Die muslimische Maria

24 Stunden Tagesablauf Berlin maria

Dr. Zeyneb Sayılgan über Maria eine Symbolfigur der Hingabe, Tugend und Hoffnung.

(iz). Die besinnliche Weihnachtszeit ist vorbei. Für mich als Muslimin ist dies immer eine Zeit der Erinnerung an die heilige Maria oder Maryam (Türkisch: Meryem), wie sie im Qur’an genannt wird. Ich entdecke oft neue Aspekte ihrer einzigartigen Persönlichkeit und habe meine Gedanken dazu schon früher geteilt.

Es überrascht daher nicht, dass Muslime die Weihnachtszeit zum Anlass nehmen, um über Marias spirituelles Erbe zu reflektieren. Sie verbindet uns – Juden, Christen und Muslime – auch wenn wir unvereinbare theologische Differenzen über ihren Status hegen.

Wer war Maria?

Als Tochter einer jüdischen Rabbinerfamilie aus Nazareth wird sie später im Christentum als „Mutter Gottes“ verehrt. Für Muslime hat sie auch einen besonderen Stellenrang, weil sie ein Vorbild der absoluten Gotteshingabe, Aufrichtigkeit und Tugend ist.

Sie ist geehrt aufgrund ihrer einzigartigen Persönlichkeit – nicht nur als die Mutter Jesu, sondern speziell weil sie Maria ist.

Im Qur’an wird dieser Aspekt daher hervorgehoben: „O Maria, Gott hat dich auserwählt und geläutert, und Er hat dich vor allen (anderen) Frauen der Welten bevorzugt“, (Al-‘Imran, Sure 3, 42). 

Marias Sohn wird im Qur’an daher oft als „Jesus, Sohn der Maria“ (Arabisch: ‘Isa ibn Maryam) bezeichnet: „Der Messias, der Sohn der Maria, ist nur ein Gesandter, dem (andere) Gesandte vorausgegangen waren, und seine Mutter war eine Wahrhaftige“, (Al-Ma’ida, Sure 5, 75).

Seine Mutter ist es, die ihm einen besonderen Rang verleiht – nicht umgekehrt. Es überrascht daher nicht, dass im Qur’an das neunzehnte Kapitel – die Sure Maryam – nach ihr benannt ist. In Allahs Buch ist sie die einzige Frau, die namentlich 34 Mal erwähnt wird.

Bis heute pilgern Muslime und Nichtmuslime aus aller Welt zu Marias Haus (Hz. Meryem Ana Evi) nach Efes in die Türkei. Es ist eine zutiefst bewegende Erfahrung.

Die aufrichtige Gläubige

Diese besondere Jahreszeit ist daher eine Rückkehr an die Werte, die Maria als aufrichtige Gläubige verkörpert. Sie war und bleibt immer wegweisend für mich und viele andere Muslime.

Meine Tochter Meryem habe ich deswegen nach ihr benannt. Für mich war diese Namensgebung ein aufrichtiges Gebet, eine Hoffnung. Ich betete zu meinem Schöpfer, dass auch mein Kind das Vorbild der heiligen Maria nachahmen wird. Ich folgte dem Beispiel von Marias Mutter – der heiligen Anna oder Hannah – und wiederholte die Worte, die sie während ihrer Schwangerschaft sprach: „Mein Herr, ich gelobe Dir, was ich in meinem Mutterleib trage. Es soll Dir (und Deinem Dienst) geweiht sein, also nimm (es) von mir an. Wahrlich, Du bist der Allhörende, der Allwissende“, (Al-i-‘Imran, Sure 3, 35).

Marias Mutter Anna ist zuerst schockiert. Sie hatte einen Sohn erwartet, den sie dem heiligen Tempel weihen wollte. Aber Gott beruhigt sie. Maria ist seine Wahl, sein Wunsch, sein Wille:

„Als sie (das Kind) geboren hatte, sagte sie: ‘Mein Herr, ich habe ein Mädchen (zur Welt) gebracht – Gott wusste sehr wohl, was sie zur Welt gebracht hatte; und das Männliche ist nicht wie das Weibliche –, und ich habe sie Maria genannt. Und ich möchte, dass sie und ihre Nachkommenschaft bei Dir Zuflucht finden vor dem verbannten Satan“, (Al-i-‘Imran, Sure 3, 36).

