,

Reflexionen zum Ramadan: Philosophie und spirituelle Erfahrung

spirituell

Spirituelle Erfahrung: Welches Erkenntnisse nehmen wir aus dem heiligen Monat mit?

(iz). Es war eine legendäre Begegnung im 12. Jahrhundert. In Andalusien treffen sich zwei Philosophen zu einem Gespräch, von der nur ein kurzer Wortwechsel überliefert ist. Ibn Ruschd ist nicht nur ein wichtiger Rechtsgelehrter, sondern der berühmte Kommentator der Werke des Aristoteles. Ibn ‘Arabi ist zu diesem Zeitpunkt ein junger Mann, der göttliches Wissen bisher allein durch spirituelle Erfahrungen erlangte.

Gelehrte zwischen spirituellen und philosophischen Erfahrung

Erst später wird er auf tausenden Seiten, beispielsweise in seinen „Mekkanischen Offenbarungen“, über seine geistigen Reisen berichten. Der Austausch symbolisiert das zeitlose Ringen der Gelehrten um das Verhältnis von Religion, Recht, Philosophie und Technik. Ibn Ruschd öffnete den Muslimen mit seiner Brücke zur griechischen Welt des Denkens und der Wissenschaft, in deren Erkenntnissen er keinen Widerspruch zum religiösen Erleben sah.

Sein junger Gesprächspartner erinnerte ihn daran, dass die Vernunft und alle Erklärungsmodelle ihre Grenzen haben, und letzte Gewissheiten nur auf dem spirituellen Weg zu erlangen seien.

muslimische denker

Foto: Topkapi Palace Library, Istanbul, via Wikimedia Commons | Lizenz: Public Domain

Der Islam war aus Sicht dieser Gelehrten keine kalte Gesetzesreligion, sondern eine Lebenspraxis, die das Denken und die geistige Erfahrung, Herz und Verstand, umfasst. In diesem Sinne hat diese Begegnung der beiden großen Männer nach wie vor ihre Aktualität.

Die Fastenzeit wird in verschiedenen Kulturkreisen genutzt, als eine einmalige Gelegenheit philosophische, wissenschaftliche und spirituelle Reflexionen miteinander zu verknüpfen.

Übungen des Verzichts und der Freiheit

Die Enthaltsamkeit, ein Gestaltungselement des Lebens, ist historisch in zahlreichen Kulturen belegt und kommt in vielfältigen Formen, in teilweise festgelegten Ritualen vor. Das Fasten gehört zu den fünf Säulen des Islam und durch diesen Ritus, dessen Ablauf im islamischen Recht genau beschrieben ist, sind Millionen Menschen in der Welt miteinander verbunden.

Übungen des Verzichts sind in aller Munde, denn nach Jahrzehnten, die unter den Vorzeichen des Wachstums und des Konsums standen, gilt es heute schon aus ökonomischen und ökologischen Gründen den Gürtel enger zu schnallen. Immer wieder debattiert die Gesellschaft die sozialen Auswirkungen der neuen Situation, denn, wer verzichtet schon gerne freiwillig auf Konsum und Wohlstand?

In diesem Kontext mag es Außenstehende überraschen: Viele Muslime freuen sich jedes Jahr auf die Fastenzeit und genießen die Stimmung in dem heiligen Monat. Sie bestätigen auf ihre Weise die Einsicht Senecas: „Glück ist die Fähigkeit zum Verzicht“.

achtsam

Foto: Albert González Farran, UNAMID/CCL

Die Freiheit von materiellen Dingen nicht abhängig zu sein, entfaltet heute wieder ihre eigene Aktualität. Hierin liegt eine der Bedingungen für das künftige, hoffentlich friedvolle Zusammenleben auf dem Planeten.

Im Kern der Praxis des Fastens stehen nicht nur die körperlichen Erfahrungen, die der Verzicht auf Essen und Trinken mit sich bringt, sondern auch die Auseinandersetzung mit der menschlichen Situation an sich, die Beschäftigung mit theologischen und philosophischen Fragen. Während der Enthaltsamkeit versteht der Muslim oder die Muslima, dass der Geist den Köper beherrscht. Am Abend genügen meist eine Dattel und ein Schluck Milch, um die körperlichen Bedürfnisse zu erfüllen.

Das Gefühl der Dankbarkeit für die Versorgung, die wir vom Schöpfer bekommen, ist eine Grunderfahrung, genauso wie die Solidarität mit allen Menschen, die die Fastenzeit unter den Bedingungen von Krieg und Armut erleben. Diese Erinnerungen bestimmen nicht nur den Ramadan, sondern das ganze islamische Jahr.

Existenzielle Fragen

Um auf die existentiellen Fragen einzugehen, die sich auch aus der Erfahrung des Fastens ergeben, ist zunächst philosophisch zu klären, wie unser Dasein überhaupt verfasst ist. Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass alle Menschen in ihre jeweilige Lebenssituationen hineingeworfen sind, ihr Verständnis des Seins übernommen haben und wir mit den Mitmenschen das Bewusstsein über unsere Endlichkeit teilen.

Das – wie es der Philosoph Martin Heidegger nennt – Vorlaufen in den Tod, das Gefühl, das alles Sein von einer Art Angst betroffen ist und dass der vorgreifende Mensch immer im Horizont seines Todes lebt, ist die Grundlage jeder Existenz. Die Verdrängung dieser Tatsachen in der Alltäglichkeit gehört zum Leben dazu.

Es geht hier nicht nur um die Furcht vor Krisen, sei es Krieg, Inflation oder Umweltzerstörung, sondern um die unbestimmte Angst, warum wir überhaupt da sind und was der Tod für uns bedeutet. Nur weil wir Lebenden in der gleichen „condition humaine“ sind, verstehen wir uns gegenseitig und interagieren entsprechend.

Foto: Zeno.org

Die entscheidende Komponente der Welterfahrung des Menschen ist nach Heidegger seine Gestimmtheit. „Unser Sein erschließt sich nicht in der reflektierenden Distanz, sondern in der Stimmung. Wie wir gestimmt sind, entscheidet darüber wie wir unser Dasein betrachten“, schreibt der Philosoph Richard Precht in seiner Einführung in die moderne Philosophie. Eine Feststellung, die jeder Fastende nachvollzieht.

Im Ramadan erfahren wir durch verschiedene Stimmungsschwankungen die Relativität von Zeit, begegnen intensiv der Zerbrechlichkeit unserer Existenz und schätzen das sinnstiftende Miteinandersein. Wir erleben die Umkehrung aller Verhältnisse und nichts anderes als den Gegensatz zur gewohnten Alltäglichkeit.

Der Psychologe G.W. Farthing beschreibt diesen Zustand: „Ein veränderter Bewusstseinszustand ist ein zeitweiser Wechsel im Gesamtmuster subjektiver Erfahrung, so dass das Individuum glaubt, seine psychischen Funktionen seien deutlich verschieden von bestimmten allgemeinen Normen seines normalen Wachbewusstseins.“

Warum fasten wir?

