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Srebrenica: Die Welt muss von dem Massaker lernen

Srebrenica Bosnien

Srebrenica : Das schlimmste Massaker in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg ereignete sich im Juli vor 28 Jahren. Vom 11.-19.07.1995 ermordeten bosnisch-serbische Streitkräfte 7.000 bis 8.000 muslimische Männer und Jungen […]

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Gedenken: Srebrenica aus europäischer Sicht

Srebrenica

Wenn wir Muslime über Vergangenes und Geschehenes, über Geschichten in Raum und Zeit reflektieren, dann um die Bedeutung und den Sinn von Geschichte zu erfassen. Bei unserem heutigen Thema ist es zunächst notwendig, nochmals einige historische Eckdaten aus dem Logbuch der Geschichte zu erfassen und auf uns wirken zu lassen. Leider zeigen diese Ereignisse der 90er Jahre, dies sei vorab gesagt, einige typische, sich wiederholende Merkmale der Moderne auf. Genannt seien das Lager, das nach dem italienischen Philosophen Agamben zum „Nomos der Moderne“ gehört, und das Prinzip der Massenvergewaltigung, für den Philosophien Foucault der Ausdruck einer modernen Biopolitik.

Der Balkankrieg macht zudem wieder einmal deutlich, was es heißt, wenn sich Volksgruppen ausschließlich als „Ethnie“ definieren. Die Grundlage des Barbarischen, Antireligiösen ist damit bereits gelegt. „Der ethnisch definierte Mensch“, so schreibt die Ombudsfrau für Bosnien, Gret Haller, „hat gar keine Autonomie als Mensch mehr und wird völlig auf seine ethnische Zugehörigkeit reduziert“. Recht verletzen und Recht haben verkommt zu einer ethnischen Frage.

Vergegenwärtigen wir uns also noch einmal emotionslos einige historische Fakten, die im Grunde für sich sprechen:

1991: Letzte Volkszählung vor dem Krieg. Srebrenica: 73 Prozent der Einwohner bezeichnen sich als Muslime.

6.3.1992: Beginn der Kämpfe in Bosnien-Herzegowina. August 1992: Erste Berichte über Gefangenenlager der Serben (Roy Gutman in „Newsday“). Oktober 1992: Die Serben haben die Macht in ihren Siedlungsgebieten konsolidiert, diese territorial verbunden und „ethnische Säuberungen“ vorgenommen. Dazu haben sie das von den bosnischen Muslimen bewohnte Ostbosnien bis auf sechs Enklaven, darunter Srebrenica, erobert. Auch die Hauptstadt Sarajevo sowie Bihac in Westbosnien sind von Serben eingeschlossen.

6.5.1993: Alle belagerten bosnischen Enklaven – Srebrenica, Sarajevo, Tuzla, Zepa, Gorazde und Bihac – werden zu UN-Schutzzonen erklärt (Resolution 824). 10.6.1993: Die NATO übernimmt den Schutz der UNPROFOR aus der Luft, die Abstimmung über Einsätze erfolgt in einem komplizierten Zwei-Schlüssel-System mit der UNO. Die NATO-Flugzeuge sollten aber nie wirklich zum Schutz der Bosnier zum Einsatz kommen. 24.5.1995: Der französische General Bernard Janvier, Kommandeur der UNO-Truppen in Ex-Jugoslawien, schlägt dem Sicherheitsrat die Aufgabe der Schutzzonen vor. [General Janvier war einer der härtesten Gegner von möglichen NATO-Angriffen gegen serbische Landziele während der Eroberung Srebrenicas. Er ließ das schlecht vorbereitete „Dutchbat“ alleine.]

6.-11.7.1995: Serben erobern die Schutzzone Srebrenica trotz der Anwesenheit von 419 Blauhelm-Soldaten. Der Befehlshaber der bosnischen Serben, General Mladic, leitet die Aktion persönlich. Dreißig niederländische Blauhelm-Soldaten als Gefangene in der Gewalt der Serben.

10.7.1995, 19.00 Uhr: Das niederländische Bataillon „Dutchbat“ fordert Luftunterstützung an. General Janvier zögert, weist drei solcher Aufrufe ab. Flugzeuge erreichen Srebrenica, kehren aber wieder um.

11.7.1995: Erst um 14.30 Uhr greifen NATO-Flugzeuge serbische Panzer an. Um 15.00 Uhr wird die Beendigung der Angriffe verlangt wegen der Gefahr von Geiselnahmen. 16.00 Uhr: Eroberung Srebrenicas. 20.30 Uhr: Treffen Karremans/Mladic [Berüchtigter Sektglas-Empfang]. Präsident Izetbegovic ruft die UNO vergeblich zur Rückeroberung auf. [Viele niederländische Soldaten haben sich niemals mit dem Ziel ihres Einsatzes identifiziert; Zitat: „This is not my war!“]

12.7.1995: „Dutchbat“ wird von den Serben praktisch entmachtet. Zehntausende Frauen und Kinder, die Schutz bei der UN-Basis Potocari gesucht haben, werden mit Bussen deportiert. 12.7. bis 18.7.1995: Etwa 7.500 bis 8.000 muslimische Jungen und Männer (Soldaten und Zivilisten) werden von serbischen Militärs und Militärpolizisten der bosnischen Serben bei Srebrenica ermordet.

11.7.1995: Die niederländischen Blauhelme verlassen Srebrenica. [Es hat nach den Ereignissen keine wirklichen Worte des Bedauerns seitens der beteiligten „Dutchbat“-Offiziere oder Mannschaften gegeben. Der kommandierende Offizier Karremans wurde später befördert.]

Erst am 26.7.1995 stimmt der US-Senat für die Aufhebung des Waffenembargos gegen Bosnien-Herzegowina.

12.10.1995: Waffenstillstand in ganz Bosnien und Herzegowina, letzte Kämpfe am 21.10.1995. 14.12.1995: Das im November ausgehandelte Friedensabkommen von Dayton wird von den Präsidenten unterschrieben. Srebrenica wird, wie andere früher mehrheitlich muslimische Gebiete auch, Teil der „Republika Srpska“ der bosnischen Serben.

[Quellen: Unter unseren Augen, von Hajo Funke und Alexander Rhotert, Verlag Das Arabische Buch, Berlin 1999; Srebrenica – Ein Prozess, Herausgegeben von Julija Bogoeva und Caroline Fetscher, Suhrkamp, Frankfurt/Main 2002]

Soweit also zu den nüchternen historischen Fakten. Sie sprechen wie gesagt eigentlich schon für sich. Dennoch, was gehört aber noch zur weiteren Geschichte dieses Krieges? Wenn wir heute gemeinsam dem Schicksal der Tausenden von Opfern in Srebrenica gedenken, dann verrichten wir nicht nur eine notwendige gemeinsame Trauerarbeit, sondern wir tauchen auch in den besonderen Erfahrungshorizont europäischer Muslime ein. Seit dem 11. September ist etwas in Vergessenheit geraten: Dass gerade im letzten Jahrhundert die Muslime in Europa nicht etwa Aggressoren, sondern immer wieder auch Opfer waren. Der Krieg auf dem Balkan und insbesondere die unvergesslichen Bilder aus Srebrenica sind und bleiben damit der natürliche Teil unserer gemeinsamen kollektiven Erinnerung.

Zur Verortung und zum Denken eines „europäischen Islam“ gehören zweifellos Städte wie Sarajevo und Cordoba, gehört der west-östliche Diwan Goethes, gehört das Denken Ibn Al-’Arabis und gehört Srebrenica gleichermaßen. Mit europäischen Muslimen meine ich, wenn ich dies ausdrücklich anmerken darf, diejenigen Muslime, die europäische Sprachen sprechen.

Ich würde gerne einige weitere Aspekte der geschichtlichen Deutung, aus europäischer und muslimischer Sicht, hier ansprechen. Zunächst ist festzustellen: Der Krieg auf dem Balkan war auch, aber nicht nur, ein ethnischer Konflikt zwischen verfeindeten Volksgruppen. Diesen Umstand versteht man besser, wenn man sich für einen Moment die Symbolsprache der Konflikte auf dem Balkan vergegenwärtigt. Einen weltweiten Bekanntheitsgrad haben diese tragischen Ereignisse auf dem Balkan ja immer wieder durch das umkämpfte Amselfeld erlangt, auf welchem im Jahr 1389 die Türken das Heer der Serben geschlagen haben. Dieser Ort, der sich im heutigen Kosovo befindet, wurde immer wieder zum Symbol für das serbische Nationalbewusstsein (und, wenn ich diese Anmerkung hier machen darf: jedes Nationalbewusstsein in Europa ist natürlicherweise in der Gefahr, in ein rassisches Bewusstsein umzuschlagen).

