Frankreichs Nationalversammlung für Anerkennung Palästinas

Jetzt stimmen auch Frankreichs Parlamentarier für die Anerkennung eines Staates Palästina. Das zwingt die Regierung aber nicht, dem zu folgen. Sie setzt zunächst noch auf eine baldige Verhandlungslösung.

Paris (dpa). Die französische Nationalversammlung hat für eine Anerkennung eines Staates Palästina neben Israel gestimmt. Mit 339 gegen 151 Stimmen riefen die Abgeordneten die linke Regierung auf, diesem politischen Schritt zu folgen.

Die Entscheidung der Kammer ist nur symbolisch und für die Regierung unter Staatspräsident François Hollande nicht bindend. Der Entschließungsantrag dazu war von der Parlamentsmehrheit der Sozialisten eingebracht worden. Sie setzte die Resolution auch gegen den Widerstand des konservativen Lagers durch.

Frankreich will Palästina nach den Worten von Außenminister Laurent Fabius dann als Staat anerkennen, wenn es nicht in naher Zukunft eine Verhandlungslösung im Nahostkonflikt gibt. Paris unterstütze Pläne der Vereinten Nationen für einen weiteren Verhandlungsspielraum von zwei Jahren, hatte er während einer Debatte der Nationalversammlung gesagt: „Wenn diese Anstrengungen scheitern, und wenn dieser letzte Versuch für eine Verhandlungslösung keinen Erfolg hat, dann wird Frankreich seine Verantwortung mit der unverzüglichen Anerkennung des Staates Palästina wahrnehmen“. Fabius fügte hinzu: „Wir sind bereit.“

Befürworter erhoffen sich von der Anerkennung einen Beitrag zur Lösung des Nahostkonflikts. Der sozialistische Fraktionschef Bruno Le Roux hatte es unakzeptabel genannt, dass der Weg zum Frieden zwischen Israelis und Palästinensern täglich schmaler werde: „Palästinensische und israelische Politiker müssen ihre Verantwortung übernehmen.“ Über die Palästina-Resolution soll am 11. Dezember der Senat abstimmen.

Bisher haben weltweit 135 Länder Palästina als souveränen Staat anerkannt. Die Parlamente in London und Madrid votierten ebenfalls für einen Staat Palästina; auch dort ist dies keine Verpflichtung für die Regierungen. Die meisten westlichen Länder vertreten wie die USA oder Deutschland die Auffassung, dass ein palästinensischer Staat erst nach einer Friedenslösung anerkannt werden sollte.

,

Kommentar von Martin Zabel zur französischen Intervention in Mali

Berlin (iz). Es ist schon paradox und an Tragik kaum zu übertreffen – französische Armeeeinheiten befreien eine Stadt, die allgemein hin als eine der wichtigsten Stätten muslimischer Gelehrsamkeit gilt. Und […]

IZ+

Weiterlesen mit dem IZ+ (Monatsabo)

Mit unserem digitalen Abonnement IZ+ (Monatsabo) können Sie weitere Hintergrundbeiträge, Analysen und Interviews abrufen. Gegen einen Monatsbeitrag von 3,50 € können Sie das erweiterte Angebot der Islamischen Zeitung sowie das ständig wachsende Archiv nutzen.

Abonnenten der IZ-Print sparen beim IZ+ Abo 50%.

Wenn Sie bereits IZ+ Abonnent sind können Sie sich hier einloggen.

* Einfach, schnell und sicher bezahlen per Paypal, Kredit-Karte, Lastschrift oder Banküberweisung. Das IZ+ Abo verlängert sich automatisch um einen Monat, wenn es nicht vorher gekündigt wurde. Sie können ihr bestehendes Abo jederzeit auf der Mein Konto-Seite kündigen.

Die Lage ist schwierig und entzieht sich dem Schwarz-Weiß-Denken. Von Abu Bakr Rieger

(iz). Es ist der Beginn einer literarischen Karriere. Schiller schreibt die „Räuber“ und kehrt dabei geläufige moralische Bilder um. Die Guten sind auch böse, die Bösen auch gut. Die Lehre aus dem Meisterwerk, das in seiner Zeit einen Skandal auslöst, fällt mit dem Beginn einer neuen Epoche zusammen. Sie entzieht sich dem alten Schwarzweiß-Denken und öffnet neue, größere Entscheidungsräume. Es wird schwerer, sich eindeutig auf der Weltbühne zu positionieren. In jedem Moment offenbart sich eine neue Wirklichkeit, die man immer neu und mit höheren Maßstäben beurteilen muss; fixe Ideologie und feste Parteiungen trüben dagegen eher den Blick. Schiller schult auf seiner Bühne den Blick auf das Geschehen, ohne schnelle und eindeutige Lösungen der absoluten Wahrheitsfindung anbieten zu können.

