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Koordinationsrat zur Nahost-Debatte: Das spaltet unsere Gesellschaft

Koordinationsrat

Der Koordinationsrat der Muslime ruft im deutschen Diskurs zum genauen Hinschauen auf und fordert Versachlichung.

Köln (iz). Am 7. November veröffentlichte der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland (KRM) eine gemeinsame Stellungnahme zum „herrschenden Diskurs in Deutschland“ über den Krieg im Nahen Osten. Dieser spalte unsere Gesellschaft.

Koordinationsrat: Der jetzige Diskurs spaltet unsere Gesellschaft

Derzeit würden Medien in den Augen der AutorInnen den Eindruck erzeugen, es gäbe im Land nur ein pro-israelisches und ein pro-palästinensisches Lager. „Wer genau hinschaut, sieht: Die allermeisten Menschen fordern das Ende der Gewalt und Frieden – auf beiden Seiten.“ Laut dem Gremium ignorierten die mediale und die politische Behandlung des Krieges diesen Konsens.

Aus diesem Grund fordert er eine „Versachlichung der Debatte“ und sieht die Notwendigkeit für ein differenzierteres Denken. Denn diese würden Vorurteile schüren sowie zu verbalen oder tätlichen Angriffen auf Juden und Muslime in Deutschland führen.

„Jüdinnen, Juden und jüdische Einrichtungen sind antisemitischen verbalen und tätlichen Angriffen ausgesetzt. Seit der Gewalteskalation in Nahost leben sie in großer Sorge vor Übergriffen.“

Von dieser, in seinen Augen handfesten, Gewalt seien hiesige MuslimInnen und Moscheen auch betroffen. So sei es seit dem Terror der Hamas zu „Dutzenden Angriffen auf Muslime und Moscheen“ gekommen. Eine Reaktion darauf blieb bisher aus, so der KRM. „Den antimuslimischen wie auch antisemitischen extremistischen Spektren wird geradezu in die Hände gespielt.“

Muslime KRM

Foto: Koordinationsrat der Muslime

Mangelndes Einfühlungsvermögen kritisiert

Der Koordinationsrat beklagte darüber hinaus „mangelnde öffentliche Anteilnahme an den schrecklichen Entwicklungen in Nahost“. Diese forderten mittlerweile tausende tote Zivilisten. Das habe zu Unverständnis in der muslimischen Community geführt.

„Hinzu kommen die gebetsmühlenartig wiederholten Distanzierungsforderungen vom Terror, die nicht nur das Verstehen erschweren, sondern auch frustrieren lassen, weil man sich nicht verstanden sieht. Wird der Terror verurteilt, wird die Aussage in Zweifel gezogen. Dieser Generalverdacht führt insbesondere bei jüngeren Muslimen zu einer Entfremdung – eine zutiefst besorgniserregende Entwicklung“, heißt es in dem KRM-Papier.

Polizeischutz vor einer Synagoge in Berlin. (Foto: Tobias Arhelger, Shutterstock)

Keinerlei Relativierung

Zum Abschluss betonte der Koordinationsrates ausdrücklich, dass es ihm nicht darum gehe, „den Terror zu relativieren oder gar zu unterstützen. Wer Verbrechen verteidigt, muss selbstverständlich Gegenwind ernten“.

Forderungen und legitime Beiträge, das „Leid des palästinensischen Volkes“ auszudrücken und die Solidarisierung mit ihm, sollten jedoch gehört werden.

Dokumentation: KRM wendet sich gegen Terror und ruft zur Deeskalation auf

Koordinationsrat

Im Folgenden dokumentieren wir eine Stellungnahme des Koordinationsrates der Muslime in Deutschland (KRM). In dem Papier wandte sich das Gremium gegen Terror sowie Gewalt im In- und Ausland.

Gleichzeitig forderten sie eine Deeskalation der derzeitigen Gewaltspiralen im Kriegsgebiet, ein Ende der Angriffe jüdischer Einrichtungen sowie eine Beruhigung im deutschen Umgang mit dem Krieg.

(Koordinationsrat). Am 17. Oktober 2023 erfolgte ein schrecklicher Angriff auf das Baptisten-Krankenhaus „Al Ahli“ in Gaza, bei dem hunderte Menschen, Kranke, Patienten, Verletzte und vor allem Kinder getötet wurden. Wir verurteilen diesen Angriff aufs Schärfste. Die Vereinten Nationen stehen in der dringenden Verantwortung, die Hintergründe dieses Angriffs zu untersuchen, die Angreifer zu ermitteln und entsprechende Schritte einzuleiten.

Am 18. Oktober 2023 wurde ein Anschlag auf die Berliner Synagoge verübt, und damit ein Angriff auf jüdisches Leben in Deutschland. Auch dieser Übergriff ist aufs Schärfste zu verurteilen. Ebenso besorgt uns die Gewalt auf den Straßen und Angriffe auf Sicherheitskräfte. Wir wiederholen daher unseren Aufruf, den Konflikt nicht in Deutschland auszutragen.

Die Entwicklungen zeigen, dass dringend Schritte zur Deeskalation unternommen werden müssen. In Gesprächen mit ministeriellen Vertretern in den vergangenen Tagen wurde die zusammenhalt- und friedenstiftende Rolle der islamischen Religionsgemeinschaften betont.

Die unterzeichnenden Religionsgemeinschaften und deren Moscheegemeinden leisten einen wichtigen Beitrag für den Frieden und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland. Sie haben sich schon immer gegen Hass, Rassismus, Gewalt und Terror gestellt, insbesondere wenn diese im Namen ihrer Religion verübt wurden.

