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Asien ist Hotspot für Klimawandel und Armut

klimawandel alarmstufe rot

Auf der Weltklimakonferenz in Scharm El-Scheich wollen Politiker, Wissenschaftler und Religionen abermals die Welt retten. Besonders in Asien trifft Klimawandel auf Armut. Die katholische Kirche versucht zu helfen.

Manila (KNA). Es hat etwas gedauert, aber inzwischen haben auch Religionen den Klimawandel als existenzielle Bedrohung der Menschheit erkannt. Auf der Weltklimakonferenz COP27 im ägyptischen Scharm El-Scheich ab diesem Sonntag sind auch sie präsent. Eine besondere Rolle spielt dabei die katholische Kirche, die den Worten der Umweltenzyklika „Laudato si“ von Papst Franziskus Taten folgen lässt. Im mehrheitlich islamischen Bangladesch als einem der am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder Südasiens zum Beispiel begannen Kirche und Caritas Anfang 2021 mit dem Pflanzen von 700.000 Bäumen.

Auf den katholischen Philippinen brachte Taifun Nalgae Ende Oktober Tod, Elend und Verwüstungen. Nalgae war der 22. Wirbelsturm in diesem Jahr und wird vermutlich nicht der letzte gewesen sein. Taifune sind Normalität auf den Philippinen, aber in den vergangenen Jahren sind sie immer extremer geworden. Ursache dafür ist der menschengemachte Klimawandel. Die Schäden durch die Taifune verschlimmern sich durch Entwaldung, Bergbau und die Vernichtung von Mangrovenwälder.

Hier setzt eine neue Initiative auf den Philippinen an. Umweltorganisationen haben zusammen mit der katholischen Bischofskonferenz des Landes Anfang November 2022 an den Küsten der nördlichen Visaya-Inseln und im Süden der Hauptinsel Luzon mit der Aufforstung von Mangrovenwäldern begonnen. Es ist die Region, wo die Taifune das Festland erreichen. 5.000 Setzlinge wurden bereits von 800 Freiwilligen auf 36 Hektar Küstenzone gepflanzt. Am Ende sollen 100 Hektar neuer Mangrovenwald entstehen. „Mehr als 50 Prozent der Freiwilligen kommen aus kirchlichen Organisationen“, sagte Pater Antonio Labiao, Exekutivsekretär der Caritas, philippinischen Medien.

Mangroven sind Multitalente. Sie absorbieren große Mengen Kohlendioxid, schützen die Küsten vor Erosion und die Küstenbewohner vor der vollen Wucht von Taifunen und Sturmfluten. Zudem sind sie die Kinderstube für den Nachwuchs vieler Fischarten, Muscheln und Krustentiere. Die wiederum bilden die Lebensgrundlage der Fischer und ihrer Familien. Die Fischereibranche ist mit einem Jahresumsatz von 1,65 Milliarden US-Dollar ein wichtiger Wirtschaftsfaktor auf den Philippinen.

In diesem Jahr sorgten Wetter- und Umweltkatastrophen auch in anderen Regionen Asiens für Schlagzeilen. Eine Hitzewelle mit Temperaturen bis zu 50 Grad Celsius hatte wochenlang Indien, Pakistan und Bangladesch im Griff. In Pakistan wurden dann im September durch einen schweren Monsun weite Teile des Landes überschwemmt.

Obwohl in Asien mehr als die Hälfte der Menschheit lebt und die Hälfte der mehr als vier Milliarden Bewohner als arm gilt, erhält es nur 25 Prozent der globalen Finanzmittel für den Klimaschutz. Das geht aus dem Anfang November von der Hilfsorganisation Oxfam veröffentlichten Report über die globale Klimafinanzierung hervor. Der größte Teil der 20,5 Milliarden US-Dollar (2020) für den Klimaschutz in Asien sei zudem Darlehen gewesen, wodurch die schon vorher hoch verschuldeten Länder weiter in die Schuldenfalle getrieben würden.

„Asiens Klimageldgeber und Regierungen müssen die Klimafinanzierung auf eine Weise neu bewerten, die wirklich armutsorientiert, lokal geführt und zielgerichtet ist, um Frauen und Mädchen zu helfen, die den Großteil der Klimarisiken und -schäden schultern“, forderte Sunil Acharya, Asienexperte von Oxfam.

