Den Parteien auf den Zahn gefühlt: Wichtige Fragen und Antworten der Politiker im Bundestag

Den Parteien auf den Zahn gefühlt Wahlkompass Islam, Integration & Internationales mit wichtigen Fragen und interessanten Antworten der Politiker im Bundestag von der Deutschen Muslim-Liga e.V. veröffentlicht

Die Deutsche Muslim Liga e.V. (DML) mit Sitz in Hamburg hat in Kooperation mit der Islamischen Zeitung (IZ) zur Bundestagswahl 2013 heute den „Wahlkompass Islam, Integration & Internationales“ mit Antworten von Spitzenpolitikern und Parteien aus dem Deutschen Bundestag veröffentlicht.

Was denken die Parteien über den Islam? Wie will Peer Steinbrück (SPD) die zunehmende Islamfeindschaft bekämpfen? Wird die CDU endlich das Kopftuchverbot abschaffen? Gibt es mit der Partei Die LINKE bald zwei Islamische Feiertage? Ist Rainer Brüderle (FDP) für den EU-Beitritt der Türkei? Was denken Bündnis‘90/Die Grünen über den Syrien-Konflikt? Und viele Fragen mehr.

„Der Islam ist nicht nur eine Weltreligion, sondern mittlerweile auch eine deutsche Religion. Im Bund haben wir als Liberale deshalb vier Millionen Euro für die Einrichtung islamischer Studien zur Verfügung gestellt. In den CDU/FDP-geführten Ländern Hessen und Niedersachsen haben wir islamischen Religionsunterricht eingeführt. Anders als das NRW-Modell erfüllen unsere Modelle den Anspruch der Muslime auf Religionsfreiheit und damit die Anforderungen des Grundgesetzes. In Hessen haben wir die erste islamische Gemeinschaft überhaupt als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt.“ (FDP/ Spitzenkandidat Rainer Brüderle)

Im Wahlkompass der DML – der ältesten muslimischen Vereinigung in Deutschland und Gründungsmitglied des Zentralrates der Muslime in Deutschland – beantworten die Spitzenkandidaten und Bundestagsparteien insgesamt 23 Fragen zu Themen wie: Islam, Diskriminierung, Rassismus, Bürgerrechte und Integration.

„DIE LINKE tritt für eine konsequente Gleichbehandlung aller Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften ein. Daher ist es nur konsequent, wenn auch muslimische Gemeinden ihre Moscheen so bauen, dass sie äußerlich als solche zu erkennen sind.“ (Die Linke)

„Bestimmte Themen entscheiden für Muslime und Migranten die Wahl. Welche Partei ernsthaft versucht die Probleme und Sorgen dieser deutschen Bürger zu lösen, die Menschen gleichzeitig in ihrer religiösen Individualität anerkennt und respektiert, der kann am Wahltag von deren Stimme profitieren,“ erklärt Belal El-Mogaddedi, der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Muslim Liga.

„Unser Grundgesetz verpflichtet den Staat zu strikter religiöser und weltanschaulicher Neutralität. Keine Religion darf diskriminiert oder ungerechtfertigt bevorzugt werden. Allen Religionsgemeinschaften steht Gleichberechtigung und –behandlung durch den Staat zu. Während bisher vor allem die christlichen Kirchen den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts besitzen, sind andere Gemeinschaften vereinsrechtlich organisiert. Grüne Politik wird ergebnisoffen nach Wegen suchen, diese rechtliche Ungleichheit zu beseitigen.“ (B’90/Grüne)

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Zur Bundestagswahl am 22. September 2013 sind fast zwei der ca. vier Millionen deutschen Muslime und mehrere Millionen Menschen mit Migrationshintergrund aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. „Die Muslime erkennen nach Jahrzehnten in Deutschland endlich das Gewicht ihrer Stimmen bei Wahlen. Und sie erkennen mit dem vorliegenden Wahlkompass, welche Partei vor allem allgemeine Aussagen liefert und welche Partei sich klar positioniert“, sagt Belal El-Mogaddedi weiter.

