Spalter! Spalter? Kommentar auf eine zerstrittene Gesellschaft

„Seid ihr von der Judäischen Volksfront?“ – „Judäische Volksfront. Quatsch! Wir sind die Volksfront von Judäa! Judäische Volksfront…“ (Das Leben des Brian)

(iz). Nachdem 2007 eine hartnäckige Weltfinanzkrise wegen „Blasen“, Spekulation und unkontrollierten Geldmengen ausbrach, begann eine der ersten Krisen des 21. Jahrhunderts. Im Verlauf lernten wir den bisher seltenen „Stresstest“ kennen. Hier bedeutete es, dass die zuvor irrational agierenden Finanzinstitutionen auf ihr Funktionieren unter Belastungsbedingungen geprüft wurden. Als Folge entstanden unter anderem „Bad Banks“ für die vielen „faulen Kredite“.

Wenden wir dieses Prüfverfahren auf unsere, seit März 2020 von Pandemie und ihrer Nebenwirkungen gestresste Gesellschaft an, finden sich Risse in ihrem Zusammenhalt. 

In der öffentlichen Debatte macht das böse Wort von der „Spaltung“ längst die Runde. Je nach Standpunkt des Betrachters geht sie entweder von einer Minderheit aus, die sich trotz einer vierten Welle nicht impfen lässt und den Mehrheitskonsens zum Virus ablehnt, oder es sei die Mehrheit selbst, welche uns spalten würde.

Machen wir uns nichts vor. Wir Muslime kennen den Begriff, der gerne als Vorwurf gebraucht wird. Das Etikett des „Spalters“ wird häufig in unterirdischen Debatten dem angeklebt, der öffentlich kritisiert. Oder man nimmt ihnen übel, einen – häufig eingebildeten – Konsens aufgekündigt zu haben. Manchmal stimmt diese Zuschreibung. Viel häufiger aber setzen sich die Urteilenden so sehr mit der Mehrheitsposition oder diesem Konsens gleich, dass sie Widerspruch als Bruch einer reinen Lehre und ihrer Identität begreifen.

Sprechen wir im gesamtgesellschaftlichen Kontext von „Spaltung!“, dann müssen wir als Bürger erkennen, dass hier eine hochkomplexe Gesellschaft herrscht. Sie ist schon lange kein Monolith mehr, sondern ist ein buntes Sammelsurium diversester „Parallelgesellschaften“.

Insofern braucht es eine Krise, um das hervorzubringen, was längst schon Realität ist, aber das Funktionieren für die Öffentlichkeit bislang nicht sonderlich störte. Deutschland steht vor einer Doppelaufgabe: Zu verhindern, dass Zentrifugalkräfte zu groß werden, und gleichzeitig Minderheitenrechte bewahren.

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„IZ-Begegnung“ mit Emran Feroz über die Bedeutungen der Ereignisse in Afghanistan

(iz). Der Autor und Journalist Emran Feroz wurde 1991 als Kind afghanischer Eltern im österreichischen Innsbruck geboren. Feroz, der sich auch als „Austroafghane“ bezeichnet und 2021 mit dem Concordia-Preis für eine Reportage ausgezeichnet wurde, erwies sich in den letzten Jahren als hellsichtiger Kritiker des „War on Terror“, des fragwürdigen weltweiten Einsatzes von Kampfdrohnen in aller Welt sowie der westlichen Politik in Afghanistan, das er regelmäßig und vor Ort bereiste.

Kurz vor dem Fall Kabuls an die Taliban hat Emran Feroz sein drittes Buch veröffentlicht: „Der längste Krieg“. Darin beschäftigt er sich mit dem beinahe 20-jährigen Militäreinsatz des Westens am Hindukusch, seine humanitären Kosten und warum er schlussendlich gescheitert ist. Mit ihm sprachen wir über das Land seiner Eltern, eine vom Krieg zerrissene Gesellschaft sowie über mediale Stereotypen und Fehleinschätzungen.

Islamische Zeitung: Lieber Emran Feroz, was bedeuten die Ereignisse der letzten Wochen und Monate für die Afghanen und ihr Land? Was leitet sich daraus für Sie ab?

Emran Feroz: Es ist so eine Sache, für die Afghanen zu sprechen. Zum Beispiel gibt es genug Provinzen, in denen der Abzug schon vor Jahren stattgefunden hat. Die verbliebenen Truppen, die jetzt gingen, waren ein paar tausend Mann. Und das wurde jetzt alles in jederlei Hinsicht mit den ganzen Evakuierungskommissionen so schlecht koordiniert. Wir konnten das bei den letzten US-Soldaten sehen, die am Flughafen Kriegsgerät und Helikopter zerstört haben, damit die Taliban sie nicht benutzen können. Die mit ihnen verbundenen Bilder, als sie von den Taliban zum Abflug eskortiert wurden, dokumentieren in jederlei Hinsicht einfach ein totales Versagen.

Was das jetzt für viele Afghanen bedeutet, lässt sich schwer zusammenfassen. Ich denke, dass dieses Kapitel abgeschlossen wurde und viele gleichzeitig jetzt in eine sehr ungewisse Zukunft blicken. Afghanistan als Staat kann ohne ausländische finanzielle Hilfe nicht überleben. Und von dieser Hilfe sind Millionen abhängig. Das sind jetzt die Sorgen, mit denen sich eigentlich die meisten sowohl auf dem Land als auch in den Städten beschäftigen. Und diese anderen Sachen, von denen man in diesen Tagen in Medien hört, wie individuelle Freiheiten, Menschen- und Frauenrechte, kommen noch hinzu. Was den Großteil der Gesellschaft vereint, ist einfach, dass man eigentlich vor einer humanitären Katastrophe steht und dass die verhindert werden muss. 

