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Muslimische Kulturtage: Zehn Tage volles Programm in Karlsruhe

(iz). Der Deutschsprachige Muslimkreis Karlsruhe (dmk) gehört zu den ältesten lokalen und unabhängigen muslimischen Einrichtungen in Deutschland auf städtischer Ebene. 1989 als lokale muslimische Gemeinschaft gegründet widmet sich der Verein nicht nur Angeboten und Dienstleistungen für die Community, sondern tritt auch in Dialog mit der Stadtgesellschaft. Die Gemeindemitglieder haben unterschiedliche kulturelle Hintergründe und gehören verschiedenen Denkrichtungen an.

Zu den langjährigen Projekten des Vereins gehören die zweijährlichen Muslimischen Kulturtage im Fächer (MKF). Ziel des Programms, das in diesem Jahr vom 30. September 2022 bis zum 9. Oktober 2022 angeboten wird, sei es, „mit den Karlsruher Bürger*innen ins Gespräch zu kommen und ein gegenseitiges Kennenlernen zu fördern“.

Das Programm setzt alternierende thematische Schwerpunkte, in dessen Rahmen Vorträge, Workshops, Podiumsdiskussionen, Lesungen und andere Angebote veranstaltet werden. Damit wolle der Muslimkreis die kulturelle Komponente seiner größten Veranstaltung hervorheben und die Angebote vielfältig gestalten. „Der DMK sieht in den Muslimischen Kulturtagen im Fächer das Potenzial, seine Arbeit nach außen aufzuzeigen und persönliche Kontakte zur größeren Stadtgesellschaft aufzubauen. Er hofft damit möglichst viele Gesellschaftsschichten mit den Angeboten anzusprechen und Berührungsängste zu den lokalen Muslimen abzubauen.“ (sw)

Ausgewählte Programmpunkte

Freitag, den 30.09. – ab 17.30 Uhr: Die Fotografie-Dokumentation „Moscheen in Europa“ hält die spirituelle Reise des deutsch-dänischen Fotografen Ahmed Eckhard Krausen auf den Spuren des Islams und muslimischen Lebens in Europa fest.

Freitag, den 30.09. – ab 19.00 Uhr: Die Eröffnungsveranstaltung steht unter dem Motto „Welche Zivilcourage benötigt es, um Veränderung und gesellschaftlichen Fortschritt zu erreichen?“ Redner: Bundespräsident a. D. Christian Wulff, Oberbürgermeister Dr. Frank Mentrup, Dr. Benjamin Idriz und Rüstü Aslandur.

Sonntag, den 02.10.2022 – 10-13.00 Uhr: Stadtführung für Jugendliche „Muslimisches Leben in Karlsruhe“. Wo und wie leben Muslim*innen in Karlsruhe? Wie funktioniert „muslimisches Leben“ in Karlsruhe überhaupt? Leben Muslim*innen wirklich am Rande der Stadtgesellschaft, wie man sich das so vorstellt? Diese Stadtführung bietet Jugendlichen eine sportliche und interaktive Tour durch die Fächerstadt auf den Spuren von Karlsruher Muslim*innen. Eine Kombination aus Geo-Guessr (Online Geographie-Spiel), Schnitzeljagd und Quizspielen macht diese Reise zu einer idealen Aktivität für Personen zwischen 13 und 19 Jahren.

Montag, den 03.10.2022 – 13-17.00 Uhr: Seit 25 Jahren öffnen vielzählige Moscheen in Deutschland am 3. Oktober ihre Türen, um Interessierten einen Einblick in das Gemeinschaftsleben zu geben. Auch der DMK nutzt seit seiner Gründung diese Tradition. Neben einer kleinen Moscheeführung und Vorstellung der muslimischen Gemeinschaft, haben Besucher*innen die Möglichkeit, sich bei Tee, Kaffee und Köstlichkeiten mit den Gemeindemitgliedern auszutauschen und Fragen rund um den Islam zu stellen.