Ebenso haben sie auch stets deeskalierend gewirkt und zur Besonnenheit aufgerufen, bei gewaltvollen Übergriffen auf Moscheegemeinden oder auf Menschen muslimischen Glaubens beziehungsweise der Tötung von Menschen mit Migrationsgeschichte, so etwa nach den Anschlägen in Mölln, Solingen, München und Hanau. In all diesen schweren Zeiten haben sie einen entscheidenden Beitrag zur Wahrung des gesellschaftlichen Friedens geleistet und werden dies auch weiterhin tun.

Trotz des gemeinschaftsstiftenden und deeskalierenden Beitrags werden die islamischen Religionsgemeinschaften immer wieder, und aktuell mit teils ungeheuren Unwahrheiten an den Pranger gestellt. Sie sollen sich, so die Forderung, erneut von Gewalt und Terror distanzieren, obwohl sie das in der Vergangenheit schon mehrmals und sehr deutlich getan haben.

So auch im aktuellen Fall, bei dem sie den terroristischen Anschlag gegen die Zivilbevölkerung in Israel durch die Hamas verurteilt haben. Dieser Angriff ist nicht zu rechtfertigen. Dies haben die KRM-Mitglieder in ihrer sehr früh veröffentlichten gemeinsamen Pressemitteilung vom 8. Oktober 2023 klargestellt. Ebenso haben die unterzeichnenden und viele andere Religionsgemeinschaften sich bundesweit dazu geäußert. In den meisten Moscheen wurde am darauffolgenden Freitagsgebet für den Frieden gebetet und zur Deeskalation und Besonnenheit aufgerufen.

Dennoch erleben wir, dass Teile der Politik, die Beiträge der Religionsgemeinschaften bewusst ignorieren und von ihnen genau das einfordern, was sie ohnehin bereits mehrfach leisten. Es werden bewusst Falschinformationen gestreut, wie die Behauptung, Muslime hätten sich nicht distanziert oder in Predigten wäre Hetze betrieben worden. Die inakzeptablen Taten einer marginalen kleinen Gruppe in Berlin werden so dargestellt, als ob sie für alle Muslime in Deutschland repräsentativ seien. Dabei wird ausgeblendet, dass es sich bei der besagten Gruppe um einen marxistisch-nationalistischen Verein handelt. Dass Muslime sich mittlerweile auch für die Taten von Areligiösen verantworten müssen, ist ein Novum und eine neue Eskalationsstufe beim Verleumden und Dämonisieren von Muslimen.

Diese Eskalation ist besonders gefährlich, gefährdet sie doch das Zugehörigkeitsgefühl der Muslime, insbesondere auch der jüngeren Generation, die eine derartige Zuspitzung und In-Frage-Stellung ihrer gesellschaftlichen Teilhabe zum ersten Mal erleben. Ebenso ist es äußerst kontraproduktiv, die freie Meinungsäußerung aus Angst vor Ausschreitungen oder der Instrumentalisierung durch Extremisten einzuschränken. Dass die Verherrlichung von Terror und Gewalt nicht geduldet werden darf, ist selbstredend. Dafür gibt es Gesetze und Möglichkeiten des Staates, die es konsequent anzuwenden gilt. Antisemitismus und antimuslimischer Rassismus dürfen wie jede andere Form der Menschenfeindlichkeit keinen Platz in unserer Gesellschaft haben. Als Religionsgemeinschaften setzen wir uns stetig dafür ein, damit der Hass keinen Weg in die Herzen findet.

Die Gesetze derart neu zu deuten, dass damit auch das Eintreten für das würdevolle Leben eines Volkes oder auch Beileidsbekundungen als Hetze und Verherrlichung von Terror definiert werden, verschiebt die Grundfreiheiten in eine gefährliche Richtung. Den Hinweis auf Verhältnismäßigkeit bei der Ausübung des Rechts auf Selbstverteidigung als Relativierung schändlicher Terrorattacken zu deuten und zu unterbinden, hilft nicht den Menschen in Israel und Palästina, die seit Jahrzehnten unter dem Konflikt leiden. Ebenso wenig bietet der Terror einen Beitrag zur Konfliktlösung in der Region.

Verbote und die Delegitimierung unterschiedlicher Perspektiven sorgen nicht für Deeskalation, sondern führen zu Verunsicherung, Vertrauensverlust und zu einem Ohnmachtsgefühl. Ebenso sorgen Verbote dafür, dass die Menschen in Deutschland und weltweit das Gefühl bekommen, dass das Leben und die Würde eines jeden Menschen nicht gleich, und ebenso nicht gleich schützenswert sind. Tausende von palästinensischen zivilen Opfern als „Kollateralschaden“ zu betrachten, ist Wasser auf den Mühlen der Extremisten beider Seiten, die nur auf eine Eskalation warten, um das Leid der Menschen für ihre Ziele zu instrumentalisieren.

Wir treten entschieden ein für die Menschenwürde und die Wahrung der Menschenrechte und betonen: Wir, die unterzeichnenden Religionsgemeinschaften

– … verurteilen den Terror gegen die Zivilbevölkerung in Israel durch die Hamas und rufen dazu auf, die Gewalt zu beenden und die Geiseln unverzüglich freizulassen.

– … verurteilen den Angriff auf das Al Ahli Baptistenkrankenhaus in Gaza und sehen die Vereinten Nationen in der dringenden Verantwortung, die Hintergründe dieses Angriffs zu untersuchen, die Angreifer zu ermitteln und entsprechende Schritte einzuleiten.

– … verurteilen die unsäglichen Angriffe auf jüdisches Leben und Synagogen in Deutschland und stehen dafür ein, dass der Hass nicht Deutschland erreicht. Wir sind solidarisch mit unseren jüdischen Nachbarn. Antisemitismus darf keinen Platz in unserer Mitte haben.

– … verurteilen die aktuell stark angestiegenen Angriffe und Drohungen gegen Moscheen und Muslime in Deutschland.