Islamische Zeitung: Es gibt verschiedene Organisationen, die in den letzten Wochen davon sprachen, dass rund 12 Millionen Menschen vor Lebensmittelunsicherheit stünden und zwei Millionen Kinder akut mangelernährt seien. Was sagen Ihre Kontakte vor Ort über die akute Belastung der Menschen?

Emran Feroz: Ja, das ist so. Heute haben die Taliban ein exemplarisches Bild aus dem Präsidentenpalast gepostet. Auf dem sieht man, wie sie auf dem Boden essen. Das sah sehr wie ein durchschnittliches afghanisches Essen aus – also Gemüse, ein bisschen Fleisch. Und die haben das natürlich inszeniert. Die Botschaft lautet: Wir sind nicht wie die alten Eliten, sondern sitzen alle auf dem Boden. Und der Führer sitzt ja auch da. Und wir essen alle das Gleiche. Viele haben kritisiert, dass es momentan viele gibt, die bald gar nichts mehr zu essen haben. Es gibt Regionen Afghanistans, in denen Hungersnot herrscht. Das sind Gegenden, die total isoliert sind, oder die von den Taliban besetzt wurden, wo die Nahrungsmittelreserven ausgehen. In der Region Pandschir, die offiziell von den Taliban erobert wurde, aus der aber noch Kämpfe berichtet werden, ist die Informationslage sehr undurchsichtig. Es ist sehr unklar, was da eigentlich passiert. Das liegt auch daran, dass sie keine Medien hereinließen. Irgendwie sind von dort trotzdem Berichte durchgesickert, wonach die Nahrungsmittel ausgehen und dass sich die Menschen nur noch von Brot und irgendwelchen Resten ernähren. Und ich denke schon, dass in vielen Regionen des Landes das Ganze immer mehr auf so eine Richtung zusteuert, wenn nicht bald Hilfe von außen das Land erreicht.

Islamische Zeitung: Das heißt, Sie würden aus Ihrer Sicht auf die Dinge auch dafür sein, dass es zumindest minimale Gespräche gibt und dass die Hilfslieferungen und -projekte weitergehen können?

Emran Feroz: Ja, auf jeden Fall. Und noch einen Zusatz zur letzten Frage: Natürlich sind auch die Preise für Grundnahrungsmittel und so weiter gestiegen. Sie sind höher als sonst und viele stehen unter Druck. Man merkt auch, dass vielen Bargeld ausgeht. Wir sahen, was vor den Banken, Western Union und MoneyGram los war. Viele Afghanen haben bisher Geld aus dem Ausland bekommen. Die meisten haben Verwandte im Ausland und sind gerade sehr von ihnen abhängig. Auch für mich war es in den letzten Tagen schwierig, ihnen Geld zu schicken. Mittlerweile sind sie wieder geöffnet, aber dort ist im Moment die Hölle los.

Es ist jetzt so, dass sie an der Macht sind und es darf nicht der Fehler gemacht werden, den man in den 90ern gemacht hat, nämlich das Land – was die Taliban natürlich selbst zu verschulden hatten – wieder in eine Isolation zu treiben. Die Bevölkerung wurde kollektiv bestraft. Und genau das darf sich jetzt nicht wiederholen. Dass die Taliban an der Macht sind, hat viele Gründe und hat auch Gründe in Teilen der Bevölkerung. Im Großen und Ganzen hatten die Afghanen mit dem Abzug und dem Friedensdeal nicht viel zu tun. Es wäre meiner Meinung nach nicht in Ordnung, wenn sie jetzt alle sanktioniert werden würden. Es ist ein Unterschied, wie man mit den Taliban umgeht und der Bevölkerung im Ganzen. Und wenn man da jetzt Hilfslieferungen stoppt oder das Land sanktioniert, bestraft man in erster Linie die Bevölkerung. 

Islamische Zeitung: Sie sind Journalist und beobachten, was im Land vor sich geht; aber auch, was hier im Westen geschrieben wird. Beinahe schon wütend machte es, dass direkt ab dem 16. August von „unserer Niederlage in Afghanistan“ gesprochen wurde. Geopolitisch und militärisch mag das eine Niederlage gewesen sein, obwohl es de facto seit 2014 keinen Kampfauftrag mehr in Afghanistan gab. Ist das nicht eine unheimliche Egozentrik, dass man das so sagt und die Niederlage der Afghanen selbst verschweigt?

Emran Feroz: Ja, natürlich. Das ist ein Problem, das sich durch die jüngste Berichterstattung gezogen hat. Man sprach von „unserer Niederlage“ und „unseren Soldaten“. Und man hat sich gleichzeitig für wichtige Fehlentwicklungen gar nicht verantwortlich machen wollen und wiederum die Afghanen beschuldigt. Das klingt an in Sätzen wie: Wir haben unser Bestes gegeben, aber die afghanische Armee wollte nicht kämpfen. Die meisten Menschen, die in diesem Krieg gelitten haben, die vor Ort gekämpft und viele Opfer gebracht haben, waren Afghanen. Die Armee wurde in den letzten Jahren, Monaten und Wochen im Grunde verpulvert. Man hat arme Männer in den Krieg geschickt und gleichzeitig mit Leuten zusammengearbeitet, die korrupt waren und sich persönlich bereicherten.

Islamische Zeitung: Es gibt Stimmen, die dieses Narrativ, die afghanische Armee und Polizei hätte nicht gekämpft, geradegerückt haben. Ab 2014 lag die Hauptlast der Bodeneinsätze bei Armee und Polizei. Sie haben mindestens 74.000 Tote zu verzeichnen gehabt. Dass sie nicht gekämpft hätten, ist so nicht wahr, oder?