Aber warum ist es überhaupt nötig, zu fasten? Was ist der Sinn davon? Nach der Philosophie Heideggers befindet sich das Dasein in der alltäglichen Gefahr, sich zu verlieren und „uneigentlich“ zu werden. Die Eigentlichkeit steht bei dem Philosophen für die Wahrheitsorientierung und das authentische Leben, im Gegensatz zur Uneigentlichkeit, worunter er Erscheinungsformen der Selbsttäuschung wie das „Verfallen-Sein“ an „das Man“ und „das Gerede“ begreift.

Die Sorge ist durch das Verfallen gekennzeichnet, man ist in der Gegenwart nie völlig bei sich selbst, sondern immer „bei“ etwas, das heißt mit etwas beschäftigt, dass uns einnimmt. Im Zeitalter der sozialen Medien und der Allgegenwärtigkeit der Smartphones wird schnell klar, was hier gemeint ist. Die Tendenz zur Verfallenheit ist für den Philosophen kein Sündenfall, sondern der notwendige Ausgangspunkt, um zu einem höheren Bewusstsein zu kommen. Wir leben nicht von vornherein und permanent in der Gegenwart der göttlichen Präsenz.

Die Analyse Heideggers, die er in den 1920er Jahren in seinem Werk „Sein und Zeit“ entwickelt, wurde immer wieder kritisiert: Wo ist die Freude, die Zufriedenheit, die Liebe, das Glück in diesem Entwurf über das Sein?

Der Mangel an gesellschaftlicher, ethischer und politischer Dimension wurde ein Hauptkritikpunkt gegenüber dieser Philosophie. Insbesondere das Gegensatzpaar eigentlich/uneigentlich und die dem Dasein innewohnende Verfallenheit an das Man wurde von dem Philosophen Adorno angeprangert, als „Jargon der Eigentlichkeit“ kritisiert. Heideggers Begriff des uneigentlichen „Man“, mit der er eine von der Öffentlichkeit bestimmte Existenz bezeichnet, beurteilte Adorno im Sinne einer (zu) abstrakten Gesellschafts- und Kulturkritik.

Die Gefahr liegt auf der Hand, Menschen die sich als bedeutender erfahren wie andere, könnten auf dieser Grundlage eine Politik, in der Form der despotischen Herrschaft gegenüber den Vielen begründen. In den Religionen zeigt sich diese Möglichkeit in der Arroganz kleiner Gruppen, die sich im Selbstverständnis auserwählte Gläubige zu sein, über den allgemeinen Konsens stellen.

Fasten Ramadan

Foto: Archiv

Ein höheres Bewusstsein

Im Islam ist der Sinn des Fastens, nicht nur der Tendenz der Verfallenheit entgegenzuwirken, sondern die Muslime in ein höheres Bewusstsein zu führen. Hierzu gehören auch das gemeinsame Fastenbrechen, das feierliche Gebet und die Nähe zur Offenbarung. Die Rezitation der heiligen Verse, die zu jeder Nacht im Ramadan dazugehört, erinnert an die fundamentale Bedeutung des Qur’ans für das Leben.

Um den ganzen Sinn des Islam zu verstehen, sind nicht nur Kenntnisse über das Recht notwendig, sondern in einer Zeit, die von Technologie und Wissenschaft gelenkt wird, ist die Klärung von philosophischen Fragen wichtig. Wir sind dann auf dem richtigen Weg, wenn unser Dasein spirituell erfüllt ist, wir Sinn in den religiösen Handlungen finden und das Miteinandersein von Dankbarkeit geprägt ist.

Im 21. Jahrhundert beherrscht uns immer mehr der Gedanke, dass alle Lösungen unserer Probleme technischer und ökonomischer Natur sind. Muslime begegnen dieser Logik mit einer gewissen Demut.

In „Sahih Muslim“ findet sich folgende Erzählung: Dschabir, möge Allah an ihm Wohlgefallen haben – berichtete: „Ich hörte den Propheten – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden, sagen: „Es gibt des Nachts eine Zeit, in der Allah jedem Muslim, der Allah etwas Gutes von den Dingen des Diesseits und Jenseits bittet, (dieses) gibt, und zwar in jeder Nacht.“

, ,

Hölderlins Leiden im Lichte des Ramadan

Hölderlin

Menschen, die beständig mit Binsenweisheiten kommen – Klischeewissen, wie es Necip Fazil Kisakürek nennt – das sind, so Hölderlin, die Unheilbaren.

(iz). Jeder Mensch fühlt sich durch andere Verhaltensweisen verletzt. Aufgrund der eigenen Kindheit und Vergangenheit empfindet jeder eine unterschiedliche als verletzend. Was letztlich immer dahinter steckt, ist das Gefühl mangelnder Wertschätzung. Wir leben im 21. Jahrhundert – einem Jahrhundert, das, was den europäischen Teil betrifft, nun allmählich beginnt, Verletzungen der Psyche als solche immer mehr in den Fokus zu rücken.

Hölderlin oder der Wahnsinn

Abu Zayd Al-Balkhi schrieb im 9. Jahrhundert ein Werk über die Heilung der Psyche. Die gesamte Literatur der Sufi behandelt auf ihre eigene Art und Weise Themen rund um die Gesundheit des Herzens, des Gemüts.

In der deutschen Geschichte gibt es manchen Dichter, der dem Wahnsinn erlag und von anderen Menschen isoliert werden musste. Der Dichter Hölderlin ist einer von ihnen. Er verbrachte mehr als die Hälfte seines Lebens im nach ihm benannten Turm in Tübingen: dem Hölderlin-Turm.

Sein einziger Roman, der „Hyperion“, behandelt auch das Thema des Unver­standenseins. Er fühlte sich zeit seines Lebens unverstanden: „So kam ich unter die Deutschen. Ich forderte nicht viel und war gefasst, noch weniger zu finden.“ Ein scharfes Urteil über die Menschen der Nation, der er selbst angehört. Warum fühlte er sich unverstanden und wieso kann ich mich so gut in ihn hineinversetzen?

Foto: Möhring | Shutterstock

Es gab viele Situationen, in denen ich anderen von der Größe Goethes und Schillers erzählte – sie fragten mich, was es nütze, über sie zu sprechen. Ich sprach über außergewöhnliche Leistungen der Osmanen und hörte: Waren sie keine Unmenschen? Ich erzählte von den Griechen, von Aristoteles und Platon, von griechischer Mythologie und hörte: Ist das alles nicht schon solange her?

Ich sprach über die Abbasiden und wie sie die Werke der Griechen übersetzten, über Seneca und seine tiefgreifenden Weisheiten, Dante und Moliére, einem Italiener und Franzosen… ich sprach von Al-Andalus, doch oftmals hörte ich dasselbe: Du bist und bleibst ein Romantiker… was heißt es ein Romantiker zu sein? Wenn Romantik bedeutet, sich auf die Größe ­vergangener Zeit zu besinnen, sich ihrer zu erinnern und das Feuer im eigenen Herzen lodern zu lassen, dann ist es eine Sünde kein Romantiker zu sein.

