedman ein System der Kategorisierung eingeführt hat, werden nicht nur gegen Bezahlung entlohnt. Manchmal müsse auch „Kontrolle“ eingesetzt werden. „Kontrol­le bedeutet finanzielle, sexuelle oder psychologische Kontrolle“, schrieb ­Friedman am 6.12.2011 an seine Analystin Reva Bhalla.

Trotz personeller oder ideologischer Überschneidungen mit der US-Regierungspolitik, so Wikileaks, operierten Stratfor und vergleichbare Firmen vollkommen im Geheimen und ohne politische Aufsicht oder Rechenschaftspflicht. „Stratfor behauptet, dass es ‘ohne Ideolo­gie, Agenda oder nationales Vorurteil’ arbeitet. Und doch belegen die Emails, wie sich die privaten Geheimdienstange­stellten eng mit der Politik der US-Regierung verbinden und Hinweise an den Mossad geben“, verlautberte Wikileaks in einer Erklärung, die am Tag des Launches seiner Seite über Stratfor verbreitet wurde.

Beunruhigt zeigte sich Wikileaks, das seit Längerem eine beidseitige Intimfeindschaft mit Stratfor verbindet, auch über Stratfors „Bündnisprogramm“ mit verschiedenen Medienhäusern. Es sei für Journalisten durchaus akzeptabel, Infor­mationen zu tauschen oder von ­anderen Medien bezahlt zu werden. Aber Stratfor sei ein privater Geheimdienst, der im Dienste von Regierungen und Privatkun­den steht. Derartige Beziehungen hätten einen korrumpierenden Einfluss auf die beteiligten Medien.

Strafor-CEO Friedman sah die Wikileaks-Aktion verständlicherweise anders. In einer Nachricht an seine Kunden beschrieb er die Veröffentlichung der inter­nen Kommunikation als „verabscheuungswürdigen, unseligen – und ­illegalen – Bruch der Privatsphäre. (…) Die Veröf­fentlichung der Emails ist ein direkter Angriff auf Stratfor.“ Stratfor widerspricht auch seiner Außenwahrnehmung als privater Geheimdienst. In einer Einführung findet sich: „Stratfor arbeitet im Verlags­wesen und verlegt ein einziges Produkt: unseren online-Intelligence-Service. Stratfor konzentriert sich auf ein einziges Thema: internationale Beziehungen. Es arbeitet mit Geheimdienstinformationen anstatt mit journalistischen Methoden, um Informationen zu sammeln, und benutzt die Geopolitik als analytisches Modell, um die Welt zu verstehen.“

Grundfragen
Wie in anderen Fällen erlebte auch dieses Thema nur einen Nachrichtenzyklus und verschwand wieder aus den Schlagzeilen. Das individuelle Unternehmen Stratfor wurde kurz skandalisiert – der Dunstkreis um Denkfabriken, Medien und Geheimdiensten aber scheint in Deutschland nicht von vorrangigem Interesse zu sein.

Dabei sind Stratfors Analysen gehaltvoller und sachlicher als das, was „Spiegel“, „Die Welt“, „Taz“ & Co. bei strategischen und geopolitischen Themen zu bieten haben. Das Team um George Friedman ist sich beispielsweise zu Schade, vom iranischen Präsidenten als dem „Irren von Teheran“ zu sprechen. Trotz Überschneidungen mit den Neocons findet sich in Stratfor keine Panikmache, sondern nüchterne Analyse. Und während manche „Edelfeder“ unter Deutschlands Chefredakteuren von Präventivangriffen gegen Teheran und einem „Befreiungskrieg“ in Syrien träumt, schlagen die Analysen aus dem Hause Friedman und die – unfreiwilligen – Veröffentlichungen seiner Emails andere Töne an.

Hinterfragt werden muss hingegen das generelle Verhältnis zwischen unabhängige, Investigativ-Journalismus (dem Ideal) und real existierenden Überschneidungen zwischen einer zeitgenössischen Medien- und Meinungsindustrie einerseits und den privatisierten Geheimdiens­ten andererseits. Wie die Liste der Wikileaks-Kooperationspartner zeigt, ist ein derartiger Verfall durchaus real. Und es sind eben jene Medien, die unser Bild vom Rest der Welt mitprägen.

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IZ-Begegnung mit dem FAZ-Feuilletonchef, Patrick Bahners, über seine kritische Analyse einer deutschen Debatte

(iz). Mit seinem neuen Buch „Die Panikmacher“ hat der Feuilletonchef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), Patrick Bahners, nicht nur ein Buch über die real existierende Islamkritik ­ge­schrieben. Er vertritt damit […]

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Im Gespräch mit dem Arzt Dr. Muhammad Dalmau über diese nebenwirkungsarme Therapieform

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Nach dem letzten Paukenschlag des „Enthüllungsnetzwerkes“ kommt es zu Debatten über dessen tatsächliche Funktion. Von Sulaiman Wilms

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Hintergrund: “Angriff” auf den Reichstag. Wie ordnen die Muslime die neuesten Meldungen ein? Von Abu Bakr Rieger

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Geld, Lobbyismus, Terror – Die undurchdringliche Schattenwelt des Terrorismus. Von Khalil Breuer

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