Halal-Business: Stand der Zertifizierung: ein Bericht von Norbert Müller

Hamburg (iz). Nach einer doch längeren Vorlaufzeit an Vorbereitungen und Diskussionen konnte nun ein Durchbruch für einen einheitlichen Halal-Standard in Deutschland erzielt werden: Schon am 26. Januar war von mehreren islamischen Verbänden, ­Halal-­Zertifizierern und Halal-Produkte anbietenden Unternehmen eine „Gütegemeinschaft Halal-Lebensmittel“ gegrün­det worden. Jetzt erfolgte die Anerkennung durch das Deutsche Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung (RAL) in St. Augustin.

Das Problem ist bekannt: Der Markt für Halal-Produkte in Deutschland expandiert, aber alle beklagen eine totale Unübersichtlichkeit hinsichtlich Halal-Kriterien und Halal-Nachweisen. Jeder deklariert seine Produkte nach eigenem Gutdünken als „halal“ und es existieren unzählige Gütesiegel, deren Hintergrün­de teilweise kaum transparent sind. Vor einiger Zeit ergriffen einige Halal-Zertifizierer zusammen mit Vertretern muslimischer Verbände und interessierten Unternehmen die Initiative. Es müsse, so die Absicht, doch möglich sein, auf dem Halal-Markt ein gemeinsames ­Gütesiegel aufgrund gemeinsamer, von den wichtigs­ten Verbänden der Muslime in Deutschland legitimierter Kriterien sowie einem festgelegten Verfahren der Kontrolle und Überwachung zu etablieren.

Ein Blick über Tellerrand zeigte im übrigen, dass auch in anderen Branchen ähnliche Probleme wie hier mit „halal“ bestehen. Ob nun Bio-Produkte oder Baustoffe – auch hier stellte sich für den Verbraucher die Frage nach bestehenden Standards und deren Überwachung. In vielen Fällen hat sich das ­RAL-Gütesiegel als Weg zur Qualitätssicherung ergeben, da Kriterien und Überwachung hier durch RAL institutionell garantiert sind. Warum sollte also dies für „halal“ nicht möglich sein? So ergab sich eine Koo­pe­ration mit RAL und die Idee einer Halal-Gütegemeinschaft.

Der Weg dorthin erwies sich jedoch als nicht unkompliziert. Während die Zertifizierer feststellten, weitgehend in gleicher Weise für die diversen gewerblichen Kunden der Halal-Branche die Prüfverfahren durchzuführen und sich auch schon zuvor Kooperationen ­ergeben hatten, bestand bei den Verbänden eini­ger Klärungsbedarf. Teilweise waren noch immer selbst grundlegende Fragen wie die Zulässigkeit vorheriger Betäubung bei der Schlachtung nicht geklärt.

Den Durchbruch brachte dann eine Halal-Fachtagung – im September 2011 in Bremen veranstaltet von den islamischen Landesverbänden und unter Beteiligung mehrerer Bundesverbände. Gerade der hier erfolgte Vortrag der theolo­gischen Positionen wies den Beteiligten die Basis eines gemeinsamen Handelns.

Nun konnte die Gründung der ­­Güte­gemeinschaft Halal-Lebensmittel in ­An­griff genommen werden, die am 26. Januar erfolgte. Gründungsmitglieder sind unter anderem auf Seiten der islamischen Verbände Islamrat, IGMG, IGD sowie die SCHURA-Verbände aus Hamburg und Bremen, die Zertifizierer EHZ, Halal-Europe, m-haditec und ECT sowie Unter­nehmen mit Halal-Produkten. Alle Grün­der einigten sich auf eine gemeinsame Halal-Defintion sowie Güte- und Prüfbestimmungen für Lebensmittel. Nach­dem zuvor schon ein umfangreiches Prüfverfahren unter Beteiligung der maßgeb­lichen Fach- und Verkehrskreise durchgeführt worden war, erfolgte nunmehr die offizielle Anerkennung der Gütegemeinschaft durch RAL.

Hintergrund: Halal-Wirtschaft diskutierte auf dem World Halal Forum die Zukunft Von Malik Özkan

(iz). Der globale Halal-Markt ist nach wie vor ein dynamischer Wachstumsmarkt. Zahlreiche muslimische und nicht-muslimische Anbieter bieten unter anderem Lebensmittel, Dienstleistungen und Finanzprodukte an und streiten um die Gunst von Millio­nen muslimischer Konsumenten. Etwa 60 Prozent der muslimischen Bevölkerung der Welt ist unter 30 Jahre alt.

„Es geht uns dieses Jahr in erster ­Linie um unsere Konsumenten“, stellte Orga­nisatorin Jumaatun Azmi schon zu Beginn des World Halal Forums in Kuala Lumpur Anfang April klar. Das vielbeachtete Forum wird von der malaysischen Regierung gefördert. Im Kongresszentrum trafen so 600 Teilnehmer und 30 Redner aus aller Welt unter dem Motto „Innovation und Inspiration“ zusammen. In den verschiedenen Foren trafen islami­sche Gelehrte auf Geschäftsleute und Akademiker auf Konsumenten.