All das habe ich mit Hölderlin gemein. Hölderlin schreibt im Hyperion: „Sprach ich einmal auch vom alten Griechenland ein warmes Wort, so gähnten sie, und meinten, man hätte doch auch zu leben in der jetzigen Zeit; und es wäre der gute Geschmack noch immer nicht verloren gegangen, fiel ein anderer bedeutend ein. Dies zeigte sich dann auch. Der eine witzelte, wie ein Bootsknecht, der andere blies die Backen auf und predigte Sentenzen.“

Foto: Freepik.com

Mit Menschen zu leben, die keinen Sinn für menschliche Größe haben, ist eine Qual. Das Feuer der eigenen Seele so vom Sand angreifen zu lassen, ermordet die Freude am Dasein. Dazu sagt Hölderlin: „Ein Volk, wo Geist und Größe keinen Geist und Größe mehr erzeugt, hat nichts mehr gemein, mit andern, die noch Menschen sind, hat keine Rechte mehr…“ 

Hölderlin fühlte sich unverstanden. Binsenweisheiten ließen ihn abstumpfen. Das war sein Schicksal. Jeder Mensch, der um sich nicht zumindest einige wenige versammeln kann, und mit ihnen von vergangener Größe sprechen kann, wird durch solche Gesellschaft leiden. Menschen, die beständig mit Binsenweisheiten kommen – Klischeewissen, wie es Necip Fazil Kisakürek nennt – das sind, so Hölderlin, die Unheilbaren. Über diese Unheilbaren schrieb er das folgende Gedicht:

Eil, o zaudernde Zeit, sie ans Ungereimte zu führen,
Anders belehrest du sie nie, wie verständig sie sind.

Eile, verderbe sie ganz, und führ ans ­furchtbare Nichts sie,
Anders glauben sie dir nie, wie verdorben sie sind.

Diese Toren bekehren sich nie, wenn ihnen nicht schwindelt,
Diese… sich nie, wenn sie Verwesung nicht sehn.

Anders als durch Niederlagen, als durch Schicksalsschläge begreifen diese Menschen nicht, was Schönheit und Wahrheit bedeutet. Ihr Herz ist so abgestumpft, das nur  harte Schicksalsschläge es reanimieren können. So sprach auch der größte Poet der Weltgeschichte: Mewlana Dschelaleddin Rumi: „Härte reinigt die Niederträchtigen; wenn sie freundlich behandelt werden, werden sie hartherzig.“ ( Masnevi, Band 3, Vers 2983)

Foto: don del castillo, via flickr | Lizenz: CC BY-NC 4.0

Es gibt Menschen, die hören von Geschichten des Propheten. Sie hören die Anekdoten der Gefährten, der Gelehrten sowie der Aulija (Freunde Allahs) und sie weinen. Warum? Weil ihre Herzen wach sind. Ihre Herzen sind gesund. Mit solchen Menschen zusammenzuleben, die ein solch achtsames Gemüt besitzen, das ist das größte Geschenk auf Erden.

Abu Hanifa, der Vater der muslimischen Rechtswissenschaft, sagte: „Anekdoten, die von den Schönheiten der Gelehrten erzählen, sind mir lieber als die meisten Angelegenheiten des Rechts (arab. Fiqh), denn diese Anekdoten können uns den Anstand und Charakter der Gelehrten lehren.“ Folgenden Qur’anvers führte Abu Hanifa als Beweis an: „Das sind diejenigen, die Allah rechtgeleitet hat. So folge ihrem Weg und richte dich nach ihrem Vorbild!“ (Al-An’am, Sure 6, 90)

Foto: Umut Rosa, Shutterstock

Die Fähigkeit, nein zu sagen

Wir befinden uns im Moat Ramadan. In einem Monat, in dem wir unter Beweis stellen, dass wir von der Wesensart her über den ­Tieren stehen. Während sie lediglich essen, schlafen, trinken und sexuell aktiv sind, ­besitzen wir die Fähigkeit, nein zu sagen. Nein zum Essen, nein zum Trinken, nein zur Sexualität. Wir stellen unter Beweis, dass etwas in uns ist, das erhaben ist über die irdischen Fesseln der Körperlichkeit. Gleichzeitig leben wir in einem Land, das uns in den letzten ­Jahren immer wieder als „krank“ bezeichnet hat, weil wir fasten. „Ja, auch auf Wasser verzichten wir.“

„Ich könnte das nicht“, kommt es überall in ganz Deutschland zurück. Ja, deshalb bist du halt kein Muslim, keine Muslimin. Wir ­werden als krank bezeichnet, weil wir die Menschlichkeit in uns ausbilden wollen, von einer Gesellschaft, die sich angeblich auf den Humanismus beruft.

Wie sagte Dante Alighieri: „Bedenke deine Herkunft: du wurdest nicht erschaffen, um wie Vieh zu leben, sondern um nach Tugend und nach Wissen zu streben.“ Und ähnlich sprach Shakespeare: „Was ist der Mensch, wenn seiner Zeit Gewinn, sein höchstes Gut nur Schlaf und Essen ist? Ein Vieh, nichts weiter.“

In diesem Monat bändigen wir das Animalische, den Egoismus in uns Menschen. Wir erklären dem Konsum den Krieg, um das Menschliche, das Humane in uns zur Geltung zu bringen. Und alle, die wir fasten, spüren es, dass wir feinfühliger und sensibler werden, mitfühlender werden. Plötzlich bewirken die Anekdoten und die Erzählungen von vergangener Größe etwas in uns. Unser Herz wird gerührt, wenn es nicht abgestumpft ist vom Konsum. In diesem Zustand miteinander zu sprechen und einander vom feinfühligen und herzlichen Verhalten der Menschen von früher zu erzählen, das ist gut. Ja, Hölderlin sagt es uns:

gut
Ist ein Gespräch und zu sagen
Des Herzens Meinung, zu hören viel
Von Tagen der Lieb,
Und Taten, welche geschehen.

Solch ein „Andenken“ ist ein erhebendes ­Andenken. Was nützt es beständig über die schrecklichen Geschehnisse dieser Zeit zu sprechen, wenn sie uns unberührt und kalt lassen, wenn sie uns nicht anspornen uns als Menschen auszubilden und herzlicher zu ­werden, ja sogar im Gegenteil: wenn sie uns vergessen machen, warum wir erschaffen ­wurden… 

In diesem Monat fühlen wir in Deutschland, was Hölderlin fühlte: „So kam ich unter die Deutschen. Ich forderte nicht viel und war gefasst, noch weniger zu finden.“ Wir werden uns anhören, dass es krank sei zu fasten, krank sei, bis zum Abend nichts zu trinken, doch wir werden es weniger hören, da wir aufgrund der Kontaktbeschränkungen weniger Kontakte sehen werden.

