Kommentar: Muslime laden auch Politiker zum Fastenbrechen ein. Ist der Ramadan dafür der richtige Zeitpunkt?

(iz). Ist das Fastenbrechen eine gute Gelegenheit, gute Nachbarschaft zu pflegen und zum Iftar einzuladen? Natürlich! Jedes Jahr laden beispielsweise Hamburger Studenten völlig uneigennützig Muslime und Nichtmuslime ein.

Eine andere Frage ist es, ob solche Veranstaltungen zu einem politischen Schaulauf genutzt werden sollten. Hierzu passt ein denkwürdiger Eintrag eines Gelehrten in diesen Tagen auf Facebook: „Wenn man die Vielzahl an politisch motivierten Iftar-Einladungen derzeit ansieht, muss man befürchten, dass auf allen Seiten Angeln ausgeworfen werden und wir uns für ein Stück Brot fangen lassen.“ Hat er Recht?

Ein Beispiel in Köln. Der Zentralrat der Muslime (ZDM) hat zu seinem festlichen Abend gleich eine ganze Reihe bekannte Politiker geladen (hier der Artikel auf islam.de). Sogar die Bundesjustizministerin gibt sich die Ehre und setzt so ein bundesweit wahrgenommenes Zeichen. „Ja, die Muslime und ihre Riten gehören zu Deutschland“, will sie mit ihrem Kommen sagen. Sie fordert ganz nebenbei die bei vielen Muslimen populäre doppelte Staatsbürgerschaft. Ist das jetzt Wahlkampf einer FDP-Politikerin – im Ramadan – oder eben doch und in erster Linie eine überparteiliche, durchaus mutige Geste einer Ministerin?

Der ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek sieht in diesen Iftar-Veranstaltungen mit Beteiligung der Politik eine wichtige Komponente der Anerkennung – wohl auch der eigenen Einrichtung – in Deutschland. Seit Jahren versucht er, eine positivere Öffentlichkeit für die Muslime in Deutschland zu schaffen und wird dafür übrigens – bei allem unermüdlichen Einsatz – ziemlich selten von Muslimen gelobt. Zweifellos hat Mazyek Verdienste. Zum Beispiel ist es ihm gelungen – wie wohl niemandem vor ihm –, die Sache der Muslime auch in wichtigen Medien unterzubringen.

Das Dilemma dabei ist offensichtlich: Denn „Öffentlichkeit“ hat in Deutschland ihren Preis. Wie kaum sonst auf der Welt wird politische Korrektheit im Detail kontrolliert und überwacht. Auf der ZDM-Veranstaltung betonte Mazyek dann gleich mehrfach, dass die „Muslime auf dem Boden des Grundgesetzes stehen“. Die ausdrückliche Betonung erklärt im Grunde schon den Status der Muslime. Sie kommt „politisch“ gut. Nur, wer im Lande hat es noch nötig, derartige Binsenweisheiten – auch noch im Namen aller Muslime – extra zu erklären, so als müsse man dies in voreiligem Gehorsam der Politik gegenüber bekennen?

In diesen Tagen geht auch eine andere Pressemeldung des Zentralrats zum Thema ein (mehr dazu hier). US-Außenminister Kerry hat den ZDM-Vorsitzenden in die USA zum Fastenbrechen eingeladen. Auf seinem Twitter-Account kündigte Mazyek beinahe staatsmännisch an, in Washington „die Grüße der deutschen Community“ zu vermitteln. Die „Community“ ist natürlich deutlich größer als der relativ überschaubare Zentralrat der Muslime. Gefragt, ob sie das überhaupt so will, hat diese so große, wie leider unübersichtliche Bevölkerungsgruppe wohl auch keiner. Nicht nur das Selbstbewusstsein des ZDM löste in der folgenden Internetdebatte um die Reise auch einige Kritik aus. Zu Recht?

„Zweifellos gibt es bei Muslimen auch einigen groben Anti-Amerikanismus. Insoweit setzt Mazeyk ein durchaus positives, wichtiges Zeichen der Weltoffenheit deutscher Muslime“, sagen die Einen. „Das ist nur die Sucht nach Anerkennung“, die anderen. Mazyek selbst sieht den politischen Nutzen seiner Reise über den Atlantik eher nüchtern. Er will mit seiner Zusage natürlich nicht sagen, dass Amerika immer eine tolle Außenpolitik macht. Er hofft vielmehr, dass dieses amerikanische Beispiel der „Umarmung“ von Muslimen bald auch in Deutschland Schule machen könnte.

