, ,

Jeder Zweite sieht eine Gefahr in ihnen: Wer sind die Reichsbürger?

Polizei Gewalt

Am 7. Dezember hat die Polizei 25 Personen verhaftet. Nach weit mehr als 120 Hausdurchsuchungen wurde ihnen die Planung eines Putsches zur Last gelegt. Insgesamt laufen laut Behörden Ermittlungen gegen mehr als 50 mutmaßliche Mitglieder des Netzwerkes Ermittlungen. Von Claire Burchett

(The Conversation/iz/dpa). Die Gruppe wird beschuldigt, Heinrich XIII. Prinz Reuß (den Angehörigen eines alten Adelsgeschlechts) durch einen Staatsstreich an die Macht bringen zu wollen. Unter den Festgenommenen waren auch „Reichsbürger“. Hierbei handelt es sich um eine formlose Bewegung von Netzwerken und Einzelpersonen, von denen viele rechtsextreme Ansichten haben. Sie wurden schon früher von Gewalttaten abgehalten. Aber dieser jüngste Vorfall und sie haben größere Besorgnis ausgelöst.

Eine „ernste Gefahr“ für die Ordnung

Etwa die Hälfte der deutschen Bevölkerung glaubt, dass von sogenannten Reichsbürgern eine ernste Gefahr für die Demokratie und ihre Repräsentanten ausgeht. Bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov aus dem Jahre 2016 vertraten 53 Prozent der Teilnehmer diese Ansicht. 31 Prozent der Befragten sehen eine solche Gefahr nicht. 15 Prozent der Teilnehmer der repräsentativen Umfrage im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur äußerten sich zu dieser Frage unentschieden.

Im Westen wird die Gefahr den Angaben zufolge etwas größer eingeschätzt als im Osten Deutschlands. Während im Westen rund 56 Prozent der Bevölkerung der Ansicht sind, dass diese Extremisten eine ernste Gefahr für die Demokratie und ihre Repräsentanten sind, glauben das in den neuen Bundesländern nur 44 Prozent der Menschen.

Dass Reichsbürger auch für sie selbst eine Bedrohung darstellen könnten, denkt nur eine Minderheit. 63 Prozent der Menschen in Deutschland sehen ein solches persönliches Risiko laut Umfrage nicht. Knapp jeder fünfte (19 Prozent) gab an, er fühle sich durch diese Extremisten etwas bedroht. Lediglich sieben Prozent der erwachsenen Bürgerinnen und Bürger sind der Meinung, dass Reichsbürger für sie persönlich sehr bedrohlich seien.

Ein Adliger und eine Richterin

Unter den Verhafteten befand sich eine frühere Bundestagsabgeordnete der AfD, die bis zu ihrer Verhaftung Richterin in Berlin war. Birgit Malsack-Winkemann vertrat die Partei von 2017 bis 2021. Darüber hinaus wurden mehrere ehemalige und aktive Soldaten im Zusammenhang mit Putschvorbereitungen verhaftet. Dies gibt den Ermittlungsbehörden Anlass zu großer Sorge, da solche Verbindungen gefährlichen Extremisten Zugang zu Waffen und ausgebildeten Personen verschaffen könnten.

Anfang 2022 wurde Reuß von Medien als der Reichsbürgerszene nahestehend und Anhänger von Verschwörungstheorien bezeichnet. Das veranlasste seine Familie, sich öffentlich von ihm zu distanzieren. Abgesehen von einer Rede im Jahr 2019 auf der WorldWebForum-Konferenz in der Schweiz, die eine antisemitische und geschichtsrevisionistische Botschaft enthielt, wurde er kaum bekannt. Die Beteiligung eines Aristokraten spricht für die monarchistischen Beweggründe einiger Reichsbürger, die wieder einen Kaiser als Staatsoberhaupt einsetzen wollen.

Keine zentralisierte Struktur, aber gemeinsame Überzeugungen

Die Reichsbürger haben keine zentralisierte Struktur, aber nach neuesten Zahlen mindestens 23.000 Anhänger. Ihre wichtigste Überzeugung ist, dass der derzeitige deutsche Staat sowie seine Institutionen und demokratisch gewählten Vertreter nicht legitim sind. Sie verweigern sich der Anerkennung staatlicher Autorität, wenn es beispielsweise um Steuern geht. In der Pandemie wurden sie berüchtigt, da sie sich der Einhaltung von COVID-19-Beschränkungen verweigerten.

