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Leben in Gaza – Arbeiten in Israel

Tausende Arbeiter aus dem Gazastreifen überqueren täglich die Grenze nach Israel. Die dortige Regierung will mit wirtschaftlichen Anreizen mehr Sicherheit schaffen. Reicht das für ein Ende der Gewaltspirale? Von Christina Storz und Saud Abu Ramadan

Gaza (dpa). Als Masen Madhun aus Gaza vor einem halben Jahr seine Arbeitsgenehmigung bekam, gab es ein großes Fest. Seither macht sich der 52-Jährige jeden Tag um 4.00 Uhr in der Früh auf den Weg nach Israel. Im 90 Kilometer entfernten Aschkelon arbeitet er auf einer Baustelle. „Das ist exzellente Arbeit mit einem guten Lohn“, freut er sich bis heute. Abends geht es zurück zur Frau und den neun Kindern.

Er sei glücklich, dass er nun wieder die Möglichkeit zur Arbeit in Israel habe. Als 14-Jähriger habe er dort schon einmal viel gearbeitet. „Damals war das noch einfach, doch dann kam die Sperre.“ Nachdem die islamistische Hamas 2007 in Gaza die alleinige Macht an riss, verhängte Israel wegen Sicherheitsbedenken eine Blockade über den Küstenstreifen, die auch von Ägypten mitgetragen wird. Wer das Gebiet verlassen will, braucht eine Genehmigung.

Wirtschaft für Sicherheit

Rund die Hälfte der 2,2 Millionen Menschen in Gaza ist heute arbeitslos. Unter Hochschulabsolventen ist die Rate besonders hoch. Mehr als 60 Prozent der Bewohner sind nach Angaben des UN-Nothilfebüros (Ocha) auf Hilfsgüter angewiesen. Sauberes Wasser ist Mangelware, Strom gibt es nur wenige Stunden am Tag.

Mit der neuen israelischen Regierung kam vergangenes Jahr eine Kehrtwende. Das Motto: wirtschaftliche Anreize im Tausch für mehr Sicherheit. Dazu gehörte auch die Ausstellung mehrerer Tausend Arbeitsgenehmigungen, was dann Stück für Stück aufgestockt wurde. Vor ein paar Tagen genehmigte Verteidigungsminister Benny Gantz eine weitere Anhebung auf 15.500.

Das macht sich auch an der Grenze bemerkbar: Im Juli erlaubten die israelischen Behörden 40.500 Menschen die Ausreise – nach UN-Angaben so vielen wie noch nie seit 2005. Vor rund 20 Jahren waren es noch zehn Mal mehr. Neben der Arbeit können auch medizinische Notfälle ein Grund für eine Einreisegenehmigung sein.

Hoffen auf die Erlaubnis

Fida Abu Drah wäre gerne einer von den „Glücklichen“. Seit einem Jahr kommt der 34-Jährige jeden Tag zum Verbindungsbüro in Gaza Stadt, das die Genehmigungen ausgestellt. „Das Schlimme ist das Warten“, sagt er. „Als ich hörte, dass es wieder mehr Genehmigungen gibt, hatte ich Hoffnung.“ Auf einer App zeigt er seinen Status: „Wird geprüft.“ Wie lange noch? Keine Ahnung. Fotografieren lassen will er sich nicht – zu groß die Sorge vor einer Absage. Um ihn herum stehen fünf andere Männer, die Ähnliches berichten.

Der palästinensische Wirtschaftsexperte Mohammad Abu Dschaijab schätzt, dass insgesamt 90 000 Palästinenser aus Gaza auf eine Antwort warten. „Wenn die Zusage kommt, wird gefeiert wie bei einer Hochzeit – mit Dessert für alle.“ Der häufigste Grund für eine Absage seien Sicherheitsbedenken.

Beide Seiten profitieren

Ein erster Erfolg der Maßnahmen für Israel war Experten zufolge beim jüngsten Konflikt Anfang August zu beobachten. Anders als die Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad beteiligte sich die militärisch stärkere Hamas dieses Mal nicht an den Kämpfen. Sie sieht sich auch für das Wohl der Zivilbevölkerung verantwortlich. „Die Menschen in Gaza können keinen weiteren Konflikt ertragen“, sagt Jochanan Zoref, Experte für israelisch-palästinensische Beziehungen vom Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS). Das wisse auch die Hamas.

Während ein Arbeiter in Gaza zwischen 20 und 50 Schekel am Tag (6 bis 15 Euro) verdient, kann er in Israel bis zu 400 Schekel bekommen (150 Euro). „Geld, das in Gaza dringend benötigt wird – auch, um die Kaufkraft anzukurbeln“, sagt Wirtschaftsexperte Abu Dschaijab. Dass durch die Arbeiter direkt Druck auf die Hamas ausgeübt wurde, bezweifelt er. Dafür sei die Zahl noch zu gering. „50 000 würden vielleicht etwas verändern, auch mit Blick auf die vielen Familienmitglieder, die an deren Einkommen hängen“.