Was wir nun auch sehen und hören werden, trösten wir uns damit, dass auch er darunter litt, nicht verstanden zu werden. Es hat sich seither, was das Verständnis des Befremdlichen angeht, in Deutschland nicht viel verändert. Hölderlin sprach aus, wer von der Mehrheitsgesellschaft geehrt wird und wer eben nicht:

Ach! Der Menge gefällt, was auf dem ­Marktplatz taugt,
Und es ehret der Knecht nur den ­Gewaltsamen;

An das Göttliche glauben
Die allein, die es selber sind.

Ihn hätte ich so gerne gekannt und mit ihm über vergangene Größe gesprochen, gesprochen über große, bedeutende Gegenstände, um die eigene Seele zu erheben und menschlicher zu werden. Er ist jemand, der mich und den ich, verstanden hätte. Sein Leiden fühle ich heute noch.

, , ,

Ramadan 2024: Die doppelte Freude des Fastens

Freude Zeit Ramadan

Der Fastende hat zwei Freuden – wenn er sein Fasten öffnet und wenn er seinem Herrn begegnet. (iz). Der große Prophetengefährte Salman, möge Allah mit ihm zufrieden sein, berichtete folgende […]

IZ+

Weiterlesen mit dem IZ+ (Monatsabo)

Mit unserem digitalen Abonnement IZ+ (Monatsabo) können Sie weitere Hintergrundbeiträge, Analysen und Interviews abrufen. Gegen einen Monatsbeitrag von 3,50 € können Sie das erweiterte Angebot der Islamischen Zeitung sowie das ständig wachsende Archiv nutzen.

Abonnenten der IZ-Print sparen beim IZ+ Abo 50%.

Wenn Sie bereits IZ+ Abonnent sind können Sie sich hier einloggen.

* Einfach, schnell und sicher bezahlen per Paypal, Kredit-Karte, Lastschrift oder Banküberweisung. Das IZ+ Abo verlängert sich automatisch um einen Monat, wenn es nicht vorher gekündigt wurde. Sie können ihr bestehendes Abo jederzeit auf der Mein Konto-Seite kündigen.

, , ,

Fasten mit Job, Studium und Kleinkind

Organisation Fasten Ramadan

Erst abends essen, mitten in der Nacht erneut essen und trinken, um für den Tag vorzusorgen – so ungefähr läuft das muslimische Fasten ab. Trotzdem erlebt ihn jede und jeder anders.

Berlin (dpa/iz). Noch schnell mit einem Kaffee wach werden, bevor es an die Arbeit geht? Das geht im Ramadan nicht so einfach für Gläubige, denn viele Muslime fasten dann. Von der Morgendämmerung bis Sonnenuntergang verzichten sie aufs Essen und Trinken – auch auf Wasser. Nach dem Fastenmonat gibt es ein dreitägiges Fest (2. bis 4.5.). Es ist eines der wichtigsten muslimischen Feste. Wegen der vielen Süßigkeiten, die dabei an Kinder verteilt werden, wird es bei türkischen MuslimInnen oft auch „Zuckerfest“ genannt. Von Hilal Özcan

Fasten mit Dreifachbelastung

Für Aliye Simsek aus München heißt es dann „Mission Completed“ (Auftrag erledigt). Die 28-Jährige ist Wirtschaftsinformatikerin und arbeitet in der Automobilbranche als Softwareentwicklerin. Sie sagt, sie werde durch das Fasten disziplinierter. Das Hungern mache sie dankbarer. Am Ramadanfest sitzt sie mit ihren Liebsten am Frühstückstisch und schätzt alles, was sie hat, umso mehr.

Apropos Frühstück: Während des Ramadan stehen manche auf, bevor die Sonne aufgeht. Mitten in der Nacht wird gefrühstückt und sich dann noch einmal schlafen gelegt.

Körperliche Belastung

Die Fastenzeit fordert aber jeden anders heraus: Manche müssen körperlich hart arbeiten, andere drücken die Uni-Bank. Viele Eltern müssen früh aus den Federn. Merve Celikten aus Hannover zum Beispiel. Besonders anstrengend ist es für die Erziehungswissenschaftlerin, wie sie sagt, gerade an den Wochenenden, wenn ihr Kind nicht in die Kita geht. Dann stehen sie und ihr Mann bereits um 6 Uhr auf, um sich um ihre dreijährige Tochter zu kümmern. Bis zum Fastenbrechen um etwa 20.30 Uhr ist es dann eine lange Zeit.

Celiktens Tochter merkte bereits, dass Mama mittags nicht mitisst – und ließ sich das erklären. Mittlerweile fragt die Dreijährige nur noch ab und zu, ob Mama faste. Denn sie weiß jetzt, was Ramadan ist.

Foto: Erdal Aslan

Fasten ist bekannter als früher

In Deutschland ist das muslimische Fasten mittlerweile viel bekannter als früher, findet Wirtschaftsinformatikerin Simsek. Leute fragen sie nicht mehr, ob sie noch nicht mal einen Schluck Wasser trinke. Trotzdem ist die Frage noch immer ein Running Gag unter Muslimen, weil sie ihnen früher so oft gestellt wurde. Simsek hat den Eindruck, dass die meisten Muslime trotz der Herausforderungen – darunter eben auch die, tagsüber komplett aufs Trinken zu verzichten – ganz gut mit dem Fastenmonat klarkommen.

Rauf Ceylan, Professor für Gegenwartsbezogene Islamforschung an der Universität Osnabrück, bestätigt Simseks Eindruck, dass der Fastenmonat heutzutage stärker öffentlich wahrgenommen werde: „Politiker sprechen Grußworte aus und laden zum Fastenbrechen ein.“ Nichtmuslimische Leser erhalten durch mediale Berichterstattung einen Einblick, so Ceylan. Doch das Informieren reiche nicht immer aus. „Religion muss man fühlen und erleben. In diesem Zusammenhang laden die muslimischen Gemeinden beispielsweise zum Fastenbrechen ein und fördern auf diesem Wege den Dialog“, ergänzt er.

Im Ramadan fällt der 28-jährigen Simsek eines besonders auf: „Dass ich über den Tag nicht mehr so viel Zeit mit Essen verschwende.“ Sie könne sich sogar besser konzentrieren, weil sie nicht ständig an Kaffee denken müsse, erzählt die selbsterklärte Kaffeeliebhaberin. Sie könne auch deshalb recht unbeschwert mit dem Ramadan umgehen, weil sie einem körperlich weniger anstrengenden Job nachgehe.

Der Islamforscher empfiehlt: Das Fasten sollte grundsätzlich keine Belastung darstellen. Doch es sei natürlich mühsam und man müsse sich dabei in Geduld üben. Bei schwerer Arbeit oder unumgänglichen Situationen gebe es auch Ersatzhandlungen – zum Beispiel Spenden oder das Nachholen zu einem passenderen Zeitpunkt. Kranke, stillende Frauen und kleine Kinder sollen gar nicht fasten.