Emran Feroz: Genau richtig. Allein die Anzahl der Todesopfer der Sicherheitskräfte war in den letzten Jahren mindestens drei bis viermal so hoch wie die der Zivilisten. Das war mindestens eine fünfstellige Zahl, die jedes Jahr zustande kam. Es wurde gekämpft, obwohl grundlegende Dinge fehlten. Das letzte Mal habe ich im Frühling afghanische Soldaten an der Front gesehen. Denen fehlt es an allem Möglichen. Sie wurden auch nicht regelmäßig entlohnt und haben trotzdem gekämpft. Das war zum Beispiel in einer Provinz im Nordosten, aus der die Amerikaner vor fast 10 Jahren abgezogen sind. Und dort hat für diese Menschen der Abzug keine große Rolle gespielt, weil die meisten sowieso schon allein waren. Aber gleichzeitig hat man gemerkt, wie tief die Gräben zwischen diesen Soldaten und den herrschenden Politikern waren. Es ist auch verständlich, wenn sie irgendwann kampfesmüde wurden und sich sagten: Okay, ich kann nicht mehr. Wieso schickt Person X nicht ihre Kinder? Die sind alle im Ausland und studieren.

Islamische Zeitung: … beziehungsweise betreiben Restaurants in Dubai, von denen Sie einige Fälle beschrieben haben… 

Emran Feroz: Richtig. Genau diese Perspektive wird gerne ausgeblendet. Man sucht gerne die Schuld bei anderen und redet von der eigenen Niederlage, obwohl man gar nicht versteht, was die letzten und auch die kommenden Jahre eigentlich für die meisten Afghanen bedeuteten und weiterhin bedeutend werden.

Islamische Zeitung: Wenn man Erinnerungen westlicher Soldaten liest, die 2007 oder 2008 in Helmand oder Kandahar eingesetzt waren, sprechen diese von teilweise intensiven und blutigen Gefechten. Wie sah der innerafghanische Krieg aus? War das eine sehr blutige Angelegenheit? 

Emran Feroz: Ja. Allerdings auf beiden Seiten; Sowohl von Seiten der Taliban als auch der Armee und verschiedenen Milizen, die in den letzten Jahren aufgebaut wurden. Das hat sich in manchen Gebieten auch auf verschiedene Stammesfehden und damit verbundenen Strukturen bezogen. Es konnte dort wie (???) beschrieben werden, wenn in einem Dorf Talibankämpfer oder ein Kommandeur vermutet wurde und das ganze Dorf blindlings bombardiert wurde, zu vielen Toten kommen. Auf der anderen Seite hat sich Vergleichbares ereignet, wenn die Taliban irgendeinen Ort erobert haben. Dann konnte die ganze Verwandtschaft von Angehörigen eines Soldaten oder eines Mitglieds des Sicherheitsapparates getötet werden. Es gab zusätzlich viele verschiedene Strukturen. Nicht nur die afghanische Armee, sondern die Polizei sowie verschiedene Milizen, die von der CIA aufgebaut wurden und einen Geheimdienst mit eigenen Milizen, sodass es zum Teil sehr unübersichtlich war. Man hat oft Exempel statuiert und sich gegenseitig massakriert.

Islamische Zeitung: Es wird häufig so gesprochen, als wären die Afghanen in den letzten 20 Jahren keine Akteure gewesen. Das sind Menschen, die haben gehandelt, die haben sich gefreut, haben gelitten, sind gestorben und haben gelebt. Also braucht es da nicht auch einen Perspektivwechsel, der den Menschen vor Ort keine Handlungsfähigkeit abspricht?

Emran Feroz: Das ist ganz wichtig, weil man in den letzten Jahren in vielen Analysen bis jetzt sieht, dass das immer noch oft versucht wird. Es wird versucht, Probleme mit irgendwelchen Verschwörungstheorien zu externalisieren. Da gibt es viele Fake News. Ich habe ja den Fall Pandschir beschrieben. Da hat sich in den letzten Tagen viel Aufmerksamkeit drauf gerichtet. In den ersten Tagen nach der Stürmung durch die Taliban haben Propagandisten der Gegenseite Gerüchte gestreut von pakistanischen Drohnen und Einsatzkräften, die die Taliban unterstützt hätten. Es wird ja von einer Taliban-ISI-Achse gesprochen, wonach Pakistan die Taliban unterstützt und auch in den 90er Jahren unterstützt hat. Das ist ein offenes Geheimnis, aber oft wird es dann so vermengt, dass am Ende selbst viele Afghanen denken, diese Taliban seien eigentlich gar keine Afghanen, sondern wie Aliens von einem anderen Ort. Man sagt dann, dass seien Pakistaner oder Punjabis. Ich habe unter den Taliban bisher keinen einzigen Pakistaner oder Punjabi getroffen. Da herrscht oft ein verzerrtes Bild. Das wurde dann alles als Fake News entblößt, die indische Medien gestreut haben. Jeder seriöse Beobachter weiß eigentlich sofort, was Sache ist. Aber viele sind leider darauf reingefallen. Das ist nur ein aktuelles Beispiel, was sich jetzt wiederholt hat. Ein Grund hierfür war, dass man den Menschen diese Handlungsfähigkeit und die eigene persönliche Agenda aberkannt und sie auch nicht wirklich gekannt hat. Auch, wie die Taliban die ganzen Provinzhauptstädte und Kabul einnehmen konnten, hat viele überrascht, weil sie einfach nicht einsehen wollten, dass diese Leute nicht irgendwelche Ausländer sind, die von irgendwo herkommen, sondern Menschen aus diesem Land. Irgendwie muss man damit klarkommen. Anstatt das zu machen, wurde man halt von dieser Realität und von vielen anderen eingeholt. 

