Thema Riba, Handel und Islamic Banking

(iz). Ein junger Student von durchschnittlicher Intelligenz ist in der Lage, die folgen­den Regeln zu verstehen. Dies führt zu der Frage, warum die größten Muftis unserer Tage daran scheitern.

Anmerkungen von Imran Ahsan Khan Nyazee

Die folgenden Ableitungen basieren auf einer bekannten Überlieferung von ‘Ubada ibn As-Samit, möge Allah mit ihm zufrieden sein. Im Folgenden findet sich hier dieses Hadith, bei der sechs Waren beschrieben werden. Der Prophetengefährte überlieferte: „Der Gesandte ­Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, sagte: ‘Gold für Gold, Silber für Silber, Weizen gegen Weizen, Gerste gegen Gerste, Datteln für Datteln, Salz gegen Salz. Die gleiche Sache gegen die gleiche Sache, Gewicht gegen Gewicht [das heißt, mit gleichem Gewicht und Maßen] und von Hand zu Hand. Wenn die Gattungen verschieden sind, dann verkauft, solange es von Hand zu Hand geschieht.“ (Sahih Muslim)

Diese Überlieferung beinhaltet drei direkte Anweisungen, auf deren Grundlagen die Juristen den Sarf-Vertrag entwarfen. Erläuternd hinzuzufügen ist, dass es zwei Arten von Riba gibt. Riba Al-Fadl – oder ein Übermaß bei Gewicht oder Volumen –, den man als Überschuss der Menge bezeichnen könnte. Derart fällt jede Summe (beispielsweise 10 ­Dina­re), die in Form von Zinsen bezahlt ­werden, unter die Kategorie von Riba Al-Fadl.

Riba An-Nasi’a – oder ein Überschuss an Zeit – ergibt sich aus dem Gebrauch des Geldes im Laufe der Zeit. Es wird auch als Zeitwert des Geldes bezeichnet. In Wirklichkeit ist dies die Art Riba, für die Riba Al-Fadl (als Vermietung von Geld) gezahlt wird. Ein Beispiel dafür ist ein Kredit, bei dem A 100 Dinare an B gibt und B innerhalb von einem Jahr 10 Prozent Zinsen darauf zahlen muss. In der Sprache des Rechts können wir sagen, dass A 100 Dinare an B für 110 Dinare gegen Kredit verkauft. Das reicht, um zu verstehen, was Riba ist.

Wenn erkennbar ist, dass die beiden Seiten – A und B – den obigen Handel abschließen, greift die erste Anweisung der Überlieferung: „Gewicht gegen Gewicht.“ Mit anderen Worten, die weiteren zehn Dinare, die von B bezahlt werden, sind untersagt. Diese Summe wird gemeinhin als „Zins“ verstanden und es ist dieser Zins, der von Banken erhoben wird. Die Islamischen Banken stimmen zu, dass diese Art von Zinserhebung verboten ist. Daher kann ihre Gültigkeit nicht auf dieser Grundlage in Frage gestellt werden.

Nach der Durchführung der ersten prophetischen Anweisung und der Entfernung dieser zehn Dinare, verbleibt die restliche Transaktion: A leiht B 100 Dinare, die nach einer Verzögerung von einem Jahr zurückgezahlt werden müssen. Diese Transaktion zieht die nächste Anweisung nach sich: den augenblicklichen Austausch beider Werte oder „von Hand zu Hand“. Es ist dieser Passus, der ein Problem für das Islamic Banking darstellt. Wenn wir diesen Austausch genau betrachten, finden wir nicht mehr als ein „zinsloses Darlehen“. Die Folge dieser Anweisung ist, dass keine Verzögerung erlaubt ist und die Parteien ihr Gold sofort austauschen müssen. Heißt diese Aussage, dass es kein Darlehen geben kann, selbst wenn kein Zins erhoben wird? Die Antwort ist „Ja“. Wenn kein Kredit vergeben werden kann, dann würde dies das Ende von Isla­mic Banking bedeuten – oder des gesam­ten Bankwesens, soweit es das betrifft. Der Grund dafür ist, dass jedes Konto, das bei einer Bank eröffnet wird – Gehaltskonto, Sparguthaben, Festgeldeinlagen usw. –, in Wirklichkeit ein Kredit ist. Dieser kann im Kontext jener Überlieferungen nicht gegeben werden.