„Ich habe bei der Bundestags-Abstimmung zum Bescheidungsgebot vergangenes Jahr dafür gestimmt, dass die Beschneidung erlaubt bleibt. Durch das Gesetz gibt es nun endlich Rechtssicherheit. Bei der Schächtung ist es rechtlich ja so geregelt, dass es möglich ist, das Schächtungsgebot zu befolgen und die religiöse Schlachtung, natürlich im Einklang mit dem Tierschutz, vorzunehmen. Ich respektiere das, denn ich habe Respekt vor religiösen Bräuchen.“ (SPD/Steinbrück)

Der vollständige „Wahlkompass Islam, Integration & Internationales“ steht auf der Internetseite der Deutschen Muslim Liga e.V. in Layout- und Druckversion zur Ansicht und zum Download ab sofort bereit.

„CDU und CSU haben zunehmend auch Mitglieder muslimischen Glaubens in ihren Reihen. Religiöse Feste wie Fastenbrechen oder Weihnachtsfeiern werden in den Gremien unserer Parteien gemeinschaftlich begangen. Erstmals bewirbt sich mit Cemile Giousouf eine muslimische CDU-Kandidatin im Wahlkreis Hagen/ Ennepe-Ruhr-Kreis um ein Direktmandat für den Deutschen Bundestag.“ (CDU/CSU)

Die Fragen des Wahlkompasses hat die DML in ihrem 60-jährigen Jubiläumjahr unter der Überschrift „Welche Themen und Fragen entscheiden ihre Wahl?“ bei Migranten und Muslimen im Vorfeld gesammelt.

Links zum Download:
1.) DML-Wahlkompass Islam Integration Internationales
2.) Druckversion DML-Wahlkompass zur Bundestagswahl

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Die elendige Mär vom Opferstatus

(iz). Seit Jahren kenne ich in Deutschland lebende uigurische Muslime, die es schafften, aus China zu fliehen. Ich erinnere mich an eine der frühesten Treffen mit ihnen vor beinahe 16 […]

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Muslimische Sorgen nach Brandanschlag auf Londoner Moschee

Der Brand eines islamischen Zentrums in London sendet Schockwellen durch die muslimische Gemeinschaft Großbritannien und verstärkt – nach der brutalen Ermordung eines Armeesoldaten – wachsende Befürchtungen vor einer neuen, anti-muslimischen Welle.

(OnIslam.net). „Muslime sind verängstigt und fühlen sich vollkommen unverstanden“, meint Massoud Shadjareh, Vorsitzender der Islamic Human Rights Commission (IHRC) gegenüber der „International Business Times“ am 6. Juni. „Sie wurden physisch angegriffen, Moscheen niedergebrannt, Friedhöfe beschädigt und die sozialen Netzwerke sind voller anti-muslimischem Hass und Drohungen von Gewalt.“

Vorgehen verlangt
Muslimische Vertreter riefen die Regierung zum Vorgehen gegen anti-muslimische Ressentiments auf. „Dies war der letzte Vorfall in einer ganzen Reihe von Angriffen seit dem schrecklichen Mord an Lee Riby“, erklärte Farooq Murad, der Generalsekretär vom Muslim Council of Britain (MCB). „Es ist an der Zeit für ein ernsthaftes Vorgehen gegen solche Verbrechen.“

Nach der Ermordung hat die rechtsgerichtete EDL (English Defenve League) divese Proteste gegen Muslime und ihre Moscheen abgehalten. Laut Murad habe es diverse Verurteilungen des EDL-Vorgehens gegeben, aber keine daraus resultierenden Handlungen. „Wir brauchen eine wirkliche Antwort von den Polizeiführungen, angefangen bei der nationalen Polizei, in dieser Frage. Lokale Polizeieinheiten und Bezirkskommandanten haben sich in respektabler Weise mit den Gemeinschaften in Verbindung gesetzt. Jetzt müssen wir vom Leiter der Polizei von Groß-London und den Verantwortlichen der Vereinigung der Polizeichefs hören, was sie für den Schutz vor steigenden Angriffen zu tun gedenken.“

Hintergrund: Am Tagestag des Solinger Brandanschlages geht es „Anne Will“ um Polarisierung

(iz). Hunderte Muslime wehren sich mit einem auf Facebook, von der Islamwissenschaftlerin Caroline Neumüller verfassten öffentlichen Brief an die Redaktion „Anne Will“ gegen die ARD-Talkshow am gestrigen Abend. Der Moderatorin wird vorgeworfen, am 20. Jahrestag der Solinger Brandanschläge auf das falsche Thema – zudem in reißerischer Aufmachung – gesetzt zu haben.