Die heilige Maria wird in die Obhut des Propheten Zacharias gegeben und als erstes weibliches Mitglied wird ihr der Zugang zum heiligen Tempel in Jerusalem gewährt. Auch hier blicke ich zu ihr auf. Zu oft wurden mir und vielen anderen muslimischen Mädchen und Frauen aufgrund unserer religiösen Glaubenspraxis der Eintritt in die Mehrheitsgesellschaft verweigert. Maria – ein Symbol der Hoffnung für positive Veränderung. 

Das mutige, junge Mädchen

Maria, das junge, mutige Mädchen, das den Status Quo der religiösen Elite, der männlichen Kleriker, des kräftigen Patriarchats in Frage stellt. Gott kann alle Hindernisse beseitigen, solange man ihm voll und ganz vertraut. 

Dort in ihrer Gebetsnische (mihrab) verbringt Maria ihre Zeit im aufrichtigen Gottesdienst. Der mihrab – derselbe Begriff für den Abschnitt in der Moschee, der die Gebetsrichtung anzeigt. Maria ist allgegenwärtig im täglichen Gebetsritual und stets in muslimischer Erinnerung.

Zacharias findet sie vor mit speziellen Früchten und Gaben und ist überrascht: „Da wandte sich ihr Herr ihr gnädig zu und ließ sie in bester Weise in der Obhut Zacharias heranwachsen. Jedes Mal, wenn Zacharias zu ihr in die Gebetsstätte (des Hauses) eintrat, fand er bei ihr Nahrung. Er sagte: ‘Maria, woher hast du das?’ Sie sagte: ‘Es kommt von Gott. Gott versorgt wen Er will, ohne berechnen (zu müssen)‘“, (Al-i-‘Imran, Sure 3, 37).

Maria provoziert mit ihrer Antwort. Sie stellt die Kausalität in Frage. Gott ist der wahre Verursacher von Ursachen. Die Kausalität ist nur ein Vorhang, um uns herauszufordern und unsere Überzeugung zu prüfen.

Es ist nicht die Wolke, die den Regen schickt. Die Wolke hat kein Bewusstsein, keinen Verstand und hegt keine Barmherzigkeit. Es ist Gott – der wahre Barmherzige, der wahrhaftige Versorger, der uns und unsere Bedürfnisse kennt und auf sie angemessen antwortet. Genau dann und dort wird Zacharia von Marias tiefgründiger Antwort dazu bewegt, Gott um ein Kind zu bitten. Er erkennt, dass Gott ihm auch im hohen Alter einen Nachkommen schenken kann, weil er der Mächtigste ist:

„Da betete Zacharias zu seinem Herrn und sagte: ‘Mein Herr, schenke mir eine gute Nachkommenschaft (die Dir gefällig ist). Du bist es, der die Bitten erhört.’ Als er in der Gebetsstätte (des Hauses) stand, riefen ihm die Engel zu: ‘Gott verheißt dir (die Geburt) von Johannes, der (später) ein Wort Gottes bestätigen wird. Er wird ein Führer, ein keuscher Mann und ein Prophet unter den Rechtschaffenen sein.’ Er sagte: ‘Mein Herr, wie soll ich einen Sohn bekommen, wo mich bereits das (hohe) Alter erreicht hat und meine Frau unfruchtbar ist?’ (Der Engel) sagte: ‘So (wird es sein), Gott tut, was Er will.’“ (Al-i-‘Imran, Sure 3, 38-40)