Für Milosevic war es ein Leichtes, an dieser Stelle, mit seiner weniger berühmten als berüchtigten Rede, die Balkankriege der 90er Jahre einzuleiten, indem er auf die damals genau sechs Jahrhunderte zurückliegende Schlacht bewusst Bezug nahm. Es ist dabei nicht überraschend, sondern vielmehr vielsagend, dass während des Krieges von der serbischen Propaganda den Bosniern gerade eine ethnische Identität nicht wirklich zugebilligt wurde. Die Bosnier wurden, auf ihre islamische Identität anspielend, von der serbischen Propaganda immer wieder als „Türken“, also gerade nicht als Europäer, bezeichnet. So wurde verdeutlicht, dass man den Muslimen weder ein eigenes Territorium zubilligte, noch ihre Identität als europäische Volksgruppe überhaupt anerkennen wollte. Hieraus speist sich wohl auch der totalitär-unmenschliche Zug der Kriegsführung. Es sind vor allem drei weitere Aspekte der Aufklärung und Würdigung der Ereignisse in Bosnien, die auch zehn Jahre nach Srebrenica aus meiner Sicht nicht in den Hintergrund geraten dürfen und nach weiterer Aufklärung verlangen. Diese Aspekte seien – natürlich in aller Kürze – hier genannt: Die Rolle der orthodoxen Kirche in Bosnien, die Rolle der Westmächte, von Srebrenica bis Dayton, und die Rolle der Täter-Opfer-Perspektive.

Zur Rolle der orthodoxen Kirche in Bosnien

Schwere Vorwürfe gegen die Serbisch-orthodoxe Kirche hat zu Recht die Gesellschaft für bedrohte Völker International (GfbV) nach der Veröffentlichung des so genannten Srebrenica-Videos erhoben. „Die Serbisch-orthodoxe Kirche hat die Ermordung und Vertreibung der bosnischen Muslime und damit die Auslöschung des 500 Jahre alten mitteleuropäischen Islam aus Bosnien bedingungslos unterstützt“, stellte der Präsident der GfbV International, Tilman Zülch, neulich fest. Zülch weiter: „Das Video belegt einmal mehr, wie unmittelbar diese Kirche in den Genozid an den bosnischen Muslimen verstrickt ist.“ In dem Video war zu sehen, wie der in Serbien populäre Abt Gavrilo aus dem Kloster des heiligen Erzengels in Privina Glava bei Sid im Nordwesten von Belgrad die serbischen Mörder von sechs muslimischen Zivilisten aus Srebrenica segnete. Eine ähnliche Szene ist auf einem weltweit verbreiteten Foto der Agentur Reuters zu sehen, das wenige Tage nach der Erschießung von mindestens 7.800 bosnischen Männern und Knaben aus der ehemaligen UN-Schutzzone durch serbische Einheiten in Ostbosnien am 25. Juli 1995 aufgenommen wurde. Auf dem Bild reicht Patriarch Pavle, der höchste Geistliche der serbisch-orthodoxen Kirche, den heute mit internationalem Haftbefehl gesuchten Hauptkriegsverbrechern Radovan Karadzic und Ratko Mladic in Sokolac bei Sarajevo geweihtes Brot. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.

Zur Rolle der Westmächte

Immer wieder diskutiert wurde die Rolle der NATO-Staaten in diesem Konflikt. Wir wissen heute, dass die UNO sowie die Militärführungen und Regierungen mehrerer NATO-Staaten mindestens vier Monate vor dem Fall der ostbosnischen UNO-Schutzzone Srebrenica im Juli 1995 sehr konkrete Informationen über die Angriffsvorbereitungen und Eroberungspläne der bosnischen Serben hatten. Doch Überlegungen im New Yorker UNO-Hauptquartier, den militärischen Schutz Srebrenicas zu verstärken, wurden nach einer Intervention der Clinton-Administration Anfang April 1995 gestoppt. Diese neuen Erkenntnisse, die im Widerspruch zu dem im November 1999 vorgelegten Srebrenica-Untersuchungsbericht von UNO-Generalsekretär Kofi Annan stehen, erbrachten gemeinsame Recherchen der taz und des niederländischen Radiosenders VPRO.

Wir können hier nur noch einmal an die skandalöse Folgenlosigkeit der Untersuchungen der Akte Srebrenica erinnern. Dunkel bleibt die Rolle von Militärs und Politikern, sieht man einmal vom Rücktritt der niederländischen Regierung Kok am 16.4.2002 nach Veröffentlichung eines Reports über Srebrenica durch das Niederländische Institut für Kriegsdokumentation (NIOD) ab. Bis heute verweigert sich Frankreich wirklichen Untersuchungen über die Rolle der französischen Politik und Militärs, so zum Beispiel über die dubiose Rolle des französischen Generals Janvier.

Es bleibt nach wie vor eine offene Frage, inwieweit das „humanitäre“ Engagement oder Nicht-Engagement, das Gewähren und Nichtgewähren von Hilfe, die Rolle von Embargos und so weiter auch von geopolitischen Gesichtspunkten und Zielvorstellungen geprägt war.

Zur Täter-Opfer-Perspektive

Schon der Dayton-Vertrag an sich birgt – aus Sicht vieler Bosnier – das Problem, dass die Vertragsmodalitäten in Dayton den serbischen Despoten Milosevic als gleichrangigen Verhandlungspartner anerkennen. Der Daytonvertrag hat sicher einige juristische Schwächen, die indirekte Akzeptanz Milosevics ist jedoch seine evidente moralische Schwäche und hat die Regierungszeit Milosevics wohl mit entscheidend verlängert.

Aber auch zehn Jahre nach dem Krieg gibt es weitere handfeste Zweifel an der gerechten Aufarbeitung der Tragödie. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat beispielsweise der NATO schwere Versäumnisse bei der Suche nach den als Kriegsverbrecher angeklagten bosnischen Serben Ratko Mladic und Radovan Karadzic vorgeworfen. Zehn Jahre nach dem Massaker von Srebrenica befinden sich der einstige bosnisch-serbische Militärführer und der bosnisch-serbische Ex-Präsident noch immer auf freiem Fuß. Die Leiterin der Abteilung für Europa und Zentralasien von Human Rights Watch, Holly Cartner, klagt: „Dass Karadzic ein Jahrzehnt nach Srebrenica noch immer frei herumläuft, ist ein schweres moralisches Versäumnis“. Laut Human Rights Watch gab es von Seiten der NATO-Friedenstruppen in den vergangenen zehn Jahren nur drei bestätigte Versuche, Karadzic zu verhaften.

Auch ein Weiteres möchte ich in diesem Zusammenhang anführen. Ich war vor drei Jahren Zeuge, als drei bosnische Generäle wegen Verletzung des Kriegsrechts in Den Haag angeklagt worden sind. In einigen Dutzend Fällen war es laut Anklageschrift in ihren Einheiten zu Lynchjustiz und Übergriffen gekommen. Auf dieses Verfahren angesprochen, erklärte mir Alija Izetbegovic, man dürfe nicht vergessen, dass in dem untersuchten Zeitraum bis zu 110.000 Bosnier und Bosnierinnen ums Leben kamen. Dies spricht natürlich nicht gegen einen Prozess gegen die Generäle, wohl aber gegen das Vergessen der eigentlichen Verursachung des gesamten Krieges. Sicher gehört es zu den moralischen Grundverpflichtungen der Bewertung dieses Krieges, Aggressor und Opfer immer wieder klar auseinanderzuhalten. Meine verehrten Anwesenden, was bleibt nun also aus europäisch-muslimischer Sicht? Als wir Mitte der 90er Jahre in Weimar einige Veranstaltungen zum Thema Bosnien organisiert hatten, waren wir immer wieder über das fehlende Interesse der europäisch-bürgerlichen Eliten erstaunt. Für mich war dies besonders unverständlich, da wir doch in der Schule gelernt hatten, dass eine Verfolgung aufgrund der religiösen Zugehörigkeit sich in Europa keinesfalls wiederholen dürfe. Jetzt aber wurde man am Fernsehschirm Zeuge von jahrelang andauernden Übergriffen, Säuberungen und Verfolgungen. Für mich ein Trauma. Srebrenica hat allerdings auch – wie man es beispielsweise an der Politik des deutschen Außenministers ablesen kann – zu einem Bewusstseinswandel geführt. Srebrenica, so heißt es, hat die Idee eines deutschen Pazifismus erledigt. Zumindest auf, oder besser gesagt allerdings leider nur auf dem Balkan. Tatsächlich leisten ja auch heute noch Soldaten der Bundeswehr, vor einigen Jahren noch undenkbar, einen Beitrag zur labilen Sicherheitslage in der Region.

Aber kommen wir zurück zu unserem eigentlichen Thema, den Menschen in Bosnien. Ich habe die positive Haltung der bosnischen Muslime nach den schrecklichen Kriegsereignissen immer bewundert. Die oft betonten Charaktereigenschaften eines angeblich „kriegerischen“ Islam treffen auf den Islam in Bosnien augenscheinlich nur wenig zu. Das ist eine wichtige Botschaft.