Der Konflikt in Mali, der heute unsere Aufmerksamkeit beansprucht, entzieht sich ebenfalls einer einfachen Einordnung. Die Schwierigkeiten der Sichtung beginnen schon bei den aktiven Konfliktparteien: sind es Staaten oder Unternehmen, Muslime, Terroristen oder Nationalisten? Wer wird von wem benutzt? Die Räuber sind eine bunte Truppe geworden, deren Uniformen, soweit sie welche tragen, im Wüstenstaub Malis nur schwer zu erkennen sind. Auf Seiten der Rebellen kämpfen Tuareg-Nationalisten, einige salafitisch angehauchte Gruppen, Kriminelle und vermutlich auch der eine oder andere „Agent provocateur“. Natürlich darf man auch spekulieren, wer den Rebellen die üppige Ausrüstung zur Verfügung gestellt hat.

Was wissen wir wirklich? Seit 1961 hat Frankreich dutzende Male in Afrika interveniert. Dabei ging es zweifellos um den Schutz dubioser Diktatoren, um Rohstoffe und um imperiale Ziele. In diesen Staaten bildeten sich diverse, teilweise bewaffnete Gegenbewegungen, die mit nationalistischen, islamischen oder kommerziellen Motiven gegen die Herrschaft mobil machte. Mangels entsprechender Ausbildung und Bildung überhaupt, vermischten sich auch die genannten Motivationen der Gegner der offiziellen Staaten, zu einem undurchsichtigen und zugleich explosiven Gemisch.

Es ist beinahe eine Binsenweisheit: In Afrika sind nicht nur Staaten am Ball. Es geht hier weniger um die klassische Verteidigung von Grenzen als um die Sicherung von „Claims“. Viele Konzerne aus der Rohstoffbranche unterhalten Söldner und eigene private Sicherheitsstrukturen. Bis zum heutigen Tag sind „marodierende“ Unternehmen, wie sie Arundhati Roy nennt, an zahlreichen Konflikten in Afrika beteiligt. Es ist kein Geheimnis, dass große Teile der französischen Uranversorgung aus dem Niger, dem Nachbarland Malis, kommen. Wer die Bedeutung der Atomenergie für Frankreich kennt, dem ist klar, dass ein europafeindliches Regime in Mali und die Destabilisierung einer ganzen Region kaum im Interesse der „Grande Nation“ sein dürfte.

Kriege werden also längst nicht mehr nur im geopolitischen Interesse von Staaten geführt, sondern sie werden auch zum Vorteil von börsennotierten Unternehmungen organisiert. Das sind die alten Sensationen aus Afrika, die, ob es gefällt oder nicht, aus der Realität des Kontinents nicht wegzudenken sind. Längst gefährden die ökonomischen Interessen der USA, Europas und Chinas den Frieden und den bescheidenen Fortschritt des ganzen Kontinents.

Der Kampf in Mali mag nun der Einfachheit halber ebenfalls in die Kategorie der Rohstoffkriege abgelegt werden, wäre da nicht das Phänomen, das eine souveräne Position hin und wieder auszeichnet: das Erkennen von Ausnahmen.

Die Horden – so genannter – „Islamisten“ in der Region sind tatsächlich nicht nur ein lokales Ärgernis, das eventuell die französische Energieversorgung gefährden könnte, sondern sie stellen auch aus anderen Gründen eine schwerwiegende Gefahr dar. Die Frage ist nur: eine Gefahr für was oder wen?