– … verurteilen unverhältnismäßige Angriffe, die sich gegen zivile Ziele richten oder diese bewusst in Kauf nehmen. Wir fordern die israelische Regierung dazu auf, bei der Ausübung ihres Verteidigungsrechts das Völkerrecht zu achten und den Schutz der Grundversorgung der Bevölkerung mit Wasser, Nahrung, Strom und Medizin zu gewährleisten.

– … rufen zur sowohl militärisch wie politischen Deeskalation und zur Beendigung der Gewalt auf.

– … erwarten von Politik und Öffentlichkeit, das Leid und die Ängste der palästinensischen Bevölkerung auch wahr- und ernstzunehmen.

– … rufen die Politik in Deutschland und international dazu auf, ihre Möglichkeiten für eine Deeskalation wahrzunehmen und dringend nach Wegen zu suchen, um das Blutvergießen schnellstmöglich zu beenden.

– … rufen die Staatengemeinschaft dazu auf, eine nachhaltige Lösung des Konflikts herbeizuführen, die das Lebens- und Existenzrecht beider Völker in Würde in einer Zwei-Staaten-Lösung ermöglicht.

– … erwarten von den Verantwortlichen, dass keine Verschiebung der Grundfreiheiten und Umdeutung unserer grundgesetzlichen Werte stattfindet und Muslime nicht an den Pranger gestellt werden, wenn sie auf das Leid eines Volkes oder die Einhaltung des Völkerrechts aufmerksam machen.

– … rufen unsere Gemeinden und Mitglieder dazu auf, auch weiterhin so verantwortungsvoll und besonnen wie bisher zu agieren, keinen Hass in ihre Herzen zu lassen, für das Leben und die Menschlichkeit einzustehen und am Freitag erneut für die Tausende von Todesopfern der Gewalt zu beten.

– … erwarten von der Politik, Augenmaß, Zurückhaltung und Respekt vor dem Leid und den Bedenken der Muslime, sowie die Anerkennung ihrer Beiträge.

Muslime in Deutschland sind Teil der Gesellschaft und leisten einen wichtigen Beitrag für das Gemeinwohl. Sie sind Teil der Lösung.

Unterzeichnende Religionsgemeinschaften:
Koordinationsrat der Muslime
Schura Hamburg – Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg
Schura Niedersachsen – Landesverband der Muslime in Niedersachsen
Islamische Glaubensgemeinschaft Baden-Württemberg
Schura Rheinland-Pfalz Landesverband der Muslime
Schura – islamische Religionsgemeinschaft Bremen
Schura Schleswig-Holstein

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Tag der offenen Moschee 2023: Das Gebet im Mittelpunkt

Tag der offenen Moschee 2023 TOM 2023

Tag der offenen Moschee 2023: Beim 26. Tag der offenen Moschee am Tag der Deutschen Einheit steht diesmal das Gebet im Mittelpunkt.

Köln/Berlin (iz/Agenturen/KRM). Muslime in Deutschland laden am Dienstag wieder zum „Tag der offenen Moschee“ ein. Nach Angaben des Koordinationsrats der Muslime (KRM) beteiligen sich bundesweit wieder rund 1.000 Moscheen, um Interessierten einen Einblick in den islamischen Glauben zu geben und zum Dialog einzuladen.

Foto: IZ Medien

Tag der offenen Moschee: eine bundesweite Tradition

„Austausch geht nur durch Kennenlernen“, heißt es dazu auf der Webseite des KRM. Der „Tag der offenen Moschee“ am 3. Oktober biete die Möglichkeit, die Vielfalt muslimischen Lebens in Deutschland zu erfahren, Missverständnisse und Vorurteile abzubauen.

Den „Tag der offenen Moschee“ gibt es seit 1997. Als Datum wurde nach Angaben der Veranstalter bewusst der deutsche Nationalfeiertag gewählt, um ein Zeichen der Verbundenheit mit der deutschen Mehrheitsgesellschaft zu setzen. Schätzungen zufolge leben mehr als 5,5 Millionen Muslime in der Bundesrepublik. 

Tag des Gebets 2023

In diesem Jahr steht der Tag unter dem Motto „Gebet – besinnt, belebt, verbindet“. „Unsere Welt ist geprägt von ständiger Erreichbarkeit, Informationsflut und Geschäftigkeit. Das Gebet gibt den Gläubigen Raum und Zeit zur inneren Einkehr und ermöglicht Entschleunigung“, so der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland, der als Dachverband mehrerer muslimischer Verbände den jährlichen Tag organisiert.

Das Gebet spielt im Islam eine zentrale Rolle. Es dient als direkte Verbindung zwischen dem Gläubigen und seinem Schöpfer. Neben Moscheeführungen und kulinarischen Angeboten gibt es in vielen teilnehmenden Gemeinden ein Rahmenprogramm mit Vorträgen, Diskussionsrunden oder Ausstellungen.

Foto: garakta-studio, Freepik.com

Viele suchen „Orientierung

In seiner Pressemitteilung begründet der KRM die diesjährige Themenwahl. „In Zeiten zunehmender Unsicherheit“ würden viele Menschen nach Orientierung suchen. „In unserer schnelllebigen Zeit hat das Gebet für Muslime eine tiefe Bedeutung und Relevanz.“ Deshalb stehe der TOM 2023 unter dem Motto „Das Gebet – besinnt, belebt, vereint“.

Es habe eine verwandelnde Kraft. Mit ihm befreie sich der Muslim von den Dingen dieser Welt und konzentriere sich auf die Verbindung zu seinem Schöpfer. Zudem sei es eine Möglichkeit der Selbstreflexion, „das Wesentliche im Leben zu erkennen“.