Islamische Zeitung: Wir sind darauf angewiesen, komplexe Vorgänge mit einer langen Geschichte in Form von Bildern zu erklären. Derzeit werden über Afghanistan sehr viele stereotype Bilder gezeichnet mit Begriffen wie „Mittelalter“, „Moderne“ und ähnlichem. Dabei dauert die oft gewaltsame „Modernisierung“ und Zentralisierung Afghanistans seit mehr als 100 Jahren an. Dann wird gerne von Stämmen geredet, obwohl selbst Paschtunen bei genauem Blick keine Einheit sind. Und es gibt den Gegensatz von Stadt und Land. Kurzum, es ist von außen sehr schwer, sich ein angemessenes Bild zu machen. Um es in einer Frage zusammenzufassen: Was haben die Taliban denn mit dem afghanischen Mittelalter zu tun? 

Emran Feroz: Es ist immer lustig, wenn es um Mittelalter oder Steinzeit geht. Und dann sieht man die Taliban-Spezialkräfte, die mittlerweile wie amerikanische Spezialeinheiten aussehen. Ich denke, von solchen Bildern sollten wir uns verabschieden. Die Taliban leben im 21. Jahrhundert. Sie haben ein anderes Wertesystem, total andere Vorstellungen als viele Menschen hier im sogenannten Westen und auch als viele andere in Afghanistan. Aber sie sind auch modernes oder postmodernes Phänomen. Natürlich gab es in den letzten Jahrzehnten oder Jahrhunderten Kriege in Afghanistan wie die mehreren anglo-afghanischen. Dort ließen sich natürlich auch gewisse Akteure finden, die den Taliban nicht unähnlich waren. Aber die gelten heute unter den meisten Afghanen trotzdem als Nationalhelden, weil sie die Briten verjagt haben.

Etwas, was solche Akteure immer in Afghanistan gestärkt hat – egal ob bei den Briten, den Sowjets oder den Amerikanern –, lässt sich mit dem Tiroler Volkshelden Andreas Hofer vergleichen. Der lebte im frühen 19. Jahrhundert und wurde 1809 hingerichtet. Ich versuche, in meinem Buch und auch mit dem von Pankaj Mishra zu verdeutlichen, dass es solche Bewegungen auch hier gegeben hat und vielleicht sogar auch heute geben könnte, wenn die Umstände andere wären. Hofer hatte damals einen Bauernaufstand gegen Napoleon und die Bayern angezettelt. Er hat sich als Verteidiger bestimmter Werte inszeniert – hier eines konservativen Katholizismus. Auf der Gegenseite gab es Leute, die sagten: Ihr lebt im Mittelalter und wir klären euch jetzt auf. Dann ist aber genau das Gegenteil eingetreten, was sie wollten. Die Menschen haben umso mehr an diesen Werten festgehalten und gewisse Aufstände unterstützt. Man kann diese Werte – in diesem Fall Liberalismus, Demokratie etc. – nicht von außen aufzwingen. Ähnliches wurde in den 70er und 80er Jahren von den Sowjets versucht.

Islamische Zeitung: Ist dieses Projekt der Modernisierung von oben in Afghanistan nicht viel älter? Fand das nicht schon unter Königen wie Amanullah statt? 

Emran Feroz: Ja, genau. Natürlich ist es viel älter. Es gab die großen Versuche von außen, aber dann auch jene von innen wie dem Amanullah Khan, der das durchsetzen wollte – auch mit Gewalt. Das muss man auch bedenken. Er war nicht der superdemokratische Reformer. Er setzte auf paschtunische Stämme, denen er diese Dinge überstülpen wollte. Die hat er dann zum Teil wirklich erniedrigt und niedergemetzelt. Und da sind dann auch wieder viele Feindschaften entstanden. Aber im Großen und Ganzen ist jeder gescheitert, der es von innen oder außen mit Gewalt versuchte. Und gleichzeitig wurden Kräfte stärker, die den Taliban gar nicht so unähnlich waren.

Islamische Zeitung: Wir können bei manchen jungen Muslimen im Westen beobachten, wie sie sich teils auf eine „glorreiche“ Vergangenheit beziehen, die dann aber auch eine konstruierte ist. Was ist diese „Tradition“, auf welche sich die Taliban überhaupt beziehen? Lässt die sich aus der realen Vergangenheit begründen oder ist sie eher die Folge von 42 Jahren Krieg und Konflikt?

Emran Feroz: Ich denke, in Teilen lässt sich das aus der Vergangenheit begründen. In Teilen ist es aber auch Folge aus diesen Kriegen.

Islamische Zeitung: Die Taliban haben gerade eben ihr Übergangskabinett vorgestellt. Jetzt müssen sie einen Staat betreiben. Es gibt ein Phänomen, das wir auch aus der Russischen Revolution kennen. Am Ende haben in den Folterkammern weiterhin die Leute vom zaristischen Geheimdienst gearbeitet oder im Militär zaristische Offiziere. Jetzt werden die Taliban wahrscheinlich nicht umhinkommen, auch auf das bisherige Personal zu setzen. Sind sie auf die bisherigen Beamten angewiesen, um das Ganze halbwegs am Laufen zu halten? 

