Bücher: Mit „Imageproblem“ klärt Anja Hilscher nicht nur auf. Wichtiger ist noch: Das Buch ist unterhaltsam. Von Sulaiman Wilms

„Ist es ungefähr das, was Sie so denken? (…) legen Sie dieses Buch besser zurück (…) Nicht, dass ich Leser verprellen möchte, aber Sie gehören nicht zu meiner Zielgruppe. Falls Sie aber was anderes denken – oder auch gar nichts – dann lesen Sie ruhig weiter!“ (Anja Hilscher)

(iz). Bücher, die sich der Widerlegung negativer Vorurteilen widmen, sind leider notwendig. Mit Ausnahme von Paukenschlägen wie Bahners „Die Panikmacher“ oder Feridun Zai­moglus furiose Sprache haben die ­meisten Titel den Nachteil, dass sie den Angriff schon vorwegnehmen. So bekommt man immer das Gefühl, sie wären in der Defen­sive geschrieben worden. Andere, wohlwollende Aufklärungsbücher wie das Buch von A. Hackensberger sind zwar mit Herz geschrieben worden, aber stellenweise faktisch falsch, sodass man sie guten Gewissens kaum als Leitfaden empfehlen möchte.

Anja Hilschers beim Gütersloher Verlagshaus jüngst erschienener Titel „Ima­geproblem. Das Bild vom bösen Islam und meine bunte muslimische Welt“ ist nicht mit diesen Fehlern behaftet. Die Autorin [siehe IZ-Interview in der ­letzten Ausgabe] lässt keinen Moment Defensive oder eine Rechtfertigungslogik zu. Anstatt auf tatsächliche oder imaginäre Kritik (ein großes Problem für viele Schreibende) reagieren zu müssen, spinnt Hilscher ihren eigenen geistigen Faden. Mit seiner Hilfe zieht sie uns durch ihre gesamte Argumentation. Warum nimmt sie uns auf ihren Parforceritt mit? Die Autorin gibt uns die Antwort: „Angesichts der Skrupellosigkeit, mit der das Bild des Islam verzerrt wird, stellen sich halbwegs gebildeten Muslimen regelmäßig die Nackenhaare auf. Mir auch. Seit über 20 Jahren. Es gibt Vorurteile und Missverständnisse ohne Ende.“

Hilscher führt mit 20 thematischen Kapiteln in ein faszinierendes Phänomen ein, dass ihrer Meinung weder von Außen, noch von vielen „muslimischen Erbsenzählern“ richtig verstanden oder dargestellt wurde. Da sie das mit einer gehö­rigen Portion Humor und Ironie – die sie auch nicht vor sich selbst haltmachen lässt – tut, kann man ihr das Kompliment machen, dass sie nicht nur aufklärt, sondern ihre Leser zusätzlich auch noch unterhält – was beinahe noch wichtiger ist. Es gibt genug sauertöpfische Texte zum Thema „Islam“.

Ihr – stellenweise bissiger – Humor ist aber nicht Selbstzweck oder Attitüde, sondern notwendig, weil zu oft die Regeln des „Diskurses“ nicht mehr eingehalten werden: „Jep, ich bin Muslima. Die kalte, komplizierte Welt überfordert mich total! Ich bin ein seelisch labiler Mensch und brauche starre Regeln, weil ich zu psychotischen Schüben neige. (…) Na ja, offen gestanden mache ich es nicht so extrem. Ich traue mich nicht. Deshalb musste ich dieses Buch schreiben.“

Weil Anja Hilscher im „Imageproblem“ wichtige Impulse aus der Pers­pek­tive einer selbstbewussten, deutschen Muslimin liefert, kann man ihr manches Missverständnis und die gelegentliche Burschikosität nachsehen. Ihre Attacke auf das islamische Recht (S. 45), oder das Fiqh, dass sie als Rechtsprechung „von mittelalterlichen Theologen mit starker Tendenz zum Pharisäertum“ beschreibt, ist unbegründet und leider auch unfair. Diese oberflächliche Betrachtung tut den allermeisten Rechtsgelehrten Unrecht, die der Prophet als „die Erben der Propheten“ bezeichnete, und die oft eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der islamischen Lebensweise spielte. Auch der – an einigen Stellen zu freizügige – Umgang mit den Primärquellen mag für den Außenstehenden erfrischend sein. Es wäre aber manchmal besser gewesen, die Autorin hätte sich stärker mit grundlegenden und anerkannten Deutungen ­beschäftigt.

Man muss es Hilscher hoch ­anrechnen, dass sie sich nicht – um Sympathien von falscher Seite einzuheimsen – gedankenlos auf eine politisch korrekte Sicht der Dinge einlässt. Daher ist es etwas unver­ständlich, warum sie auf den letzten Seiten in ein One-World-Image abdriftet, und die – unter US-Muslimen isolierte Amina Wadud – als Vorbild beschreibt. Wäre, so möchte man die Autorin ­fragen, am Ende alles gleich wahr und jeder hätte ein bisschen Recht, gäbe es dann noch die Notwendigkeit, sich für den Islam zu begeistern?

Anja Hilscher kann aber den ­Zweifler versöhnen, wenn sie an Ibn Khaldun (der namentlich nicht in ihrem Buch vorkommt) anknüpfend, uns an das Auf und Ab der menschlichen Kulturen insgesamt erinnert: „Im Gegensatz zu dem Politikwissenschaftler Hamed Abdel-Samad, der vor einiger Zeit in seinem gleichnamigen Buch den ‘Untergang der islamischen Welt’ vorhersagte, glaube ich dass weder der Islam als Religion, noch die islamische Welt zum Untergang verurteilt sind. Schließlich ist Allah der ‘Hervorbringer des Lebendigen aus dem ­Toten’!“

Details:
Anja Hilscher
Imageproblem
Das Bild vom bösen Islam und ­meine bunte muslimische Welt
Gütersloher Verlagshaus, 2012
ISBN: 978-3579065762
Preis: 14,99 Euro