Donnerstag, den 06.10.2022 – 15-17.00 Uhr: Workshop – Empowerment [nicht nur] für junge [muslimische] Frauen und Mädchen. Überwindung der alten und immer noch gern gestellten Hürden im Alltag, in der Ausbildung und in der Berufswelt mit Nadia Doukali. Bewusstmachung eigener Fähigkeiten, einen eigenen Umgang mit Diskriminierung finden und Solidarität untereinander erlebbar machen.

Freitag, den 07.10.2022 – 13.00 Uhr: Öffentliches Freitagsgebet. Den Besucher*innen des Freitagsgebets bietet sich die Gelegenheit, diesen Besonderen Gottesdienst aus nächster Nähe zu betrachten und sich einen Eindruck zu verschaffen, wie Muslim*innen ihre Religiosität praktisch leben.

Samstag, den 08.10.2022 – 13-16.00 Uhr: Marium Saif, Kennerin der pakistanischen Küche, bietet einen Kochworkshop in gemütlicher Atmosphäre an. Es wird die traditionelle Teigtasche „Samosa“ sowohl in vegetarischer als auch nicht-vegetarischer Variante zubereitet.

Samstag, den 09.10.2022 – 13-16.00 Uhr: Stadtführung „Muslimisches Leben in Karlsruhe“ die spezifisch für Karlsruhe angelegte Stadtführung stellt muslimischen wie nicht-muslimischen Bürger*innen Aspekte des gegenwärtigen muslimischen Lebens in der Stadt vor. Sie möchte auch die Frage nach der Geschichte der Muslim*innen und des Islams bzw. der islamischen Kultur in Karlsruhe klären. Gemeinsam wollen wir die Stadt aus dem Blickwinkel der hier lebenden Muslim*innen betrachten und uns auf die Suche nach Orten begeben, die für sie besonders wichtig sind.

Weitere Infos zum Programm unter:
dmk-karlsruhe.de/mkt

Der neue Vorsitzende des Islamrats, Burhan Kesici, steht vor zahlreichen Aufgaben. Von Malik Özkan

„Unter den Muslimen in Deutschland war Kizilkaya wegen seiner bescheidenen Art und eher stillen Amtsführung beliebt, die durchaus als Gegenmodell zur einer zu offensiven Medienarbeit verstanden wurde.“

Köln (iz). Burhan Kesici (42) ist der neue Vorsitzende des ältesten Spitzendachverbands der Muslime in Deutschland. Er löst damit Ali Kizilkaya (52) ab, der nach 13 Jahren nicht mehr kandidiert hatte. Kesici ist vor allem Berliner Muslimen ein Begriff und auch Vizepräsident der Islamischen Föderation Berlin.

Der aus Berlin stammende Kesici studierte dort Politikwissenschaften. Danach wurde er Mitglied und später Vizepräsident der Islamischen Föderation Berlin. Er gehört auch dem von der nordrhein-westfälischen Landesregierung berufenen Beirat für islamischen Religionsunterricht an und unterrichtet das Fach selbst in Berlin. In verschiedenen Fernsehauftritten hat Kesici schon bewiesen, dass er sachlich und klug argumentieren kann.

Ali Kizilakya hatte über ein Jahrzehnt lang die Geschicke des Islamrats für die Bundesrepublik Deutschland geleitet. Unter den Muslimen in Deutschland war Kizilkaya wegen seiner bescheidenen Art und eher stillen Amtsführung beliebt, die durchaus als Gegenmodell zur einer zu offensiven Medienarbeit verstanden wurde. Seine Position war nicht immer leicht; lange Zeit war der Islamrat und sein Vorsitzender, trotz persönlich einwandfreier Integrität, wegen seiner Nähe zur oft kritisierten Milli Görüs (IGMG) in der Öffentlichkeit eher verfemt. Der Kölner Verband ist das weitaus größte Mitglied des Islamrats.