Einige halten offizielle Dokumente wie Personalausweis und Reisepass für illegitim. Andere ziehen es vor, sich mit einem Staatsbürgerschaftsnachweis auszuweisen, während ein Teil illegale Reisepässe und Führerscheine fabriziert. 2021 wurde ein Beamter aus dem Dienst entfernt, nachdem er einen Reisepass beantragte, in dem das Königreich Bayern aus Geburtsort aufgeführt werden sollte.

BRD GmbH oder die Ablehnung des Staates

Die Mitglieder der Gruppe glauben mehrheitlich, dass eine frühere Version des deutschen Staates die rechtmäßige Form ist – es bestehen Unstimmigkeiten darüber, welche. Einige meinen, dass die wahre Form Deutschlands zwischen 1871 und 1918 bestand. Andere führen die Verfassung der Weimarer Republik in der Zwischenkriegszeit als die des eigentlichen Staates an. Ein Rest konzentriert sich auf das Jahr 1937, um zu zeigen, was sie als die legitimen Grenzen des Staatsgebiets ansehen, das damals das ehemalige Königreich Preußen, Teile des heutigen Polen und Russland, nicht aber Österreich umfasste, das 1938 annektiert wurde.

Ein verbindender Glaube aller ist, dass der gegenwärtige Staat keinerlei Souveränität besitze. Sie meinen, die westlichen Alliierten Frankreich, Großbritannien und die USA würden weiterhin die Kontrolle haben, obwohl ihre Besetzung Westdeutschlands 1955 endete. Daher betrachten sie die Bundesrepublik als „Marionettenregime“, die nicht den Interessen der Deutschen diene. Manchmal bezeichnen sie diese als BRD GmbH, die keine Macht beanspruchen könne.

Überschneidungen mit Rechtsextremen

Ein ähnlicher Revisionismus ist in der breiteren deutschen extremen Rechten verbreitet, insbesondere bei einigen Mitgliedern der populistischen AfD-Partei. Die Leugnung der Bedeutung des Holocaust und die Betonung „positiver“ Momente der Geschichte fördern die Relativierung des Mordes an den europäischen Juden und des Antisemitismus. Im Gegensatz zu dieser, die ihre Rhetorik an den politischen Mainstream angepasst hat, missachten einige Reichsbürger die geltenden Gesetze, die Holocaustleugnung und Nazi-Propaganda verbieten. Die Gruppe wird mit unverhohlenem Hass auf Juden und Verbreitung von antisemitischen Verschwörungstheorien sowie mit offener Holocaustleugnung in Verbindung gebracht. Im März 2020 beschlagnahmte die Polizei bei Razzien in Wohnungen einiger Anhänger Neonazipropaganda.

Gewalt wird attraktiv

Einige Reichsbürger beginnen offenbar, sich an politischer Gewalt zu beteiligen. Die jüngsten Festnahmen folgten auf mehrere andere Vorfälle. Im Jahr 2016 wurde ein Polizeibeamter bei einer Razzia wegen der illegalen Waffensammlung eines Mitglieds erschossen. Im August 2020 versuchten einige im Rahmen eines Protestes gegen COVID-19-Beschränkungen, in den Deutschen Bundestag einzudringen. Im Umfeld der Razzia sprach das Innenministerium von 21.000 Reichsbürgern. Zehn Prozent von ihnen sei gewaltbereit.

Die Gegenwart ehemaliger und aktiver Soldaten beziehungsweise Polizisten sowie einer ehemaligen Bundestagsabgeordneten (und aktiven Richterin) unter den jüngst Verhafteten legt nahe, dass sie nicht ganz ohne Einfluss sind. Die AfD hat lange jede Verbindung zu ihnen geleugnet, aber sich in den letzten Jahren kontinuierlich nach rechts bewegt. 2019 berichtete das Innenministerium von vereinzelten Verbindungen von Reichsbürgern und Partei.

Man könnte sie als Randgruppe betrachten, aber ihre Ideen sind offensichtlich für einige so attraktiv, dass sie davon überzeugt sind, ein Staatsstreich sei ein lohnendes Unterfangen. Und Verbindungen zu einflussreicheren Organisationen würden sie noch gefährlicher machen – weshalb diese Angelegenheit von den Behörden so ernst genommen wird.

* Veröffentlicht im Rahmen einer Creative Commons-Lizenz.

