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EuGH-Urteil: Verwaltungen können unter Bedingungen Kopftuch verbieten

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Laut EuGH sind Kopftuchverbote unter Umständen rechtens. EU-Oberrabbiner bezeichnet Urteil als „verstörend“. 

Luxemburg (dpa, KNA, iz). Ein Verbot von Kopftuch, Kippa und Kreuzen in öffentlichen Verwaltungen ist nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) unter Umständen rechtens.

Das sei keine Diskriminierung, solange solche Verbote religiöser Zeichen allgemein und unterschiedslos auf das gesamte Personal der Verwaltung angewandt würden und sich auf das absolut Notwendige beschränkten, teilten die Richter des höchsten europäischen Gerichts am 28. November in Luxemburg mit.

Kopftuch Berlin Schule

Foto: Freepik.com

EuGH: Erlaubt, wenn alle betroffen sind

Hintergrund ist ein Fall aus Belgien. Eine Büroleiterin in der Gemeinde Ans durfte am Arbeitsplatz das islamische Kopftuch nicht tragen.

Die Gemeinde änderte ihre Arbeitsordnung und schrieb strikte Neutralität vor: Das Tragen von auffälligen Zeichen ideologischer oder religiöser Zugehörigkeit war demnach allen Angestellten verboten – auch denen, die wie die Klägerin keinen Publikumskontakt hatten. Sie fühlte sich in ihrer Religionsfreiheit verletzt und klagte sich durch die Instanzen.

Die Richter urteilten nun, dass solche strikten Regeln rechtmäßig sein können, um ein vollständig neutrales Umfeld zu schaffen. Die EU-Staaten haben demnach einen Wertungsspielraum, wie sie die Neutralität des öffentlichen Dienstes ausgestalten wollen. Die Maßnahmen müssen sich aber auf das absolut Notwendige beschränken. Ob dies der Fall ist, müssen die nationalen Gerichte entscheiden.

Der EuGH hatte in den vergangenen Jahren mehrfach entschieden, dass Unternehmen das Tragen religiöser Zeichen am Arbeitsplatz verbieten können.

Bedingung sei, dass das Ziel der Neutralität in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werde und die Mittel zur Durchsetzung sich auf das Nötigste beschränkten. Es sei Sache der nationalen Gerichte, zu prüfen, ob diese Anforderungen erfüllt seien.

Foto: swiss-image.ch / Michael Wuertenberg, via Wikimedia Commons | Lizenz: CC BY-SA 2.0

Oberrabbiner nennt Urteil gegen religiöse Zeichen verstörend

Der Präsident der Konferenz Europäischer Rabbiner, Pinchas Goldschmidt, hat das Urteil als verstörend bezeichnet. Dies sei ein „Angriff auf das Grundrecht der Religionsfreiheit“, schreibt der ehemalige Moskauer Oberrabbiner in der „Jüdischen Allgemeinen“.

Zwar sei es im konkreten Fall um ein muslimisches Kopftuch gegangen. Allerdings führe das Urteil zu einem „Kollateralschaden“ unter Juden und Jüdinnen in Europa: „Wenn mit höchstrichterlicher Bestätigung religiöse Symbole selbst aus den Hinterzimmern europäischer Amtsstuben verbannt werden, gilt das auch uns“, so Goldschmidt.

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Europäischer Gerichtshof entscheidet: Betriebliches Kopftuchverbot kann rechtmäßig sein

Luxemburg (KNA). Eine Bekleidungsregel eines Unternehmens, die das sichtbare Tragen religiöser, weltanschaulicher oder spiritueller Zeichen verbietet, stellt keine unmittelbare Diskriminierung dar, wenn sie für alle Arbeitnehmer gleichermaßen gilt. Das entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 13. Oktober.

Hintergrund war der Rechtsstreit einer Muslimin in Belgien, die wegen ihres Kopftuchs einen Praktikumsplatz verweigert bekam. Auch das Angebot der Frau, eine andersartige Kopfbedeckung zu tragen, lehnte das Unternehmen ab.

Wie das Gericht in Luxemburg ausführte, bedeutet das Verbot des Zeigens religiöser oder weltanschaulicher Überzeugungen in einer betrieblichen Ordnung dann keine unzulässige Einschränkung der Religions- und Gewissensfreiheit, wenn sie „allgemein und unterschiedslos“ angewandt wird.

Allerdings könne es zu einer mittelbar auf der Religion oder der Weltanschauung beruhenden Ungleichbehandlung kommen – dann nämlich, wenn die scheinbar neutrale Verpflichtung dazu führe, dass „Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung in besonderer Weise benachteiligt werden“. Auch in diesem Fall könne jedoch eine Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt sein. Die Notwendigkeit müsse der Arbeitgeber nachweisen.

Der EuGH betonte weiter, das Unionsrecht verwehre es nationalen Gerichten nicht, bei der Beurteilung einer solchen mittelbaren Diskriminierung den Schutz von Religion und Weltanschauung stärker zu gewichten als die unternehmerische Freiheit, soweit sich dies aus seinem innerstaatlichen Recht ergebe.