Emran Feroz: Auf jeden Fall. Sie können nicht mal definieren, was genau der Unterschied sein soll zwischen der Islamischen Republik Afghanistan, die in den letzten 20 Jahren existiert hat, und dem Islamischen Emirat, wie sie es propagieren. Und es wurde jetzt auch offiziell immer noch nicht umbenannt. Es sind noch viele Fragen offen. Die Taliban müssen sich auf jeden Fall in vielerlei Hinsicht öffnen. Sie sind auf solches Personal angewiesen. Diese Interimsregierung ist nicht mal für die traditionell konservativen Verhältnisse Afghanistans inklusiv. Wenn man betrachtet, welche afghanischen Gelehrte miteinbezogen wurden, ist das alles andere als inklusiv. Es gab Stimmen, die den Eindruck hatten, sie wären jetzt progressiv. Sie stehen vor großen Problemen. Es gibt sehr wohl in ihren Reihen Leute, die wissen, wie schwer dieser Spagat ist. Sie hätten ja, wenn wirklich Inklusivität gewollt wäre, zum Beispiel eine Regierung aufstellen können, in der man Gesichter aus der alten Regierung sieht, in der man mehrere Frauen sieht, in der man auch ehemalige korrupte Politiker wie Karzai sieht. Das hätte vielleicht auf der internationalen Bühne besser ausgeschaut als das jetzige Ergebnis.

Aber sie hätten so wahrscheinlich viele in ihren eigenen Reihen verloren. Selbst der durchschnittliche Fußsoldat hätte sich die Frage gestellt, wofür sie denn gekämpft haben. Dieser Spagat ist sehr schwierig. Und ich denke allerdings, dass sie ohne diese anderen Experten nicht umhinkommen. 

Islamische Zeitung: Glauben Sie, dass sich die Taliban akut und zukünftig in einem Vakuum befinden, sodass sie Knowhow aus Staaten wie China, Pakistan oder den Iran beziehen müssen? 

Emran Feroz: Ich denke schon. Die genannten Staaten werden immer mehr eine dominante Rolle in Afghanistan einnehmen. Die Taliban sind jetzt in einer Situation, in der sie abhängig sein werden. Der Punkt ist auch, dass sie ein bisschen vor einer ideologischen Krise stehen. Was die meisten innerhalb der Taliban zusammengehalten hat, war die Präsenz der ausländischen Truppen, war die Korruption. Das ist jetzt weg. Das heißt, dass viele auch viel mehr hinterfragen werden, was ihre Führer machen. Aber das eröffnet die Gefahr einer weiteren Radikalisierung.

Das ist der nächste Punkt. Wir haben immer noch den IS in Afghanistan. Sie wissen ganz genau: Wäre das Szenario einer inklusiven Regierung mit Leuten wie Abdullah, wie Karzai und so weiter eingetreten, wären Abspaltungen vorstellbar. Und die sieht man am Ende dann beim IS.

Islamische Zeitung: Es mag ein bisschen abstrus klingen, aber müssen die Taliban nicht jetzt den Habitus des Widerstandskämpfers aufgeben und beispielsweise auch Uniformen tragen, um überhaupt den von ihnen kontrollierten Staat repräsentieren zu können?

Emran Feroz: Die müssen jetzt den Staat zum Laufen bringen, was natürlich so eine Sache ist. Die müssen erkennbar sein. Viele von ihnen tragen jetzt auch Uniformen. Erkennbarkeit ist wichtig. Das wird schon mehr in diese Richtung gehen. Natürlich sieht man noch viele Soldaten, die man am Turban und mit ihrer Waffe erkennt, wenn sie patrouillieren. Wenn sie den Staat führen in jeglicher Hinsicht und ernst genommen werden wollen, dann wird sich das mehr in eine solche Richtung bewegen. Ich denke aber, dass sie damit auch überfordert sein werden. Wie gesagt, bis vor Kurzem waren sie eine Guerillagruppierung. Dort, wo sie regiert haben, konnten sie das Vakuum aufgrund der Korruption schnell fühlen. Aber das alles fällt jetzt weg und die ganze Verantwortung liegt bei ihnen. 

Islamische Zeitung: Zu den sechs Kernpunkten, die Sie in „Der längste Krieg“ als Momente des Scheiterns der westlichen Intervention in Afghanistan identifizieren, gehört ein Versagen beim Thema „Frauen“ beziehungsweise die Instrumentalisierung der Frage. Jenseits der realen Lage von Frauen im neuen Afghanistan, welche Funktion hatte die „Befreiung der Frau“ für die Intervention und die folgende Besetzung?

Emran Feroz: Wir müssen eines bedenken und das ist dieses Bild von der Befreiung der Frau. Es wurde immer wieder rekonstruiert. Auch die Medien haben es ständig angerufen, dass man nach Afghanistan geht um dort die afghanische Frau zu befreien. In den 80ern haben die Sowjets gleich argumentiert wie zuvor auch die Briten. Per se wird dem afghanischen Mann unterstellt, dass er ein zurückgebliebener Barbar sei, der nicht wisse, wie er mit seiner Frau umzugehen hat.

Als Folge davon konnten wir in den letzten Jahren und eigentlich auch bis jetzt Beiträge zum Thema aus verhältnismäßig privilegierten Stadtteilen Kabuls sehen, in denen ein liberales Leben geführt wird. Hier werden Künstlerinnen oder Regisseurinnen gezeigt, was den Eindruck erweckt: All das wurde durch die Intervention geschaffen und würde jetzt durch die Taliban zunichte gemacht.

Das ist halt falsch. Die dargestellten Szenen repräsentieren nur einen Bruchteil der weiblichen Gesellschaft. Diese kleine urbane Elite hat sich in den letzten 20 Jahren entwickelt und von dieser militärischen Besatzung auf die eine Art und Weise profitiert. Und so wird versucht, dieses Bild auf alle Afghaninnen anzuwenden. Die meisten von ihnen, die auf dem Land leben, sind in einer komplett anderen Realität aufgewachsen. Und das hat viel zu tun mit Armut, mit wirtschaftlicher Ungleichheit, mit fehlender Entwicklung, die dort halt nicht stattfand und den ganzen verschwundenen Hilfsgeldern. Es hängt auch mit der betriebenen Kriegswirtschaft sowie dem Kriegsgeschehen selbst zusammen.