Hierbei ging es in der Sendung, wie die einseitige Auswahl der polarisierenden Gäste zeigt, nicht wirklich um eine sachliche Aufarbeitung des Themas „Extremismus“. Die Mehrheit der Muslime sehen sich in dem Format wieder einmal durch Außenseiter nicht adäquat repräsentiert.

Auch auf der IZ Facebookseite wird heftig diskutiert:
Blogger Tarek X mahnt die Muslime dabei vor zu viel Aufregung: „Der moderne Muslim ist seltsam. Er schaut sich Talkshows an mit Gästen wie grimmigen Salafis, liberalen Traumtänzern und Islamkritikern, wo er doch selbst weiß, wie sehr er sich aufregen wird.“

An anderer Stelle heißt es über das Konzept der ARD-Sendung:
„Wer nur Extreme präsentiert, stellt sicher, dass sich auch nur einige extreme Menschen für den Islam interessieren. Man sichert so die Mitte ab, sozusagen. Das allgemeine Gerede soll wohl die eigentliche Essenz des Islam verschütten, man muss ja heute beinahe Archäologe sein um noch die inhaltliche Bedeutung des Islam freizulegen.”

Viele weitere Beiträge beklagen die Präsentation extremer Muslime im Fernsehen, die die positive Realität von Millionen Muslime in Deutschland immer wieder in Frage stellen.

Wer mit diskutieren will, bitte einfach auf der FB-Seite der IZ anmelden. Hier geht's zur Facebook-Seite der Islamischen Zeitung.

Deutsche Islamkonferenz 2013: Sprecher muslimischer Organisationen sehen in jetziger Form „keinen Sinn mehr“

Berlin (iz). Kurz bevor sich das diesjährige Plenum der Deutschen Islamkonferenz (DIK) morgen, am 07. Mai, erneut in Berlin treffen wird, haben Sprecher das Projekt in seiner bisherigen Form für überholt erklärt. „Die Islamkonferenz ist in diesem Rahmen ungeeignet“, zitierte die „Süddeutsche Zeitung“ Erol Pürlü, Dialogbeauftragter des Verbands für Islamische Kulturzentren (VIKZ) und mehrfacher Sprecher des Koordinationsrates der Muslime in Deutschland. Trotz dieser Erklärung werde sein Verband aber, so die Zeitung, am Treffen in Berlin teilnehmen.

//3//Zu den häufig geäußerten Kritikpunkten muslimischer Funktionäre, die in der Vergangenheit jahrelang an der DIK teilnahmen, gehört einerseits die Verbindung der Themen „Terrorismus“ und „Sicherheit“ mit dem Islam, aber auch die regelmäßige Partizipation „islamkritischer“ Einzelpersonen. Pürlü hielt eine Begegnung von muslimischen Vertretern mit der staatlichen Gegenseite nur dann für „sinnvoll“, wenn der „Dialog“ mit den Muslimen im Mittelpunkt stünde.

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//4r//Bereits vor längerer Zeit stellten die beiden muslimischen Dachverbände, der Zentralrat der Muslime und der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland, ihre Teilnahme an der Islamkonferenz ein. Derzeit nehmen von muslimischer Seite nur noch ethnisch zentrierte Organisationen teil: die von Ankara gesteuerte Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V. (DITIB), der ebenfalls mehrheitlich türkisch-muslimische Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) sowie die kleineren Organisationen der Islamischen Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland e.V. (IGBD) und Zentralrat der Marokkaner in Deutschland e. V. (ZMaD).

//5l//Renommierte Einzelpersonen aus Wissenschaft und Kultur wie der Islamwissenschaftler Navid Kermani oder der Schriftsteller Feridun Zaimoglu verließen die Islamkonferenz ebenfalls aufgrund tiefgreifender Bedenken bereits vor einigen Jahren. Kermani beispielsweise erkannte Elemente eines „Diktats“.