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Verbote nur unter Auflagen. EuGH-Urteil stärkt Arbeitgeber

Der Europäische Gerichtshof erlaubt erneut ein Kopftuchverbot am Arbeitsplatz. Allerdings setzt er Arbeitgebern hohe Hürden – und legt Wert auf die Gleichberechtigung des Islam mit anderen Religionen.

(KNA). Einmal mehr hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) über das islamische Kopftuch geurteilt und wieder lässt die Entscheidung Spielraum auf nationaler Ebene. Wie die Luxemburger Richter verkündeten, dürfen Unternehmen das Tragen jeglicher politischer, weltanschaulicher oder religiöser Zeichen untersagen, um vor den Kunden Neutralität zu wahren oder soziale Konflikte zu vermeiden. Allerdings dürften dann überhaupt keine sichtbaren religiösen Zeichen erlaubt sein, weder kleine wie ein Kreuzanhänger noch größere wie die jüdische Kippa. Ein Verbot muss dadurch begründet sein, dass dem Unternehmen ansonsten Nachteile entstehen.

Das Gericht stärkt also einerseits das Recht von Arbeitgebern, bindet es aber an Voraussetzungen, die neues Streitpotenzial bergen können. So müssen Unternehmen nachweisen, welche Schäden ihnen durch kopftuchtragende Mitarbeiterinnen drohen. Zentral stufen die Juristen die Rechte und Erwartungen der Kunden ein. Dazu zähle etwa der Wunsch von Eltern, dass ihr Nachwuchs von Personen beaufsichtigt wird, „die im Kontakt mit den Kindern nicht ihre Religion oder Weltanschauung zum Ausdruck bringen“.

Insgesamt setzt das Urteil auf strikte Gleichberechtigung. Während der Generalanwalt am EuGH in seinen Schlussanträgen im Februar noch empfahl, kleine religiöse Zeichen am Arbeitsplatz zu erlauben, die „nicht auf den ersten Blick bemerkt werden“, also etwa das Kreuz an der Halskette, bestehen die EU-Richter auf einem „alles oder nichts“. Denn wer nur die deutlich sichtbaren Symbole wie das Kopftuch verbiete, diskriminiere Menschen, die sich aus religiösen Gründen zum Tragen verpflichtet fühlen. Damit bestätigte das Gericht weitgehend sein erstes arbeitsrechtliches Kopftuchurteil aus dem Jahr 2017.

Im jetzigen Fall hatten sich das Bundesarbeitsgericht in Erfurt und das Arbeitsgericht Hamburg an den EuGH gewandt. Anlass waren die Klagen zweier muslimischer Frauen, die mit Kopftuch in einer weltanschaulich neutralen Kita beziehungsweise in einem Drogeriemarkt arbeiten wollten. Die Arbeitgeber untersagten das. Die Kita verbietet mit einer Dienstanweisung sichtbare Zeichen politischer, weltanschaulicher und religiöser Überzeugung. Der Drogeriemarkt beruft sich auf ein solches Verbot in der Kleiderordnung.

Gerichtsverfahren um das islamische Kopftuch sind inzwischen Routine vor höchsten Instanzen. Meist ging es jedoch um die Frage, ob der Schleier im staatlich-öffentlichen Raum sichtbar sein darf. Das betrifft vor allem Lehrerinnen an staatlichen Schulen. Das Recht auf Religionsfreiheit kollidiert hier mit dem Neutralitätsgebot des Staates. 2015 entschied das Bundesverfassungsgericht zugunsten der religiösen Selbstbestimmung und lehnte ein pauschales Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen ab. Seither trafen die Bundesländer sehr unterschiedliche Regelungen.

Im gleichen Jahr urteilte der Europäische Menschenrechtsgerichtshof, dass französische Staatsbedienstete während der Arbeit kein Kopftuch tragen dürfen. Allerdings ist die Trennung von Staat und Religion im laizistischen Frankreich noch strenger geregelt als in Deutschland.

Für Kontroversen sorgt das Kopftuch in vielen europäischen Ländern, als sichtbarstes Zeichen für die wachsende Präsenz von Muslimen auf dem Kontinent. Während die einen in der Debatte auf die Religionsfreiheit pochen, sehen nicht nur rechtspopulistische Kritiker den Schleier als Symbol der Frauendiskriminierung, wenn nicht als „Flagge des politischen Islam“. Der EuGH lässt gemäß seiner Neutralitätspflicht jede gesellschaftspolitische Bewertung des Kopftuchs außen vor, indem er den Schleier schlicht als religiöses Symbol wie jedes andere auffasst. Außerdem betont das Urteil, dass nationale Gerichte schärfere Vorschriften der Mitgliedsstaaten zum Schutz der Religionsfreiheit berücksichtigen können.

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Anti-muslimische Vorurteile sind ein Indiz für die Identitätskrise in der europäischen Politik. Von Khalil Breuer

„Islamophobie in Europa ist, in ihrer modernen Form, eine junge Erscheinung, die mit der massenhaften Ankunft von muslimischen Zuwanderern in westeuropäischen Ländern in den letzten 50 Jahren zusammenfiel. ­Diese kurze […]

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