„Das tägliche Gebet ist ein Band, das die muslimische Gemeinschaft weltweit enger zusammenführt. Diese spirituelle Erfahrung erhebt sich über kulturelle, ethnische und geografische Unterschiede hinweg und vereint Menschen in ihrem Streben nach spiritueller Erfüllung. Das Gebet erinnert die Gläubigen daran, dass vor Gott alle Menschen gleichermaßen stehen – unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, sozialer Status oder Herkunft.“

BesucherInnen haben an diesem Tag die Möglichkeit, Einblicke in ein Kernelement der islamischen Lebensweise zu erhalten. Es stellt, so die Schura Bremen, eine Verbindung von MuslimInnen in aller Welt dar. „Mit dem täglichen Gebet zu vorgegebenen Zeiten, ob individuell oder in der Gemeinschaft, teilen Musliminnen und Muslime eine spirituelle Erfahrung, die kulturelle, ethnische und geografische Grenzen überwindet.“x

Dabei betonen die OrganistorInnen in ihren Informationen auch den gemeinschaftlichen Charakter dieses Gottesdienstes.

„Blieb ein Gläubiger dem gemeinsamen Gebet fern, fragten die Prophetengefährten nach ihm und erkundigten sich über sein Befinden. Das Gebet ist demnach nicht nur eine individuelle Angelegenheit zwischen dem Gläubigen und Allah, sondern auch ein sozialer Akt.“ Die regelmäßige Teilnahme schweißt die Menschen zusammen und stärkt die gegenseitige Fürsorge.

Foto: DMK Karlsruhe

Einladung an die MitbürgerInnen

„In herausfordernden Zeiten benötigen Menschen die Kraft der Gemeinschaft. Wir laden alle Bürgerinnen und Bürger ein, das Gemeinschaftsgefühl zu stärken“, sagte Ali Mete, Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG). Anlass ist der Tag der offenen Moschee (TOM), der jedes Jahr am 3. Oktober bundesweit stattfindet.

Beim TOM 2023 soll das gemeinsame Gebet im Mittelpunkt stehen. Bürgerinnen und Bürger sind eingeladen, von ihren Erfahrungen zu berichten. Dabei sei es nicht entscheidend, ob das Gebet in den eigenen vier Wänden, in einer Kirche, Synagoge oder Moschee gesprochen werde.

Im Mittelpunkt stehe die Erfahrung, die mit dem Gebet verbunden sei. „Alle Besucherinnen und Besucher sind eingeladen, Fragen zu stellen oder aus ihren Erfahrungen zu berichten.“

Weitere Informationen zum TOM 2023:
http://tagderoffenenmoschee.de/das-gebet-besinnt-belebt-verbindet/

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Ali Mete im Gespräch: „Wir müssen uns auf neue Verhältnisse einstellen“

(iz). Ali Mete kam 1982 in der Türkei zur Welt und kam mit fünf Jahren nach Deutschland. Er studierte Religionswissenschaft in Frankfurt, ist aktuell Geschäftsführer des PLURAL Verlags und war […]

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Abdassamad El Yazidi über den KRM: „Gute Ergebnisse nicht kleinreden“

Abdassamad El Yazidi wurde 1975 im hessischen Langen geboren, wo er in Dreieich zur Schule gegangen ist. Der Deutschmarokkaner kommt aus dem kaufmännischen Bereich. Nach einem Engagement in einer lokalen […]

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Zur Zukunft der muslimischen Selbstorganisation: Muslimische Zusammenschlüsse auf der Landesebene tragen wichtige Elemente der Gemeindearbeit

Norbert Müller ist 52 Jahre alt. Er arbeitet im Hauptberuf als Rechtsanwalt. Engagiert aktiv ist er als Vorstandsmitglied bei der SCHURA Hamburg. Müller war unter anderem Mitglied der Verhandlungskommission, die […]

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Interview: Imam Benjamin Idriz über die Zukunft der Community und seiner Pläne in München