Es macht für viele westliche Akteure die Sache einfacher, diese Dinge jetzt nicht zu erklären oder nicht auf diese komplexen Realitäten einzugehen. Stattdessen werden Bilder aus irgendeinem Stadtteil gesendet, nicht einmal aus ganz Kabul, wo es auch eher ländliche und ärmliche Distrikte gibt. Man will den Leuten weismachen, diese Dinge seien für die Mehrheit repräsentativ. Ähnliches findet sich aus den 80ern in den Propagandafilmchen der afghanischen Kommunisten und Sowjets. Dort wurden Frauen präsentiert, die einen sehr westlichen Lebensstil pflegten oder daheim Alkohol tranken. Da wurde vieles so sehr propagandistisch inszeniert.

Islamische Zeitung: Was in der Berichterstattung vor und nach dem Fall Kabuls auffällt, ist die teils vollkommende Abwesenheit der zehntausenden Frauen und zehntausenden Mädchen, die von Anfang bis Ende der Besatzung durch Bombardierungen, Drohnen und nächtliche Überfälle auf ihre Dörfer ums Leben kamen beziehungsweise verstümmelt wurden…

Emran Feroz: Ich will niemandem Böses unterstellen, vor allem nicht irgendwelchen Kollegen. Aber mir ist in den letzten Wochen auch aufgefallen, auch nach dem Erscheinen des Buches, dass man hier überhaupt keine Ahnung hatte, mit was für Menschen man dort zusammenarbeitete. Da war beispielsweise Asadullah Chalid. Der hielt sich entführte Mädchen als Sexsklaven und wahrscheinlich auch Jungen. Er hat viele Menschen sexuell missbraucht, ermordet und gefoltert. Der Mann hatte seine eigene Villa, in der er machen konnte, was er wollte, während er von den Alliierten hofiert wurde. Vor ein paar Jahren wurde er durch einen mutmaßlichen Angriff der Taliban schwer verletzt und in den USA behandelt, wo ihn Obama persönlich besuchte.

Wenn man solche Details kennt, ist es heuchlerisch, wenn man beim Lesen immer wieder auf die gleichen Narrative stößt, als ob man mit irgendwelchen Saubermännern zusammengearbeitet hätte. Und jetzt kommen halt die bösen Taliban und das ganze Projekt ist gescheitert. So war es nicht. Ich denke, viele wollten sich mit solchen Fällen nicht beschäftigen, weil sie das Narrativ nicht unterfüttern.

Und dieses Narrativ war wirklich wichtig. Ich habe in meinem Buch den Fall einer Aischa aufgezeichnet, die von ihrem Ehemann verstümmelt wurde. Sie war auch auf dem Cover des „Time Magazine“ zu sehen. Als Unterschrift konnte man lesen, was passieren werde, wenn wir Afghanistan verlassen. Das ist einige Jahre her. Und in dem Text wurde das explizit wiederholt. Später wurde dann klar, was afghanische Lokaljournalisten berichteten und berichtigten, dass es nicht die Taliban waren. Vielmehr wurde sie Opfer familiärer Gewalt.

Man hat oft versucht, das dominante Narrativ zu nähren und erhalten. Das merkt man auch jetzt in diesen Tagen. Alle Stories wollen immer sortieren und herausfinden, was die Verbindung zu den Taliban dabei ist. Gleichzeitig will man sich nicht damit auseinandersetzen, dass es dort eigentlich kein Gut und Böse gab, dass die Lage dort viel komplexer war. Und dass man sich nicht nur mit Menschenrechtsverbrechern und Frauenfeinden gemein machte, sondern selbst so in den betroffenen Gebieten agierte, die von Drohnenangriffen, Spezialeinheiten und so weiter heimgesucht wurden.

Islamische Zeitung: Nach 42 Jahren Schweigen – von Ausnahmen abgesehen – die Waffen in Afghanistan. Halten Sie es für möglich, dass dies ein Moment ist, in dem die Menschen zur Ruhe kommen können und vielleicht auf lokaler Ebene auch so etwas wie eine Heilung eintreten könnte? 

Emran Feroz: Manche sind da recht nüchtern, und ich bin es meistens auch. Wenn man es von den Zahlen her betrachtet, ist es tatsächlich eine große Sache, dass in den letzten Wochen in Afghanistan so wenig Menschen getötet wurden oder generell, dass die Gewalthandlungen so stark abgenommen haben. Man muss aber bedenken, dass die Taliban auch terroristisch gegen die eigene Bevölkerung vorgegangen sind und in den Städten Selbstmordanschläge und so weiter verübt haben. Und die bekämpfen jetzt niemanden mehr als den IS. Aber das ist jetzt weniger ausschlaggebend und nicht so dominierend.

Man muss aufpassen, dass man nicht zu sehr auf das Narrativ der Taliban eingeht. Gerade ließen sie propagandistisch die ganzen Betonmauern in Kabul abbauen, die oft für viel Verkehrschaos gesorgt haben und die Sicherheit von irgendwelchen Politikern und deren Häusern gewährleistet haben. Es wurde alles abgebaut und die Taliban wollen damit sagen: So, jetzt gibt’s hier Frieden. Aber das wurde ja aufgebaut, weil solche Angriffe stattgefunden haben. 