Auf den Philippinen stellte die katholische Bischofskonferenz bereits Anfang dieses Jahres in einem Hirtenbrief den Banken ein Ultimatum. Entweder, hieß es darin, beenden die Banken bis 2025 die Finanzierung von Unternehmen aus der Kohle- und Gasbranche. Oder, so die Bischöfe, „verpflichten wir uns, alle unsere Ressourcen bei ihnen bis spätestens 2025 abzuziehen und sie für ihre treuhänderischen und moralischen Verpflichtungen als Klimaakteure zur Rechenschaft zu ziehen“.

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Mit der Schöpfung zur Heilung

Es ist mehr als zwei Jahre her, dass die Weltgesundheitsorganisation die Pandemie ausgerufen hat. Jeder von uns kann sich lebhaft an die ersten bestätigten Fälle erinnern, die in unseren Heimatstädten […]

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Klimawandel: Nach islamischem Recht hat die Verhinderung von Schaden Priorität

(The Conversation). Als sich diesen November mehr als hundert globale Führer auf der UN-Klimakonferenz in Glasgow trafen, richtete sich die Aufmerksamkeit unter anderem auf eine Handvoll einflussreiche Wirtschaftsmächte in der Hoffnung, COP26 würde eine Wende beim Klimawandel einleiten. Für echten Fortschritt muss jedes Land seinen Anteil tun – dazu gehören auch Staaten mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit.

Mit einer globalen Bevölkerung von 1,8 Milliarden in mehr als 56 Staaten machen Muslime mehr als 23 Prozent der Menschen in aller Welt aus. Sie leben in der Regel in Entwicklungsländern und haben meistens keinen großen Anteil an den globalen CO2-Emissionen. Aber sie müssen Teil des Gesprächs über und der Lösung dieser globalen Krise sein.

Das islamische Denken in der heutigen Welt hat sich oft auf Themen wie Radikalismus, Terror, Sicherheit und den Umgang mit dem Erbe des westlichen Imperialismus und der Entstehung der modernen Wissenschaft konzentriert. Der Klimawandel und die ökologische Nachhaltigkeit nehmen noch keinen wichtigen Platz ein.

Die Pionierarbeit von Personen wie Seyyed Hossein Nasr über ein islamisches Verständnis von der Sorge um die Schöpfung hat nur gelegentlich zu weiterer Forschung und Handlung angeregt. Nasr bezog sich auf die spirituellen und metaphysischen Dimensionen innerhalb der islamischen Tradition, um die Wichtigkeit der Umwelt und der menschlichen Pflicht zu ihrem Schutz zu betonen. In den letzten Jahren hat sich die weltweite Besorgnis von der Nachhaltigkeit und dem Verlust der biologischen Vielfalt auf die dringenden und ernsthaften Bedrohungen durch den vom Menschen verursachten Klimawandel verlagert.

Angesichts der sich verschärfenden Krise veröffentlichten muslimische Umweltaktivisten und Wissenschaften eine „Islamische Erklärung über den globalen Klimawandel“. Sie wurde 2015 kurz vor der Pariser Klimakonferenz auf einem Symposium in Istanbul vorgestellt. In ihr wurde der Versuch unternommen, die Klimawissenschaft gemeinsam mit der relevanten qur’anischen Weisheit zu denken.

Das Dokument macht sich keine Illusionen: Darin wurde jede Person dazu aufgerufen, als „Sachwalter oder Stellvertreter (arab. khalifa)“ in dieser Zeit zu agieren. Die gegenwärtige Frequenz des Klimawandels sei nicht mehr aufrechtzuerhalten und „wir sind in Gefahr, das Leben auf unserem Planeten zu beenden, wie wir es kennen“. Hier findet sich eine krasse Anerkennung des menschlichen Scheiterns in der Ausübung dieser Sachwalterschaft sowie des Effekts, den solche Missbräuche für die Ordnung der Schöpfung hatten.

Die Erklärung schließt mit einer Reihe an Forderungen und Punkten. Verlangt wird eine Rechenschaftspflicht. Darüber hinaus gibt es spezifische politische Aufrufe an wohlhabende Nationen, erdölproduzierende Staaten und Firmen sowie die Finanzwelt und die Industrie.

