Die neue Macht der Vermögensverwalter

(iz). „Alles fließt“, heißt es schon bei den klugen Griechen. Im Kontext der Globalisierung hat der Sinnspruch heute eine leicht andere Bedeutung: Es fließt, über alle Grenzen hinweg, vor allem das digitale Kapital. Je nach Gewinnaussichten bewegen sich Investitionen rund um den Globus und es werden – so zumindest die Experten von Oxfam – Dutzende Reiche immer reicher. Finanzexperten wie Robert Solow sehen darin sogar einen globalen Trend zur Oligarchie. Naturgemäß sind die Nationalstaaten und ihre Gesetzgebung nur noch bedingt in der Lage, der globalen Wirtschaft einen Rahmen zu geben.
Wir spüren aber auch eine andere dramatische Veränderung: Flüchtlingsströme aus den Krisenregionen dieser Welt bewegen sich ebenso wie das Geld über Grenzen hinweg. Hier gibt es allerdings deutlich mehr Widerstände. Beide Phänomene und die Reaktionen darauf werden uns künftig beschäftigen. Im Moment hat allerdings die Flüchtlingskrise die Bankenkrise vorerst aus den Gazetten verdrängt. Während wir uns (zu Recht) zum Beispiel über das Problem der Straßen-Bandenkriminalität und damit über die Frage, ob auch Flüchtlinge kriminell sein können, aufregen („passt auf Eure Handys auf!“), erleben wir gleichzeitig andere wichtige Transaktionen im Graubereich der Deutschland AG.
Ein Aspekt der hitzigen Debatte über die Flüchtlingskrise ist, dass man von den globalen, insbesondere ökonomischen Zusammenhängen eher abgelenkt wird. Das Handelsblatt berichtete in diesen Tagen beinahe unbemerkt über eine wichtige Personalie. Friedrich Merz, einstmals einer der wichtigsten Politiker der regierenden CDU, soll das Deutschlandgeschäft der Firma BlackRock übernehmen. Der Auftrag für den machtbewussten Netzwerker scheint klar: Merz soll mit seinen guten Kontakten in Politik und Wirtschaft das Geschäft der Finanzjongleure weiter ausbauen helfen. Nur, wer – oder besser – was ist aber eigentlich BlackRock?
Ein neu erschienenes Buch der Zeit-Redakteurin Heike Buchter klärt über die Machenschaften des Finanzkonzerns auf. Generell sind schon 85 Prozent des Streubesitzes der deutschen DAX-Konzerne in ausländischer Hand. Das weltweit aktive Imperium „BlackRock“ ist in Deutschland inzwischen der größte Investor im DAX, dem Aktienindex der 30 größten börsennotierten deutschen Unternehmen. Der Fonds ist an diesen Firmen bereits mit schlappen 57 Milliarden beteiligt. Die Macht der BlackRock-Manager ist geliehen, sie ergibt sich aus vielen Einlagen von Sparern, Unternehmern oder Pensionsfonds, die in Niedrigzinszeiten nicht wissen, wohin mit ihrem Geld. Insgesamt bewegen die Vermögensverwalter so ein Anlagevermögen von etwa 4,6 Billionen Dollar. Das Aktienrecht in Europa erlaubt dabei den Geldverwaltern auch mit Minderheitenbeteiligungen bereits großen Einfluss auf die Geschäftspolitik. BlackRock ist also nicht nur finanzstark, der Investmentfonds ändert auch rasant die Spielregeln der Wirtschaft.
In dieser neuen Ökonomie verbleicht die alte Idee des Unternehmertums immer schneller. Wie aus dem Museum wirkt der Mythos der deutschen Unternehmerfamilie, die persönliche Verantwortung für die Mitarbeiter trägt und hin und wieder einen Kredit bei der Bank aufnimmt, um zu investieren. Ebenso antiquiert wirken im Angesicht neuer global agierender Finanzfonds die alten Debatten rund um die Problematik von Koch und Kellner, also die Frage, ob die Macht der Nationalstaaten ausreicht, um die Banken zu kontrollieren und ausreichend regulieren zu können. Der Erfolg von BlackRock zeigt aber, dass die Finanzmärkte auf Dauer gar nicht mehr von Banken alten Stils kontrolliert werden. Buchter fragt in ihrem Buch zu Recht: „Wie konnte nahezu unbemerkt und unbehelligt von Politik und Regulierung in nur kurzer Zeit so ein Koloss entstehen?“
Die Antwort liegt auch in der Bewältigung der Folgen der Finanzkrise 2008. Die Regierungen versuchten bekanntermaßen, Banken stärker zu regulieren und ihnen die Pflicht aufzugeben, mehr Eigenkapital zu bilden. Daraus entstand eine neue Marktsituation und neue Vorteile für andere Akteure der Finanzbranche. Sogenannte Schattenbanken, gebildet von gigantischen Investmentfonds wie BlackRock, werden dabei definitiv nicht mehr von Staaten reguliert, übernehmen aber heute die globale Kreditvergabe. Sucht zum Beispiel ein Unternehmen nach Risikokapital, wendet es sich immer öfters nicht mehr an eine Bank, sondern an andere Finanzdienstleister, die zu höheren Zinsen das nötige Kapital vorschießen. Die letzte Finanzkrise begann, weil diverse Geldanleger ihre riskanten Kredite und Hypotheken später an Banken verkauften und sie so mit in den Abwärtsstrudel zogen.
Die Strategie der Schattenbanken verändert auch ganz nebenbei die romantische Idee von fairem Wettbewerb. Sie sind nicht wirklich am Schicksal der Firmen interessiert, denn sie investieren in bestimmten Sparten oft bei allen Konkurrenten gleichzeitig. Inwieweit dieser Trend auch die Möglichkeit für Insidergeschäfte und die Ausforschung der Konkurrenz bietet, ist ziemlich umstritten.
Die Manager von BlackRock sind aber nicht nur Finanzexperten, sie verknüpfen ihre Strategie auch mit anderen Möglichkeiten der Hochtechnologie. In einem Werbefilm auf Youtube stellt der Konzern sein neues Herz vor: eine gigantische Suchmaschine. Unter dem Projektnamen „Aladdin“ sammeln die Amerikaner Millionen von Daten praktisch aller Finanztransaktionen der Welt und schaffen sich so einen Zeit- und Kompetenzvorteil. Der Maschine entgeht nichts, egal ob es um den Ausfall von Ernten, Zinsschwankungen oder die Veränderung von Wechselkursen geht. Wo immer neue Risiken oder Profitmöglichkeiten auf der Welt entstehen, heißt es dann „kaufen oder verkaufen!“. Damit ist der Fonds in der Lage seine komplizierten Transaktionen schnell und lautlos auszuführen, und dies mit immer größeren Geldmengen seiner Anlieger.
Damit vollzieht die Geschäftsidee von BlackRock endgültig die Trennung von Kapital von jeder persönlichen Verantwortung der Investoren. In der praktischen Anwendung verleiht „Big Data“ den neuen Schlüssel zur ökonomischen Macht. Kritiker befürchten gleichzeitig den Anfang vom Ende des internationalen Finanzsystems. Jederzeit können diese im Sekundentakt bewegten gigantischen Kapitalmengen privater Investmentfonds Panik und unbeherrschbare Reaktionsketten auslösen.