Es ist kein Zufall, dass Huntington bei seiner düsteren Vision des angeblich drohenden „Clash der Zivilisationen“ den bosnisch-europäischen Islam nicht erwähnt, oder besser nicht erwähnen kann. Die bosnisch-europäischen Muslime jedenfalls haben zu dem Konflikt der Kulturen- in jeder Hinsicht – herzlich wenig beigetragen. Mehr noch, die Existenz der europäischen Muslime und die Existenz ihrer Kultur zeigt gerade, dass dieser angebliche Kulturkampf zwischen Europa und dem Islam eine Fata Morgana darstellt.

Eine andere Frage wäre es, ob auf dem Balkan ein neuer Konflikt droht, dessen mögliche Ursachen weniger kultureller als eher politisch-ökonomischer Natur sind. Der Balkan droht im sich abzeichnenden „Weltinnenraum des Kapitals“, so nennt Sloterdijk die neue globale Ordnung, zu einer vernachlässigten Außenzone zu werden. Heute ist das Wort „Balkanisierung“ längst eine Art politisches Schimpfwort geworden. Es verwundert nicht, dass es keine wirkliche öffentliche Debatte über einen EU-Beitritt Bosniens gibt. Ich halte diesen Umstand, unabhängig vom Ergebnis, für zutiefst unlogisch. Eine solche Debatte wäre aus den genannten Gründen für das geschichtliche Selbstverständnis Europas ungeheuer wichtig und als Debatte übrigens gerade für diejenigen schwer zu führen, die den Islam allein als eine fremde Religion von Ausländern definieren und ausgrenzen wollen. Der Fall Bosniens zeigt, dass der Islam und Europa geschichtlich durchaus zusammengehören. Im Gegensatz zur Türkei dürfte auch die geografische Zugehörigkeit Bosniens zu Europa völlig außer Frage stehen.

Viele Geschichten, die das 20. Jahrhundert geprägt haben, beginnen und enden in Sarajevo. Sarajevo ist eine europäische Stadt. Ein Blick auf die Stadt gehört zu den europäisch-geschichtlichen Erfahrungen. Blickt man auf das Tal, so sieht man wie an einer Schnur geschichtliche Abläufe und ihre architektonischen Ausdrucksformen aneinander gereiht. Geschichte ist sozusagen in jeder Epoche zum Greifen nah. Osmanisch geprägter Islam, österreichisch-ungarische Kaiserzeit, säkulare Ideologien, bis hin zum Olympiastadion und seinen Massengräbern.

Eine meiner bewegendsten Begegnungen fand vor einigen Jahren mit dem mittlerweile verstorbenen Alija Izetbegovic statt. Der ehemalige Präsident war von seiner tragischen Geschichte schwer gezeichnet und berichtete über seine, eigentlich von ihm nie gewollte, politische Karriere. Der Islam, so Izetbegovic, hatte ihn vor allem als eine ökonomische Lehre fasziniert, die die damals herrschende Lehre des Kommunismus zurückwies. Das Gespräch drehte sich dann schnell um die negativste der gegenwärtigen Möglichkeiten auf dem Balkan: einen neuen, sich wiederholenden Bürgerkrieg. Dies wäre, wie wir gemeinsam feststellten, auch deswegen eine Tragödie, weil dies auch ein neuer Bürgerkrieg zwischen jungen Serben, Kroaten und Bosniaken wäre, jungen Leuten, die alle im Grunde nicht mehr so genau wissen würden, was der eigentliche „kulturelle“ Unterschied zwischen ihren Völkern und Nationen ist.

Schlussendlich: Ich habe, wie gesagt, die Zurückhaltung der bosnischen Muslime nach den schrecklichen Ereignissen immer bewundert. Auch dies gehört hierher: Ein Selbstmordattentat, ausgeführt durch einen bosnischen Muslim, ist, religiös und existenziell, Gott sei dank undenkbar. Eine Lehre oder ein Lehrer, die oder der solche Taten als „religiös“ verklärt, zum Glück auch. Exemplarisch sei die folgende, zusammenfassende Antwort von Mufti Mustafa Ceric zur Rolle Bosniens im aktuellen Spannungsfeld Europa – Islam – Terrorismus genannt.

Ceric, in einem Interview mit der tageszeitung: „Man kann nur beschämt sein über das, was geschah, und dass man es zugelassen hat. Wenn wir in Bosnien jetzt in die terroristische Ecke gestellt werden, dann hat dies etwas mit dem schlechten Gewissen uns gegenüber in Europa zu tun. Dabei gab es hier in Bosnien nach dem Ende des Krieges keine Revanche gegenüber den Tätern, obwohl es viele Gründe dafür gegeben hätte. Wir haben uns zivilisiert benommen. Während des Krieges mussten wir jegliche Hilfe annehmen, weil Europa zögerte, uns gegenüber der Aggression zu verteidigen. Deshalb kamen so genannte Mudschaheddin ins Land, die solidarisch mit uns sein wollten. Das liegt also auch in der europäischen Verantwortung. Zudem muss man sich fragen, was der Wahhabismus eigentlich ist. Es gibt einen politischen und religiösen Wahhabismus; der politische wurde vom Westen kreiert, um das türkisch-osmanische Reich zu schlagen. Saudi-Arabien ist nach wie vor Verbündeter des Westens. Der ideologische Wahhabismus, die Theologie, ist uns bosnischen Muslimen fremd geblieben. Wir haben ein anderes Verständnis von Staat und Gesellschaft; die bosnischen Muslime werden sich darin nicht verändern, da können sie sicher sein.“ Man kann sich, verehrte Anwesende, zur Geschichte des letzten Jahrhunderts mit ihren verheerenden Kriegen, maßlosen Ideologien und menschenverachtenden Lagern letztlich nicht geistig indifferent verhalten. Am Schlimmsten wäre wohl, als Konsequenz dieser Ereignisse, eine fatalistische oder nihilistische Haltung.

Als Gläubiger, unabhängig von der Konfession, gehört die Akzeptanz des Schicksals, wie schwer es auch sein mag, zur geistigen Konstitution. Ein bosnischer Freund hat mir einmal nach einem Gespräch über dieses Thema gesagt: „Nach Srebrenica hört man entweder auf zu beten, oder man beginnt damit“. Wir haben dann gemeinsam das Abendgebet verrichtet und einen neuen Tag begonnen.

* gehalten am 2. Juli 2005.

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Indiens Regierung blockt BBC-Serie über Premier Modi und Islam

Narendra Modi

Neu Delhi (KNA). Oppositionspolitiker in Indien kritisieren ein Ausstrahlungsverbot für eine BBC-Dokumentation über Premierminister Narendra Modi. „Regierung auf Kriegspfad, um sicherzustellen, dass niemand in Indien eine Sendung sehen kann. Schade, dass der Kaiser und die Höflinge der größten Demokratie der Welt so unsicher sind“, twitterte die Oppositionspolitikerin Mahua Moitra am 23. Januar. Der Fraktionsvorsitzende der oppositionellen Kongress-Partei, Adhir Ranjan Chowdhury, warf der Modi-Regierung vor, „im ganzen Land religiöse Intoleranz zu verbreiten“.

Die erste Folge der Dokumentarserie „India: The Modi Question“ war am vergangenen 24. Januar ausgestrahlt worden. Am Wochenende wies das Informationsministerium laut indischen Medien die zuständigen Behörden an, mehrere YouTube-Videos und Twitter-Posts zu blockieren. Der BBC-Dokumentarfilm untergrabe die Souveränität und Integrität Indiens und habe Potenzial, die freundschaftlichen Beziehungen zu ausländischen Staaten sowie die öffentliche Ordnung im Land zu beeinträchtigen, hieß es unter Berufung auf Quellen im Ministerium zur Begründung.

Im Mittelpunkt der Serie steht Modis Amtszeit als Chefminister des Bundesstaates Gujarat. Die Doku untersuche, so die BBC, wie „das Amt des Premierministers durch anhaltende Anschuldigungen Narendra Modis über die Haltung der Regierung gegenüber der muslimischen Bevölkerung Indiens in Mitleidenschaft gezogen wurde“. Der zweite Teil der Serie soll an diesem Dienstag (24. Januar) ausgestrahlt werden.

Gujarat ist immer wieder Schauplatz gewaltsamer Konflikte zwischen Hindus und Muslimen. Beim bislang schwersten Zusammenstoß kamen 2002 mehr als 1.000 Menschen ums Leben, als Modi dort Chefminister war. Die Mehrheit der Toten waren Muslime. Modi wurde seinerzeit vorgeworfen, vorsätzlich nichts zur Eindämmung der Gewalt gegen Muslime unternommen zu haben. Der blutige Vorfall in Gujarat gilt als der bislang schwerste gewaltsame religiöse Konflikt in Indien seit vielen Jahrzehnten.