Das Dokument aus dem Jahre 2015 schließt mit einem Aufruf an alle Muslime: „Wo auch immer Sie sein mögen (…), um Gewohnheiten, Mentalitäten und die Grundursachen des Klimawandels, der Umweltzerstörung und des Verlusts der biologischen Vielfalt in ihrem jeweiligen Einflussbereich zu bekämpfen, folgen Sie dem Beispiel des Propheten Muhammad (Friede und Segen seien auf ihm), um eine Lösung für die Herausforderungen herbeizuführen, vor denen wir heute stehen.“

In dem Text finden sich viele Bezüge zum Qur’an. Allerdings sind das häufig isolierte Stellen, welche die allgemeine Richtung des Arguments unterfüttern sollen, ohne damit eine haltbare Theologie zu formulieren. Die Kritik an der Erklärung bezeichnete sie als „defensiv, wenn nicht gar apologetisch“ und behauptete, sie stelle „angesichts des Ausmaßes der heutigen Umweltkrise“ keine ausreichenden Fragen. Indem die Erklärung die Wissenschaft des Klimawandels unter Berufung auf den Qur’an beschreibt, verankert sie das Problem nichtsdestotrotz im Herzen des Islam, was Muslime nicht ignorieren können.

Der weltweite Schaden, der durch menschliches Handeln verursacht wurde, befindet sich an einem kritischen Punkt. Nach islamischem Recht ist die Verhinderung oder Eingrenzung von Schaden eine Priorität. Sorge um Umwelt und ein Handeln, dass den Klimawandel begrenzt oder sogar umkehrt, sollte für muslimische Völker, Organisationen und Regierungen den Stellenwert einer kollektiven Pflicht (arab. fard kifaja) haben. Im Gegensatz zur individuellen bedeutet diese, dass ihre Erfüllung durch eine Gruppe von Muslimen diese für alle erfüllt. Daneben muss der Schutz der Schöpfung auch einen persönlichen Stellenwert für Muslime haben.

Aus einer aktivistischen Perspektive kann die Möglichkeit des Umweltschutzes auch durch das islamische Konzept von „Dschihad“ abgedeckt werden – insbesondere für Einzelne und Organisationen. Im religiösen Sinne ist das ein wichtiger Oberbegriff. Er bezieht sich auf alle persönlichen Herausforderungen, die man überwinden muss, um Erfolg zu haben. In diesem Hinblick kann Umweltaktivismus dem Konzept zugeschrieben werden. Friedlicher Aktivismus, der sich mit aufrichtigen Absichten gegen Quellen und Kräfte richtet, die der Umwelt Schaden zufügen, ist eine legitime Form, die Allah im Jenseits belohnen wird, wie die islamische Lehre verspricht.

Jede Person und jeder Haushalt hat eine nachweisbare Kohlenstoffbilanz. Solange sie keine Anstrengungen zu ihrer Reduzierung unternehmen, wird die Schädigung an der Umwelt nicht geringer werden: Es wird schlimmer werden. Da die Schädigung der Erde immer mehr zunimmt und die bisherigen Maßnahmen die Situation nicht umkehren, ist jeder Muslim dazu verpflichtet, selbst aktiv zu werden.

Das heißt aber nicht, dass die Pflicht organisierter Gruppen von Muslimen, die größere Ressourcen, Geldmittel und Fähigkeiten haben, damit erledigt wäre. Jede Struktur und Institution muss sich am Umweltschutz beteiligen. Zumindest jede kann ihre Ökobilanz verbessern, indem sie bewusst umweltfreundlich arbeitet und ihre Mitarbeiter und die Gemeinschaft, der sie dient, über die Notwendigkeit des Umweltschutzes aufklärt.

Selbst dieses Handeln dürfte nicht ausreichen. Die Regierungen der mehrheitlich muslimischen Länder sind darüber hinaus in der Pflicht, weil die Kultur- und Wirtschaftspolitik eines Landes einen großen Einfluss auf seinen CO2-Fußabdruck hat. Sie müssen aktiv daran arbeiten, die globale Politik zum Klimawandel über internationale Organisationen zu beeinflussen.

Eine Umkehr der Auswirkungen von Klimawandel verlangt Opfer von allen Menschen. Sie müssen weniger Ressourcen verbrauchen und weniger Müll erzeugen. Durch seine Theologie der Umwelt und die Kraft seiner ethischen Haltung kann der Islam zusammen mit anderen Weltreligionen dieses entscheidende Ergebnis erleichtern.