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„IZ-Begegnung“ mit dem Dr. Farid Hafez zur Islamfeindlichkeit

„Habermas’ Theorie der Öffentlichkeit, an der alle partizipieren können, ist nun einmal keine Realität.“ (iZ). Islamophobie, was ist das? Ironischerweise lehnen nicht nur die so genannten „Islamkritiker“ (sicherlich aus eigennützigen) […]

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„IZ-Begegnung“ mit UN-Sonderberichterstatter Heiner Bielefeldt

(iz). Von deutschen Medien sollte man in Sachen Islam-Berichterstattung zumindest eine faire Haltung erwarten dürfen. Dies war einer der Schlüsse einer Fachtagung der Deutschen Islamkonferenz (DIK)Anfang Dezember 2012 zum Thema Muslimfeindlichkeit in Berlin. In den letzten Jahren haben sich im Verhältnis von Medien, Gesellschaft und Muslimen Fehlurteile und Missverständnisse verfestigt.

Neben einzelnen Diskus­sionen – wie die jüngste zum Thema Beschneidung – hat sich darüber hinaus eine tendenziell gruppenfeindliche Stimmung in die deutsche Debatte eingeschlichen. Zu ihren Vertretern gehören vermeintliche Tabubrecher wie der Ex-Banker Thilo Sarrazin, der seit Jahren auf der Welle des „das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“ reitet.

Hierzu sprachen wir mit Prof. Dr. Heiner Bielefeldt, der auf der DIK-Veranstaltung zur Muslimfeindlichkeit in Deutschland sprach. Heiner Bielefeldt ist ein deutscher Theologe, Philosoph und Historiker. Er ist Inhaber des Lehr­stuhls für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Seit Juni 2010 ist Heiner Bielefeldt Sonderberichterstatter für Religi­ons- und Weltanschauungsfreiheit des UN-Menschenrechtsrats. Bielefeldt engagiert sich im Interreligiösen ­Dialog und ist Mitglied des Kuratoriums der Muslimischen Akademie in Deutschland sowie des Kuratoriums der Christ­lich-Islamischen Gesellschaft. Daneben ist er Mitglied der Deutschen Gesellschaft zur Erforschung des Politischen Denkens (DGEPD) sowie im Beirat der Zeitschrift für Menschenrechte (zfmr).

Islamische Zeitung: Lieber Prof. Dr. Bielefeldt, Sie sprachen im Rahmen einer Tagung der Deutschen Islamkonferenz über das ­Thema Muslimfeindlichkeit. Hat die Islam-Berichterstattung in unseren Massenmedien in den letzten Jahren Auswirkungen auf die Einstellung gegenüber Muslimen? Lässt sich ein Verhältnis zwischen beiden Phänomenen ausmachen?

Heiner Bielefeldt: Natürlich besteht ein Zusammenhang zwischen stereotypen Darstellungen des Islams in den Medien und der Einstellung der Bevölkerung gegenüber Muslimen, die sich laut der jüngsten Allensbach-Umfrage (veröffentlicht im November 2012) zwar leicht verbessert hat, aber immer noch recht negativ ausfällt. Ein allgemeines Medien-Bashing wäre aber ganz falsch. Wenn man die Berichterstattung in journalistisch gestalteten Medien mit Positionierungen im Internet vergleicht, wo Menschen ganz ungefiltert ihre Ressentiments vom Stapel lassen, wird einmal mehr deutlich, wie wichtig professionelle journalistische Arbeit ist. Ohne sie kann gesellschaftliche Aufklärung nicht gelingen, und gerade auch für die Überwindung von Vorurteilen braucht man Verbündete in den Medien, die es ja in gar nicht so geringer Zahl gibt.

Islamische Zeitung: In einem Bericht über Ihr Referat in der DIK-Tagung schlussfolgerte ein Magazin, dass die Medien zumindest ein „faires Bild“ von den Muslimen in Deutschland zeichnen sollten. Ließe sich dergleichen überhaupt durch äußeren Druck bewerkstelligen? Bis in die höchsten europäischen Gerichte waren solche Versuche zumeist gescheitert. Oder setzen Sie auf die Einsicht der beteiligten Medien?

Heiner Bielefeldt: Zunächst braucht man ein Leitbild, zu dem meiner Meinung nach vor allem das Prinzip der Fairness gehört. Es kann nicht darum gehen, auf klischeehafte, negative Berichterstattung mit Image-Kampagnen zu reagieren, die letztlich doch nur Misstrauen schüren. Das Ziel muss vielmehr darin bestehen, Klischees durch die Bereit­schaft zur Differenzierung zu ersetzen. Es geht um Genauigkeit, komplexe Bilder und eine Berichterstattung, in der die betroffenen Menschen – hier also Muslime – in ihrer ganzen Vielschichtig­keit angemessen vorkommen. Dazu gehört auch, dass Muslime selbst stärker in den Medien aktiv werden.