Modi gehört der hindunationalistischen Indischen Volkspartei (BJP) an. Sie gilt als politischer Arm der extremistischen Hindutva-Bewegung, die eine Art hinduistischen Gottesstaat anstrebt. Christentum und Islam gelten ihr als „ausländische Religionen“. BJP und Hindutva fördern offen Hass und Gewalt vor allem gegen Muslime, aber auch gegen Christen.

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Gefoltert, verstümmelt, ermordet: 40 Jahre nach Sabra und Schatila

Die Massaker libanesisch-christlicher Milizen in den palästinensischen Flüchtlingslagern Sabra und Schatila von 1982 zählen zu den schlimmsten Gräueln des libanesischen Bürgerkriegs. Aufgearbeitet sind sie bis heute nicht.

Beirut (KNA) Der Schauplatz: Sabra und Schatila, zwei palästinensische Flüchtlingslager am südlichen Stadtrand Beiruts. Das Geschehen: ein Akt des Völkermords – so wird die UN-Vollversammlung später das bezeichnen, was zwischen dem 16. und 18. September 1982 geschah. Die Täter: libanesische Christen. Die Ermöglicher: israelische Soldaten. 36 Stunden lang. Zwischen 460 und 3.000 zivile Opfer.

Lange vor dem blutigen September 1982 kriselte es im Land der Zedern zwischen Palästinensern und Libanesen, zwischen Christen und Muslimen. Die rund 300.000 Palästinenser, die im israelischen Unabhängigkeitskrieg 1948 Zuflucht im Libanon suchten, rüttelten in der Folge am fragilen Bevölkerungsgefüge zwischen libanesischen Christen, Schiiten und Sunniten.

Im Herbst 1970 aus ihrem bis dahin wichtigsten Operationsgebiet Jordanien vertrieben, wurde Libanon zur neuen Basis der 1964 gegründeten Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO). Vor allem vom Süden aus agierte die Organisation gegen Israel. Der PLO-“Staat im Staat“ wurde Libanons Christen zum existenzbedrohenden Dorn im Auge. Sie begannen, sich in Milizen zu organisieren. Der Überfall christlicher Falange-Milizen auf einen Bus palästinensischer Flüchtlinge, bei dem am 13. April 1975 mindestens 17 Menschen starben, gilt als Auftakt des libanesischen Bürgerkriegs.

Sieben Jahre tobt die Gewalt bereits, als sich die Straßen von Sabra und Schatila mit Blut und Leichen füllen. Milizen in wechselnden Koalitionen bekämpfen sich, Attentate und Vergeltungsschläge fordern Menschenleben in allen gesellschaftlichen Gruppierungen und verhärten die religiös-politische Zersplitterung des Landes. Neben Syrien mischt auch Israel mit – und schlägt sich gegen die PLO auf die Seite der Christen. 1978 besetzt es zunächst Libanons Süden. Im „Frieden für Galiläa“ getauften Feldzug stößt es ab Juni 1982 bis nach Beirut vor.

Dann überschlagen sich die Ereignisse. Die PLO muss Anfang September den Libanon verlassen und richtet sich in Tunis ein. Falange-Milizenführer Baschir Gemayel – gerade erst zum Präsidenten gewählt und noch nicht offiziell in sein Amt eingeführt – wird bei einem Attentat in Beirut am 14. September getötet, die PLO für seine Ermordung verantwortlich gemacht.

Die israelische Armee riegelt daraufhin Sabra und Schatila ab. Raus darf niemand mehr. Stattdessen gestatten sie am Abend des 16. September den Falangisten den Zutritt. 150 von ihnen, unter Führung von Sicherheitschef Eli Hobeika, dringen in die Lager ein, um die vermeintlich dort versteckten Mörder Gemayels zu finden und den Israelis auszuhändigen. Leuchtraketen, laut Berichten von der israelischen Armee abgefeuert, erhellen das Gebiet in der Nacht.

Erst am Morgen des 18. September, als das Blutbad ein Ende hat, wird internationalen Journalisten der Zutritt zu den Lagern gewährt. Ihre Bilder gehen um die Welt: Hunderte, vielleicht tausende Palästinenser, viele von ihnen Frauen, Kinder und Alte, vergewaltigt, gefoltert, verstümmelt, mit Messern und Äxten ermordet. Sie liegen in den Straßen, unter Trümmern von Häusern, in Massengräbern. Ihre Leichen, berichteten Augenzeugen später, seien mit Bulldozern zusammengekehrt, begraben oder aber abtransportiert worden sein.

460 Todesopfer soll es nach Angaben der libanesischen Polizei gegeben haben, Israel ging aufgrund von Geheimdienstinformationen von etwa 800 Opfern aus, von 2.000 der Palästinensische Rote Halbmond. Die PLO sprach von 3.300. „Wie viele Menschen wirklich bei den Massakern in den Palästinenserlagern Sabra und Schatila ums Leben gekommen sind, wird man wahrscheinlich nie genau feststellen können“, berichtete der damalige ARD-Radio-Korrespondent Gerd Schneider von den Grauen von Beirut.

Bis heute gehören Sabra und Schatila zu den zwölf palästinensischen Flüchtlingslagern im Libanon. Je nach Schätzung zwischen 12.000 und 22.000 Menschen sollen in ihnen leben, neben Palästinensern vor allem Syrer, die vor dem syrischen Bürgerkrieg geflohen sind. Die Massaker von 1982 zählen zu den schlimmsten Gräueltaten des libanesischen Bürgerkriegs. Aufgearbeitet sind sie auch 40 Jahre später nicht.

Folgen die Untaten des so genannten Islamischen Staates der Narco-Logik südamerikanischer Netzwerke?

„Als jemand, der sich sonst vor allem mit dem Nahen Osten beschäftigt, meine ich, dass es sich lohnt, die obszönen Grausamkeiten (…) einmal durch andere Prismen zu betrachten: im Nahen […]

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Anne Wills Scheitern vor der Kamera

„Was aber in Anbetracht des jüngsten Londoner-Massakers in den deutschsprachigen Medien so gut wie nie erwähnt wurde, natürlich auch nicht bei Anne Will, ist die Tatsache, dass der 75-jähriger Mann, der äußerlich eindeutig als praktizierender Muslim erkennbar war, einige Wochen vor der Ermordung des britischen Soldaten nachts auf offener Straße massakriert wurde.“

(Emran Feroz). Am 29.05.1993 wurden in Solingen fünf Menschen türkischer Abstammung ermordet. Die Täter waren zwischen 16 und 23 Jahren alt und aus der örtlichen Neonazi-Szene. Stattdessen wurde am 20. Jahrestag dieses schrecklichen Ereignisses ein weiteres Mal über „muslimische Radikale“ diskutiert. Anne Will hat es vorgemacht.

„Allahs Krieger im Westen – wie gefährlich sind radikale Muslime?“ – darüber wollte Anne Will am vergangenen Mittwochabend diskutieren. Von sachlicher Argumentation fehlte allerdings jede Spur. Stattdessen wurde zum mittlerweile x-ten Mal dank einer deutschen Polit-Talkshow Angst geschürt, während man jegliche Fakten beiseite drängte. Wie schon ihre Kollegen Jauch und Maischberger entpuppte sich dieses Mal Moderatorin Will als Vorreitern der Islamophobie. Die stets eingespielten Sequenzen von gewalttätigen, deutschen Salafisten und den Mördern von London erfüllten ihren Zweck und verliehen der Sendung die gewollte Angst-Stimmung.

Ein Blick auf die Gästeliste hat im Vorfeld schon gereicht, um zu erkennen, dass sich das Einschalten des Fernsehers definitiv nicht lohnen wird. Die Schuld daran trug nicht nur CDU-Mann Joachim Herrmann, der es aufgrund des anstehenden Wahlkampfs vorzog, wie seine anderen Parteikollegen vor der Kamera zu polarisieren und populistische Sprüche von sich zu geben, sondern auch die allseits bekannte Necla Kelek. Diese agierte ein weiteres Mal als „Expertin“, während mittlerweile in Fachkreisen sogar bekannt ist, dass ihre zahlreichen Bücher weitestgehend darauf abzielen, antimuslimische Ressentiments zu schüren.

Die Schwerpunkte der Sendung lagen unter anderem auf den Bombenanschlägen von Boston und dem jüngsten Massaker in London. Diesbezüglich gab es schon im Vorfeld Kritik. Es ist nämlich mehr als fragwürdig, warum eine deutsche Talkshow sich diesem Thema widmet, während andere Schwerpunkte auf der Tagesordnung stehen. Genau vor zwanzig Jahren wurden in Solingen fünf Menschen, zwei Frauen und drei Mädchen, Opfer eines rechtsextremen Terroranschlags.

Obwohl Thomas Oppermann, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion, daran erinnerte und auch sonst so ziemlich der Einzige war, der versuchte, die Diskussion ins „richtige Licht“ zu rücken, wurde der rechtsextreme Terror, der weitaus mehr Menschen in Deutschland zu Opfern gemacht hat als jeder Salafist, nicht zum Thema der Sendung.