Dieser Beitrag wurde im Rahmen einer CCL-Lizenz veröffentlicht und übersetzt.

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Glasgow: Ist Berlin Vorreiter beim Klimaschutz?

Berlin sucht sich auf der UN-Klimakonferenz als Vorreiter beim Klimaschutz zu präsentieren. Kritiker weisen auf deutsche Klimaschutzblockaden und gebrochene Finanzzusagen hin.

GLASGOW/BERLIN (GFP.com). Auf der UN-Klimakonferenz in Glasgow sucht sich die Bundesregierung zum wiederholten Mal als Vorreiterin beim globalen Klimaschutz zu präsentieren. Die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel tritt zu Beginn der Konferenz mit gleich zwei Reden auf; die geschäftsführende Umweltministerin Svenja Schulze erklärt, die Bundesrepublik sei bestrebt, bereits bis 2045 klimaneutral zu werden – „fünf Jahre früher als auf EU-Ebene“. 

Beobachter geben sich skeptisch: Berlin hat in der Vergangenheit im Interesse der deutschen Kfz-Industrie jahrzehntelang eine Verschärfung der CO2-Normen in der EU blockiert; bei den Berliner Koalitionsverhandlungen sind einfache Maßnahmen wie ein verbindliches allgemeines Tempolimit schon jetzt vom Tisch.

Haben zahlreiche Schwellenländer ihre Reduktionsziele nicht ausreichend konkretisiert oder unzulängliche Pläne vorgelegt, so haben die reichen Industrieländer Finanzzusagen gebrochen, die Klimaschutzprogramme in Entwicklungsländern ermöglichen sollen. Abgesehen davon nimmt die Stromerzeugung aus der besonders klimaschädlichen Kohle zu – in China, in den USA und vor allem in der Bundesrepublik.

Merkel im Rampenlicht

Trotz des anstehenden Koalitionswechsels in Berlin bemüht sich die kommissarisch agierende Bundesregierung, eine möglichst starke Präsenz auf der Klimakonferenz im schottischen Glasgow (COP26) zu zeigen, die am Sonntag begonnen hat und bis zum 12. November andauern wird. So wollte die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel bei dem knapp zweiwöchigen Gipfeltreffen gleich zwei Reden halten – am Montag gleich zu Beginn vor den angereisten Staats- und Regierungschefs, anschließend bei dem PR-Event „Action and Solidarity – the Critical Decade“.

Alle Bundesregierungen waren in den vergangenen Dekaden bemüht, bei solchen Gipfeltreffen die Bundesrepublik als Vorreiterin beim Klimaschutz zu präsentieren. Neben Merkel sind Dutzende weitere Staats- und Regierungschefs nach Glasgow gereist, die ebenfalls die Öffentlichkeit in Ansprachen adressieren, darunter US-Präsident Joe Biden und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.

Laut Auskunft eines Regierungssprechers will sich Berlin unter anderem für den „Ausbau der Finanzzusagen für ärmere Staaten“ einsetzen; die Mittel sollen Klimaschutzprogrammen und der Umstellung auf regenerative Energien zugute kommen. Die deutsche Wirtschaft hofft, sich eine führende Marktposition als Exporteur von Klimatechnologien sichern zu können. Überdies wolle Kanzlerin Merkel den Druck auf China erhöhen, damit sich Beijing „auf verbindliche Ziele zur Emissionsminderung bis 2030“ verpflichte, hieß es weiter.

Berlin als „Brückenbauer“

Man werde trotz des Umstandes, dass in Glasgow nur eine geschäftsführende Regierung auftrete, nicht als „lame duck“ – die sprichwörtliche „lahme Ente“ – agieren, heißt es in Berlin: Man sei „voll handlungsfähig“. Neben der Ankündigung einer „substanziellen“ Erhöhung der klimapolitischen Finanzhilfen für Schwellen- und Entwicklungsgelder von zuletzt sieben Milliarden Euro pro Jahr will Berlin auf der COP26 auch mit Beschlüssen zur beschleunigten Energiewende punkten. Deutschland komme „mit einem starken, neuen und rechtsverbindlichen Klimaziel nach Glasgow“, beteuerte die geschäftsführende Umweltministerin Svenja Schulze (SPD): Man wolle bereits bis 2045 klimaneutral werden – „fünf Jahre früher als auf EU-Ebene“.