Es ist tatsächlich eine gute Pointe, dass ausgerechnet der US-Außenminister deutsche Muslime – manche „Verbandskritiker“ sprechen ja immer wieder boshaft von „Islamisten“ – freundlich empfängt. Immerhin eine Idee, die der Amtskollege in Berlin bisher jedenfalls nicht hatte. Nutzt da der Symbolgehalt der Reise nicht doch irgendwie allen Muslimen oder brauchen wir diese Art der Zeichensetzung – zudem in unserem Namen – gar nicht?

Letztendlich bewegt sich diese Debatte wieder um die alte Frage nach der Vertretungsberechtigung der muslimischen Dachverbände in Deutschland. Viele Muslime – auch die, die selber kaum aktiv sind – bemängeln die Arbeit der Organisationen, ohne gleichzeitig gute Alternativen hervorzubringen. Die Vorwürfe kann man auswendig aufzählen: Sie würden die Muslime kaum „überparteilich“ zusammenbringen, es gehe ihnen nur um die eigene Macht, sie seien zu träge, zu religiös oder zu wenig religiös. „Who knows“, sage ich da immer. Insbesondere, wenn es um die Beurteilung der inneren Motivation der beteiligten Muslime geht.

Aber zurück zum Kern der Geschichte. Das Kriterium einer guten, authentischen – nicht nur effekthaschenden – islamischen Öffentlichkeitsarbeit prüfe ich persönlich immer mit einer Kontrollfrage: Spricht derjenige oder diejenige auch über ernste und anspruchsvolle Themen wie die Zakat oder das Zinsverbot? Ja! Dann ist doch alles gut.

Ägypten: Kerry schlägt neue Regierung vor

„Nicht willkommen“, so hieß es auf Plakaten, die zahlreiche Demonstranten dem neuen US-Außenminister John Kerry in Kairo entgegenhielten.

Kairo (dpa/iz). Der neue US-Außenminister John Kerry forderte bei seinem Antrittsbesuch in Ägypten – einem Schlüsselverbündeten der USA in der Region – die regierenden Muslimbrüder auf, einen Schritt auf die so genannten „säkularen“ Parteien zuzugehen. Der Opposition riet er, sich an der für April geplanten Parlamentswahl zu beteiligen. Er sagte nach einem Gespräch mit Außenminister Mohammed Amr: „Ich möchte betonten, dass ich nicht gekommen bin, um mich in ägyptische Angelegenheiten einzumischen, sondern um unsere Meinung darzulegen.“

Seit den fünfziger Jahren gibt es Gerüchte über eine Zusammenarbeit zwischen CIA und der Bewegung. Ägypten gilt als wichtigster strategischer US-Partner in der Region und hat eine Schlüsselstellung für die Sicherheit Israels. Heute argumentieren Beobachter wie der Journalist William Engdahl, dass die „Demokratisierung“ Ägyptens mit Hilfe der Bruderschaft Teil einer umfassenden Strategie Amerikas ist.

//2l//Laut Informationen der arabischen Zeitung „Al-Sharq Al-Awsat“ schlug Kerry während seines Aufenthalts in Kairo außerdem die Bildung einer Einheitsregierung unter Beteiligung der Opposition vor. Fast alle liberalen und linken Parteien wollen die Wahl boykottieren, der am 22. April beginnen soll. Sie kritisieren das Wahlgesetz und befürchten, dass die Muslimbrüder die Wähler mit „Geschenken“ manipulieren werden.

Über die politische Zerrissenheit Ägyptens hinaus ist das größte Problem des Landes am Nil die immer noch ungelöste Wirtschaftslage, einer der Faktoren, die überhaupt den Aufstand gegen Ex-Diktator Mubarak motivierten. Damals mussten die einfachen Ägypter rund 40 Prozent ihres monatlichen Einkommens für Lebensmittel ausgeben. Die Präsidentschaft von Mohammed Mursi könnte an der Unzufriedenheit der Massen über weiter steigende Lebensmittelpreise scheitern.

//3r//Beobachter gehen davon aus, dass die ökonomische Zwangslage von Mohammed Mursi dessen Handlungsspielraum extrem einenge. Insbesondere, weil Ägypten nach den Worten Mursi dringend auf einen neuen Kredit des Internationalen Währungsfonds über 4,8 Milliarden US-Dollar angewiesen sei. Sollte die Kreditvereinbarungen nach den kommenden Parlamentswahlen im Sommer abgeschlossen werden, steht zu befürchten, dass der Einfluss der internationalen Finanzinstitutionen auf die Wirtschaftspolitik Ägyptens noch wesentlich weiter steigen werden.