(iz). In den letzten Monaten häuften sich Meldungen und Stellungnahmen über Meinungsverschiedenheiten zwischen Mitgliedern des Koordinationsrates der Muslime. Dabei ging es nicht nur um Personalien oder Einzelinteressen, sondern auch um Grundfragen der zukünftigen Ausrichtung.
Wir sprachen mit Imam Benjamin Idriz über Fragen der muslimischen Selbstorganisation, zukünftige Möglichkeiten der deutschen Community sowie sein Großprojekt in München. Idriz ist seit Längerem Imam der erfolgreichen, multikulturellen Gemeinde im bayrischen Penzberg und plant derzeit den Bau eines großen Zentrums in der Landeshauptstadt München.
Islamische Zeitung: Lieber Benjamin Idriz, heute, mehrere Jahre nach Einweihung der beeindruckenden Moschee im bayrischen Penzberg, streben Sie und Ihr Team den Bau eines wesentlich größeren Zentrums in der Landeshauptstadt München an. Wo steht das Projekt derzeit und was sind die größten Hindernisse, die Sie überwinden möchten?
Benjamin Idriz: Zunächst einmal sind es nicht die Hindernisse, sondern die Unterstützung, die das Projekt erfährt, die ich für ausgesprochen bemerkenswert halte. Diese Unterstützung kommt nämlich nicht nur von Muslimen (wo sie selbstverständlich sein sollte), sondern aus der ganzen demokratischen Gesellschaft, aus verschiedenen Religionsgemeinschaften, aus Verbänden, von den Medien und aus allen Fraktionen des Münchner Stadtrats.
Nachdem eine extremistisch-islamfeindliche Minipartei über mehrere Jahre hin versucht hat, Unterschriften gegen das Projekt zu sammeln um damit einen Volksentscheid dagegen herbeizuführen, hat der Stadtrat dies als unzulässig abgelehnt, weil die islamfeindlichen Hetzer nachweislich mit falschen Behauptungen gearbeitet hatten. In derselben Sitzung hat der Stadtrat stattdessen eine Resolution „Solidarität mit den Muslimen in unserer Stadt“ beschlossen!
Das derzeit einzige Hindernis liegt in der Finanzierung. Es wäre natürlich schön, ein solches Projekt mit Spenden von Muslimen (und Nichtmuslimen) aus Deutschland zu realisieren. Für die Grundstücks- und Baukosten wird es aber, wie es scheint, nicht ohne einen oder mehrere Großspender aus der Golfregion gehen. Unsere Anfragen laufen in mehreren Ländern (Oman, Katar, VAE) – hier brauchen wir jetzt dringend baldige Antworten – sonst wird die Chance auf ein repräsentatives und zentral gelegenes Grundstück vergeben.
Islamische Zeitung: In der Vergangenheit haben Sie den Gedanken entwickelt, mit einem eventuellen Zentrum in München auch die Möglichkeit einer, mit anderen europäischen Einrichtungen vernetzt, Ausbildung einheimischer Imame anzubieten. Steht dieser Punkt noch im Blickpunkt Ihrer Bemühungen?
Benjamin Idriz: Das war von Anfang an einer der Hauptgedanken bei diesem Projekt. Dass inzwischen in Deutschland universitäre Zentren für islamische Theologie eingerichtet worden sind, ist eine ausgesprochen positive Entwicklung und entspricht dem, was wir die ganze Zeit befürwortet haben, auch wenn bisher dort ja noch keine Ausbildung für Imame stattfindet. Mit solchen Zentren, und falls möglich auch mit anderen europäischen Einrichtungen, wird unser „Münchner Forum für Islam“ gerne kooperieren – zum gegenseitigen Nutzen. Denn Imam wird man nicht allein durch Bücher und in Hörsälen. Hier braucht es die Einbindung in das „richtige Leben“ einer Gemeinde, die Erdung durch die tagtägliche Praxis. Das MFI könnte hier zum Beispiel die Möglichkeit von Praktika anbieten, die die universitäre Ausbildung (wenn es sie einmal für Imame geben wird) ergänzen.
Islamische Zeitung: Im Rahmen der aktuellen Debatte zur muslimischen Gemeinschaft wurde auch gefordert, Finanzierungen aus dem Ausland, analog zum österreichischen Gesetz, abzuschaffen. Ganz unabhängig davon, dass das sicherlich nicht beim Kampf gegen Radikalisierung helfen dürfte, lässt sich ein Riesenprojekt wie Ihres überhaupt ohne ausländische Hilfe realisieren?
Benjamin Idriz: Hier muss man unterscheiden, für den Erwerb des Grundstücks und für die Baukosten wird es, wie gesagt, ohne ausländische Großspender nicht gehen. Was aber dann den Betrieb des Zentrums angeht, werden Einflussnahmen von außen ausgeschlossen. Es ist ein wesentlicher Bestandteil des Selbstverständnisses dieses Projekts, dass Islam am Hier und Jetzt orientiert sein soll, also da, wo Menschen sich entschlossen haben, ihr Leben zu verbringen und die Zukunft ihrer Kinder und Enkel liegt. Die Bindung an Herkunftsländer war eine notwendige Phase in den ersten Jahrzehnten muslimischer Einwanderer in Deutschland. Aber jetzt muss etwas Neues entstehen, sonst blockieren wir die Zukunft des Islam in Deutschland.
Islamische Zeitung: Gibt es einen Druck auf öffentlich auftretende Gelehrte wie Sie, Rhetorik und Inhalte eines politisch-korrekten Diskurses zu übernehmen?
Benjamin Idriz: Meine Rhetorik und die Inhalte dessen, wofür ich stehe, was ich denke, sage und lebe, entstammen dem Qu’ran und der Sunna. Es geht darum, unsere Quellen in unsere heutige Wirklichkeit zu übertragen und uns ununterbrochen zu fragen: was bedeutet diese oder jene Aussage für uns hier und heute? Daraus resultiert eine sehr weitgehende Übereinstimmung zwischen dem Islam und den Werten einer demokratischen Gesellschaft. Mit Druck von woher auch immer hat das nichts zu tun.
