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Eine deutsche Tradition: Muslime laden zum „Tag der offenen Moschee“. Von Christoph Schmidt

(KNA). Für Ali Kizilkaya geben sich unerfreuliche Themen derzeit die Klinke in die Hand. Die Beschneidungsdebatte, die Krawalle um ein provozierendes, antimuslimisches Video oder die Plakataktion des Bundesinnenministers gegen „Islamismus“ erzeugen täglich Schlagzeilen, die der Sprecher des Koordinationsrats der Muslime in Deutschland (KRM) lieber nicht lesen würde.
„Der Islam wird immer noch von zu vielen Menschen als Problem wahrgenommen, nicht als Teil dieser Gesellschaft“, meint er. Wenigstens am „Tag der offenen Moschee“ (TOM) an diesem Mittwoch soll das anders sein. Mehr als 600 Moscheegemeinden der vier im KRM zusammengeschlossenen Verbände öffnen ihre Pforten, um mit nichtmuslimischen Nachbarn ins Gespräch zu kommen. „Wir wollen informieren und diskutieren“, sagt Kizilkaya.
Schon zum 16. Mal laden die Muslime in ihre Gebetshäuser ein – stets hochsymbolisch am Tag der deutschen Einheit. Darin stecken wohl zwei Botschaften: Wir identifizieren uns mit diesem Land, ist die eine. Wir fordern einen gleichberechtigten Platz in dieser Gesellschaft, die andere. Die Anerkennung des Islam als Religionsgemeinschaft vergleichbar den Kirchen scheiterte bisher an formalen Kriterien des deutschen Religionsverfassungsrechts.
Mehr als 2.800 Moscheen stehen in Deutschland, oft kaum als solche erkennbar in Wohn- oder Lagerhäusern gelegen. Doch schon beinahe jede zehnte trägt ein klassisch-islamisches Antlitz, häufig in osmanischer Bauweise mit Kuppel und einem oder mehreren – in der Regel gestutzten – Minaretten. Seit die Bauwelle in den 1990er Jahren begann, erzeugen die repräsentativen Gotteshäuser wie die Religion, für die sie stehen, bei vielen Ängste und Widerstand. Daran konnte „TOM“ als „Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit“ offenbar nur wenig ändern. Umfragen zeigen: Über die Hälfte der Deutschen empfindet Vorbehalte oder gar Abneigung gegen den Islam. „Wir befinden uns in einem sehr langsamen Prozess hin zu einem echten Miteinander“, so Kizilkaya.
Moscheen als Brücken zwischen den Kulturen, der Koran als ewig gültiges Buch und Mohammed als barmherziger Prophet waren Mottos der vergangenen „TOMs“. In diesem Jahr geht es um „Islamische Kunst und Kultur“. Ihr Reichtum sei den wenigsten Nichtmuslimen bekannt, sagt der KRM-Sprecher. Vorträge über arabische Literatur und Wissenschaft, türkische und arabische Musikvorführungen und Ausstellungen zu islamischer Kalligraphie und Ornamentik stehen bundesweit auf dem Programm. Dabei geht es den Veranstaltern um mehr als unpolitische Folklore.
Die Fülle und Lebensbejahung islamischer Kultur soll das Klischee vom strengen, weltabgewandten Islam widerlegen. Gleichzeitig betonen die Veranstalter, dass der Koran und das Leben des Propheten Mohammed die Inspirationsquellen der islamischen Kunst und Wissenschaft sind. Wer nur „Tausendundeine Nacht“ sucht, wird also nicht viel verstehen, denn ohne ein bisschen theologisches Interesse bleibt einem die „Welt des Orient“ verschlossen. Diskussionen über die Freiheit der Kunst seien aber willkommen, verspricht Ali Kizilkaya.
Die Gemeinden erwarten auch in diesem Jahr wieder rund 100.000 Besucher. Bei Führungen erklären sie die Grundlagen des Islam und die Funktion der einzelnen Moscheeelemente. Das ehrfürchtige Flüstern, wie man es aus Kirchen kennt, wird die Akustik dabei nicht erschweren: Moscheen sind keine sakralen Dunkelkammern, sondern waren immer auch Treffpunkte des sozialen Lebens, von dem Gebet und Gottesdienst nur ein Teil sind. „Unsere Gäste sollten nur geziemende Kleidung tragen und die Betenden nicht stören“, bitte Kizilkaya. „Ansonsten brauchen sie nichts zu beachten.“