Diese Gefahr wird weiterhin verdrängt und ignoriert, denn sie passt nicht in die politische Agenda gewisser Kreise. Es wird nicht darüber diskutiert, dass in den letzten Tagen und Wochen auf Englands Straßen nachts Muslime von Mitgliedern der rechtsextremen English Defense League gejagt wurden und dass das sogenannte „Paki-Bashing“ dort seit eh und je zur Tagesordnung gehört. Es wurde auch nicht erwähnt, dass nach dem Massaker von London erneut Moscheen angegriffen wurden.

Was aber in Anbetracht des jüngsten Londoner-Massakers in den deutschsprachigen Medien so gut wie nie erwähnt wurde, natürlich auch nicht bei Anne Will, ist die Tatsache, dass der 75-jähriger Mann, der äußerlich eindeutig als praktizierender Muslim erkennbar war, einige Wochen vor der Ermordung des britischen Soldaten nachts auf offener Straße massakriert wurde. Der mehrfache Familien- und Großvater wurde nachts kurz nach dem Verlassen einer Moschee hinterrücks ermordet. Berichten zufolge wurde ihm mehrmals in den Rücken gestochen. Der Täter wurde bis heute nicht gefasst und stammt höchstwahrscheinlich aus einem rechtsextremen Umfeld.

Bei Anne Will ging es jedoch nicht um Fakten und um eine differenzierte Auseinandersetzung. Allein der polarisierende Titel der Sendung sagte mehr als genug aus. Wie kann man davon ausgehen, dass irgendwelche verrückten Mörder tatsächlich „Allahs Krieger“ sind? Dies stellte unter anderem auch der eingeladene Dokumentarfilmer Asiem El Defraoui fest. Diese Frage blieb allerdings unbeantwortet.

Emran Feroz ist ein junger Autor und Blogger, der über den Nahen Osten, Islam und Migration schreibt. Er veröffentlichte unter anderem in renommierten Medien wie „zenith-online“, „Freitag“, der „jungen Welt“ und jetzt auch in der Islamischen Zeitung.

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Die Mär von den friedlichen Mönchen: Augenzeugenberichte vom Meiktila-Massaker

(AssedBaig.com). Berichte dessen, was sich in der Stadt Meiktila im Zentrum von Burma (heute auch: Myanmar) ereignete, kommen langsam Licht der Öffentlichkeit. Binnenflüchtlinge beginnen, von ihren Erlebnissen zu berichten und […]

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Erinnerung an das Massaker von Kandahar

(Emran Feroz’s Blog). Genau vor einem Jahr geschah eines der schrecklichsten Massaker seit Beginn des Afghanistan-Einsatzes. Siebzehn Menschen wurden in einem Dorf in Kandahar kaltblütig ermordet. Bei ihnen handelte es sich überwiegend um Frauen, Kinder und Greise. Als Täter wurde den Medien ein US-Soldat namens Robert Bales vorgestellt. Diesem Mann wird bald sicherlich eine Strafe widerfahren, doch mit Gerechtigkeit wird sie nichts zu tun haben.

Robert Bales wird als alkoholkrank und psychisch labil beschrieben. Nachdem seine Ehe scheiterte, zog er in den Irak-Krieg. Diesen verließ er traumatisiert. Dann wurde er nach Afghanistan geschickt. Dort erlebte er, wie sein Kamerad ein Bein verlor. Die Nacht darauf schlich er sich aus dem Lager und begab sich in das nahe gelegene Dorf, um dort Amok zu laufen. Nachdem Bales mehrere Menschen im Dorf ermordet hatte, ging er wieder ins Hauptquartier. Dieses verließ er kurze Zeit später ein zweites Mal, um in ein anderes Dorf zu gehen und noch einmal zu morden. So lautet bis heute die offizielle Version.

Sie steht im krassen Gegensatz zu den Zeugenberichten aus Kandahar. Schon vor einem Jahr hatte ich geschrieben, dass die Dorfbewohner etwas anderes erzählten. Sie sprachen keineswegs von einem Einzeltäter, sondern von mehreren Soldaten, die womöglich unter Alkoholeinfluss standen. Diese Aussagen bestätigten die Angehörigen der Opfer auch während einer offiziellen Anhörung, die von Präsident Hamid Karzai geleitet wurde. Das afghanische Untersuchungsteam kam ebenfalls zu einem Schluss, welcher der amerikanischen Version widerspricht. Shakeba Hashimi, eines der Mitglieder der damaligen Kommission, ist bis heute der Meinung, dass mindestens fünfzehn bis zwanzig Soldaten an dem Massaker beteiligt waren.

Währenddessen will man in Washington und anderswo nichts davon wissen. Stattdessen “entschädigte” man die Hinterbliebenen mit 50.000 US-Dollar und begann damit, Bales den Prozess zu machen. Selbstverständlich begann dieser Prozess in den Vereinigten Staaten und nicht am Hindukusch. Nachdem man den Medien vor einem Jahr Bales als Sündenbock verkauft hatte, flog man ihn so schnell wie möglich aus Afghanistan aus.

Hinterbliebene wie Mohammad Wazir, ein einfacher Bauer, verlangen Gerechtigkeit. Wazir verlor in jener Nacht elf Familienmitglieder. Heute ist er weder Vater, noch Sohn, noch Ehemann. Auch einer seiner Brüder sowie dessen Frau und Kind wurden in jener Nacht getötet. Mit 50.000 Dollar kann er seinen Sohn und seine fünf Töchter nicht wieder zum Leben erwecken. Er verlangt eine gerechte Strafe, obwohl er weiß, dass er und alle anderen Hinterbliebenen machtlos sind.

Die Offiziellen im Weißen Haus wollten von Anfang an die wahren Hintergründe des Massakers vertuschen. Damit waren sie erfolgreich, denn kein einziger Zeuge aus Kandahar hat bis jetzt persönlich vor dem Gericht ausgesagt. Es kam lediglich zu Befragungen via Videoübertragung. Die westlichen Medien sowie die amerikanische Regierung zeigen bislang nur mäßiges Interesse an den Geschichten der Opfer. Warum sollten sie auch? Sie haben im labilen Robert Bales einen perfekten Sündenbock gefunden, den man ohne Weiteres als „verrückt“ abstempeln konnte.

Mohammad Wazir fragt sich, warum man einem angeblich „Verrückten“ eine derartig große Verantwortung überlasst. Warum gibt man diesem „Verrückten“ eine Waffe und was wäre gewesen, wenn er seine eigenen Kameraden ermordet hätte? All diese Fragen werden wohl lange, wenn nicht sogar für immer unbeantwortet bleiben. Das Einzige was zurückgeblieben ist, sind Trauer und Schmerz. Auch über das geringe Interesse der Weltöffentlichkeit bezüglich dieses Falles kann man nur klagen.

Die Deutsch-Afghanin Lela Ahmadzai hat die Opfer des Massakers besucht und dazu einen Kurzfilm gedreht. Er zeigt nicht nur die unvorstellbare Trauer dieser Menschen, sondern auch ihren Stolz, mit erhobenem Haupt weiterzuleben.

Emran Feroz ist ein junger Autor und Blogger, der über den Nahen Osten, Islam und Migration schreibt. Er veröffentlichte unter anderem in renommierten Medien wie “zenith-online”, “Freitag” oder der “jungen Welt”. Dieser Beitrag wurde im „Hintergrund” veröffentlicht.

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„IZ-Begegnung“ mit dem Londoner Vertreter der Rohingya

(iz). In den Augen der UNO gehören sie zu den am meisten verfolgten Minderheiten: die Rohingya. Ihr Leid erregte – mit Ausnahme der massiven Übergriffe vom Sommer des Jahres, bei der bis zu mehrere tausend Muslime ermordet wurden – bisher kaum oder gar kein Interesse. Auch nicht in der muslimischen Welt. Diese hat seit Jahrzehnten wie gebannt auf den Nahen Osten geblickt, während die Entrechtung dieser burmesischen Volksgruppe ein Maß erreichte, dass ihr auch in der offiziellen Ver­­fassung nicht viel mehr Rechte als von klassischen Sklaven zugestanden wurde.

Die vermeintliche Demokratiebewegung Burmas, allen voran die in Sachen Arakan erschreckend passive „Demokratie-Ikone“ und Nobelpreisträgerin Aung San Kyi, schweigt entweder zum langsamen Genozid oder nimmt aktiv teil an der kompletten Vertreibung. Sämtliche Strukturen des Staates – bis zum amtierenden Präsidenten Thein Sein – schauen dem brutalen Rassismus nicht nur zu, sondern sind aktiv daran beteiligt. Einer der handfesten Gründe für die versuchte Auslöschung der Rohingya sind die erheblichen natürlichen Ressourcen ihrer Heimatprovinz; allen voran Erdöl und -gas.

Über das Thema dieser verfolgten Minderheit sprachen wir mit Tun Khin Zia ul-Gaffar. ­Er lebt in England und ist Vorsitzender der Burma Rohingya Organisation in the UK (BROUK), die sich für die Belange der Rohingya einsetzt. Tun Khin selbst trat mehrfach vor dem britischen Unterhaus, im US-Kongress und in Brüssel auf, um über die Lage der Rohing­ya zu informieren.