Was wir allerdings schon spüren, ist der ständige Druck, sich gegenüber den nicht enden wollenden Verbrechen zu distanzieren, die im Namen unserer Religion begangen werden. Hier ist es schmerzlich, dass Politik und Gesellschaft nicht wahrhaben, dass uns als Muslime diese Verbrechen genauso selbstverständlich entsetzen, wie andere auch; oder sogar noch mehr, denn es ist schließlich unsere Religion, die von den Verbrechern missbraucht wird. Das eigentliche Problem ist dabei aber nicht der Druck sich zu distanzieren – sondern die Tatsache, dass solche Verbrechen immer wieder verübt werden.
Islamische Zeitung: Sind Sie mit der Rolle zufrieden, die Gelehrte heute in der innermuslimischen Debatte spielen? Es ließe sich ja kaum behaupten, dass diese – und ihr Wissen – einen nennenswerten Einfluss auf die Entscheidungsbildung hätten…
Benjamin Idriz: In den letzten drei Jahren können wir Muslime durchaus ein starkes religiöses Autoritätsdefizit wahrnehmen. Die traditionellen Azhar-Gelehrten sind entweder entmachtet oder stehen unter politischem Druck, wie die Persönlichkeiten Al-Qaradawi oder Al-Tayyib. Hier in Europa war der ehemalige Großmufti von Bosnien Mustafa Ceric eine Stimme, auch er ist nicht mehr in der Position, in der er war. In Syrien ist Said Ramadan Al-Bouti grausam ermordet worden, und so sind in den letzten Jahren die bekanntesten Gelehrten von der Weltszene verschwunden. Leider gehen positive Stimmen, wie die von Mehmet Görmez, dem Religionsoberhaupt der Türkei, in dem großen Trubel unter.
Wo keine Autorität – dort herrscht Chaos. Und dieses Vakuum füllen heute selbsternannte Pseudo-Gelehrte. In Deutschland stehen wir nicht anders da. In dem Maß, in dem neu ausgerichtete Zentren wie eben unser MFI in Deutschland entstehen werden, kann auch das, was an den Universitäten stattfindet, viel mehr an die Basis und in die Gemeinden dringen. Diese Entwicklung kommt gerade erst in Gang, aber sie ist, glaube ich, auf die Dauer sicher nicht aufzuhalten.
Islamische Zeitung: In der Vergangenheit haben Sie sich skeptisch in Sachen des „organisierten Islam“ geäußert. Was hat Ihren Sinneswandel, den Beitritt zum Zentralrat der Muslime, hervorgerufen?
Benjamin Idriz: Meine Gemeinde in Penzberg ist multiethnisch und hat aus dem Zusammenwirken von Menschen mit unterschiedlichen Wurzeln ungeheuer profitiert. Genau das möchte der Islam ja von uns! Deshalb kann sich die Gemeinde als Ganzes keinem ethnisch oder national orientierten Verband anschließen. Der Zentralrat vertritt meines Erachtens eine Ausrichtung, die dem entspricht.
Organisierte Strukturen für die Muslime in Deutschland habe ich schon immer befürwortet; in dem von mir mit herausgegebenen Buch „Islam mit europäischem Gesicht“ wird ein entsprechendes Modell entworfen. Es sollte aber nicht aus mehreren parallelen und womöglich konkurrierenden Verbänden bestehen, sondern aus einer umfassenden, anerkannten Institution.
Islamische Zeitung: Nachdem der KRM an die Wand gefahren scheint, sehen Sie Alternativen für die Zukunft? Wenn ja, welche?
Benjamin Idriz: Wir haben in den letzten Monaten erlebt, dass endlich eine muslimische Stimme in Deutschland sehr viel mehr wahrgenommen wurde, als das früher der Fall war. Das haben wir Muslime doch seit langem ersehnt und auch gefordert. Sollten wir nicht dankbar sein, dass das jetzt zu gelingen scheint und alle gemeinsam den- oder diejenigen nach Kräften unterstützen, die sich mit Erfolg darum bemühen?
Wenn manche diese Entwicklung gerade jetzt torpedieren, ist das ein verheerendes Signal an die Politik und an die Öffentlichkeit: Ihr könnt die Muslime weiterhin ignorieren, ihr braucht sie weiterhin nicht ernst zu nehmen und nicht einzubinden, sie werden sich auf absehbare Zeit selbst blockieren. Hier müssten wirklich alle muslimischen Entscheidungsträger ihre Verantwortung ernster nehmen, als ihre jeweiligen Einzelinteressen.
Islamische Zeitung: Es gibt eine Vielzahl von Aspekten, die im Denkschemata des politisch organisierten Islam nicht vorhanden sind – was sich auch als „muslimische Zivilgesellschaft“ bezeichnen ließe. Wie könnte diese Zivilgesellschaft zukünftig angemessen Beachtung finden?
Benjamin Idriz: Viele Muslime halten sich von Moscheen fern, weil deren Ausrichtung oder Orientierung an andere Ländern sie nicht anspricht. Hier brauchen wir neue Angebote. Diese Angebote können und sollten aber über die Gebete hinausgehen. Seit wir in München einen provisorischen Sitz für das MFI eröffnet haben, ist aus dem Stand eine sehr vitale Gemeinde entstanden, die Muslime anspricht, die teilweise seit vielen Jahren auf so etwas gewartet haben. Dazu gehören nicht nur die Freitagsgebete, sondern soziale Angebote, Vorträge und Diskussionen, die kritisch und offen gehalten werden, sodass sich auch solche angezogen fühlen, die der Religion bisher vielleicht eher noch distanziert gegenüber stehen.
Islamische Zeitung: Ihre Penzberger Gemeinde ist seit Jahrzehnten multikulturell geprägt und bietet umfassende Aktivitäten an. Handelt es sich dabei um das Modell der Zukunft?
Benjamin Idriz: Es wird wohl auch in Zukunft solche Muslime geben, die emotional an der Bindung an frühere Herkunftsländer festhalten wollen, und das kann ja auch sehr wertvolle Aspekte beinhalten. Aber die Zukunft des Islam in Deutschland wird nicht dominant türkisch, bosnisch oder arabisch sein – sonst wäre er tatsächlich kein Teil Deutschlands. Der Prophet Muhammad hat nicht Mekka nach Medina verpflanzt, sondern nach der Hidschra in Medina etwas Neues geschaffen.
Islamische Zeitung: Lieber Imam Benjamin, wir bedanken uns für das Gespräch.
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Kommentar: Das Thema „Islamgesetz“ wird in vielen Foren heiß diskutiert