Freude über Tagesablauf

Studentin Feyza Özdogan aus Berlin findet es toll, im Ramadan einen geregelteren Tagesablauf zu haben, wie sie sagt. Doch der besondere Monat bringt für die 20-Jährige auch Schwierigkeiten mit sich. So passt ihr Uni-Stundenplan in diesem Jahr nicht zu den Zeiten des Fastenbrechens. Meistens hat sie nach 20 Uhr noch Vorlesungen. Entweder sie verlässt diese fürs Fastenbrechen vorzeitig und verpasst einen Teil oder sie kann erst später essen und trinken.

Der Stress sei aber schnell vergessen, wenn sie mit Freunden und Familie am gedeckten Tisch sitze und alle gemeinsam ihr Fasten brechen. Bald ist es eh geschafft. Ab Montag (2.5.) kann man Muslimen drei Tage lang zum abschließenden Ramadanfest gratulieren.

Fasten ist eine im Qur’an verankerte muslimische Pflicht, die zu den fünf Grundpfeilern des Islam zählt. Daher hat der Fastenmonat Ramadan für die weltweit mehr als anderthalb Milliarden Muslime eine besondere religiöse Bedeutung. Der Ramadan ist der neunte Monat des islamischen Mondkalenders. Während der 30 Tage sollen Muslime von Tagesanbruch bis zum Sonnenuntergang auf Essen, Trinken, Rauchen und Sex verzichten. Traditionell gebrochen wird die Fastenzeit mit einer Dattel und einem Glas Milch. Danach folgt ein Gebet und das festliche Iftar-Mahl. Der Zeitpunkt des Ramadans ist in jedem Jahr verschieden, bestimmt wird er durch die Sichtung der neuen Mondsichel.

, ,

Ramadan 2024: Imam Al-Ghazali zur Spiritualität des Fastens

Fasten Dimension Fastenmonat

Imam Al-Ghazali hat umfangreich über alle Dimensionen des Dins geschrieben. So auch zur Spiritualität des Fastens. Es ist wichtig anzumerken, dass es drei Abstufungen des Fastens gibt: das gewöhnliche, das […]

IZ+

Weiterlesen mit dem IZ+ (Monatsabo)

Mit unserem digitalen Abonnement IZ+ (Monatsabo) können Sie weitere Hintergrundbeiträge, Analysen und Interviews abrufen. Gegen einen Monatsbeitrag von 3,50 € können Sie das erweiterte Angebot der Islamischen Zeitung sowie das ständig wachsende Archiv nutzen.

Abonnenten der IZ-Print sparen beim IZ+ Abo 50%.

Wenn Sie bereits IZ+ Abonnent sind können Sie sich hier einloggen.

* Einfach, schnell und sicher bezahlen per Paypal, Kredit-Karte, Lastschrift oder Banküberweisung. Das IZ+ Abo verlängert sich automatisch um einen Monat, wenn es nicht vorher gekündigt wurde. Sie können ihr bestehendes Abo jederzeit auf der Mein Konto-Seite kündigen.

,

Ramadan 2024: Absicht, Taqwa und Fasten – der Monat in den Quellen

Fasten

Ramadan ist eine Zeit ohnegleichen. Die Quellen des Islam sind voller direkter und indirekter Hinweise auf das Fasten.

(iz). Der Monat Ramadan ist eine Zeit ohnegleichen. Muslime sollten ihn als Zeit der Gelegenheit verstehen, die sie mit beiden Händen ergreifen. Das ist nicht einfach die Phase der Enthaltsamkeit von Essen und Trinken. Denn der Prophet, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, sagte: „Vielleicht wird eine Person nicht mehr von ihrem Fasten haben als Hunger und Durst.“ Es gibt viele Segnungen, Tugenden und Lektionen, die wir hier mitnehmen können.

Foto: Pixabay

Ramadan als Akt des Verzichts

Der Akt des Fastens selbst ist die Enthaltung von Essen, Trinken und sexueller Intimität während der Stunden des Tageslichts. Muslime sind in diesem Monat verpflichtet, 29 oder 30 Tage lang zu fasten.

Er endet mit dem Feiertag, dem ’Id Al-Fitr. Diese Handlung enthält nicht nur eine Belohnung und ist segensreich, sondern auch Schutz vor falschen Taten und dem Feuer: „(Allah sagt:) ‘Jede Handlung des Sohns von Adam ist für ihn – außer das Fasten. Es ist für Mich. Ich werde (die fastende Person) dafür belohnen.’ Wahrlich, der Geruch aus dem Mund einer fastenden Person ist besser bei Allah als der Geruch von Moschus.“

Das Ziel ist Taqwa

Taqwa zu bekommen, heißt Ehrfurcht und ein aufmerksames Bewusstsein von der ständigen Anwesenheit Allahs. Sie ist das Verhalten, das uns angesichts der Allmacht und Allgegenwart vor Seinem Urteil schützt. Obschon Ramadan viele Vorteile hat, so ist der spezifische Nutzen dieser Handlung deutlich gemacht. Sie sollte an der Front unseres Verstandes stehen, damit wir sie erreichen können.

Der Sinn und Zweck des Fastens selbst wird uns im Qur’an offenbart: „O die ihr glaubt, vorgeschrieben ist euch das Fasten, so wie es denjenigen vor euch vorgeschrieben war, auf dass ihr Taqwa haben möget.“ (Al-Baqara, Sure 2, 183)

Ramadan sollte der Monat des Qur’an sein. Allah, der Erhabene, sagt: „Der Monat Ramadan (ist es), in dem der Qur’an als Rechtleitung für die Menschen herabgesandt worden ist und als klare Beweise der Rechtleitung und der Unterscheidung.“ (Al-Baqara, Sure 2, 185)

Es wurde gesagt, dass der Engel Dschibril den Propheten, Heil und Segen auf ihm, jede Nacht im Ramadan besuchte, um den Qur’an mit ihm zu studieren. Der Gesandte Allahs sagte uns, dass jemand, der einen Buchstaben aus dem Qur’an liest, die zehnfache Belohnung erhalten wird. Welchen besseren Anreiz können wir für seine Rezitation noch haben?

Iftar und Sahur bringen Segen

Das Fasten beginnt jeden Morgen mit Eintreten der ersten Dämmerung. Zuvor gibt es eine kleine Mahlzeit, die als Suhur bekannt ist.

Der Prophet, Heil und Segen auf ihm, wies uns jedoch auf die Güte und den Segen darin hin. Es gibt mehrere seiner Aussagen zu dieser Sache wie „habt Suhur, denn darin liegt wahrlich Segen“ oder „wahrlich, es ist ein Segen, den Allah allen von euch gegeben hat. Also verlasst es nicht“.

Foto: Rumman Amin, Unsplash

Das Fasten wird gleich nach Sonnenuntergang mit dem Iftar gebrochen. Nach einem langen und ermüdenden Tag ist das der Moment, der nicht nur Durst und Hunger stillt, sondern es ist auch eine Zeit, in der man zufrieden ist, weil man eine Pflicht für Allahs erfüllt hat.