Aber auch der Arbeitsmarkt in Israel profitiere, sagt der Wirtschaftsforscher Haggay Etkes vom INSS. „Fachkräfte werden dringend benötigt.“ Der Arbeitsmarkt sei sehr angespannt. Arbeiter aus Gaza seien zuverlässig und gut ausgebildet. Die meisten arbeiten auf dem Bau, weitere in der Landwirtschaft, aber auch in anderen Bereichen.

Abhängigkeit von Israel

Wie schnell die Zahl der Arbeitsgenehmigungen wieder reduziert und die Grenzen geschlossen werden können, zeigte sich in den vergangenen Monaten. Gantz hatte bereits im Juli die Erhöhung angekündigt, setzte sie nach einem Raketenbeschuss wieder aus. Er machte die Hamas für den Angriff verantwortlich. Sie müsse auch die Konsequenzen tragen.

Kurz darauf riegelte Israel nach der Festnahme eines Führers des Dschihads aus Angst vor Angriffen die komplette Grenzregion ab. Eine Woche lang konnte kein Arbeiter die Grenze überqueren. Auch die Einfuhr von Hilfsgütern wurde untersagt.

Masen Madhun und seine Familie verloren ein Viertel des Einkommens. „Wir saßen zuhause und haben gewartet“, sagt er. Andere steckten dagegen während der Zeit in Israel fest, berichtet der Händler Mohammad Nasser. Man bekomme dann einen Anruf, dass man bleiben solle, wo man gerade ist. Wenn die Grenze dann wieder auf ist, gehe es zurück zur Familie nach Gaza.

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Pandemie: Familien hatten viel zu tragen

Die Pandemie hat vor allem Familien hart getroffen und deren Alltag auf den Kopf gestellt.

„Erste Studien zeigen, dass vor allem Kinder und Jugendliche aus schwierigen sozialen Verhältnissen unter den Corona-Schutzmaßnahmen gelitten und ein Drittel von ihnen psychische Auffälligkeiten entwickelt hat. Daher muss besonders vulnerablen Familien auf verschiedenen Ebenen geholfen werden“, betonte der Vorsitzende des Aktionsbündnisses Seelische Gesundheit, Prof. Arno Deister.  Fachliche Aufklärung, Beratung und Vernetzung müssten gefördert werden – in den Lebenswelten wie Schule und Kindergarten, aber auch in sozialen Einrichtungen und relevanten Behörden wie etwa den Jobcentern. Das Aktionsbündnis Seelische Gesundheit ist eine bundesweite Initiative.

Auch wenn sich die Mehrheit der Eltern erleichtert fühlten, ließen sich die Erfahrungen aus der Krise nicht abschütteln. Das schrieb der Zusammenschluss der Betriebskrankenkassen pronova BKK in der aktuellen Erhebung „Familien in der Krise“ zu den Folgen von Pandemie und ihren Gegenmaßnahmen, für die 1.000 Haushalte mit Kindern befragt wurden. Demnach würde „jede zweite Familie“ von körperlichen und seelischen Konsequenzen bei ihren Kindern berichten. 

Die mehreren Lockdowns hätten den Alltag von Eltern und Kindern „aus den Angeln gehoben“. Erleichterung hätte eine Mehrheit der Befragten mit der Wiedereröffnung von Schulen und Kitas gespürt. Auch wichtig war ihnen die Aufhebung von Kontaktbeschränkungen. Drei Viertel der befragten Eltern hoffen, dass ihre Kinder den Lockdown „gut verarbeiten“ werden. Der offene Schule- und Kitabesuch tue „ihnen gut“.

Nichtsdestotrotz hätte die Zeit seit März 2020 in vielen Haushalten zu Veränderungen geführt. 79 Prozent der befragten Familien berichteten von einer Zunahme des Medienkonsums ihrer Kinder. 36 Prozent sprachen von vermehrten Streitigkeiten und 46 Prozent der Eltern sehen Beeinträchtigungen durch Bewegungsmangel. „Das ist ein extrem hoher Wert, wenn man bedenkt, dass viele Menschen davor zurückschrecken, sich zu mentalen Herausforderungen zu bekennen“, sagt die auf den Gesundheitsmarkt spezialisierte Zukunftsforscherin Corinna Mühlhausen. „Für viele Eltern war es Teil der Krisenerfahrung, dass sie sich um die psychische Gesundheit ihrer Kinder kümmern mussten.“

Zu den am häufigsten genannten Erscheinungen berichteten Eltern von Kindern ab einem Alter von sechs Jahren insbesondere von Müdigkeit (47 Prozent), Antriebslosigkeit (45 Prozent) und Schwierigkeiten mit Konzentration (43 Prozent). Bei älteren Kindern ab elf Jahren dominierten Müdigkeit und fehlende Motivation. Ein gegenläufiges Symptom erlebten Haushalte mit jungen Nachkommen: 29 Prozent berichteten von Unruhe.

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