Die IZ-Blogger: Bitterer bosnischer Frühling

(iz). Immense Schäden sind das Resultat der landesweiten größten Proteste in Bosnien-Herzegowina nach Ende des Bosnien-Krieges. In mehreren Städten des Landes brannten Regierungsgebäude. Die Proteste hatten sich am Mittwoch entzündet, weil vier privatisierte Staatsunternehmen pleite gingen. Monatelang bekamen die Arbeiter keinen Lohn. Die Protestwelle, die in Tuzla ihren Anfang fand, weitete sich in den kommenden Tagen auf das gesamte Land aus.

Die Proteste in der Hauptstadt Sarajevo zeigten abermals, wie unfähig die führenden bosnischen Politiker sind, Herr der Lage zu werden. Der politischen Kaste geht es (noch) gut, da Bosnien mit Krediten des Internationalen Währungsfonds (IWF) am Leben gehalten wird. Viele dieser so genannten Geldspritzen werden aber nicht für Entwicklungsprojekte verwendet, sondern landen als Gehälter bei den Bediensteten, die vom Staat ihr Salär beziehen. Somit wurde vielerorts der bosnische soziale Frieden mit IWF-Geldern gekauft. Doch auch dies wird bald ein Ende haben, wenn es an die Rückzahlung der Kredite geht.

Bei den Angriffen auf das brennende Präsidiumsgebäude in der bosnischen Hauptstadt zeigte sich auch der politische Unwille. Die SIPA (State Investigation and Protection Agency), die ihren Aufgaben her in etwa dem deutschen Bundeskriminalamt entspricht und zuständig ist für den Schutz von Regierungsgebäuden, war nicht präsent, als die ersten Scheiben zu Bruch gingen. Das bosniakische Präsidiumsmitglied Bakir Izetbegović rief die Spezialeinheit der Föderationspolizei an, um Ruhe und Ordnung herzustellen. Bei der SIPA, die von einem bosnischen Serben geleitet wird, rief er nicht an, da Izetbegović hier nicht auf schnelle Hilfe hoffen konnte.

Ebenso konnte sich der amtierende Sicherheitsminister und ehemalige Medienmogul Fahrudin Radončić nicht mit Ruhm bekleckern. Er beließ es lieber bei Parolen und erinnerte an seine Ermahnungen, in denen er letztes Jahr vor solchen und ähnlichen Taten warnte. Von Koordinierung der Polizei und Schutz der Bürger keine Spur. Radončićs Partei, die SBB, hofft weggeschwommene politische Felle im Fall vorgezogener Neuwahlen zurückzuholen. Politische Spekulationen gehen vor Bürgerschutz. Alles Resultate des Daytoner-Abkommens.