In einer der prophetischen Aussagen heißt es: „Das Fasten ist ein Schleier (vor der Hölle) und darin gibt es zwei Vergnügen für eine fastende Person. Eines zum Zeitpunkt des Fastenbrechens und eines in dem Moment, wenn sie ihrem Herrn begegnet.“

Und das Fastenbrechen ist eine großartige Zeit, die Botschaft des Islam zu verbreiten. Jetzt kann man nichtmuslimische Freunde, Nachbarn oder Kollegen dazu einladen. Das ist die Gelegenheit, sich um jene zu kümmern, die das Fasten aus verschiedenen Gründen alleine brechen müssen. Das gilt insbesondere für solche Muslime, die den Islam neu angenommen haben und keinen muslimischen Familienanschluss haben.

Zeit des Gebets

Dieser Monat ist auch eine Zeit des Gebets. Neben den fünf Pflichtgebeten ist es empfohlen, die beliebten (arab. mustahab) und die freiwilligen (arab. nafila) Gebete zu verrichten, während wir mit den täglichen Pflichtgebeten fortfahren. Es gibt im Ramadan zudem spezielle Nachtgebete wie das Tarawwih und das Qijjam Al-Lail. Sie sind mit dem Fasten zu einem Synonym des Ramadan geworden.

Foto: imago

Hierzu sagte der Prophet: „Wer Qijjam mit dem Imam betet, bis dieser fertig ist, für den wird aufgezeichnet, als hätte er die Nacht im Gebet verbracht.“

Im Ramadan flehen wir um Gnade und Vergebung von Allah. Tatsächlich kann dieser Monat in drei Intervalle geteilt werden. Der Prophet, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, sagte: „Das ist ein Monat, dessen erster Teil Allahs Barmherzigkeit bringt, die Mitte führt zur Vergebung und der letzte Teil zur Freiheit vom Höllenfeuer.“

Sadaqa: Jetzt noch tugendhafter

In den Versen des Qur’an sowie in den Hadithen wird häufig vom Spenden und vom wohltätigen Verhalten gesprochen. Als Muslime wissen wir, dass dies eine der bedeutendsten – freiwilligen – Verhaltensweisen ist. Sie dürfen aber nicht wie heute leider häufig mit der Zakat, der Pflichtabgabe auf das Vermögen (nicht das Einkommen) verwechselt werden.

Diese Sadaqa ist während des Ramadan sogar noch tugendhafter. Ein Monat, in dem die Belohnungen für richtiges Handeln vervielfältigt werden. Der Gesandte Allahs, Heil und Segen auf ihm, war der großzügigste Mensch, der jemals lebte. In diesem Monat war er sogar noch großzügiger.

Schlussendlich sollen wir die „Nacht der Macht“ suchen. In ihr wird das Schicksal der Menschen für das kommende Jahr bestimmt. „Wer die Lailat Al-Qadr im Gebet dank seines Glaubens und auf der Suche nach einer Belohnung verbringt, dem werden seine vergangenen falschen Handlungen vergeben.“

Von seiner Gattin ’Aischa, möge Allah mit ihr zufrieden sein, wurden folgende Worte des Propheten überliefert: „Haltet nach der Lailat Al-Qadr an den ungeraden Nächten der letzten zehn Ramadantage Ausschau.“ 

Gute Handlungen in ihr haben einen höheren Wert als jene in eintausend Monaten. Nach einem Bericht im Sahih Muslim strengte sich der Gesandte Allahs, Heil und Segen auf ihm, in den letzten zehn Nächten noch viel stärker an, Allahs Wohlgefallen zu erlangen, als in jeder anderen Zeit des Jahres.

Ramadan 2024: „Das Fasten gehört Mir“

ramadan

Der Verzicht im Ramadan beginnt mit Verneinung und mündet in geistigem Wachstum.

(iz). Imam Muslim überlieferte von Abu Huraira, möge Allah mit beiden zufrieden sein, vom Propheten, Allahs Frieden und Segen auf ihm, dass Allah sagte: „Jede Handlung des Sohnes von Adam gehört ihm selbst, außer dem Fasten. Es ist Mein und Ich werde ihn dafür entlohnen. (…) Der Fastende hat zwei Freuden: Wenn er sein Fasten bricht, erholt er sich, und wenn er seinem Herrn gegenübersteht, hat er Freude an seinem Fasten.“

Ramadan als Monat des Verzichts

Muslime in aller Welt (die unter Krieg und Entbehrungen leiden wie jene, die in den Wohlstandsinseln des Globus leben) stehen vor den Toren des Ramadan. Auf sie wartet ein Monat des Verzichts, der Erinnerung und Vergeistigung.

Wenn Allah im obigen Hadith Qudsi davon spricht, dass Ihm das Fasten (arab. saum) gehört, kann das auch als Hinweis auf die Besonderheit dieser Form der Anbetung verstanden werden.

Ihr spezieller Charakter wird vielleicht am unscheinbaren Fakt erkennbar, dass sie im Gegensatz zu den anderen vier „Pfeilern“ des Islam nicht bildlich greifbar ist.

Ramadan

Foto: IgorZh, Adobe Stock

Es beginnt mit Verneinung

Glaubensbekenntnis, Gebet, Zakat und Hadsch lassen sich auf irgendeine Weise darstellen. Dem entzieht sich das Fasten. Es ist zuallererst Verneinung – und gleicht damit dem Anfang des Glaubensbekenntnisses (arab. schahada), das mit „es gibt keinen …“ beginnt.

Es muss ein Geheimnis im rituellen Verzicht geborgen sein. Ansonsten gäbe es diesen erwähnten Unterschied nicht. Obwohl wenn das Fasten im Ramadan von diversen Akten der freiwilligen Anbetung (von der Qur’anrezitation bis zum Stehen im Gebet) durchdrungen ist, handelt es sich essenziell darum, etwas nicht zu tun. Das heißt, auf – ansonsten erlaubte oder lobenswerte – Dinge und Verhaltensweisen dieser Welt zu verzichten.

Rumi hat unsere Welt als „die große Brust“ bezeichnet. Das Fasten bricht für 29 bzw. 30 Tage mit dem Alltag insofern, als dass wir zeitweise „abgestillt“ werden – ohne dadurch Schaden zu leiden. Als solches stellt es auch eine Verschiebung der und Bruch mit den Gewohnheiten des Selbst dar.

Foto: Umut Rosa, Shutterstock

Ramadan als Monat des Wachstums

Allerdings bleibt es beim verpflichtenden Fasten im Islam nicht bei der Verneinung – ähnlich wie bei der Schahada. Schwächen wir die Dinge dieser Welt in uns ab, werden u.a. Elemente der nächsten wichtiger.

Ein Verweis ist hierbei der Name des freiwilligen Tarawwih, das im Anschluss an das Nachtgebet vollzogen wird. Es lässt sich u.a. mit „Vergeistigung“ übersetzen.