Markus Kaim von der Berliner Stiftung und Wissenschaft hält in einer Analyse des westlichen  „Konfliktmanagements“ (was für ein Begriff!) den Ball zunächst eher flach: eine Bedrohung Europas und Deutschlands durch Terroristen aus Mali sei eher unwahrscheinlich. Das mögliche Engagement der Bundeswehr, so der anerkannte Berliner Think Tank, sei in dem Konflikt militärisch kaum von großer Bedeutung. Aber, so die Analyse weiter, Europa müsse auf Dauer mehr Engagement im weiteren Mittelmeerraum zeigen, da sich die USA nicht weiter in militärische Auseinandersetzungen am Boden beteiligen wolle. Der deutsche Verteidigungsminister de Maiziere bereitet schon länger die deutsche Öffentlichkeit auf neue Auslandseinsätze vor. Der Minister ist der Überzeugung, dass es für Deutschland schwieriger werden wird, sich aus dieser Art Konflikte, zumal in der Nähe der Außengrenzen der Europäischen Union, auf Dauer herauszuhalten.

Aber, die Eroberung, oder wohl eher nur die Destabilisierung einer Region in Afrika durch eine radikale Extremistengruppe ist natürlich auch für Berlin ein Problem, ein Ärgernis eben, dass aber nicht nur die Sicherheitsinteressen Europas, sondern durchaus auch die Interessen der Muslime in aller Welt betrifft. Wieder einmal könnte die absolute Mehrheit der Muslime, hilflos dem Treiben einer Kleingruppe, die im Namen des Islam handelt, ausgesetzt sein. Der traditionelle Islam befindet sich schon in großen Teilen Afrikas in Bedrängnis. In Mali schaffen zudem zahlreiche sektiererische Gruppen eine schwer überschaubare Lage. Sie sind auch in Drogenhandel und Menschenhandel verstrickt und könnten das Land auf Dauer unregierbar machen. Auf qantara.de spricht der Führer von Ansar Dine (nicht zu verwechseln mit einer ähnlich benannten Terrorgruppe), Ousmane Haidara, einer sufischen Gruppierung mit immerhin 2 Millionen Mitgliedern in Mali, Klartext: „In Mali geht es nicht um die Scharia, sondern um Banditentum“.

Neben der realen Möglichkeit der Entstehung eines Rückzugsgebietes für Terroristen, bringt die (angebliche) Anwendung des islamischen Rechts, durch ungebildete Horden in der Region, vor den Augen der Weltöffentlichkeit, wunderbare Assoziationsmöglichkeiten für all diejenigen, denen es in Wirklichkeit darum geht, den Islam zu schädigen. Begriffe und Schlagworte wie „Scharia“ oder „islamischer Terrorismus“ stehen bei bestimmten Medien wieder hoch im Kurs. Natürlich sind einige tausend Rebellen und ihre dubiosen Gruppierungen mitsamt ihrer zynischen Glaubensausübung im Weltmaßstab von über einer Milliarde Muslime völlig isoliert.

Die ignoranten Zerstörungen in Timbuktu, einem Welterbe islamischer Kultur, sprachen bereits Bände über den verwirrten ideologischen Kern der Bewegung. Die Rebellen sollen unter Anderem die Bibliothek der berühmten Stadt beschädigt und zahlreiche Bücher, statt sie zu studieren, verbrannt haben. Die Generalsekretärin der UNESCO hatte sich bereits letzten Jahres zu Recht über diese Taten öffentlich empört.

Für muslimische Beobachter ist aber völlig klar: Wer die isoliert agierenden Rebellen und Gruppen in den Rang einer „offiziellen“ muslimischen Bewegung befördern will, dem geht es in Wirklichkeit um eine Kampagne gegen den Islam.  Durchsichtig sind zum Beispiel die Versuche der rechtsextremen Front National in Frankreich, zu behaupten, die Rebellen würden von den Golfemiraten finanziell unterstützt. Hier bastelt die europäische Rechte am Mythos reicher Araber, die den Untergang französischer Soldaten befördern wollen. Für die französischen Rassisten passt das perfekt in ihre Agitation gegen die in Frankreich lebenden Afrikaner aus der Sahelzone.