Erst in den letzten Jahren hat sich das Bild langsam verändert und Kizilkaya wurde als verlässlicher Dialogpartner stärker wahrgenommen. Er musst allerdings immer wieder gegen eine fragwürdige Assoziationslogik ankämpfen, die ihn in die Nähe eines der Milli Görüs immer wieder pauschal unterstellten Antisemitismus oder angeblicher Demokratiefeindlichkeit brachte. In der Logik von so genannten konservativ-organisierten gegen liberal-individuellen Muslime hatte er auch bei vielen Medien nicht immer einen leichten Stand.

Der Islamrat wurde 1986 gegründet und hat ein großes Potential. Ihm gehören etwa 37 Mitgliedsvereine mit schätzungsweise rund 150.000 Mitgliedern an. Viele der Mitgliedsorganisationen agieren im Umfeld des größten Mitgliedsverband, der IGMG. Der Islamrat ist auch Mitglied des im März 2007 gegründeten Koordinierungsrats der Muslime (KRM). In der öffentlichen Wahrnehmung ist der große Islamrat allerdings deutlich weniger präsent als der kleinere Zentralrat der Muslime.

Für den neuen Vorsitzenden Kesici dürften die anstehenden Aufgaben durchaus vielfältig werden. Es geht in erster Linie um ein neues, klares Profil des Verbandes. Er selbst erklärte nach seiner Wahl, für den Verband habe Priorität, den Dialog und die Einheit unter den islamischen Verbänden zu fördern. In den letzten Monaten war der Koordinationsrat allerdings nicht sehr einheitlich aufgetreten. Wie genau die künftig „Einheit der Muslime“ aussehen soll und wie er die Rolle des ZMD und der DITIB im KRM sieht, blieb noch offen.  

Der Islamrat solle sich, jedenfalls nach dem Willen Burhan Kesicis, auch künftig konstruktiv an der Deutschen Islamkonferenz beteiligen und sich der gesellschaftlichen Themen im Zusammenhang mit dem Islam annehmen. Darüber hinaus muss er sicherlich auch die ethnische Vielfalt und Offenheit des Verbandes stärken und auch dem Eindruck entgegenwirken, der Verband sei als Dachverband nicht wirklich eigenständig.

Viele Mitglieder erwarten von dem neuen Vorsitzenden einerseits eine klare Positionierung in Deutschland, ohne andererseits die traditionellen Verbindungen zur Türkei zu verleugnen.

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Berliner Muslime erinnerten an das Ende des Eisernen Vorhangs

(iz). Direkt am Schnittpunkt zwischen Ost und West im Berliner Stadtteil Gesundbrunnen lud der Deutschsprachige Muslimkreis zu einer Veranstaltung zum 25. Jahrestags des Mauerfalls ein. Eingeleitet durch die inspirierende und wunderbare Musik des Trios Vuslat berichteten Djamila Alkonavi und Muhammad Abdulrazzaque von ihren Erlebnissen mit der Berliner Mauer und ihrem Fall.

Djamila Alkonavi erzählte von ihrer Kindheit und Jugend in der damaligen DDR, wo sie – ein Jahr vor Beginn des Mauerbaus – zum Islam fand. Wenige Tage, nachdem das Ostberliner Regime die Barriere zu errichten begann, halfen ihr muslimische Studenten, in den Berliner Westteil zu gelangen. Alkonavi reflektierte auch über Folgen und Bedeutungen des Mauerfalls.

Er war damals ein junger indischer Student, berichtete Muhammad Abdulrazzaque, der seit Langem in der Berliner Community aktiv ist. Er war an dem Abend dabei, als die Trennung beider Teile Berlins ihr Ende fand. Abdulrazzaques Ausflug in dieser schicksalshaften Nacht, so seine lebendige und unterhaltsame Beschreibung, führte ihn durch DDR-Hauptstadt. „Niemand hätte gedacht, die Mauer fällt“, beschrieb er die damalige Stimmung. Gleichzeitig machte Muhammad Abdulrazzaque deutlich, dass der Wunsch nach Freiheit ein allgemeinmenschliches Verlangen sei.