Das heißt, wir werden vom Ego (arab. nafs) zum Geist (arab. ruh). Die abendlichen Gebete stellen dabei sicher, dass wir diese Erfahrungen mit anderen teilen können.

,

Ramadan 2024: Wie den Hunger begreifen?

hunger ramadan

Die erste und für sehr viele grundlegendste körperliche Erfahrung des Fastens – insbesondere im Ramadan – ist der Hunger.

(iz). Diese Phase des Verzichts, obwohl streng genommen täglich begrenzt, wird von vielen Fastenden entweder als schnell zu überwindende oder als zu bewältigende Belastung erlebt. Andere nehmen sie als einen Moment der Erschütterung wahr, der die Tore zur Wahrnehmung und Nähe Allahs öffnet.

Im Gegensatz zu dem Zustand, in dem wir sehnsüchtig auf das tägliche Ende des Verzichts mit dem Fastenbrechen warten, gibt es in der islamischen Praxis und Lehre eine Denklinie, die uns dazu anregt, Müdigkeit, Appetit und die Unerfüllbarkeit von (ansonsten legitimen) Wünschen als Chancen zu begreifen. Einer der Lehrer und Sufis, die die positive Rolle des Hungers betonten, war der persische Gelehrte Imam Al-Ghazali.

In seinem Grundlagenwerk zur Wiederbelegung der religiösen Wissenschaften („Ihya Ulum Ad-Din“), das heute nichts an seiner Bedeutung verloren hat, zählt der Imam verschiedene Vorteile dieses Zustands auf. Hunger gibt uns, so der Imam, geistige Deutlichkeit sowie tiefe Einsicht (arab. basira).

Normalerweise verstehen wir, dass das Gefühl der Sättigung uns der Klarheit beraubt. Man solle keine Entscheidung treffen, wenn der Magen so voll ist, dass wir nicht mehr atmen können.

Als weiteren Vorteil beschreibt der Imam, dass eine große Sattheit den Geist vernebelt. „Hunger hingegen macht das Herz weich und lässt die Süße des Gesprächs mit Allah, dem Allmächtigen, und die Wohltat des Gottesdienstes erfahren.“ Wer voll sei, könne kein intimes Zwiegespräch mit Allah, dem Allmächtigen, führen. Der Geist sei dann vernebelt und Dhikr sowie Anbetung hätten keine vergleichbare Wirkung.

Auch Dschunaid Al-Bagdadi, der große Bagdader Sufi, Faqih und Vertreter eines „nüchternen“ Sufismus, sagt, dass übermäßiges Essen unsere spirituelle Verbindung und den Verstand behindert.

Der dritte Vorteil des Hungers ist, dass er das Ego demütigt und die Spuren der Arroganz beseitigt. Nichts bricht das Selbst mehr als das. Es kontrolliert uns die meiste Zeit, deshalb fühlen wir uns im Ramadan Allah näher, wenn wir es brechen. Dadurch nehmen wir uns weicher und leichter wahr.

Im folgenden Text behandelt der Naturheilkundler Abu Bakr Carberry die körperlichen Vorteile von Hunger und warum wir ihn nicht vermeiden sollten.

Dattel

Foto: Anna Tarazevich, Pexels

Der Hunger hat einen wichtigen Zweck

In Sachen Ernährung befindet sich der Mensch stets zwischen Hunger und Sättigung. Die korrekte Balance ist für ihn daher, zu essen, wenn er hungrig ist – wenn er denn die Möglichkeit hat, tatsächlich hungrig zu sein. In unserer Zeit erleben wir eine Beschädigung dieser Fähigkeit, wirklichen Hunger zu spüren. Es ist so viel an Essen vorhanden.

Dies hat zu einer Schwächung der Verdauungsorgane geführt. Durch diesen Schaden finden wir uns heute in einer Situation, in der Nährstoffe nicht gut verarbeitet werden können. Das Resultat ist, dass Rückstände dessen, was wir ausscheiden sollten, in der Physis gehalten werden, weil wir sie nicht loswerden können.

Somit beginnen wir, Krankheiten zu entwickeln, die mit körperlicher Vergiftung zusammenhängen. Unter ihnen sind Arthritis, Psoriasis, Ekzeme, usw. Sie alle werden durch das physische Versagen verursacht, Fäkalien richtig auszuscheiden.

Eine der Möglichkeiten, die uns der Ramadan bietet, ist die Rolle, die der Hunger im Leben spielt, wiederzuerkennen. Wenn wir aus Angst essen, führt dies immer zu einem Überschuss. Denn es ist keine Nahrungsaufnahme, um Appetit zu stillen, sondern eine, um unsere Furcht zu stillen. Wir befürchten, nicht genug zu haben, um einem Verlangen nachzukommen. Wir sehen, dass einige Muslime diese Angewohnheit spezifisch im Ramadan entwickelt haben.

In dieser Zeit ist unser Zustand als Muslime sichtbar – in dem Moment, wenn das Fastenbrechen beginnt. Und dann machen wir all die Witze über das Tarawwih-Gebet, welches mit einem überfüllten Magen verrichtet wird. Die Grundaufgabe besteht für uns also darin, das Gleichgewicht zum Hunger wiederherzustellen.

Gleichgewicht in schwieriger Zeit

Jedoch ist es sehr schwer, in einer Zeit, die an sich nicht balanciert ist, Balance zu finden. Wir lesen die Ahadith und die Ratschläge der Sufis und finden darin Anweisungen, wenig zu essen und zu schlafen.

Aber die Natur unserer Epoche ist, dass wir übermäßig viele Stunden arbeiten. Wir haben die Nacht erleuchtet, indem wir durch Elektrizität künstliches Licht im Dunkeln geschaffen haben. Also gehen wir erst spät schlafen. Weitere Faktoren hierfür sind das Fernsehen und das Internet.

All dies hält uns von einem natürlichen Schlafrhythmus ab. Wenn man spät schlafen geht und lange Arbeitstage hat, wird man müde sein. Sind wir übermüdet, neigen wir dazu, Süßes essen zu wollen und generell Kohlenhydrate zu suchen. Der Körper schreit nach einfacher, schneller Energie.

Viele haben deswegen Ringe unter den Augen, denn die Nebenniere ist einem Druck ausgesetzt. Solche Leute werden oft auf Schokolade und weitere Süßigkeiten zurückgreifen. Und es ist fast unmöglich für sie, diese Angewohnheit zu ändern. Sollten sie es über einen Zeitraum hinweg aushalten, finden sie sich meist in einer Situation wieder, in der sie aufgeben und sich „vollstopfen“.

Die Fitra beachten

Der Mensch hat eine Fitra. Wenn wir diese nicht berücksichtigen, dann werden wir verlieren. Denn Allah sagt, dass nichts die Balance brechen wird. Wenn wir all diese schlechten Gewohnheiten beibehalten und dem Körper nicht die Art von Bewegung und Ruhe sowie die Nahrung, die er tatsächlich braucht, zukommen lassen, wird er aufhören, eine natürliche Reaktion auf den Hunger zu haben. Daraus ergeben sich zwei sich gegenüberstehende Seiten: Diäten und Fettleibigkeit.