All das ist anstrengend, dauert Zeit und fordert Frustrationstoleranz. Einen anderen Weg gibt es aber nicht. Niemand kann doch im Ernst wollen, dass die Gerichte ständig die Angemessenheit der Berichterstattung überprüfen; das wäre das Ende der freien Gesellschaft. Gericht­liche Klagen können nur in extremen und zugleich sehr eindeutigen Fällen in Frage kommen.

Islamische Zeitung: Sie verwiesen auf den Mechanismus, wonach führende Köpfe der Islamkritik sich „als letzte Heroen der Meinungsfreiheit“ aufgespielt hätten. Spielt dieser Mechanismus des vermeintlichen Tabubruches eine Rolle innerhalb der deutschen Islam-Debatte?

Heiner Bielefeldt: Das ist ganz offen­sichtlich der Fall. Der Gestus „man wird doch wohl noch sagen dürfen“ ist allzu bekannt. Er richtet sich übrigens nicht nur gegen Muslime, sondern auch gegen andere Minderheiten. Im Namen der politischen Unkorrektheit arbeitet man sich an angeblichen Tabus ab, die bei Licht gesehen meistens gar nicht existieren. Sprachliche Gemeinheiten (wie die „Produktion kleiner Kopftuchmädchen“) lassen sich auf diese Weise als öffentliche Mutproben inszenieren. Mit echter Aufklärung hat das nichts zu tun. Der Ges­tus ist letztlich albern, und die beste Reak­tion besteht darin, mit Ironie und Satire zu antworten. Es gibt ja mittlerweile auch in Deutschland ein paar begnadete Kabarettisten aus dem islamischen Milieu. Die sollen da mal verstärkt rangehen.

Islamische Zeitung: Sie sprachen von einer ­verbreiteten Muslimfeindlichkeit, die teilweise zum Rassismus tendiere. ­Welchen Grad hat das Ressenti­ment gegen Muslime in unserem Land erreicht?

Heiner Bielefeldt: Mit dem Begriff Rassismus sollten wir vorsichtig umgehen. Aber es gibt zweifellos hierzulande auch rassistische Tendenzen, unter ­denen unterschiedliche Gruppen leiden: Juden, Muslime, Roma, Menschen afrikanischer Abstammung und andere. Das Schlimme am Rassismus ist, dass er die Menschen ent-individualisiert: Sie verschwin­den gleichsam in einem negativ konnotierten anonymen Kollektiv und kommen mit ihren persönlichen Gesichtern, Stimmen und Überzeugungen nicht mehr zum Zuge. Deshalb ist Rassismus Gift für die Demokratie, und es muss uns allen ein Anliegen sein, dage­gen vorzugehen.

Islamische Zeitung: Nach einer Entscheidung des Bundestages hat sich der Streit um das Thema Beschneidung vorerst beruhigt. Welchen Stellenwert hatte diese Debatte Ihrer Meinung nach und wie einflussreich sind die anti-religiösen Stimmen?

Heiner Bielefeldt: Dass das Thema kontrovers diskutiert worden ist, konnte nicht wirklich überraschen. Geschockt war ich aber über den ätzend-verächtlichen Tonfall, der in der öffentlichen Debatte immer wieder durchbrach. Da war von „barbarischen Akten“ und „Angriffen auf wehrlose Kinder“ die Rede. ­Viele jüdische und muslimische Eltern haben verständlicherweise mit Entsetzen darauf reagiert, dass man ihnen absprach, für das Wohl ihrer Kinder zu sorgen. Die Diskussion hat Wunden geschlagen und gezeigt, dass sich in Teilen der Gesellschaft ein geradezu aggressives Unverständnis für religiöse Bedürfnisse und Fragen breit gemacht hat. Das wird uns noch lange beschäftigen müssen.

Islamische Zeitung: Als Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit des UN-Menschenrechtsrates haben Sie einen inter­nationalen Einblick. Wie nimmt man im Ausland die hiesigen Ansichten gegenüber Muslimen auf und können Sie einen Vergleich zu anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Italien oder den Niederlanden ziehen? Amnesty International hielt sich mit Kritik an Deutschland in einem aktuellen Bericht zum Thema zurück.