Wer ein wenig nachdenkt und über ein bisschen Geschichtsverständnis verfügt, wird diese Kampagnen schnell durchschauen. Über Jahrhunderte waren islamische Gelehrte in Afrika nicht nur durch eine umfassende Bildung, sondern auch durch Nachsicht, Vorsicht und Rücksicht gekennzeichnet. In Afrika stammte kein  unerheblicher Teil ihres Wissens aus der berühmten Bibliothek in Timbuktu. Sie verkörperten – charakterlich ausgezeichnet – als ehrwürdige Persönlichkeiten das Recht. Die radikale Umsetzung einer lebensfernen, ideologischen Systematik war ihnen so fern, wie die tägliche Reflexion über das tiefere Wesen der Gerechtigkeit ihnen nah war. Besonders widerlich sind insofern die Fälle der Anwendung von „Hudud-Strafen“ durch Schnellgerichte der Rebellen in dem Land.  Die verzweifelten Armen Afrikas sind in dieser Zeit weder das Problem, noch können sie – ohne in den Zynismus zu verfallen – ernsthaft Gegenstand von irgendeiner strafrechtlichen Maßnahme sein.

Was tun also in Mali? Natürlich könnte man die ganze Region einfach ihrem Schicksal überlassen, nur, wäre dies die Lösung? Wer kann, außer den Franzosen, dem schauerlichen Treiben dieser Gruppen Einhalt gebieten? Soll man sie einfach gewähren lassen, mit welchen Folgen? Man muss – auch als Muslim – also vorsichtig sein mit einer vorschnellen Verurteilung der Franzosen; wenn auch mit einem wachsamen Auge, das beurteilt, ob die Militärführung im Umgang mit der muslimischen Zivilbevölkerung die nötige Vernunft walten lässt. Durch die Einbeziehung der Tuareg in Friedensgespräche könnte Frankreich zudem klarstellen, dass es der Militärführung nicht nur um die Sicherung von Rohstoffen und die Etablierung einer „Marionettenregierung“ geht. Es ist sicher auch kein Nachteil, wenn verantwortliche Kommandeure der Bundeswehr die Lage beobachten und insbesondere ein Auge auf die brutalen, offiziellen malischen Regierungstruppen werfen. Ein Überlassen der Angelegenheit an die afrikanischen Truppen der Nachbarländer wäre – wie die neuerlichen Übergriffe der offiziellen Truppen Malis wieder einmal zeigen – wahrscheinlich zum größeren Nachteil der Zivilbevölkerung und nur eine weitere Einladung zur Barbarei.

Kommentar: In den Konflikten Afrikas sind längst nicht nur Staaten beteiligt

(iz). Es ist der Beginn einer literarischen Karriere. Schiller schreibt die „Räuber“ und kehrt dabei geläufige moralische Bilder um. Die Guten sind auch böse, die Bösen auch gut. Die Lehre aus dem Meisterwerk, das in seiner Zeit einen Skandal auslöst, fällt mit dem Beginn einer neuen Epoche zusammen. Sie entzieht sich dem alten Schwarz-Weiß. In jedem Moment offenbart sich eine neue Wirklichkeit, die man immer neu und mit höheren Maßstäben beurteilen muss; fixe Ideologie und feste Parteiungen trüben dagegen den Blick.

Seit 1961 hat Frankreich Dutzende Male in Afrika interveniert. Dabei ging es um den Schutz dubioser Diktatoren, um Rohstoffe und um imperiale Ziele. Bis zum heutigen Tag sind marodierende Unternehmen ebenfalls an den Konflikten beteiligt. Der Krieg ist längst nicht mehr nur die Sache von Staaten, sondern wird auch zum Vorteil von börsennotierten Unternehmungen organisiert.

Der Kampf in Mali mag man nun der Einfachheit halber ebenfalls in diese Kategorie der widerwärtigen Rohstoffkriege einordnen, wäre da nicht das Phänomen, dass eine souveräne Position auszeichnet: das Erkennen der Ausnahme.

Die Horden so genannter „Islamisten“ in der Region sind tatsächlich nicht nur ein Ärgernis, sondern eine schwerwiegende Gefahr. Die ignoranten Zerstörungen in Timbuktu sprachen bereits Bände über den ideologischen Kern der Bewegung. Die kalte Umsetzung von Normen durch eine Heerschar relativ ungebildeter Raufbolde beschädigt nicht nur das Bild des Islam in der Welt, sondern birgt tatsächlich die Gefahr, dass in der Region ein bedrohliches Rückzugsgebiet für Terroristen entstehen könnte. Ein weiterer Alptraum wäre natürlich der anschließende Export des Terrors nach Europa. Es muss gleichzeitig nüchtern untersucht werden, welche Staaten, Firmen oder Parteien die Rebellen logistisch unterstützen.