Viele Leute befinden sich daher in einem Ohnmachtszustand, da sie einfach erschöpft sind. Sie können den Kreislauf der Kohlenhydrataufnahme nicht stoppen, weil unser System stets danach verlangt. Insulin wird ständig ausgeschüttet und das Resultat davon ist, dass der Körper es in Fett wandelt und wir zunehmen. Das Hungergefühl ist pervertiert. Denn eigentlich ruft der Körper nach Erholung und wir geben ihm stattdessen Zucker.

Diäten sind auch Ausdruck eines Problems

Die verschiedenen Diätarten, die wir auf dem heutigen Markt finden, sind eine Ausprägung eben dieser Sache, nur in verschiedenen Gewändern. Oft sind sie bloß eine neue Art, uns genauso zu ernähren wie vorher, nur mit anderen Lebensmitteln, die wir nun für gesund halten. Ein wirkliches Umdenken unserer Lebensgewohnheiten findet dabei nicht statt.

Das ist eine Sache, die die Lebensmittelindustrie sehr gut verstanden hat. Zucker macht süchtig, daher finden wir in den Supermärkten mehr und mehr Lebensmittel, die reichlich zuckerhaltig sind, denn wenn wir süchtig nach ihnen sind, ergibt dies einen großen Markt und die Lebensweise, die dieses Konsumverhalten fördert, bleibt erhalten. Dies ist der Grund für die Vorherrschaft der kohlenhydratreichen Lebensmittel in den Geschäften – sie sichern Profit.

Ich bitte meine Patienten daher meist, einfach früh uns Bett zu gehen. Nach etwa zwei Wochen verändert sich ihr Verlangen nach Zucker und ihre Ernährungsweise allgemein. Denn der Körper stellt seine Balance wieder her und die Pervertierung des Hungergefühls geht allmählich zurück.

achtsam

Foto: Albert González Farran, UNAMID/CCL

Tradierte Ernährungsformen sind gewichen

Wenn wir uns die Entwicklung unserer Essgewohnheiten anschauen, sehen wir, dass das, was als traditionelle Ernährung in verschiedenen Völkern galt, heute im Prinzip nicht mehr existiert. Was wir für die traditionelle Küche eines Landes halten, ist es meist nicht.

Denn wir waren geschichtlich nie in der Lage, Getreide und Kartoffeln in den Mengen zu produzieren, in welchen wir sie jetzt vorfinden. Erst durch die Schaffung von Düngemitteln waren wir imstande, Unmengen dieser Lebensmittel, die heute unser Hauptbestandteil an Nährstoffen sind, günstig anzubauen.

Dies hat mit Tradition nichts zu tun. Der Großteil der wissenschaftlichen Literatur zum Thema Ernährung begünstigt diesen Umstand, denn sie wird von der Lebensmittelindustrie bezahlt, um Resultate zu erbringen, die in ihrem Interesse liegen.

Wenn wir aber unseren Fokus weg von Kohlenhydraten und hin zum Fett verlagern, finden wir, dass unser Energiehaushalt eine Veränderung durchläuft. Besteht Ernährung hauptsächlich aus Gemüse und guten Fetten, Protein in Maßen und ein wenig Kohlenhydraten, kann der Körper Fett abbauen und Energie über einen längeren Zeitraum hinweg halten.

Wenn wir ihm hingegen Zucker geben, dann wird er nur diesen verbrauchen, weil dies für den Körper am einfachsten ist, und unsere Fettleibigkeit bleibt erhalten oder steigt sogar. Lange haben wir geglaubt, dass Fett dick macht. Das Gegenteil ist der Fall.

Es gibt uns exzellente Energie, solange es nicht in Verbindung mit Kohlenhydraten eingenommen wird, beziehungsweise diese in geringen Mengen gehalten werden. Im Gemüse finden sich zudem alle Nährstoffe, die der Mensch benötigt – von Kohlenhydraten und Fetten, bis hin zu Proteinen, Mineralien und Vitaminen.

Grundlegend ist aber unser Problem, dass wir Gewohnheiten nicht ändern wollen. Wenn wir Gesundheit und gute, langanhaltende Energie in unserem Leben erreichen wollen, dann müssen wir uns und das, was wir wollen, fundamental ändern.

,

Ramadan – Tipps für ein gesünderes Fasten

Fastenmonat Zeit fasten

Während des Fastens werden der Speiseplan, die Flüssigkeitsaufnahme sowie die Schlaf- und Wachzeiten verändert. Dies führt zu physiologischen, biochemischen und metabolischen Umstellungen im Körper. Unsere Anpassungsfähigkeit an diese Wandlungen hängt […]

IZ+

Weiterlesen mit dem IZ+ (Monatsabo)

Mit unserem digitalen Abonnement IZ+ (Monatsabo) können Sie weitere Hintergrundbeiträge, Analysen und Interviews abrufen. Gegen einen Monatsbeitrag von 3,50 € können Sie das erweiterte Angebot der Islamischen Zeitung sowie das ständig wachsende Archiv nutzen.

Abonnenten der IZ-Print sparen beim IZ+ Abo 50%.

Wenn Sie bereits IZ+ Abonnent sind können Sie sich hier einloggen.

* Einfach, schnell und sicher bezahlen per Paypal, Kredit-Karte, Lastschrift oder Banküberweisung. Das IZ+ Abo verlängert sich automatisch um einen Monat, wenn es nicht vorher gekündigt wurde. Sie können ihr bestehendes Abo jederzeit auf der Mein Konto-Seite kündigen.

,

Tipps & Tricks: Was ist möglich für Diabetiker im Ramadan?

Diabetes

Sind Diabetiker vom Fasten ausgeschlossen? Es kann nötig sein, sich von Fachleuten beraten zu lassen, um diese Frage sicher zu klären. (The Conversation). Die Stoffwechselkrankheit ist die am schnellsten wachsende […]

IZ+

Weiterlesen mit dem IZ+ (Monatsabo)

Mit unserem digitalen Abonnement IZ+ (Monatsabo) können Sie weitere Hintergrundbeiträge, Analysen und Interviews abrufen. Gegen einen Monatsbeitrag von 3,50 € können Sie das erweiterte Angebot der Islamischen Zeitung sowie das ständig wachsende Archiv nutzen.

Abonnenten der IZ-Print sparen beim IZ+ Abo 50%.

Wenn Sie bereits IZ+ Abonnent sind können Sie sich hier einloggen.

* Einfach, schnell und sicher bezahlen per Paypal, Kredit-Karte, Lastschrift oder Banküberweisung. Das IZ+ Abo verlängert sich automatisch um einen Monat, wenn es nicht vorher gekündigt wurde. Sie können ihr bestehendes Abo jederzeit auf der Mein Konto-Seite kündigen.