Islamische Zeitung: Lieber Tun Khin, wie sieht die Lage der Muslime in Ihrer Heimat, der burmesischen Provinz Arakan momen­tan aus?

Tun Khin ­Zia ul-Gaffar: Im Augenblick müssen 140.000 Menschen ohne Hilfe und Unterkunft überleben. Sie haben keinen ausreichenden Zugang zu Hilfsmitteln, Zelten, Lebensmitteln und medizinischer Hilfe. Dieser wird ihnen von gewalttätigen Banden, aber auch genauso von staatlichen Strukturen wie der Polizei verweigert.

Islamische Zeitung: Wie ist die Sicherheit der muslimischen Gemeinschaften? Ist sie besser – im Vergleich zu den Gewaltausbrüchen Mitte des Jahres?

Tun Khin ­Zia ul-Gaffar: Offenkundig haben diese heftigen Übergriffe nach einigen Tagen nachgelassen. Aber lassen Sie sich von dem vermeintlichen Bild der Ruhe nicht täuschen: Es gibt in Arakan keine Sicherheit für die Rohingya, weil die Regierung, gemeinsam mit Sicherheitskräften, hinter der Gewalt steht. In dem Fall kann es für uns keine Sicherheit geben. Die Gewalt kann jederzeit – ohne irgendwelche Beschränkungen – wieder aufflammen.

Insgesamt sitzen in Burma 200-300.000 Rohingya in einer Art Falle. Sie können nicht auf die Märkte gehen, um Lebensmittel einzukaufen, sie können sich nicht frei bewegen und nicht in die Schule gehen. Es kann passieren, dass jemand aus dem Haus geht, um etwas zu kaufen, und danach verprügelt oder getötet wird.

Islamische Zeitung: Es gab Berichte, wonach Muslime in einigen Gebie­ten von ihrem Land und aus ihren Häusern vertrieben wurden…

Tun Khin ­Zia ul-Gaffar: Genau. Dies geschieht gerade in Kyaukphyu. Viele Rohingya müssen ihre Dörfer und Städte verlassen. Die lokalen Behörden ­wollen uns loswerden und das freiwerdende Land an sich nehmen.

Islamische Zeitung: Lassen sich die Verhältnisse in Ihrer Heimat als „ethnische Säuberungen“ bezeichnen?

Tun Khin ­Zia ul-Gaffar: Nein, das sind keine „ethnische Säuberungen“. Es ist mehr als das, es ist ein Genozid. Die Absicht dafür ist vorhanden. Der ­jetzige Präsident von Burma [Thein Sein] erklär­te gegenüber dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR vor Zeugen: „Die Rohingya sind keine Bürger von Burma/­Myanmar. Sie sind illegal ­eingewanderte Bengalis, die in unser Land eingesickert sind. Wir müssen sie alle in Lagern konzentrieren und dann aus unserem Land werfen. Das ist die einzige Lösung.“ Das ist es, was sie in Wirklichkeit wolle! ­Diese Aussagen sind bei einem Treffen mit UN-Vertretern am 11. Juli 2012 ­gefallen!

Islamische Zeitung: Wie verhält sich die demokratische Opposition?

Tun Khin ­Zia ul-Gaffar: Unglücklicherweise hat die Ikone dieser Bewegung [die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi] vollkommen und total zu der, an den Rohingya begangenen Gewalt geschwiegen. Und das, obwohl sie die moralische Autorität gehabt hätte, ihre Stimme zu erheben. Aber sie schweigt. Wir sind alle sehr geschockt von ihrem mora­lischen Versagen.

Islamische Zeitung: Das heißt, es gibt in Ihrem Land eine einheitliche Front gegen die Muslime?

Tun Khin ­Zia ul-Gaffar: Ja, leider. Momentan wird das ganze Land von einer rassistischen, anti-muslimischen Kam­pagne gegen die Rohingya dominiert. Trotz einer vorherigen Absichtserklärung blockiert der Präsident die Eröffnung eines Büros der OIC [Organisation für Isla­mische Zusammenarbeit] in Burma. Die Behörden haben sogar die Öffentlichkeit zu Unmutsbekundungen bezüglich dieses Vorhabens angehalten. Und so gab es öffentliche Demonstrationen gegen die Eröffnung eines Büros der OIC.

Islamische Zeitung: Betrifft die Gewalt gegen die Rohingya auch andere muslimische Volksgruppen in anderen Teilen Burmas?

Tun Khin ­Zia ul-Gaffar: Ja, es sind auch die andere Muslime betroffen. Stellenweise hat sich die Gewalt auf andere Landesteile ausgebreitet.

Islamische Zeitung: Gelten die, von den diversen Militärregierungen beschlossenen Gesetze, die Ihr Volk zu einer rechtlosen Klasse Menschen erklärt hat, auch noch unter dem demo­kratischen Regime?

Tun Khin ­Zia ul-Gaffar: Nach der Befreiung Burmas von der japanischen Besatzung [am Ende des 2. Weltkriegs] und der Unabhängigkeit von den Briten 1948 wurden die Rohingya als gleichbe­rechtigte Volksgruppe des Landes durch die Verfassung anerkannt. 1962 riss das Militär die Macht das erste Mal an sich. Damals begann die anti-muslimische Kampagne gegen die Rohingya in Arakan. Diese Politik wurde fortgeführt. Als es 1988 nach einem Massenaufstand erneut ein Militärregime gab, wurde die Lage der Rohingya noch schlimmer. Die freie Bewegung der Muslime wurde unterbunden. Sie konnten nicht mehr ungehindert heiraten. Bereits diese Militär­regierungen forcierten eine Vertreibungs­politik, mit der sie die Rohingya aus ihrer Heimat zwingen wollten. Diese Situation hat sich bis heute fortgesetzt.

Islamische Zeitung: Für Außenstehende aus dem westlichen Ausland besteht der Eindruck, dass Nachbarländer wie Bangladesch Ihr Volk ebenfalls schlecht behandeln und nicht als Flüchtlinge anerkennen. Sind sie auch enttäuscht angesichts der muslimischen Länder in Südostasien?

Tun Khin ­Zia ul-Gaffar: Ja, das ist frustrierend für uns. Die Regierung von Bangladesch trägt dabei die Hauptschuld. Sie müsste der Behauptung entgegentre­ten, dass die Rohingya illegale Einwanderer aus ihrem Land sind. Andere Elemente der internationalen Gemeinschaft wie die UN, die EU oder die USA müssen sich ebenfalls für die Rohingya einsetzen und den Burmesen klar machen, dass wir ihre Landsleute sind. Momentan erzeugt Bangladesch den Eindruck, als wären die Rohingya tatsächlich aus diesem Land nach Burma eingewandert.

Islamische Zeitung: Wie ist die Lage der Flüchtlinge?

Tun Khin ­Zia ul-Gaffar: Herzzerreißend; sie leben stellenweise unter den elendigsten Bedingungen und manche haben nur alle zwei Tage eine Mahlzeit. Die individuelle Lage hängt von dem einzelnen Land ab. In Malaysia werden sie deutlich besser behandelt als in Bangladesch. Dort ist die Lage am ­schlechtesten.

Islamische Zeitung: Wie viele Rohingya sind in die benachbarten Länder geflohen?

Tun Khin ­Zia ul-Gaffar: Entsprechend unserer Informationen gibt es insgesamt 3,5 Millionen Rohingya. 1,5 sind wegen der anhaltenden Verfolgung geflo­hen. Wir gehen von zwei Millionen Rohingya aus, die noch in Burma ­verblieben sind, während die Regierung von höchstens 800.000 spricht.

Sie dürfen nicht vergessen, dass Statis­tik und Demographie selbst Mittel der Auseinandersetzung sind. So können wir davon ausgehen, dass bei den jüngsten Gewaltausbrüchen mehrere Tausend Menschen ermordet wurden. Diese Zahl beinhaltet auch Vermisste, die bei ihrer Flucht ums Leben kamen. In den Regie­rungsstatistiken werden immer nur die aufgefundenen Leichname erwähnt, aber es sind sehr viele Menschen verschwunden. Großfamilien wurden auf ein oder zwei Menschen reduziert. Oftmals rannten ganze Dörfer weg, weil der Mob oder Sicherheitskräfte kamen und die Ortschaften niederbrannten. Viele starben bei der Überquerung von Flüssen und wurden später tot aufgefunden.

Islamische Zeitung: Wie stehen Sie zur aktiven Beteiligung an der anti-muslimischen Gewalt durch buddhistische Würdenträger und Mönche?

Tun Khin ­Zia ul-Gaffar: Das ist ­leider eine traurige Tatsache. Die Regierung hat die buddhistischen Klöster als ein Mittel für die Gewalt gegen die ­Rohingya benutzt. Für viele Aktionen bedient sich die Regierung der willigen Elemente in der Öffentlichkeit, um nicht selbst als verantwortlich dazustehen.