Eine unendliche Inspiration

Ihr Leben ist eine unendliche Inspiration. Sie lädt diejenigen von uns ein, die in einer Welt der Kausalität operieren, die wahre Einheit Gottes zu bejahen und unsere Ansichten zu überdenken. Aber Maria ist auch manchmal selber überrascht, fast schon beängstigt, wenn ihr der Engel Gabriel erscheint und ihr die frohe Botschaft über die Geburt ihres Sohnes verkündet. Kann eine Frau ohne einen Mann ein Kind gebären? Für Gott – den wahren Verursacher der Ursachen – ist nichts unmöglich: 

„Und gedenke was in der Schrift über Maria (steht), als sie sich von ihrer Familie an einen östlich gelegenen Ort zurückzog und sich mit einem Schleier (vor möglichen Blicken) abschirmte. Da entsandten wir unseren Geist (Gabriel), der sich ihr in der Gestalt eines vollkommenen Menschen zeigte. Sie sagte: ‘Ich suche Zuflucht vor dir beim Allerbarmer. Wenn du ihn fürchtest (so nähere dich nicht von mir).’ Er erwiderte: ‘Ich bin nur ein entsandter (Engel) deines Herrn, um dir die frohe Botschaft eines reinen Sohnes zu verheißen.’ Sie sagte: ‘Wie sollte ich einen Sohn bekommen, wo mich kein Mann (je) berührt hat und ich keine Unzüchtige bin?’ Er sagte: ‘So sei es. Dein Herr hat gesagt: ‘Das fällt Mir leicht. Wir werden ihn zu einem Zeichen und zu einer Barmherzigkeit von Uns für die Menschen machen. Dies ist eine beschlossene Sache‘“, (Maryam, Sure 19, 16-21).

In der Lebenserfahrung der heiligen Maria sehe ich die Verzweiflung, Furcht aber auch die Hoffnung einer Mutter. Maria ist so natürlich, so menschlich, so nahbar. Als sie in der Wildnis alleine ihr Kind auf die Welt bringen muss, erinnere ich mich an die emotionalen und körperlichen Anstrengungen, die jede werdende Mutter während ihrer Schwangerschaft erfahren muss.

Maria, ohne jegliche Unterstützung und ohne jedwede Hilfe oder Ressource, ist nun komplett von der Außenwelt abgeschottet. Wie kann sie in dieser Wüste ihr Kind gebären und versorgen? Ein Kind ohne Vater? Ein Skandal! Ihre Gemeinschaft wird sie dafür steinigen. Eine Rückkehr ist zudem ausgeschlossen.

Ihre Aussichtslosigkeit und ihr Schmerz sind spürbar in ihren Worten. Sie ist am Ende. Sie möchte nur noch sterben: Während der Geburtswehen lehnte sie sich an den Stamm einer Dattelpalme und sagte: „O wäre ich doch zuvor gestorben und in Vergessenheit geraten“ (Maryam, Sure 19, 23).

Aber es ist genau in diesem intimen Moment der schmerzhaften Einsamkeit, der gewaltigen körperlichen Anstrengung, in der Gott, der Erlöser, seine Hilfe spürbar macht: „Da rief ihr (ein Engel) von unten her zu: ‘Sei nicht bekümmert. Dein Herr hat dir einen Bach zu Füßen gelegt, und wenn du den Stamm der Palme in deine Richtung schüttelst, so werden frische, reife Datteln auf dich herabfallen. Iss, trink und sei erfreut.’“ (Maryam, Sure 19, 24-26).

Maria – eine Inspiration für uns Heutige

Das Leben der Maria ist eine unendliche Inspiration. Ihre Persönlichkeit ist facettenreich. Wie konnte ich daher nicht meine Tochter nach ihr benennen? Meine Meryem wurde am 12. Dezember 2018 unter sehr schwierigen Umständen geboren und wurde von einem Lastwagenfahrer tragischerweise am 2. Dezember 2022 – zehn Tage vor ihrem vierten Geburtstag – getötet.

Meine christlichen und jüdischen Mitmenschen haben in dieser schwierigen Zeit genau wie meine muslimische Gemeinde für meine Meryem und Familie gebetet. In Kirchen und Synagogen wurden Gebete für sie gesprochen.