Deutschland sei in der Lage, auf der Klimakonferenz „Brücken zu bauen zwischen den einzelnen Lagern“, da man „die Erfahrung und die Vertrauensbasis“ dafür habe. Umweltverbände fordern indes von Berlin, sich konkret dafür einzusetzen, dass in Glasgow die im Pariser Abkommen festgeschriebenen Klimavorgaben nicht durch einen globalen Markt für CO2-Emissionsrechte ausgehöhlt werden. Es bestehe die Gefahr, dass reiche Länder sich bei einem „Ablasshandel“ mit CO2-Kompensationen von ihren Klimaschutzverpflichtungen freikauften, warnt etwa Greenpeace.

Deutsche Industrie in Sorge

Klimapolitiker von Bündnis 90/Die Grünen äußern überdies die Hoffnung, die Klimakonferenz in Glasgow könne auch die parallel geführten Berliner Koalitionsgespräche positiv beeinflussen. Die COP26 sei eine „Chance“, „Impulse für den Klimaschutz in Deutschland“ zu liefern, erklärte die klimapolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Lisa Badum. Solche Stellungnahmen sind freilich auch Ausdruck der starken Widerstände, die einer konsequenten Klimapolitik vor allem aus deutschen Wirtschaftskreisen entgegengesetzt werden. Ohnehin hat sich Berlin unter den Regierungen von Gerhard Schröder und Angela Merkel im Interesse der innovationsfaulen deutschen Autoindustrie jahrzehntelang als klimapolitischer Bremsklotz betätigt, indem es EU-weite Verschärfungen der CO2-Normen torpedierte.

Bei den laufenden Koalitionsverhandlungen blockiert vor allem die FDP eine konsequente Klimapolitik, weshalb inzwischen unter anderem ein verbindliches Tempolimit vom Koalitionstisch ist. Konservative Leitmedien begleiten die Koalitionsgespräche mit Klagen über hohe Kosten, die auf Schlüsselbranchen der deutschen Industrie im Verlauf der angepeilten Wende zu regenerativen Energien zukämen.

Allein die deutsche Stahlbranche wird demnach Investitionen in Höhe von 30 Milliarden Euro tätigen müssen, weshalb die Stahlkonzerne, wie es heißt, nach „Betriebsbeihilfen“ riefen und fürchteten, „von Billigimporten aus weniger ambitionierten Regionen überrollt zu werden“. Ähnlich verhält es sich auf dem Autosektor, wo Branchenvertreter milliardenschwere staatliche Investitionen unter anderem in „Ökostrom, Ladesäulen, Wasserstoff, E-Fuel und bei der Digitalisierung“ fordern.

Glasgow als „letzte Chance“

Dabei gilt die Glasgower Klimakonferenz Beobachtern als „letzte Chance“ für das Weltklima. Die rund 140 Staaten, die sich an dem Treffen beteiligen, sollen die weitere Umsetzung des Pariser Klimaabkommens diskutieren und konkretisieren, das eine Beschränkung des globalen Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad Celsius vorsieht. Dazu sollen im Konferenzverlauf im Idealfall neue, verschärfte Klimaschutzziele beschlossen werden, um die akut gefährdeten Reduktionsziele doch noch zu erreichen.

Bislang haben dies vor allem Industrieländer wie die Bundesrepublik und die USA im Rahmen nationaler Selbstverpflichtungen getan; dies soll nicht zuletzt dazu dienen, Schwellenländer wie Indien und insbesondere China unter Druck zu setzen. Die bisherigen Zusagen reichen Experten zufolge „bei Weitem“ nicht aus: Sollten in Glasgow keine weiteren Selbstverpflichtungen hinzukommen, dann werde der CO2-Ausstoß „2030 um 16 Prozent höher liegen als 2010“; das wiederum lasse die Welt auf einen katastrophalen Temperaturanstieg von rund 2,7 Grad zutreiben.