Klar ist auch: Wer die isoliert agierten Rebellen und Gruppen in den Rand einer offiziellen muslimischen Bewegung befördern will, dem geht es in Wirklichkeit um eine Kampagne gegen den Islam. Die Fakten dagegen sprechen für sich. Über Jahrhunderte waren islamische Gelehrte nicht nur durch eine umfassende Bildung, sondern auch durch Nachsicht, Vorsicht und Rücksicht gekennzeichnet. Sie verkörperten – charakterlich ausgezeichnet – als ehrwürdige Persönlichkeiten das Recht. Die radikale Umsetzung einer ideologischen Systematik war ihnen so fern, wie die tägliche Reflexion über das tiefere Wesen der Gerechtigkeit ihnen nah war. Die verzweifelten Armen Afrikas sind in dieser Zeit weder das Problem, noch können sie – ohne in den Zynismus zu verfallen – ernsthaft Gegenstand von strafrechtlichen Maßnahmen sein.

Man muss – auch als Muslim – also vorsichtig sein mit einer vorschnellen Verurteilung der Franzosen; wenn auch mit einem wachsamen Auge, dass beurteilt, ob die Militärführung im Umgang mit der muslimischen Zivilbevölkerung die nötige Vernunft walten lässt. Durch die Einbeziehung der Tuareg könnte Frankreich klarstellen, dass es der Militärführung nicht nur um die Sicherung von Rohstoffen geht. Es ist auch kein Nachteil, wenn verantwortliche Kommandeure der Bundeswehr die Lage beobachten.

Ein Überlassen der Angelegenheit allein den afrikanischen Truppen wäre – wie viele Beispiele der afrikanischen Wirklichkeit zeigen – nicht unwahrscheinlich nur zum Nachteil der Zivilbevölkerung eine Einladung zur Barbarei.

Der Populismus und die Politik in Europa: Nicolas Sarkozy will Wähler unter Rechtsextremen werben

Paris (Russia Today/iz). Französische Umfragen belegen, dass der amtierende Präsident Sarkozy vor einem schwierigen Kampf um seine Wiederwahl im April und im Mai steht. So kann es nicht verwundern, dass sein Wahlkampfslogans auf die extreme Rechte abzielen. Am Sonntag, den 11. März, behauptete er, dass sich Frankreich aus dem Schengen-Raum zurückziehen werde, um die schwierige Frage der illegalen Einwanderung zu klären.

42 Tage vor dem Urnengang drohte er vor tausenden Anhängern mit einer Kündigung des EU-Abkommens zum offenen Grenzverkehr, sollte die EU nicht ihre Einwanderungspolitik verschärfen. Präsident Sarkozy bemerkte, dass Frankreich es “nicht akzeptieren kann, für die Fehler an den europäischen Außengrenzen zu büßen”. Er behauptete, dass eine Reform der “einzige Weg ist, um einen Zusammenbruch Europas zu verhindern”.

“In den kommenden 12 Monaten wird Frankreich, sollte es keine ernsthaften Reformen in dieser Hinsicht [in Bezug auf Schengen] geben, wird Frankreich seine Mitgliedschaft in Schengen einstellen, bis die Verhandlungen abgeschlossen sind”, erklärte Nicolas Sarkozy in seinem Bemühen, sich eine weitere 5-jährige Amtszeit im Elysee-Palast zu sichern.

Sakorzy verlangte außerdem Strafen gegen EU-Staaten, die ihre Grenzen nicht aufmerksam genug überwachen würden. Um Europa zu schützen und europäische Produkte zu sichern, will der Präsidentschaftskandidat noch weiter gehen: Er verlangte die Einführung eines Gesetzes zum Kauf europäischer Produkte. Dies entspräche US-Gesetzen, die kleineren Unternehmen und der einheimischen Industrie zu Gute kommen sollen. Sollte die EU auch diese Forderung nicht binnen eines Jahres realisieren, wolle Sarkozy, sollte er wiedergewählt werden, ein solches Gesetz einseitig in Frankreich einführen.