Viele Menschen nehmen das auch als einen Unterschied wahr. Aber ob die politischen Entwicklungen in diese Richtung gehen, wird sich noch zeigen müssen. Das hat vieles einfach mit dem Handeln der Taliban zu tun, aber auch mit dem Verhalten der internationalen Staatengemeinschaft. In den Teilen der afghanischen Gesellschaft, vor allem in den Städten, in denen die Taliban Probleme mit ihrer Art von Regierung haben, hat in den letzten 20 Jahren ein sozialpolitischer und technologischer Fortschritt stattgefunden. Und da wird es sicher weiterhin zu Demonstrationen und irgendeiner Art von politischem Aktivismus gegen sie kommen. Und das ist auch gut und wichtig. Der Punkt ist halt, ob sich die Taliban an ihre Ankündigungen halten oder totalitärer werden. Mein Optimismus oder Pessimismus hängen auch davon ab, welche Richtung sie einschlagen werden. Pessimismus hat man mir nicht so leicht austreiben können. 

Afghanistan steht vor einer humanitären Katastrophe. Es gibt viele Binnenflüchtlinge. Es gibt auch viele andere Menschen, die einfach raus wollen. Und dieses ganze Gerede von den Taliban kurz nach ihrer Machtübernahme wurde auch von vielen westlichen Medien irgendwie für gut befunden. Alles, was sie bis jetzt so gemacht haben, und vor allem die Art, wie sie ihre Regierung aufgestellt haben, die hat nicht nur bestätigt, dass man ihnen eben keinen großen Vertrauensvorschuss geben sollte und dass das Ganze sehr schnell ausarten könnte.

Islamische Zeitung: Lieber Emran Feroz, wir bedanken uns für das Gespräch.

Taliban stellen Übergangskabinett vor

Die Taliban hatten betont, dass sie eine Regierung nicht nur aus ihren eigenen Mitgliedern bilden werden. Mit den ersten Besetzungen werden sie dieser Ansage nicht gerecht. Überraschend ist, wer Premierminister wird.

Kabul (dpa/iz). Die Taliban haben Teile eines Übergangskabinetts für Afghanistan vorgestellt. Demnach wird der öffentlich wenig bekannte Mullah Mohammed Hassan Achund amtierender Vorsitzender des Ministerrats, was dem Amt eines Premierministers gleichkommt. Das erklärte Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Kabul.

Die Ernennung Achunds als Regierungschef gilt als Überraschung. Er ist eines der Gründungsmitglieder der Taliban, war zuletzt im Führungsrat, der Rahbari Schura, und gilt als enger Vertrauter des Taliban-Führers Haibatullah Achundsada. Achund, der in Afghanistan Mullah Hassan genannt wird, hielt bereits während der ersten Taliban-Herrschaft wichtige Posten: UN-Angaben zufolge war er Außenminister und Gouverneur der Provinz Kandahar, aus der er stammt. Achund gilt als gemäßigt. Seit 2001 steht er im Zusammenhang mit den Handlungen und Aktivitäten der Taliban auf einer UN-Sanktionsliste.

Die Taliban hatten nach massiven militärischen Gebietsgewinnen Mitte August die Macht in Afghanistan übernommen. Der bisherige Präsident Aschraf Ghani war kurz davor aus dem Land geflohen. Seit ihrer Machtübernahme bemühen sich die Islamisten um eine gemäßigtere Außendarstellung als zu Zeiten ihrer Schreckensherrschaft zwischen 1996 und 2001. Es besteht dennoch weiter die Sorge, dass die militante Gruppe ihre Herrschaft auf Unterdrückung und drakonischen Strafen gründen könnte.

Taliban-Sprecher Mudschahid sagte, man habe sich darauf geeinigt, ein Übergangskabinett zu ernennen und bekanntzugeben, „um die notwendigen Regierungsarbeiten durchführen zu können“. Insgesamt besetzten die Taliban 33 Posten. Die Besetzung der verbleibenden Führungspositionen von Ministerien und Institutionen werde man sukzessive bekanntgeben, sagte Mudschahid weiter.

Zu einem von zwei Stellvertretern Achunds wurde Mullah Abdul Ghani Baradar ernannt, der bisherige Vizechef der Taliban. Er wurde nach seiner Freilassung aus pakistanischer Haft im Jahr 2018 das öffentliche Gesicht der Gruppierung und unterzeichnete 2020 für die Taliban das Abkommen mit den USA unter anderem über ein Ende des US-geführten Militäreinsatzes in Afghanistan. Er telefonierte auch mit dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump.

Die Ernennung von Achund zeige, „wie wenig wir im Westen über die Taliban wissen und ihre Entscheidungen voraussagen können“, sagte der Afghanistan-Experte Thomas Ruttig von der Kabuler Denkfabrik Afghanistan Analysts Network. Vor der Bekanntgabe waren die allermeisten Beobachter davon ausgegangen, dass Mullah Baradar Regierungschef wird.

Andere Personalien sind weniger überraschend. Mullah Jakub, der älteste Sohn des langjährigen, verstorbenen Taliban-Chefs Mullah Omar, wird Verteidigungsminister. Er soll etwa Mitte 30 sein und als Taliban-Vizechef die Milizen gesteuert haben. Siradschuddin Haqqani, der dritte Vizechef der Taliban und Chef des berüchtigten Haqqani-Netzwerkes, wird Innenminister. Es wird für einige der grausamsten Anschläge in Afghanistan verantwortlich gemacht. Die USA suchen den etwa Mitte-40-jährigen Haqqani mit einem siebenstelligen Kopfgeld.

Als Aufsteiger innerhalb der Taliban-Reihen sehen Beobachter Amir Chan Motaki. Er war Bildungs- und Informationsminister während der Taliban-Herrschaft 1996 bis 2001 und wird nun Außenminister. Er gilt als eine der versöhnlichsten Figuren innerhalb der Bewegung und leitete bislang die Aussöhnungskommission der Taliban. Mit Abdul Hak Wasik wird ein ehemaliger Guantánamo-Häftling Chef des Geheimdienstes.