Für mich war das eine Antwort auf mein Gebet: Meryem hat Menschen auf wundersame Weise zusammengeführt, sie tief in ihrem Herzen erreicht und zum Umdenken bewogen. Ihre Geburt war ein Wunder, aber auch ihr Tod hat zu einem tiefen spirituellen Erwachen von so vielen Menschen geführt. Darüber habe ich hier so viel reflektiert.

Meryem kam im US-Bundesstaat Virginia auf die Welt und wurde im Bundesstaat Maryland beerdigt. Beide Staaten führen ihren namentlichen Ursprung auf die heilige Maria zurück. Für mich kein Zufall. Sie verbindet uns immer noch.

Gottes Barmherzigkeit war Marias stetiger Begleiter. Sie verlässt uns niemals – auch nicht im tiefsten Schmerz. Als trauernde Mutter weiß ich, dass der Verlust eines Kindes die größte Tragödie im Leben eines Menschen ist. Ich vermisse meine Meryem jede Sekunde.

Der Herzschmerz und die süße Sehnsucht wird nie vergehen. Aber durch das Vorbild der heiligen Maria habe ich Hoffnung. Meine unerschütterliche Überzeugung, dass mein barmherziger Schöpfer uns mit unseren Liebsten im Jenseits wieder vereinen wird, gibt mir genug Kraft und Geduld diesen schmerzhaften Weg zu gehen.

* Dr. Zeyneb Sayılgan ist Islamwissenschaftlerin am Institut für Islamische, Christliche und Jüdische Studien in Baltimore, USA. Als Kind kurdischer Migranten aus der Türkei ist sie in Mainz geboren und aufgewachsen, bis sie im Jahr 2006 in die Vereinigten Staaten auswanderte. Ihre Forschung setzt sich mit dem theologischen Gedankengut des muslimischen Gelehrten Bediüzzaman Said Nursi (1876-1960) auseinander. Hierzu moderiert sie den Podcast Begegnung mit dem Islam: Weisheiten aus der Risale-i Nur.

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Traditionen: Etwas bewahren, bevor es verschwindet

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Weibliche Gelehrte: Es besteht weiterhin Nachholbedarf

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Bei weiblichen Gelehrte besteht in vielen muslimischen Communities ein Mangel. Die Gründe dafür sind vielfältig. (Traversing Tradition). Man braucht wirklich mehr weibliche Gelehrte – diese Aussage ist immer wieder in […]

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Frauen und Sexualität: Zum Recht der Frau auf Erfüllung

Frauen und Sexualität: In der Debatte dieses Themas kommt es häufig zu Verzerrungen und Missverständnissen. Häufig zitieren Fernsehprediger und viele Männer isolierte Zitate islamischer Quellen aus ihrem Kontext, um mit […]

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Frauen, Propaganda und Irakkrieg – Buchvorstellungen aus der aktuellen Ausgabe

frauen Recht extreme

Frauen, Propaganda und Irakkrieg: Vier aktuelle Bücher, vorgestellt von Massouda Khan.

Heißes Eisen: Frauen im islamischen Recht

(iz). Zu den inhaltlichen Dauerbrennern gehören alle Themen, die sich unter dem Schlagwort „Frauen im Islam“ subsumieren lassen. Eines dieser „heißen Eisen“ ist die Hypothese, sie seien strukturell benachteiligt im „islamischen Recht“.

Schaikh Muhammad ibn Qasim Al-Ta’will (Mufti von Fes, der an der Zentralmoschee der Qairawiyyin lehrt) hat mit der englischen Übersetzung „There is no Male-Preference in Islamic Law“ seines gleichnamigen arabischen Buches einen wichtigen Beitrag zur Vertiefung der Debatte im US-amerikanischen Verlag Lamppost veröffentlicht.

Das Buch weist die weit verbreitete Behauptung, der Islam sei von Natur aus männlich geprägt und benachteilige die Frauen, als falsches Stereotyp zurück, das mit dem Ziel verbreitet werde, Musliminnen und andere von ihrer einzigartigen moralischen Tradition zu entfremden.