Heiner Bielefeldt: In meiner UN-Funktion bin ich bislang eher selten auf Deutschland angesprochen worden. Insge­samt hat Deutschland ­international einen guten Ruf – auch hinsichtlich der Religionsfreiheit. Das Beschneidungsurteil aus Köln und die sich anschließen­de Debatte haben aber auch im Ausland Erstaunen ausgelöst.

Islamische Zeitung: Sie haben auf dem DIK-Treffen die Muslime dazu aufgerufen, sich mit Aufklärung und öffentlichem Widerspruch gegen „Hass­reden“ zu wehren. Hätten Sie konkrete Vorschläge?

Heiner Bielefeldt: Es gibt positive ­Beispiele. Bemerkenswerterweise hat ja die jüngste Provokation der französischen Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ gar nicht gegriffen. Muslimische Verbände hatten im Vorfeld dafür geworben, das Ganze zu ignorieren und den Provokateuren, die einmal wieder mit Mohammed-Karikaturen Aufmerksamkeit gewinnen wollten, gar keine Bühne zu ­verschaffen. Manchmal muss man aber auch öffentlich reagieren. Thilo Sarrazins Deka­denzphantasien konnte man natürlich nicht ignorieren. Die Debatte um sein Buch hat deutlich werden lassen, dass es nicht möglich ist, verschiedene Proble­me der Integrationspolitik in einen Topf zu rühren und dann schlicht das Etikett „Islam“ darauf zu kleben. An dieser Debatte haben sich bekanntlich auch Muslime beteiligt.

Islamische Zeitung: Lieber Herr Prof. Dr. Bielefeldt, wir danken Ihnen für das Interview.

Experten warnen vor wachsender Islamfeindlichkeit

Osnabrück (KNA). Sozialwissenschaftler warnen vor einer neuen Form von Rassismus in Deutschland. Statt allgemeiner Fremdenfeindlichkeit verlagerten sich Ressentiments mehr und mehr auf den Islam, sagte Sozialwissenschaftler Wilhelm Heitmeyer der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Montag). „Es heißt nicht mehr ‘die Türken’, sondern ‘die Muslime’“, erläuterte der Leiter des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld.

Solche Pauschalurteile führten zu einer immer größeren Ablehnung der Muslime innerhalb der Bevölkerung, so Heitmeyer weiter. Islamophobie sei darüber hinaus auch im Lager der Wohlhabenden und Reichen verbreitet. Ferner habe sie im politischen Milieu der Linken und der Mitte zugenommen. „Bildung schützt nicht vor Islamfeindlichkeit“, fasste Heitmeyer zusammen. Der Forscher sprach von einer neuen „rohen Bürgerlichkeit“.

Ähnlich äußerte sich Alexander Häusler von der Arbeitsstelle Neonazismus der Fachhochschule Düsseldorf. „Undifferenzierte Kritik am Islam oder den Muslimen gilt als konsensfähig, weil sie nicht als klassisch rassistisch eingeordnet wird“, so der Sozialwissenschaftler. Anders als ausländerfeindliche und antisemitische Äußerungen werde sie daher nicht sanktioniert.

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) forderte, islamfeindlichen Rassismus als eigenständigen Tatbestand zu werten. Bislang fassten Regierung und Sicherheitsbehörden Straf- und Gewalttaten gegen Muslime unter dem Oberbegriff der Fremdenfeindlichkeit zusammen. „Dadurch wird die Dimension der Islamfeindlichkeit verschleiert“, kritisierte der ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek. Um besser nachvollziehen zu können, wie sich rassistische Gesinnungen in Deutschland entwickeln, forderte Mazyek einen jährlichen Rassismusbericht.

Mythen der medialen „Islamkritik“

(iz). Frank A. Meyer schien es genau zu wissen: „Nirgends in der islamisch beherrschten Welt“, schreibt der einflussreiche Publizist auf der Plattform blick.ch, „konnten sich die freiheitlichen Grundwerte durchsetzen. Wir […]

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Ein Jahr nach Aufdeckung der Zwickauer Zelle: Die Entnazifizierung brauner Gedanken ist möglich

(iz). Für die einen sind sie Märtyrer. Für die anderen nur die Spitze eines Eisbergs und nur das, was von den rechtsextremistischen Umtrieben sowie der braunen Unterwanderung einiger Behörden offen […]

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