Politisches Kapital aus den Protesten schlagen primär die nationalistischen politischen Gruppierungen, die dem bosnischen Gesamtstaat nicht wohl gesonnen sind und ihrem Traum der Abspaltung beziehungsweise Loslösung vom Gesamt-Staat nun ein Schritt näher gekommen sind. Angefangen vom Präsidenten der bosnischen Serben-Republik Milorad Dodik, der schnurstracks nach Belgrad flog, um sich dort mit dem stellvertretenden serbischen Ministerpräsidenten Aleksandar Vučić zu treffen. Der kroatische Ministerpräsident Zoran Milovanović flog nach Mostar, um dort die hiesigen kroatischen politischen Führer zu sehen. Im Chaos wäre es einfach, eine kroatische Republik in Bosnien herzustellen. Gründe gibt es zuhauf, die das System Dayton immer wieder produziert. Die serbische Republik wurde durch Dayton zementiert. Zement, der getränkt ist von Tötungen, Vertreibungen und Massengräbern über das ganze Land. Das Massengrab von Prijedor, in dem 430 bosniakische Leichen gefunden wurden, wird nicht das letzte sein, das freigelegt wird.

Dies sind nicht die ersten Proteste. Schon im Sommer wurde in Bosnien demonstriert. Demonstranten belagerten das Parlament in Sarajevo, nachdem ein krankes bosnisches Baby aus politischen Gründen gestorben war. Der Grund: Die politische Klasse hatte sich im Streit um neue Personalausweise nicht auf einen Kompromiss einigen können, weshalb die Familie des kranken Kindes keine Dokumente besaß, um es zu einer lebensrettenden Behandlung nach Deutschland zu bringen. Die damaligen Proteste verliefen sich aber rasch wieder.

Zu erwarten ist, dass die Proteste, die von der nordbosnischen Stadt Tuzla ausgingen, sich wiederholen werden. Zu groß ist der Unmut der Bevölkerung, die sich mit Problemen der Arbeitslosigkeit, sozialer Ungerechtigkeit und Armut auseinander setzen muss. Der Nachteil der Protestbewegung ist, dass sie nicht koordiniert wird und von keiner Bürgerbewegung eine Steuerung erfährt. Sie passiert im bosnischen Affekt. In der Ukraine leistet diese Aufgabe die Opposition. In Bosnien ist diese nicht fähig, den gemeinsamen Nenner zu finden. Zu tief sind die politischen Gräben, die ihnen das System Dayton bietet, gegeneinander statt miteinander zu arbeiten.

Der kroatische Ex-Präsident Stjepan Mesić forderte die Revision des Dayton-Abkommens. „Dieses Abkommen, das wir alle begrüßt haben, weil es einen blutigen Krieg beendet hat, ist mit dem Willen seiner Erschaffer zu einem Hindernis geworden, BiH in ein funktionierendes Land zu verwandeln“. Wichtig sei, dass die internationale Gemeinschaft und die Vertragsunterzeichner, darunter auch Kroatien, begreifen, dass eine unaufschiebbare Änderung es Abkommens notwendig sei, betonte Mesić. Der Ex-Präsident meinte, dass die zwei Entitäten des Landes, die sich immer mehr zu „Para-Staaten“ entwickeln würden, weder eine historische noch eine politische Berechtigung hätten.

Die Frage, die sich ebenso stellen muss, ist, welche Strategie die internationale Staatengemeinschaft verfolgt. In den letzten Jahren verwaltete sie mehr das Systemchaos, als es zu ordnen oder gar neu aufzustellen. Warnende Fortschrittsberichte der Europäischen Union in Bezug auf die Beitrittsunfähigkeit des Landes konnten weder aufwecken noch schrecken. Man hat es sich im bosnischen Chaos bequem gemacht und beobachtet den leisen Untergang des Landes. Die Amerikaner schweigen, überlassen den Europäern das Feld. Europa tut das, was es am besten machen kann. Es schreibt fleißige Berichte an und in Brüssel und lamentiert hier und da. Gut bezahlte EU-Diplomaten müssen natürlich auch irgendwelche Resultate liefern.

„Deutschland würde mit solch einer Verfassung den Laden nach vier Jahren dicht machen“, kommentierte ein deutscher Politiker das Daytoner-Konstrukt. Bosnien hat bald die Marke von 20 Jahren geknackt. Da in Sotschi die olympischen Winterspiele stattfinden, ist diese bosnische Ausdauer goldmedaillenverdächtig. Fragt sich nur wie lange.

UNO: 352 Milliarden Dollar durch Finanzinstitute gewaschen

(pte). In der Hochblüte der weltweiten Finanzmarktkrise hat die Bankenbranche offenbar verzweifelt auf den plötzlichen Mangel an Liquidität reagiert. Dem UNO-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) zufolge waren Drogengelder teilweise […]

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