„Im Ergebnis besteht bis heute keine offizielle Vertretung der Muslime in Berlin. Im Hintergrund wird hinter vorgehaltener Hand schon die Auflösung des Koordinationsrates besprochen. Erklärt wird dies der staunenden Basis nicht. (…) Hier ist also beim Agenda-Setting eine klare Markierung erforderlich; also das Bekenntnis, nur für sich oder eben für die Muslime zu sprechen.“

Berlin (iz). Wie so oft im muslimischen Leben geht es bei Debatten über die Zukunft des Islam in Deutschland um die Suche nach dem Mittelweg. Dieser, so lehrt es die Tradition, bildet sich aus dem aktiven, gemeinschaftlichen Zusammenleben; immer mit dem Ziel, extreme Einzel- und Mindermeinungen im Interesse des Großen und Ganzen eher auszusondern. Natürlich werden auch Individualisten oder Vertreter kleinerer Gemeinschaften einsehen müssen, dass gegenüber dem Staat eigene Interessen am besten dadurch durchgesetzt werden können, wenn Muslime im Idealfall möglichst geschlossen auftreten.

Nach dieser Logik ist ein Koordinationsrat der Muslime, der unsere Position nach außen hin vertritt, eine gute Sache. Soweit die Theorie. In der Praxis ist er an den Machtambitionen von Verbänden bisher kläglich gescheitert. Man ist sich nicht grün; zum einen, weil sich große Verbände ein Veto ausbedingen; zum anderen, weil kleinere so tun könnten, als seien sie befugt, für die Muslime insgesamt zu sprechen oder zu handeln.

Als Folge besteht bis heute keine offizielle Vertretung der Muslime in Berlin. Im Hintergrund wird hinter vorgehaltener Hand schon die Auflösung des Koordinationsrates besprochen. Erklärt wird dies der staunenden Basis aber bisher nicht.

Die konkrete Debatte über ein mögliches Islamgesetz nach österreichischem Vorbild demonstriert ein anderes Dilemma. Es geht hier zunächst und in erster Linie um die innerislamische Meinungsfindung. Vertreter, die über entsprechenden Zugang zu Medien verfügen, neigen an diesem Punkt dazu, Positionen öffentlich zu definieren, ohne überhaupt die Basis bei der Meinungsfindung einzubeziehen. Hier ist also beim „Agenda-Setting“ eine deutliche Markierung erforderlich; also das Bekenntnis, nur für sich, oder eben für die Muslime, zu sprechen. In Sachen Islamgesetz gibt es wohl noch keinen muslimischen Verband, der hier eine Mehrheit seiner Mitglieder überhaupt befragt hätte.

Fakt ist, dass die Verbände noch immer keine zeitgemäße Organisationsstruktur gefunden haben. Im Moment funktionieren sie weder eindeutig nach demokratischen, noch nach islamischen Kriterien; sind sie doch ein Ergebnis des Vereinsrechts der 1970er Jahre des letzten Jahrhunderts. Sie haben kein effektives Verfahren anzubieten, das Wissen der Mitglieder einzubeziehen. Noch verfügen sie – um ein anderes Beispiel anzuführen – über eine klare Linie zur Erhebung und Verteilung der Zakat.

Viele junge Muslime diskutieren zu Recht über die Quintessenz, die sich aus dieser Lage ergibt. Sie stellen sich dem Fakt, dass sie hier in Deutschland Bürger sind und dem Eingeständnis, dass die romantische Rückbindung an andere Kulturen kaum noch überzeugt. Sie leben hier, wollen mitreden und können mit der „hemdsärmeligen“ Art mancher Führungskader wenig anfangen. Sie suchen nach einem Mittelweg, der weder den Individualismus als die letzte Lösung verherrlicht, aber auch nicht die muslimische Organisationen per se verurteilt.

Seien wir ehrlich: Noch wurde der beste Weg nicht gefunden. Wir wissen im Moment nur, dass im Endergebnis unsere Struktur aus Moscheegemeinden, der NGOs, der Zivilgesellschaft weder eine „Kirche“, noch ein kaltes „Verwaltungsgebäude“ sein darf. Es gibt gute Gründe, die Dezentralisierung der Muslime dem Modell starrer Zentralisierung vorzuziehen. Es gilt, den Kern der muslimischen Infrastruktur aufzubauen, aber auch die Politisierung der Religion zu verhindern.

Wichtig wird nu eine ehrliche innermuslimische Debatte – nicht die Frequenz von Interviews oder das peinliche Kalkül der Medienreichweite. Die Frage nach der Imam-Ausbildung ist ein Test für diese Debattenkultur. Sie sollen künftig Deutsch sprechen, möglichst auch Arabisch. Aber vor allem sollen sie die islamische Lehre glaubwürdig vertreten und in keiner Abhängigkeit zu irgendeinem Staat stehen. Im Ergebnis aber sollte jede Moscheegemeinde natürlich völlig frei und ohne Bevormundung entscheiden können, welchem Imam sie am Ende vertraut.

Die Fragen sind auf dem Tisch: Wie organisieren wir uns – modern aber nicht traditionslos? Wie kommen wir zusammen und stärken die Wahrung unserer Rechte? Was sind innermuslimische Angelegenheiten, die den Staat nichts angehen? An welcher Stelle aber können wir mit Behörden aktiv, besser und effektiver zusammenarbeiten? Und – auch nicht unwichtig: Warum scheuen sich eigentlich so viele Verbandsvertreter, die muslimische Basis zu befragen?

Die IZ wird sich in ihrer kommenden Ausgabe (April 2015) mit mehreren Beiträgen diesem Thema widmen.

Muslime in Deutschland und Frankreich reagieren mit einhelliger Abscheu und Ablehnung auf den Pariser Anschlag

„Der schreckliche Anschlag von Paris hat uns alle erschüttert. Dieses abscheuliche Verbrechen ist durch nichts zu rechtfertigen. Unser Mitgefühl gilt den Hinterbliebenen der Opfer, den Beteiligten und dem französischen Volk.“ (Ali Kizilkaya)

Paris/Berlin (KNA/iz) Nach dem blutigen Terroranschlag auf das französische Magazin „Charlie Hebdo“ haben Islamvertreter zu Demonstrationen gegen den Terrorismus aufgerufen. Bei einem Krisentreffen zahlreicher Islam-Organisationen am Donnerstag in der großen Moschee von Paris forderten sie alle Muslime Frankreichs auf, beim Freitagsgebet eine Schweigeminute für die Opfer des Terroranschlags abzuhalten. Einer der vier französischen Islamgelehrten, die am Mittwoch zu einer interreligiösen Begegnung mit dem Papst nach Rom gereist waren, rief seine Glaubensbrüder in Frankreich zu Massendemonstrationen auf.

Die unter Federführung des französischen Islamrats CFCM stattfindende Versammlung in Paris erklärte, alle Muslime Frankreichs sollten sich der für Samstag angesetzten nationalen Friedensdemonstration anschließen. Dabei sollten sie ihren Wunsch nach einem friedlichen Zusammenleben und nach Respekt für die Werte des Landes zum Ausdruck bringen.