Islamische Zeitung: Lässt sich ein strategischer und wirtschaftlicher Zusammenhang zu der Gewalt gegen die Rohingya herstellen? Manche sprechen von großen Erdölvorkommen in Ihrer Heimat…

Tun Khin ­Zia ul-Gaffar: Exakt, ­genau deshalb will man uns von unserem Land vertreiben. Der Hass auf die Rohingya und die Muslime wird durch die natürlichen Ressourcen noch weiter angeheizt. Nachdem China lange Jahre die Mili­tärregierung unterstützt hat, entdecken die USA jetzt – wegen der angeblichen Demokratisierung – Burma als potenziel­len Partner. Hinzu kommen Russland und Indien, die ebenfalls Interessen haben. Und Israel bildet Angehörige des Militärs und des Sicherheitsapparates aus.

Islamische Zeitung: Bis vor Kurzem nahm die Mehrheit der muslimischen Welt kaum oder keine Kenntnis von der Lage Ihres Volkes. Haben Sie das Gefühl, dass die Rohingya – im Vergleich zum Nahen Osten – alleine gelassen werden?

Tun Khin ­Zia ul-Gaffar: Ja, schon… Wir fühlen schon des Öfteren, dass der Sache der Rohingya nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt wird. Das macht uns natürlich traurig. In diesen Tagen ist es ein bisschen besser geworden, aber wir vermissen immer noch Aktionen von Seiten der muslimischen Welt und dass diese ihre Stimme für die Rohingya erhebt. Wenn in Gaza etwas mehr als hundert Leute getötet werden, dann wissen alle Medien der Welt darüber Bescheid, aber wenn in Arakan 4-5.000 Menschen ermordet werden, dann wird diese Information nicht verbreitet.

Die internationale Gemeinschaft muss wesentlich mehr tun. Sie legt so viel Wert auf die jetzigen Reformen und den demokratischen Prozess. Aber sie muss verstehen, dass es keine Reformen geben wird, wenn der Mord an den Rohingya andauert. Wenn ein Land Stabilität und Sicherheit will, muss es sich von Hass und Rassismus freimachen. Dazu gehört die komplette Abschaffung des Staatsbürgerschaftsgesetze von 1982. Das ist das schlimmste und diskriminierendste Gesetz der ganzen Welt. Obwohl wir seit Jahrhunderten in Burma leben, werden wir nicht als Bürger anerkannt.

Es gibt keine Freiheit in Burma, wenn nicht alle ethnischen Gruppen ebenso frei sind. Die internationale Gemeinschaft muss solange Druck auf die Regierung ausüben, sodass die Rohingya wieder volle Rechte erhalten. Wir brauchen humani­täre Hilfe und UN-Friedenstruppen, die die Menschen vor gewalttätigen Übergriffen schützen. Die Verantwortlichen dürfen ihrer gerechten Strafe nicht entgehen. Man müsste auch etwas dazu beitragen, dass es zu einer Versöhnungen beider Gemeinschaften – der buddhistischen und der muslimischen – kommt.

Islamische Zeitung: Es ist bemerkenswert, dass die Rohingya trotz der enormen Verfolgung, der sie ausgesetzt sind, niemals zu terroristischen Mitteln gegriffen haben…

Tun Khin ­Zia ul-Gaffar: Wir haben über Generationen friedlich mit unseren Nachbarn zusammengelebt. Was wir wollen, ist die volle Rückkehr unserer Staatsbürgerrechte und der Rechte als ethnische Gruppe. Wir sind ein friedlie­bendes Volk und haben niemals zum Mittel des Terrorismus gegriffen. Unglücklicherweise sind wir diesem Hass und diesem Rassismus ausgesetzt.

Die internationale Gemeinschaft muss so schnell wie möglich handeln. Andernfalls wird das gesamte Volk der Rohing­ya in Burma ausgelöscht werden. Die ethnischen Säuberungen laufen seit 1962 und sind heute fester Bestandteil der offiziellen Politik, solange die Welt dazu schweigt.

Islamischen Zeitung: Wir bedanken uns für dieses Gespräch!

Webseite:
bwww.bro-uk.org

Interview mit Dr. Sadiqu al-Mousllie über die Lage in Syrien

(iz). Mehr als 18 Monate nach Ausbruch der – anfänglich friedlich verlaufenden – Proteste gegen die Regierungspolitik in Syrien sind die Konfliktparteien in einem tödlichen Kampf verwickelt, an dem viele Akteuren teilnehmen. Nicht nur stehen sich in dem nahöstlichen Staat die – mittlerweile mit der Freien Syrischen Armee versehene – Opposition und das alte Regime des Assad-Clans und dem Staatsapparat unerbittlich gegenüber. Es brachen auch Spannungen entlang religiöser und ethnischer Trennlinien aus.

Die verschiedenen Formen der Gewalt insbesondere vom Regime haben erhebliche Opfer unter der Zivilbevölkerung geführt, die in dem bunt gemischten Land an vielen Stellen zwischen die Fronten geraten ist.

Darüber hinaus beteiligen sich Russland, der Iran, arabische Staaten, die Türkei und der Westen direkt wie indirekt an diesem Konflikt mit. Entscheidet sich doch in Syrien, so die mehrheitliche Meinung vieler Beobachter, ob der Iran auch weiterhin sein Netzwerk des Einfluss im Nahen Osten (der so genannte „schiitische Halbmond“) wird aufrechterhalten können. Die USA und Israel sehen im Kampf der Syrer gegeneinander die – unerwartete – Chance, Teheran zu schwächen, ohne den Iran direkt anzugreifen.

Über Chancen und Aussichten des bewaffneten Konfliktes, mögliche Einflussnahmen radikaler Gruppierungen aus dem Ausland und die Möglichkeiten einer Verhandlungslösung sprach die IZ mit Dr. Sadiqu al-Mousllie. Dr. Sadiqu al-Mousliie ist gebürtiger Syrer, 42 Jahre alt und Spezialist für Implantologie und Ästhetische Zahnheilkunde und Wohnhaft in Braunschweig. Er fungiert Mitglied des syrischen Nationalrats und des Revolutionsrat von Damaskus. Außerdem ist er ZMD-Beauftragter für das Land Niedersachsen und Sprecher der Islamischen Gemeinschaft Braunschweig. Für den Arzt sind die Chancen gering, dass es zu einem ethnischen Auseinanderbrechen – vorangetrieben durch Assad und die syrischen Kurden – des syrischen Nationalstaates kommen könnte. Er fordert aber die internationale Gemeinschaft auf, durch die Errichtung einer Flugverbotszone direkt einzugreifen.

Islamische Zeitung: Lieber Dr. Sadiqu al-Mousllie, was war der Anlass für den Ausbruch der gewaltsamen Auseinandersetzungen in Syrien? Warum waren die Syrer so unzufrieden in ihrem Alltag?

Dr. Sadiqu al-Mousllie: Man muss sich nur vorstellen, wir dieses Regime an die Macht kam: insbesondere der jetzige Machtinhaber Bashar al-Assad, der die Republik Syrien mehr oder weniger von seinem Vater „erbte“. Jener Hafiz al-Assad kam durch einen Putsch an die Macht und schaltete alles aus, was sich ihm in den Weg stellte. Oppositionelle wurden ins Gefängnis gesteckt, kamen dabei ums Leben oder bleiben bis heute „verschwunden“.

Das sind vierzig bis fünfzig Jahre Diktatur pur. Man konnte auch nicht darüber reden, denn alles musste im Sinne des Regimes dargestellt werden. Andernfalls hätte man als Oppositioneller gegolten und wäre auf den Schwarzen Listen des Regimes gelandet. Ganz abgesehen davon, was in Hama im Februar 1982 geschah, als zehntausende von Menschen getötet wurden. Damals wurde eine ganze Stadt zerstört, wobei die Schwäche der Medien verhinderte, dass dies weltweit öffentlich gemacht wurde. Nichtsdestotrotz wussten einige internationale Akteure von den Aktionen in Hama. Allerdings verkaufte das Regime seine Maßnahmen als Vorgehen gegen Extremisten und diese Tat somit stillschweigend geduldet.

Man kann nicht sagen, dass in Syrien Unzufriedenheit herrschte. Dort herrschte vielmehr Unterdrückung und Brutalität ohnegleichen, wie wir sie auch heute tagtäglich erleben können.

Islamische Zeitung: Zu Beginn seiner Amtszeit galt Bashar al-Assad als „Hoffnungsträger“ für mehr Demokratie …

Dr. Sadiqu al-Mousllie: Die Leute haben gedacht, dass er – als Akademiker und als Mensch, der im Ausland gelebt hat – vielleicht besser agieren würde. Die Hoffnung bestand durchaus – sowohl im Inland wie im Ausland. Allerdings hat sich gezeigt, dass sich in Sachen Regime nichts geändert hat, sondern alles blieb wie bisher. Nur das Gesicht wurde ausgetauscht. Die Aktionen blieben die gleichen.