,

Razzien bei „Reichsbürgern“: Thüringens Innenminister sieht AfD als „Schnittstelle von Rechtsextremen“

Brandanschlag Razzia IS cuxhaven Polizei

„Letztendlich fungiert sie wie eine Organisationszentrale, eine Schnittstelle für die Vernetzung von rechtsextremen Organisationen.“

Erfurt/Berlin (dpa/iz). Nach der Großrazzia gegen eine „Reichsbürger“-Gruppierung sieht Thüringens Innenminister Georg Maier eine Verbindung zur in seinem Land vom Verfassungsschutz beobachteten AfD. „Die AfD hat sich immer weiter radikalisiert. Sie verbreitet diese Verschwörungsmythen, sie verbreitet diese Verschwörungsfantasien und Umsturzfantasien“, sagte der SPD-Politiker am Donnerstag im Deutschlandfunk.

„Aber schlimmer noch ist: letztendlich fungiert sie wie eine Organisationszentrale, eine Schnittstelle für die Vernetzung von rechtsextremen Organisationen. Und das ist das, was diese Partei immer gefährlicher macht.“

Maier sprach von einem schwierigen Umfeld mit schwerwiegenden Krisen. „Die Menschen machen sich Sorgen, viele haben Angst. Und das ist genau das, was die AfD natürlich auch adressiert“, so Maier. Die Partei versuche, den Menschen zusätzlich Angst einzujagen. „Sie fantasiert von einem autoritären Staatssystem. Das ist im Grunde das, was sie anstreben.“

Der Minister rechnete mit weiteren Festnahmen. Erfahrungsgemäß folge eine zweite Welle, weil Beweisstücke ausgewertet würden. Weitere Personen rückten damit ins Blickfeld. „Ich gehe davon aus, dass es noch weitere Festnahmen gibt.“

BKA-Chef Münch sieht Notwendigkeit einer „genauen Überprüfung von Sicherheitskräften“

Der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch, will nach den ersten Durchsuchungen vom 7. Dezember genauer hinsehen, wer bei den Sicherheitskräften arbeitet. „In solchen Zeiten, in denen wir auch sehr stark als Sicherheitskräfte gefordert sind, muss man sich darauf verlassen können, dass alle uneingeschränkt hinter der freiheitlich demokratischen Grundordnung stehen“, sagte er im ARD-„Morgenmagazin“ am Donnerstag.

Auch ehemalige und noch aktive Personen der Sicherheitskräfte gelten als Tatverdächtige. Im BKA gebe es derartige Sicherheitsüberprüfungen „sehr, sehr lange“. Auch in vielen Landespolizeien sei das mittlerweile Usus. „Und ich denke, dass dort, wo es noch nicht gemacht wird, wir das auch in absehbarer Zeit einführen werden“, so Münch weiter.

Suche nach Waffen geht weiter

Die Ermittlungen werden fortgesetzt. Dabei wird auch geschaut, ob die Beschuldigten noch weitere Waffen versteckt haben. Den Obleuten des Innenausschusses des Bundestages war am Mittwoch nach übereinstimmenden Angaben von Teilnehmern der Unterrichtung mitgeteilt worden, bei der Razzia seien zunächst zwei Langwaffen, eine Kurzwaffe sowie Schwerter- und Armbrüste, Schreckschuss- und Signalschusswaffen gefunden worden.

Diese Waffen seien nur teilweise bei mutmaßlichen Mitgliedern der Gruppe gefunden worden, die über eine waffenrechtliche Erlaubnis verfügten. Dem Vernehmen nach waren darunter auch Dienstwaffen.

,

Tod von Anti-Apartheid-Imam in Südafrika wird neu untersucht

Pretoria (KNA/iz). In Südafrika soll ein fast vergessenes Kapitel Apartheid-Geschichte aufgearbeitet werden: Mehr als 50 Jahre nach dem Tod des Imams und Aktivisten Abdullah Haron haben die Behörden diese Woche die Ermittlungen wiederaufgenommen. Dies sei ein „historischer Moment für Südafrika“, so Katarzyna Zdunczyk von der südafrikanischen Foundation for Human Rights (FHR) gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Haron, ein Imam aus Kapstadt, galt als einer der herausragendsten Glaubensvertreter im Kampf gegen das Apartheid-Regime. Sein Tod vor 53 Jahren hatte das Land schockiert: Er starb mit Blutergüssen und einer gebrochenen Rippe nach 123 Tagen Haft in einer Polizeistation. Die damalige Regierung wies die Verantwortung zurück; Harons Familie glaubt an Mord. Eine neuerliche gerichtliche Untersuchung soll jetzt die Todesumstände klären.

„Rechenschaft für Apartheid-Verbrechen ist entscheidend für die Landesgeschichte, sodass junge Südafrikaner von der Kriminalität des Apartheid-Staates erfahren“, betonte Zdunczyk. Die FHR unterstützt seit 2005 die Familien von verschleppten, inhaftierten, gefolterten und getöteten Apartheid-Opfern.