Foto: Rawpixels | Freepik

Manche Gegner habe sich die Unkenntnis der Muslime über ihre Religion durch die Kolonialisierung und ihre kolonialen Befürworter zunutze gemacht, indem sie die religiöse Erziehung untergraben, den Islam aus dem öffentlichen Leben entfernen und ihn durch säkulare Gesetzbücher ersetzt haben, wodurch die muslimische Kultur verändert wurde.

Das Buch ist in drei Kapitel unterteilt: (1) eine Einleitung; (2) ein Kapitel, das die Behauptung der männlichen Voreingenommenheit im Fiqh widerlegt; und (3) ein drittes Kapitel, das die Geheimnisse hinter den rechtlichen Unterschieden zwischen Männern und Frauen beleuchtet.

Der Autor erklärt in seiner Einleitung, dass der Hauptgrund für die Verwirrung der Islamkritiker in einer Fehlannahme bestünde. Diese würden dem Trugschluss unterliegen, die Rolle von Juristen darauf zu verengen, ihre Urteile nach dem männlichen Vorteil auszurichten.

Al-Taʾwīl weist diesen Irrtum zurück. Er stellt klar, dass die Aufgabe des Rechtsgelehrten immer nur darin besteht, die Offenbarung zu erläutern. Sie kommen zu ihrem Wissen auf Grundlage der ihnen zur Verfügung stehenden Interpretationswerkzeuge.

Wenn es zu Irrtümern kommt, beruht dieser darauf, dass die Quellen nicht verstanden und die Rechtsgrundsätze falsch angewandt werden, nicht an der Feindseligkeit gegenüber Frauen oder an geistiger Korruption. Zu den Themen, die in Kapitel 2 behandelt werden, gehören das Recht der Frau, Moscheen zu besuchen, die Rolle, die sie in ihrer eigenen Ehe spielt, die finanziellen Rechte einer Geschiedenen und einer Witwe und so weiter.

Der Autor hebt in jedem Unterabschnitt Fälle von männlichen Rechtsgelehrten hervor, die sich für die Interessen der Frauen einsetzten, während ihre weiblichen Kollegen sich gegen dieselben Interessen stellten. Dies geschieht, um die Tatsache zu unterstreichen, dass weder maskuline oder feminine muslimische Rechtsgelehrte in ihren juristischen Überlegungen von der Liebe zu ihrem eigenen Geschlecht oder vom Hass auf das andere motiviert sind. (Dr. Abdullah bin Hamid Ali)

* Shaykh Muhammad Al-Ta’will, There Is No Male Preference in Islamic Law, Lamppost 2022, Paperback, 77 Seiten, ISBN 9780976970880, Preis kann je nach Anbieter variieren.

Frauen: Einblicke aus der Binnenperspektive

Bücher zum Thema „Frauen“ sind beinahe so alt, wie es in Deutschland schon „Islamdebatten“ modernen Typos gibt. Gekennzeichnet sind sie entweder durch eine „objektive“ Perspektive von außen, ohne das Musliminnen als Subjekte wahr- und ernstgenommen werden. Oder aber sie sind aus radikaler Sichtweise geschrieben, welche die oft grellen Erinnerungen der Autorinnen verallgemeinern.

Es hat Jahre gebraucht, bis sich die weibliche Binnenperspektive von Musliminnen einen Weg bahnen konnte. Mittlerweile hat sich das bis zu einem gewissen Grad geändert. Der neue, bei Patmos erschienene Band „Heraus aus dem Schatten. Musliminnen erzählen, wie sie wirklich leben“ vereint 25 Selbstzeugnisse gebürtiger Musliminnen und „Konvertitinnen.

Herausgegeben wurde das Buch gemeinsam von der Künstlerin und Volkswirtschaftlerin Sabine Megharia, von Lehrerin und Trainerin für Resilienz Amina Salaho, der studierten Ernährungswissenschaftlerin Suhila Thabti-Megharia sowie der Architektin und Fachfrau für Städtebau Sara Zorlu.