Mohammed Moussaoui, Vorsitzender der Vereinigungen der Moscheen Frankreichs, betonte laut der französischen Zeitschrift „La Vie“ in Rom, die Ereignisse von Paris verstärkten die Notwendigkeit des Dialogs zwischen den Religionen. Den Terroristen warf er vor, den Islam für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.

Trotz mehrfacher Aufrufe von Politikern und Religionsvertretern, Ruhe zu bewahren und keine Racheakte zu verüben, wurden in Frankreich in der Nacht zum Donnerstag mehrere muslimische Einrichtungen angegriffen. Medienberichten zufolge setzte ein Unbekannter am Mittwochabend im südfranzösischen Port-la-Nouvelle mit einer Schrotflinte in einem muslimischen Gebetsraum mehrere Schüsse ab. Da das Gebet bereits beendet und der Saal leer war, wurde niemand verletzt.

Muslime in Deutschland drückten Hinterbliebenen ihr Beileid aus
Binnen 24 Stunden nach dem Anschlag haben die meisten größeren und viele mittlere muslimische Vereinigungen eindeutig auf die Morde in Frankreich reagiert. In einer Pressemitteilung vom Mittwoch, den 7.1.2015, verurteile der amtierende Sprecher des Koordinationsrates der Muslime (KRM), Erol Pürlü vom Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ), den „feigen Anschlag“ im Namen seines Gremiums. „Terror hat keinen Platz in irgendeiner Religion. Wir verurteilen diesen feigen Akt auf das Schärfste. Unser Beileid und tiefstes Mitgefühl gilt den Hinterbliebenen.“

Auch die einzelnen KRM-Mitglieder gingen am gleichen Tag beziehungsweise am 8.1.2015 an die Öffentlichkeit. Ali Kizilkaya vom Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland zeigte sich „erschüttert“. Dieses abscheuliche Verbrechen ist durch nichts zu rechtfertigen. Unser Mitgefühl gilt den Hinterbliebenen der Opfer, den Beteiligten und dem französischen Volk.“ Mit diesem grausamen Akt hätten die Attentäter den Propheten Muhammed und die Religion des Islams verhöhnt und beleidigt.

Der deutsche Moscheen-Dachverband Ditib zeigte sich indes besorgt über eine erhöhte Gefahr für islamische Einrichtungen in Deutschland. Man müsse „damit rechnen, dass Neonazis, Pegida-Aktivisten und Islamhasser diesen schrecklichen Terrorakt zum Anlass nehmen, ihre Angriffe zu vermehren“, sagte der Bundesvorstandssprecher der türkisch-islamischen Organisation, Bekir Alboga, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Vom größten Islamratsmitgliedsverband, der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs, meldete sich deren Generalsekretär, Mustafa Yeneroğlu, in einer Erklärung zu Wort. Das Ziel solcher Gewalttaten sei ungeachtet deren Quelle „die Zerstörung des gesellschaftlichen Friedens“. Daher sei es wichtig, „dass wir geschlossen auf diese schockierende Tat reagieren, damit die Angreifer ihr Ziel nicht erreichen können“. Dass seine Befürchtungen nicht unbegründet seien, zeigten drei Übergriffe gegen muslimische Einrichtungen in Frankreich seit gestern.

Noch am gleichen Tag verurteilte der Zentralrat der Muslime die Anschläge in Paris. „Es gibt in keiner Religion und keiner Weltanschauung auch nur einen Bruchteil einer Rechtfertigung für solche Taten. Dies ist ein feindlicher und menschenverachtender Akt gegen unsere freie Gesellschaft. Durch diese Tat wurde nicht unser Prophet gerächt, sondern unser Glaube wurde verraten und unsere muslimischen Prinzipien in den Dreck gezogen.“ Es stehe zu befürchten, dass der Anschlag „neues Wasser auf den Mühlen von Extremisten jeglicher Couleur“ sein werde. „Wir rufen alle dazu auf, dem perfiden Plan der Extremisten nicht auf dem Leim zu gehen, die die Gesellschaft spalten.“

Der Kölner Journalist Eren Güvercin zeigt sich schockiert von der Perversität des Anschlags. Für ihn ist es nun umso wichtiger, dass die muslimische Gemeinschaft die Gefahr modernistischer Sekten erkennt und die Frage nach islamischen Inhalten aufarbeitet. Der Münchener Imam Benjamin Idriz verurteilt das Verbrechen scharf und erinnerte an das prophetische Vorbild des Vergebens. Wenn auch mahnte er zum Respekt vor den Gefühlen der Gläubigen aller Religionen. Er stellt fest, dass die Täter weder zu Europa, noch zum Islam gehören.

Über Facebook, Twitter und Instagram initiierte die Islamische Zeitung den Hashtag #VerteidigeDenPropheten, um einem Missbrauch des Propheten Muhammed durch Hass und Gewalt entgegenzuwirken.

Eine IZ-Leserin begrüßte auf Facebook die Haltung der IZ-Redaktion zu den Pariser Vorgängen: „(…) das lässt immer noch hoffen, dass der Nährboden des Extremismus versalzen werden kann, wenn wir mit Vernunft und Besonnenheit auf Eskalationsversuche verirrter Irrer reagieren.“ „Diese Idioten“, beklagte eine Leserin die Taten, „werden jetzt wieder Millionen friedliche Moslems mit tatkräftiger Unterstützung der Medien in den Schmutz ziehen.(…) Hoffe, dass die Vernunft siegt“.

Die IZ-Redaktion wird das Thema im Rahmen ihrer online- und Druckausgabe weiter begleiten. Alle Leser- und AutorInnen sind eingeladen, sich mich konstruktiven Beiträgen und Leserbriefen zu beteiligen. (sw & ak)



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