Harons Fall sei seit Erlangung der Demokratie 1994 bereits der fünfte Tod eines Regimegegners, den Südafrikas Justizministerium neu untersuchen lässt. Jedoch bleibt es laut Zdunczyk „traurige Realität“, dass viele weitere Morde an Apartheid-Kritikern ungesühnt bleiben. Grund seien „politische Einmischung“, der Tod von Zeugen und Beschuldigten und ein Mangel an Beweisen.

Ohne entsprechende Aufarbeitung: Herbe Kritik an Medien und an der Staatsanwaltschaft. Von Malik Özkan

(iz). In einem Rechtsstaat gilt auch bei staatsanwaltlichen Ermittlungen zunächst die Unschuldsvermutung. Allerdings sind in der heutigen Medienlandschaft entsprechende Berichte, vor allem wenn es sich wie bei den betroffenen Muslimen […]

IZ+

Weiterlesen mit dem IZ+ (Monatsabo)

Mit unserem digitalen Abonnement IZ+ (Monatsabo) können Sie weitere Hintergrundbeiträge, Analysen und Interviews abrufen. Gegen einen Monatsbeitrag von 3,50 € können Sie das erweiterte Angebot der Islamischen Zeitung sowie das ständig wachsende Archiv nutzen.

Abonnenten der IZ-Print sparen beim IZ+ Abo 50%.

Wenn Sie bereits IZ+ Abonnent sind können Sie sich hier einloggen.

* Einfach, schnell und sicher bezahlen per Paypal, Kredit-Karte, Lastschrift oder Banküberweisung. Das IZ+ Abo verlängert sich automatisch um einen Monat, wenn es nicht vorher gekündigt wurde. Sie können ihr bestehendes Abo jederzeit auf der Mein Konto-Seite kündigen.

Der Austausch zwischen Muslimen und staatlichen Institutionen muss auf eine neue Grundlage gestellt werden, meint Sulaiman Wilms

(iz). Für einen Austausch mit dem Islam auf ­gleicher Augenhöhe hat der in Frankfurt/Oder lehrende Kultur- und Sozialanthropologe Werner Schiffauer plädiert. Der seit dem 11. September 2001 vor allem praktizierte […]

IZ+

Weiterlesen mit dem IZ+ (Monatsabo)

Mit unserem digitalen Abonnement IZ+ (Monatsabo) können Sie weitere Hintergrundbeiträge, Analysen und Interviews abrufen. Gegen einen Monatsbeitrag von 3,50 € können Sie das erweiterte Angebot der Islamischen Zeitung sowie das ständig wachsende Archiv nutzen.

Abonnenten der IZ-Print sparen beim IZ+ Abo 50%.

Wenn Sie bereits IZ+ Abonnent sind können Sie sich hier einloggen.

* Einfach, schnell und sicher bezahlen per Paypal, Kredit-Karte, Lastschrift oder Banküberweisung. Das IZ+ Abo verlängert sich automatisch um einen Monat, wenn es nicht vorher gekündigt wurde. Sie können ihr bestehendes Abo jederzeit auf der Mein Konto-Seite kündigen.

Hintergrund: Trotz der „Unschuldsvermutung“ – die Ermittlungen gegen Muslime können dem Islam in Deutschland schaden. Von Khalil Breuer, Berlin

(iz). Diese Meldungen ließen aufhorchen: Ermittler beschuldigen laut Berichten muslimische Funktionäre, sich „bereits vor mehreren Jahren“ zu einer Vereinigung zusammengeschlossen zu haben, „deren Tätigkeit und Zweck auf die Begehung von […]

IZ+

Weiterlesen mit dem IZ+ (Monatsabo)

Mit unserem digitalen Abonnement IZ+ (Monatsabo) können Sie weitere Hintergrundbeiträge, Analysen und Interviews abrufen. Gegen einen Monatsbeitrag von 3,50 € können Sie das erweiterte Angebot der Islamischen Zeitung sowie das ständig wachsende Archiv nutzen.

Abonnenten der IZ-Print sparen beim IZ+ Abo 50%.

Wenn Sie bereits IZ+ Abonnent sind können Sie sich hier einloggen.

* Einfach, schnell und sicher bezahlen per Paypal, Kredit-Karte, Lastschrift oder Banküberweisung. Das IZ+ Abo verlängert sich automatisch um einen Monat, wenn es nicht vorher gekündigt wurde. Sie können ihr bestehendes Abo jederzeit auf der Mein Konto-Seite kündigen.