Die dynamische Geschäftsfrau Azmi hat mit ihrer Mediengruppe Kasehdia das Forum auf den Weg gebracht und zur wohl wichtigsten Kontaktbörse von Halal-Anbieter und Konsumenten ausge­baut. „Wir wollen nicht nur die industriellen Anbieter stark machen, sondern auch die muslimischen Konsumenten“, stellt sie ihre Motivation klar. Im ­Umfeld des Forums besteht durchaus die Sorge, dass die Halal-Industrie von mächtigen, nichtmuslimischen Produzenten beherrscht werden könnte. Am Rande des Treffens wurde bekannt, dass das WHF eventuell seinen Standort wechselt und in die Türkei übersiedelt.

Auch dieses Jahr widmete sich die Konferenz den üblichen Themen zwischen den bekannten Halal-Angeboten, den Interessen der Industrie, aber auch dem Verbraucher- und Konsumentenschutz. Vorgestellt wurden auch neue Halal-Projekte im wachsenden Markt der ­sozialen Medien. Das Internet ist als Kontaktbörse und als virtueller Marktplatz längst auch in der islamischen Welt eine ­Zukunftsbranche.

Natürlich ging es auch um die klassischen Fragen der Lebensmittelindustrie. Ganz oben auf der Tagesordnung stand aber 2012 auch der Tierschutz. Es gibt einen starken Trend hin zu „Bio & Halal“. Alle Teilnehmer erklärten den Tierschutz und eine tiergerechte Haltung zu einer Priorität von Anbietern und Verbrauchern. Viele Probleme entstünden für die islamische Rechtslehre durch die industrielle Produktion von Lebensmitteln. Es genügt nicht nur die Tiere nach islamischen Regeln zu schlachten, sondern sie müssen auch tiergerecht gehalten und versorgt werden. Die Zertifizie­renden im Bereich der Tierhaltung werden daher zunehmend strenger und professioneller gehandhabt. Hier gibt es in der islamischen Welt aber auch noch einigen Nachholbedarf.

In einem weiteren Panel erklärte Rechtsanwalt Abu Bakr Rieger zunächst die rechtlichen Probleme einer globalen Zertifizierung und warnte gleichzeitig vor einer Überregulierung. „Schon jetzt ist es nicht einfach für den Verbraucher, die verschiedenen Halal-Marken und Standards zu verstehen“, bemerkte er. Außerdem befürchten manche Muslime, dass durch globale Halal-Standards kleinere Anbieter aus dem Markt gedrängt werden könnten. Die Aussicht auf einen einheitlichen Standard stuften die Podi­umsteilnehmer dann auch eher pessimis­tisch ein. Bisher hätten überhaupt nur 10 Länder der 57 OIC-Staaten ­spezielle schriftliche Regeln für den Halal-Markt ausgearbeitet. Das Kernproblem ­globaler Standards brachte Rieger auf den Punkt: „Recht braucht Autorität.“ Um diese Autorität in Sachen Halal streiten im Moment verschiedene islamische Länder.

Vielbeachtet waren auf dem WHF auch die Podien rund um die verschiedenen Finanzprodukte. Im dritten ging es dabei um Grundsätzliches. Zum ­ersten Mal diskutierte das WHF den wachsenden Goldmarkt und die erfolgreiche Einführung von „Halal Money“ in einigen asiatischen Regionen. Der „Golddinar“ und der „Silberdirham“ werden inzwischen von diversen Anbietern – private und öffentliche“ wieder auf dem Geldmarkt in ganz Asien angeboten. Über Jahrhunderte handelten Muslime mit den bekannten Gold- und Silbergewich­ten. Heute gibt es in Malaysia ­zusätzliche moderne Bezahlsysteme – natürlich ohne Zins und auf Grundlage der alten Einheiten. „Islamic Banking” dagegen wird als Kopie einer un-islami­schen Technik auf Grundlage spekulativen Geldes abgelehnt. Eine der bekann­testen Initiativen war bisher der Kelantan Gold Dinar, die in dem malysischen Bundesstaat offiziell eingeführt wurde und unter der Leitung des spanischen Muslims Umar Ibrahim Vadillo für viel Aufsehen sorgt.

Hierbei geht es den Initiatoren nicht nur um Geld, sondern auch um ein Netzwerk islamischer Märkte, Verträge und die Stärkung des internationalen Handels. Dr Ahmet Mydin Meera von der Islamische Universität Kuala Lumpur ordnete die Bedeutung dieser Geldreformen als sinnvoll ein. „Wir in Malaysia wissen, dass die Finanz­krise dauerhaft sein wird. Ein Zusammenbruch des Geldsystems auf Grundlage von Papier ist rational unausweichlich“, stellte der Volkswirt fest.