36 sehr unterschiedliche Frauen – mit diversen Bildungshintergründen und Herkünften – wollen mit ihren Texten dazu einladen, sie jenseits von Klischees „über Muslime“ kennenzulernen. „Die Beiträge zeichnen ein buntes, vielfältiges Bild über das Leben und den Glauben moderner muslimischer Frauen im deutschsprachigen Raum“, schrieb der Patmos Verlag in einer Ankündigung.

* Megharia, Salaha, Thabti-Megharia, Zorlu (Hg.), heraus aus dem Schatten. Musliminnen erzählen, wie sie leben, Patmos Verlag 2023, Hardcover, 258 Seiten, ISBN 978-3-8436-1432-0, Preis: EUR 24.-

Foto: Shutterstock

Einführung in Propaganda mit leichten Schwächen

Es gehört zu den banalen Gemeinplätzen, dass die Wahrheit das erste Opfer des Krieges ist. Mit mindestens der gleichen Berechtigung ließe sich sagen, dass die Opfer die erste Wahrheit eines Krieges sind. Wie dem auch sei: Nicht erst seit der Erfindung des Internets spielen Propaganda und Medienmanipulation in bewaffneten Konflikten eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Nun hat der Historiker, Autor und Journalist Christian Hardinghaus mit „Kriegspropaganda und Medienmanipulation. Was Sie wissen sollten, um sich nicht täuschen zu lassen“ eine kompakte Einführung und – in gewissem Sinne – einen Ratgeber für mehr Medienkompetenz im Europaverlag veröffentlicht.

In fünf Kapiteln widmet sich Hardinghaus kompetent und verständlich seinem Dreiklang: Propaganda erkennen, verstehen und entlarven. Im Kernteil des Buches analysiert er nach einer Einführung in die Methoden und Prinzipien der Kriegspropaganda Schlüsselkonflikte des 20. und 21. Jahrhunderts: die beiden Weltkriege, Vietnam, den zweiten Golfkrieg 1990-91, den Kosovo-Krieg, den Irak-Krieg 2003 und Syrien als Beispiel für digitale Informationskriege. Im fünften Kapitel geht es um die Gegenwart: die Propaganda beider Seiten im russischen Krieg gegen die Ukraine.

Unabhängiger Journalismus ist für den Autor nicht nur in Kriegsgebieten unmöglich geworden, sondern steht auch in Deutschland „auf dem Prüfstand“. Umso wichtiger sei es, „dass wir als Medienkonsumenten und demokratische Bürger nicht nur über die Gefahren der Propaganda aufgeklärt werden, sondern auch alle ihre Methoden kennen, um uns vor Manipulationen aller Art weitestgehend schützen zu können“.

An dieser entscheidenden Stelle zeigt sich eine der grundsätzlichen Schwächen von Hardinghaus, die verhindern, dass aus dem nützlichen Buch ein hervorragendes wird. Seine Beispielsammlung – wie im zentralen Kapitel über Kriege – ignoriert alle Konflikte der letzten 100 Jahre, die von nicht-westlichen Akteuren ausgelöst wurden. 

Darüber hinaus ignoriert der Autor viele Lektionen der letzten Jahre über die Nutzung sozialer Plattformen durch populistische Bewegungen oder ausländische Regierungen. So bleibt am Ende der Eindruck, Propaganda sei nur ein Problem der deutschen (und westlichen) Medien beziehungsweise Politik. (Sulaiman Wilms)

* Dr. phil. Christian Hardinghaus, Kriegspropaganda und Medienmanipulation. Was Sie wissen sollten, um sich nicht täuschen zu lassen, Europaverlag 2023, gebunden, 232 Seiten, ISBN 978-3-95890-563-4, Preis: EUR 24.–

Irak-Krieg

Foto: VRD, Adobe Stock

Erinnerungen an Saddams Fall

Vor 20 Jahren begann der jahrelange Krieg im Irak. Seine fatalen Folgen in der Region halten an.

Nun hat der Journalist Ghaith Abdul-Ahad seine englischsprachigen Memoiren „A Stranger in Your Own City“ über diese verheerende Phase nahöstlicher Geschichte veröffentlicht.