Diese Bestimmung bedeutet für manche ein weiteres Problem. Wenn ein Kredit untersagt ist, so werden sie fragen: Was ist mit einem zinslosen Darlehen, das auch als Qard Hasan bezeichnet wird?

Die Antwort darauf ist, dass die obige Regel über das Verbot von Krediten die ursprüngliche Regel ist, der in allen Trans­aktionen gefolgt wird. Die ­einzige Ausnahme dazu ist ein zinsloses Darlehen, das eine Ausnahme oder Rukhsah zur allgemeinen Regel darstellt. Es hat den gleichen Status wie das Ausleihen von Gerätschaften oder anderen Dingen, die zurückgegeben werden. Es ist unter gewissen Bedingungen gestattet. Vorran­gig dabei ist, dass keine Zahlungsfrist festgelegt werden kann – der Verleiher kann die Summe am nächsten Tag zurückfordern oder die Rückzahlung für unbestimmte Zeit zurückstellen. Qard ist die Bereitstellung der „nutzbaren Menge“ auf Seiten des Gebers aus anderen Gründen als einem ­Profitinteresse in geschäftlicher oder persönlicher Hinsicht. Der Leiher kann die Summe nach eigenem Ermessen benutzen. Diese Form des Darlehens wird in der Scharia als ­Sadaqa behandelt – und nicht in Hinblick kommerzieller Regeln.

Die oben beschriebenen Transaktionen legen gemeinsam den Schluss nahe, dass ein handelsüblicher, verzinster Bankkre­dit beide Formen von Riba beinhaltet, die jeweils verboten sind. Riba Al-Fadl – vertreten durch die 10 Dinar – und Riba An-Nasi’a – repräsentiert durch die „Verzögerung“ – sind beide verboten.

Aufbauend auf diesen beiden, untersagten Grundmodellen kommen wir zu fragwürdigen Methoden,um das, im ­oberen Segment erläuterte Verbot zu umgehen. Eine dieser Methoden sind die ­heutigen Murabaha-Verträge. In dieser Vertragsform fragt A den Händler B, etwas für ihn auf dem Markt zu kaufen. Anstatt, dass dieser eine Gebühr verlangt, kann er einen deutlich aufgeschlüsselten Profit verlangen. Der ursprüngliche Vertrag basierte auf Vertrauen und Zusammenarbeit. Eine Person vertraut dem Urteils­vermögen einer anderen. Wegen dieser Beziehung glaubt A, dass B ehrlich vorgeht und den korrekten Originalpreis mit einem rationalen Profit verlangt. Auf Grundlage dieses gegenseitigen Vertrau­ens ist keine Veränderung der ursprüng­lich vereinbarten Summe zugelassen.

Die erste und wichtigste Regel für diese Transaktion besagt, dass der Originalpreis aufrechterhalten werden muss und weder verändert, reduziert oder gesteigert werden darf. Die zweite, wichtige Regel – wie dies von dem Texten der Rechtsgelehrten nahelegt wird – lautet: Es darf keine Verzögerung in der Transaktion geben, da dies die Möglichkeit für die Erhebung von Riba ermöglicht. Der entsprechende Handel erklärt sich von selbst. A kauft von B Weizen im Wert für 100 Dinare. Die Originalkosten, die nicht geändert werden dürfen, beliefen sich auf 90 Dinare, während der angegebene Gewinn bei 10 Dinaren liegt. Es ist offensichtlich, dass für Transport und Auslagen weitere Kosten auf den ursprünglichen Preis aufgeschlagen werden können. Aber diese sind für uns hier vernachlässigenswert. Die wichtige Sache dabei ist, dass es keine Verzögerung in dieser Transaktion geben darf und dass es ein promptes Geschäft ist.