Den informativen wie unterhaltsamen Abend des DMK im Ost-West-Café moderierte IZ-Chefredakteur Sulaiman Wilms. Im Folgenden dokumentieren wir seine Einführung in das Event:

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„Ich denke, es erübrigt sich heute Abend, die historischen Ereignisse des Mauerfalls nachzuerzählen. Viel interessanter erscheinen mir die möglichen Bedeutungen dieses Events.

Es gibt eine Anekdote des bekannten chinesischen Kommunisten Deng Xiao Ping. Er soll gefragt worden sein, was sich denn über die Französische Revolution sagen ließen. Seine Antwort war lapidar: «Zu früh.»

Mit dem Zitat im Hinterkopf enthalte ich mich hier einer definitiven Meinung über historischen Aspekte. Interessant aber ist doch, zu überlegen, welche überzeitlichen Lektionen sich aus dem Mauerfall von einer muslimischen Perspektive ableiten lassen.

Das Problem bei Titeln wie «Der Islam und …» oder «die Muslime und …» ist immer, dass trotz der Verbindung «und» immer aber auch eine Distanz vorausgesetzt wird. Gerade für Berlin lässt sich das gewiss nicht sagen; waren doch auch die Berliner Muslime vor Ort dabei und in Folge auch vom Mauerfall wie alle anderen betroffen.

Alles Erschaffene ist im Wandel begriffen und pendelt zwischen den verschiedenen Gegensatzpaaren. Nur Allah ist ewig, bleibend und mit sich selbst identisch. Alles andere bewegt sich in Zeit und Raum, die nach islamischer Lehre vergänglich sind.

Die Erinnerung an diesen Fakt ist ein wichtiger Eckstein des muslimischen Bewusstseins. In dieser Hinsicht ist das Bittgebet Aischas, der Gattin des Propheten (saws) für mich von Bedeutung: «Oh Allah, halte mich im Wandel.»

Uns Bundesbürgern galt die Berliner Mauer und die Deutsche Teilung in der Mehrheit als eine längst akzeptierte Gegebenheit. Im politischen und öffentlichen Mainstream gab es nur wenige, die überzeugt von einem Ende dieses Zustands ausgingen. Man hatte ihn akzeptiert, oder sich damit abgefunden. Für nicht wenige unter uns waren Teilung und Mauer gar ein notwendiges Element der Nachkriegsordnung.

Und sehr plötzlich öffnete sich die Mauer. Für uns Muslime muss das eine Erinnerung par excellence an das Schicksal sein. Es ist Allah, der die Dinge nach seinem Willen ordnet. Wir, die Generation junger Erwachsener, wachte am Morgen nach der Maueröffnung auf und die Welt war eine andere.

Es mag Ursachen geben, warum Mauer und Teilung nicht mehr haltbar waren. Trotzdem hätte kein Plan irgendeines Akteurs ein solches Ereignis hervorbringen können. Für Muslime ist das natürlich kein fatalistischer Gedanke, sondern vielmehr Ermutigung.

Und ein Anlass, das 25. Jubiläum des Falls der Berliner Mauer zu nutzen, uns an das Schicksal zu erinnern. Denn auch wir unterliegen in einer technisierten Welt oft dem Wahn permanenter Kontrolle.

Ich will aber nicht bei einer rückwärts blickenden Aussage enden.

Wir erliegen gelegentlich der Versuchung, uns in unzähligen Integrationsdebatten zu verzetteln. Schicksalshafte Ereignisse wie der Fall der Mauer deuten aber an, dass der oft bemühte «Verfassungspatriotismus» (Habermas) vielleicht nicht ausreichend Tiefe hat, um Muslime in diesen Ort zu verwurzeln.

Dieses Ereignis ist in meinen Augen daher eine passende Gelegenheit, über unsere Schicksal zu reflektieren. Mehr noch: zu fragen, was uns mit diesem Ort verbindet und welchen Beitrag unser Schöpfer, der Herr der Welten, von uns wünscht. Damit wir unserem Schicksal, der Zeit und dem Ort, an dem wir leben, gerecht werden können.“