Kritiker des Präsidenten warfen ihm vor, Sarkozy fische im rechtsextremen Milieu der Front National nach Wählerstimmen; die ausländerfeindliche und anti-europäische Partei unter Führung von Marine Le Pen. Pierre Guerlain, Politikwissenschaftler an der Universität von West-Paris, erklärte gegenüber Russia Today, dass Nicolas Sarkozy sich für einen Rechtsschwenk entschieden habe, weil er in Meinungsumfragen weit hinter seinem Mitbewerber liegt. “2007 gewann er die Wahlen, weil es ihm gelang, Wählerstimmen bei Rechtsaußen abzuschöpfen. Daher mobilisiert er mit vielen Themen, die vor der Wahl von den Rechtsextremen geäußert wurden”, sagte er gegenüber dem russischen Sender.

“Aber ich bin der Ansicht, dass er nicht wirklich glaubhaft ist. Im Augenblick ist die extreme Rechte sehr stark. Die Menschen, die vor fünf Jahren für ihn stimmten, werden dieses Mal nicht für Sarkozy stimmen. Sie geben ihre Stimme der extremen Rechten, weil sie in der letzten Amtszeit von Sarkozy der Ansicht sind, dass er nicht hart genug in Sachen Einwanderung war. Dies ist ein Versuch zur Kontrolle verlorener Wählerstimmen, aber er wird nicht sehr erfolgreich sein.”

Es gebe eine Krise und die rechten Populisten nützten die Einwanderung als Trumpfkarte. “Dies ist nichts als Rhetorik, um die Stimme fremdenfeindlicher Populisten abzuschöpfen. Aber je mehr er bei den Rechtsextremen gewinnt, desto mehr wird er in der Mitte verlieren”, sagte Guerlain. Die jüngsten Umfragen zeigen, dass Sarkozy im ersten Wahlkampf gegen seinen Konkurrenten, den Sozialisten Francois Holland, verlieren wird. Marie Le Pen liegt auf Platz drei. Laut der Erhebung führt Hollande seit mehr als fünf Monate vor Sarkozy. Im Augenblick verzeichnet er 56 Prozent.

Wochen, bevor sich Frankreichs Präsident gegen Schengen positionierte, richtete Nicolas Sarkozy seine Wahlkampfrhetorik direkt gegen die muslimische und jüdische Minderheit im Land. Er griff die Behauptung der Front National auf, wonach unzählige Franzosen entgegen ihres Willens mit halal beziehungsweise koscher geschlachtetem Fleisch versorgt würden. Bei einem Besuch in Saint-Quentin behauptete der kleine Mann, dass dies die “wichtigste Sorge” sei, die die Franzosen im Augenblick umtreibe. FN-Chefin Marine Le Pen hatte am 18. Februar die Behauptung aufgestellt, wonach 100 Prozent aller Menschen im Großraum Paris von Muslimen beziehungsweise von Juden geschlachtetes Fleisch essen müssten.

Die These der Rechtsextremen ist ein Beweis dafür, wie sich mit Fakten lügen lässt. Tatsächlich schlachten die vier, im Großraum Paris angesiedelten Schlachthöfe aus Kostengründen nach muslimischen beziehungsweise jüdischen Vorschriften. Allerdings decken sie nur einen geringeren Anteil am Pariser Fleischverbrauch. Nach Eigenaussage von Nicolas Sarkozy auf dem Paris Großmarkt von Rungis stammen nur 2,5 Prozent des gesamten Fleisches aus dem Raum von Paris. Der Rest komme auf dem Rest Frankreichs.

Ende Februar legte der UMP-Politiker Fillon nach. Nachdem die Halal-Frage abgefrühstückt wurde und ein FN-Politiker sogar ins Rampenlicht geriet, weil er – obwohl Mitglied der neofaschistischen Partei – als Schlachthofbetreiber selbst auf Halal-Schlachtung umgestellt hatte. Nach Fillons Meinung müssten sich jüdische und muslimische Bürger von ihren, “von den alten Ahnen (ancêtres) übernommenen Traditionen” verabschieden.

Zwei – beinahe schon ironische Fakten – scheint die (neo-)konservative UMP zu übersehen: Die absolute Mehrheit der in Frankreich lebenden Muslime sind französische Staatsbürger. Und Sarkozy, ihr amtierender Präsident, ist der Sohn eines eingewanderten Ungarn. Handelt es sich hierbei als um den Fall von latentem, migrantischem Selbsthass?

Der Artikel basiert teilweise auf einem Text des russischen Senders Russia Today, der am 11. März veröffentlich wurde.