Die Islamischen Banken haben ein Element der „Verzögerung“ in die ursprüng­liche Transaktion eingeführt. Dies lässt sie unrechtmäßig werden. Hier bestehen zwei Möglichkeiten.

Erstens ist der Abschluss mehr oder weniger wie der normale Murabaha, außer dass die Verzögerung von einem Jahr eingeführt wurde. Es ist bekannt, dass eine Person bei einem Kredit mehr verlangt als bei einem Bargeschäft. Der Grund dafür ist, dass er, wenn er für den ­gleichen Preis verkauft, nicht die gleiche Summe wie bei einem Bargeschäft erhält. Die Verzögerung (und Inflation) verringern den Preis und damit den Wert dieser Transaktion. In dieser Situation würde die Bank, wenn sie zum Einkaufspreis und dem festgelegten Profit verkauft, nicht mehr den Preis für die Ware reali­sieren, den sie ausgeben musste, sondern – dank der Verzögerung – einen verringerten Preis erzielen. Der Nutzen geht hier an den Kunden. Diese Transaktion ist daher erlaubt. In der echten Praxis würde die Bank diesem Vertrag nie zustimmen, da er zu einem Verlust für sie führen würde. Wir müssen uns daher der zweiten Möglichkeit zuwenden.

Im zweiten Fall, verdoppelt die Bank – um einen Gewinn zu erzielen – den angegebenen Profit; sagen wir einmal: 10 für die Verzögerung und 10 für den vernünftigen, angegebenen Profit. Muraba­ha trifft nicht länger zu, da dies hier einen zweimaligen Profit beinhaltet. Selbst, wenn wir davon ausgehen würden, dass die gesamten 20 Dinare als ein angegebe­ner Gewinn behandelt werden würde, wäre dieser Vertrag immer noch unrecht­mäßig, da der Ursprungspreis wegen der Verzögerung reduziert wird (den die Bank dadurch auszugleichen sucht, indem sie einen erhöhten, ausgewiesenen Profit angibt). Kurz gesagt: Die Einführung des Elements von Verzögerung in den Murabaha-Vertrag macht ihn unrechtmäßig. Ohne jene Verzögerung aber wäre er nutzlos für die Bank.

Man könnte nun fragen, warum die Bank dieses Geschäftsmodell als Murabaha bezeichnen möchte, während die gleiche Sache durch einen normalen Kreditverkauf abgewickelt werden kann, bei dem die Bank mehr als den normalen Gewinn einfordert. Der Grund ist offenkundig und führt uns schließlich zum Leasingvertrag. Die meisten Leasingverträge beruhen auf einem Kreditverkauf oder einer ­anderen Kreditform. So kauft eine Bank beispiels­weise ein Auto für 10.000 US-Dollar und verkauft es ihrem Kunden für 13.000 US-Dollar. Eine Summe, die über einen Zeitraum von drei Jahren gezahlt ­werden muss. Die zusätzlichen 3.000 ­US-Dollar gelten für die Zeit der verzögerten Perio­de von drei Jahren. Dies wäre dem islami­schen Recht zufolge zulässig.

Es ist aber nach dem islamischen Recht nicht zulässig, dass die Bank den Eigen­tumstitel bei Vertragsabschluss nicht an ihren Kunden abtritt. Unter dem islamischem Recht geht dieser Titel augenblicklich an den Kunden über und das Auto wird bei Vertragsschluss zu seinem Eigentum. Dies schafft ein Problem für Islamischen Banken und sie folgen dabei nicht den Regeln für den Kreditverkauf und die Übertragung von Eigentumstiteln. Aus diesem Grund haben sie auch keinen Interesse daran, Kreditverkauf als Ersatz für Murabaha zu benutzen. Die Bank hätte das Recht, nach einer Sicherheit zu fragen oder sogar eine Verpfändung des gleichen Autos zu verlangen, aber sie kann dies nur tun, wenn der Eigentumstitel vorher an den Kunden abgetreten wurde. Darüber hinaus ist die Erhebung von Strafzahlungen für verzö­gerte Raten absolut unrechtmäßig, selbst wenn diese unter den Armen usw. verteilt werden.