Historiker und Journalisten befassen sich weiterhin mit Rechtfertigungen und Motiven des Krieges. „A Stranger in Your Own City“ – eine „Dezentrierung des Westens in der Geschichte und gegenwärtigen Situation der Region“ – ist ein herausragendes Werk in diesem gesättigten Feld. (Cyma Hibri)

* Ghaith Abdul-Ahad, A Stranger in Your Own City: Travels in the Middle East’s Long War, Knopf 2023, gebunden, 320 Seiten, ISBN 978-0593536889, Preis: EUR ab 29,75 (weitere Formate erhältlich)

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Taliban: Rechte der Afghanen liegen am Boden

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Taliban seit zwei Jahren an der Macht: Alle Hoffnungen auf eine halbwegs gemäßigte Herrschaft waren vergebens. (KNA). Die schnelle Einnahme Kabuls durch die Taliban am 15. August 2021 und der […]

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Muslimische Frauen oder die trügerische Kunst der Darstellung

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Darstellung: Muslimische Frauen werden weiterhin auf bildlich in stereotype Schablonen gepresst. (Amaliah.com). Vor allem Musliminnen haben von der trügerischen Kunst, in den Medien „dargestellt“ zu werden, nur wenig profitiert. In […]

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Herausragende Frauen als Vorbilder nicht vergessen!

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Herausragende Frauen wie Gelehrte, Sufi-Meisterinnen und Herrscherinnen spielten in vielen Perioden der muslimischen Geschichte eine herausragende Rolle.  Allerdings ging das Wissen über sie in Phasen des Verfalls beinahe vollständig verloren. […]

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Außenminister rufen Taliban zur Achtung der Menschenrechte auf

Taliban

Seit der Machtübernahme der Taliban sei die Achtung der Menschenrechte von Frauen und Mädchen weltweit mit am stärksten zurückgegangen.

Berlin (dpa/iz). Außenministerinnen und -minister aus mehr als 20 Staaten rufen die Taliban in Afghanistan auf, alle Entscheidungen und Praktiken rückgängig zu machen, die Frauen und Mädchen in der Ausübung ihrer Menschenrechte und Grundfreiheiten einschränken.

In Afghanistan sei die Achtung der Menschenrechte von Frauen und Mädchen in den vergangenen anderthalb Jahren weltweit mit am stärksten zurückgegangen, heißt es in der am Mittwoch veröffentlichen Stellungnahme, die auch von Deutschland unterstützt wird. Afghanischen Frauen und Mädchen werde der Zugang zu Bildung, zu öffentlichen und politischen Räumen und zu Arbeitsmöglichkeiten verwehrt.

Foto: John Smith, Shutterstock

Auch Muslime wenden sich an Taliban

Zu weiteren Unterzeichnern zählen unter anderem Australien, Frankreich, Italien, Japan, Saudi-Arabien, Katar, Spanien, Großbritannien, die USA und die Vereinigten Arabischen Emirate. Länder wie Saudi-Arabien und Katar stehen selbst wegen Menschenrechtsverletzungen international in der Kritik.

Foto: John Smith, Shutterstock

Seit der Machtergreifung der militant-islamischen Taliban im August 2021 sind die Freiheiten der Frauen in Afghanistan stark eingeschränkt worden. So dürfen sie keine höheren Schulen und seit Ende vergangenen Jahres keine Universitäten mehr besuchen.

Auch ist ihnen mittlerweile der Besuch von öffentlichen Parks und Fitnessstudios untersagt. Ende des Jahres sprachen die Taliban ein Berufsverbot für afghanische Frauen bei Nichtregierungsorganisationen aus, mit Ausnahmen weniger Bereiche.

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Muslimische Köpfe in England: Zara Mohammed

Anfang 2021 hat Großbritanniens größter demokratischer muslimischer Dachverband einen neuen Generalsekretär gewählt. Zara Mohammed wurde von den Mitgliedsorganisationen des Muslim Council of Britain (MCB) gewählt. Sie trat die Nachfolge von […]

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