Ein Frauenministerium findet sich bisher nicht auf der veröffentlichten Liste. Dafür wurde ein Ministerium für „Einladung, Führung, Laster und Tugend“ eingeführt, das die Afghanen vom Namen her an das Ministerium „für die Förderung der Tugend und die Verhütung des Lasters“ erinnern dürfte. Diese Behörde hatte während der ersten Taliban-Herrschaft von 1996 bis 2001 Menschen zum Gebet gezwungen oder Männer dafür bestraft, wenn sie keinen Bart trugen.

Kritik an der Zusammensetzung des Kabinetts folgte prompt. Die Islamisten hatten zuletzt immer wieder betont, eine „inklusive Regierung“ ernennen zu wollen. Kurz nach ihrer Machtübernahme hatten sie regelmäßig andere Politiker des Landes wie etwa den Ex-Präsidenten Hamid Karsai oder den bisherigen Leiter des Hohen Versöhnungsrates, Abdullah Abdullah, zu Gesprächen getroffen. Ihrer Ankündigung wurden sie nun aber nicht gerecht: Bei allen bisher bekannten Besetzungen handelt es sich um Taliban-Mitglieder.

Auch ethnisch geht es bisher einseitig zu. Der Afghanistan-Experte der Denkfabrik International Crisis Group, Ibraheem Bahiss, schrieb auf Twitter, soweit er dies beurteilen könne, seien bis auf zwei Tadschiken und einen Usbeken alle Postenträger Paschtunen. Mitglieder der Minderheit der Hasara etwa fehlen völlig.

Die Frage der Inklusivität ist relevant, da viele westliche Regierungen davon abhängig machen, ob sie die künftige Regierung anerkennen und das Land, das massiv von ausländischen Hilfsgeldern abhängig ist, unterstützen werden. „Mit so einem Taliban-Kabinett wird die Welt Afghanistan nicht mal mit einem Dollar helfen“, schrieb ein afghanischer Journalist auf Twitter.

Der ehemalige Gouverneur von Balch, Mohammed Atta Nur, kritisierte die Zusammensetzung unter anderem für einen Mangel an Professionalität und Frauen. Sie widerspreche zudem dem Geist der gültigen Verfassung des Landes.

Die Ankündigung zur Übergangsregierung erfolgte nur Stunden, nachdem die Taliban in der Hauptstadt Kabul in die Luft feuerten, um Hunderte Demonstranten auseinanderzutreiben. Die Menschen waren gegen eine mutmaßliche Einmischung Pakistans in Afghanistan auf die Straßen gegangen. Indirekt kritisierten sie aber auch die Islamisten. Die Taliban hatten zudem mehrere Journalisten für mehrere Stunden festgenommen.

Die türkische Tageszeitung „Takvim“ spekuliert über eine mutmaßliche Beteiligung des Investmentfonds KKR

(iz). Nach einem Bericht der türkischen Tageszeitung „Takvim“ belegen Dokumente des türkischen Geheimdienst MIT, dass der amerikanische Investmentfonds KKR 25 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt habe, um die Regierung Erdogan zu stürzen und somit den wirtschaftlichen Aufschwung der Türkei zu torpedieren.

Mit dieser Aufgabe solle nach Darstellung des, dem türkischen Ministerpräsidenten Erdogan nahestehenden Organs der ehemalige CIA-Chef und General David Petraeus beauftragt worden sein. Seit Mai leitet Petraeus das KKR Global Institute, die Analyseabteilung der Investmentfirma KKR (Der „Spiegel“ berichtete am 31.05.2013 über die Anstellung des Ex-Militärs).

Seit Mai letzten Jahre sei laut „Takvim“ über internationale Medien wie der „Financial Times“, dem „Guardian“, dem „Worldstreet Journal“, dem „Spiegel“ und „Today's Zaman“ (Türkei/Deutschland) der Ruf von Erdogan systematisch beschädigt worden – „mit Vorwürfen, wonach er wie ein Diktator handeln würde“.

„Im nächsten Schritt wurden die Unruhen rund um den Gezi-Park provoziert, sodass auch innerhalb der Türkei versucht wurde, Erdogan als Diktator dastehen zu lassen“, hieß es in dem Text. Als dritten Schritt habe „die Finanzoligarchie die Parallelstrukturen innerhalb des Staatsapparates aktiviert“. Mit Durchsuchungen bei Angehörigen von Ministern werde mit einer Schockstrategie versucht, die AKP-Regierung entscheidend zu schwächen. „KKR transferierte während der letzten Monate Geld an verschiedene NGOs, um die Unruhen vorzubereiten.“

Laut der türkischen Zeitung wolle der Investmentfonds damit das Land in eine politische Krise treiben und „die Ökonomie, die in den letzten Jahren immer stärker wurde, schwächen, um dadurch lukrative Unternehmen in der Türkei unter Wert zu übernehmen. Die KKR agiere dabei „Hand in Hand mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF)“, denn der IWF wolle die Türkei „wieder durch Schulden unter seine Kontrolle bringen“.

Diese Methode des „leverage buyout“ habe das Unternehmen bereits in vielen Ländern erfolgreich angewandt. „Zunächst werden durch politische und ökonomische Operationen die Grundlage für eine tiefe Krise gelegt. Die Konzerne, die vor der Krise aufblühten, verlieren danach stark an Wert, sodass diese für eine lächerliche Summe von ausländischen Fonds aufgekaut werden.“ Danach schalte sich der IWF ein und sorgt mit Krediten, „die im Endeffekt in diesen aufgekauften Konzernen landen“, dafür, dass sie wieder aufblühen. Der betroffene Staat gerate in Abhängigkeit und müsse die Milliardenkredite an den IWF zurückzahlen.

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