Druck auf China

Streit ist, wie es heißt, auch bei der Frage der Verpflichtungsperioden für Verschärfungen beim Klimaschutz programmiert. Schwellenländer wie China fordern möglichst lange Laufzeiten von rund zehn Jahren, während die westlichen Industriestaaten eher kurze Perioden von fünf Jahren favorisieren. Weitere Konfliktfelder bilden der Emissionshandel bzw. die Option, mit Verschmutzungsrechten zu handeln; das könnte vor allen Industrieländern die Option eröffnen, sich von den eigenen Emissionen „freizukaufen“. Bislang konnte keine Einigung auf Regeln für den Emissionshandel erzielt werden.

Schließlich wird es in Glasgow auch ganz konkret ums Geld gehen: Von den jährlichen Transfers in Höhe von rund 100 Milliarden Dollar von 2020 bis 2025, die den Entwicklungsländern zuletzt zum Zweck des Klimaschutzes von Industriestaaten versprochen wurden, ist bislang nur ein Teil geflossen. Auch hier fordern die westlichen Industrieländer, insbesondere China müsse sich künftig stärker an den Finanztransfers beteiligen.

Vergessene klimapolitische „Hausaufgaben“

Freilich sind nach Ansicht von Beobachtern nicht nur die Schwellen-, sondern auch die Industrieländer kaum bereit oder in der Lage, die notwendigen radikalen Maßnahmen für einen nachhaltigen Klimaschutz zu implementieren. Die meisten an der Konferenz teilnehmenden Staaten hätten ihre klimapolitischen Hausaufgaben nicht gemacht, heißt es trocken. So fehlten etwa Reduktionsverpflichtungen von „Schwergewichten“ wie China, Indien und Saudi-Arabien; zudem hätten Staaten wie Australien, Brasilien, Mexiko und Russland neue Klimaziele eingereicht, die „keine Verbesserung oder gar eine Verschlechterung zu den alten Zielen“ darstellten.

Anstatt des daraus resultierenden Emissionsanstiegs von 16 Prozent bis 2030 sei jedoch ein massiver Rückgang des CO2-Ausstoßes von 45 Prozent gegenüber 2010 notwendig, um die Klimaziele zu erreichen. Ein „Glaubwürdigkeitsproblem“ hätten allerdings vor allem die reichen westlichen Staaten, da sie ihre Finanzierungszusagen gegenüber den Entwicklungsländern nicht eingehalten hätten. Sprecher der Nichtregierungsorganisation Oxfam erklärten, gebrochene Finanzzusagen der Zentren gegenüber der globalen Peripherie bildeten eine „schwere Hypothek für die Klimakonferenz“ und stellten den Erfolg des Gipfels in Frage.

Der Markt fordert mehr Kohle

Unterdessen belegt die global in hohem Tempo ansteigende Nachfrage nach dem besonders klimaschädlichen fossilen Energieträger Kohle, dass ein nachhaltiger Klimaschutz mit dem Wachstumszwang der globalen Marktwirtschaft kaum vereinbar ist. Der Preis pro Tonne Kohle ist von rund 50 US-Dollar im Herbst 2020 auf inzwischen mehr als 220 US-Dollar angestiegen – das Ergebnis eines rasch zunehmenden Verbrauchs. Dabei führen insbesondere die staatlichen Konjunkturprogramme, die in Reaktion auf die Covid-19-Pandemie aufgelegt wurden, zu einem schnellen Anstieg der Kohleverbrennung.

In China wird auf Anweisung der Regierung in Beijing mehr Kohle gefördert, um die Energieengpässe der vergangenen Monate zu mildern. In den Vereinigten Staaten soll die Stromerzeugung aus Kohle in diesem Jahr um 22 Prozent zunehmen; in Deutschland, das sich gerne als Vorreiter beim Klimaschutz darstellt, wird die Verstromung von Braun- und Steinkohle sogar um 41 Prozent steigen. Der besonders emissionsintensive Brennstoff erlebt, wie Beobachter konstatieren, aufgrund des Nachfrageschubs ein „Comeback“.

"Muslime & Globalisierung" – Pro: Hintergründe zur Einführung der CO2-Emissionssteuer. Von Stephen Leahy, Brooklin

(IPS). Da eine weltweite Abgabe auf Kohlendioxidemissionen unausweichlich scheint, haben einige der größten globalen Konzerne ihre Lieferanten als Teil ihrer Bemühungen zur Reduktion der Luftverschmutzung gebeten, ihnen die von ihnen […]

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