Selbst in den 12 Jahren, seitdem Bashar al-Assad an der Macht ist, konnte man nichts Spürbares erkennen. Man dachte während des „Damaszener Frühlings“, dass sich vielleicht etwas bewegt. Kurz darauf landeten viele seiner Teilnehmer, darunter oppositionelle Politiker, erneut im Gefängnis. Insgesamt hat Bashar al-Assad nichts gemacht, außer die Wirtschaft zu liberalisieren. Profitiert haben davon aber lediglich die enge Clique wie sein Cousin. Für die Bevölkerung hingegen wurde nichts getan.

Islamische Zeitung: Hat die Opposition nicht doch einen Fehler gemacht und zu früh auf Gewalt gesetzt?

Dr. Sadiqu al-Mousllie: Die Bevölkerung hat keineswegs mit der Gewalt angefangen. Betrachten wir die Geschichte der Protest: Die Menschen gingen in den ersten beiden Wochen auf die Straße, um gegen die Regierungspolitik zu demonstrieren, aber sie forderten nicht dessen Absetzung oder den Rücktritt Assads. Sie verlangten Reformen. Erst später entwickelte es sich derart, als das Regime mit Panzern und Schüssen auf Zivilisten und die Protestierenden reagierte. Daraufhin wurde der Rücktritt des Präsidenten und der Sturz des Regimes gefordert.

Spricht man jetzt von „Waffen“ und „Militanz“, muss man ganz genau hinsehen und hinhören. Erst sechs oder sieben Monate nach Beginn der Proteste – sprich: im Oktober 2011 – kam es erstmals langsam zu einem bewaffneten Widerstand. Beziehungsweise, es kam immer mehr zu einem Anwachsen der „Freien Syrischen Armee“ durch desertierte Soldaten. Es waren ja keine Zivilisten, die sich bewaffneten, sondern Soldaten, die sich vom Regime distanzierten. Sie waren leicht bewaffnet. So kamen in lokalen Koordinationskomitees zusammen und diese natürlich irgendwann einmal auch notwendig. Wenn man auf die Menschen schießt, müssen sie sich halt verteidigen.

Übrigens, selbst Bashar al-Assad hat diese Tatsache eingeräumt. In seiner vorletzten Rede sagte er selbst, dass die Proteste der ersten sieben Monate in Syrien völlig friedlich waren.

Islamische Zeitung: Was ist die politische Vision der Opposition und was für einen Zusammenhalt hat sie?

Dr. Sadiqu al-Mousllie: Wir wollen ein Syrien, das demokratisch und frei ist. Einen zivilen Staat, und keinen religiösen, wie manche behaupten. Wir wollen ein Syrien für alle – ungeachtet ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit. Einen Rechtsstaat mit einer Verfassung, mit der sich alle Syrer identifizieren und heimisch fühlen können. Wir möchten die gleichen Rechte und gleichen Pflichten für alle Syrer auf dem Boden Syriens.

Islamische Zeitung: Wie läset sich das damit in Einklang bringen, dass es mittlerweile einige radikale Elemente innerhalb Syriens gibt? Ist die Opposition nicht längst – wie auch manche Journalisten vor Ort meinen – von Salafisten instrumentalisiert wurden? Und führt dies nicht dazu, dass diese Extremisten andere davon abschrecken, mit der Opposition zu kooperieren?

Dr. Sadiqu al-Mousllie: Syrien ist ein Land mit 23 Millionen Menschen, die natürlich nicht alle die gleiche Meinung haben. Wir können aber nicht sagen, dass die Wahhabiten oder irgendwelche Gruppierungen die syrische Bevölkerung instrumentalisieren würden. Wenn die Oppositionellen vor Ort agieren – sei es bei friedlichen Protesten, die es immer noch gibt oder bei militärischen Aktionen durch die Freie Syrische Armee –, fragen wir die Menschen nicht nach ihrer Ausrichtung, wenn sie gegen das Regime arbeiten. Sie wollen ihre Freiheit und jeder soll in Syrien das Recht haben, seine Meinung kund zu tun. Wir wollen auch nicht jedes Mal, wenn wir eine Aktion machen, die Gesinnung der Leute überprüfen. Es gilt Syrien ist für alle Syrer.

Islamische Zeitung: Journalisten, die nicht im Verdacht stehen, mit dem Regime zu sympathisieren und die sich illegal in Syrien aufhalten, berichten von Übergriffen auf Zivilisten durch solche Gruppen … Es wird ja wohl kaum sein, dass diese alle lügen.

Dr. Sadiqu al-Mousllie: Wissen Sie, in solchen Momenten ist es so, dass Leute schlecht beziehungsweise falsch vorgehen. So etwas kann man nicht gutheißen. Wir haben auch als Opposition verurteilt, wenn gegen Zivilisten vorgegangen oder gegen demokratischen Prinzipien verstoßen wird. Man muss aber auch auf der anderen Seite sehen, dass das Regime gezielt gegen die Proteste und Opposition arbeitet, um deren Ruf schlecht zu machen.

Wir wissen auch, dass Gruppierungen im Namen der Freien Syrischen Armee, aber tatsächlich im Auftrage des Regimes handeln. Sie agieren mit Hilfe der Geheimdienste. Dazu kam es in mehreren Städten; nicht zuletzt in Aleppo, wo sich diese Formationen den Kämpfen gegen das Regime angeschlossen und dort plünderten beziehungsweise die Menschen bestohlen haben. Sie haben gesagt, dass dies im Namen der Freien Syrischen Armee geschieht, um die Bevölkerung gegen diese aufzuhetzen.

Ich sage nicht, dass die Opposition alles richtig macht, aber ich weiß auch, dass sie einen Korrekturmechanismus entwickelt hat. Die Freie Syrische Armee hat solche Taten verurteilt. Wo es zu diesen kommt, wird nachgeprüft, wer sie begangen hat. Das kann von keiner oppositionellen Gruppierung gutgeheißen werden.

Islamische Zeitung: Ihre Heimat hat eine sehr lange Tradition der Duldsamkeit gegenüber religiösen Minderheit. Sie glauben also nicht, dass die Existenz radikaler Gruppen diese Toleranz in Syrien gefährden könnte?

Dr. Sadiqu al-Mousllie: Diese Gruppierungen werden auf die eine oder andere Art und Weise vom Ausland bestärkt. Man sollte diese Wege der Unterstützung ebenfalls betrachten. Deswegen sollte die internationale Gemeinschaft agieren. Leider schweigt sie seit langer Zeit! Wir haben bereits vor einigen Monaten gewarnt – bereits 2011 –, dass die internationale Gemeinschaft schneller reagieren müsse, um solche Tendenzen zu unterbinden.

Trotzdem bin ich auch zuversichtlich, dass unsere syrische Bevölkerung so ein hohes Bewusstsein hat, dass sie dergleichen nicht zulassen wird. Die gelebte Toleranz wird von Syrern seit Jahrhunderten praktiziert – Haus an Haus – und es gab nie Probleme. Mit Sicherheit muss das eine oder andere auf den richtigen Weg gebracht werden, aber ich bin sehr zuversichtlich, dass die Syrer dies handhaben können.

Islamische Zeitung: Wie bewerten Sie eine Intervention seitens Frankreichs, der Türkei oder der USA?

Dr. Sadiqu al-Mousllie: Wir, im Syrischen Nationalrat und auch die Kräfte der oppositionellen Gruppierungen, verlangen eine Intervention seitens der Weltgemeinschaft. Nicht in Form von Bodentruppen. Das brauchen wir nicht, da es genug Soldaten gibt, die sich von der Armee getrennt haben. Es gibt auch die syrischen Oppositionellen, die das in die Hand nehmen können.

Wir brauchen akut eigentlich eine Flugverbots- und eine Sicherheitszone; an der syrisch-türkischen, aber auch an der jordanischen Grenze. Hier können die Menschen einen sicheren Raum finden, sodass sie weit weg von den Bombardierungen durch das Regime ist.

Islamische Zeitung: Was ist für die Zukunft Syriens? Befürchten Sie einen endlosen Bürgerkrieg, bei dem jeder gegen jeden kämpft?

Dr. Sadiqu al-Mousllie: Das sind zwei Fragen. Das Regime hat seit Monaten immer wieder versucht, die Einheit der syrischen Gesellschaftsstruktur zu zerschlagen, was ihm nicht gelang. Man hat in der Vergangenheit immer wieder Massaker in bestimmten Orten mit der Hoffnung verübt, dass so die Leute durch die Spannung gegeneinander aufgehetzt werden. Dergleichen geschieht beispielsweise in einem Dorf mit einer sunnitischen Bevölkerung, das von einem alawitischen benachbart ist. Es wird dann versucht, beide Seiten gegeneinander aufzuhetzen. Die Syrer haben immer wieder ein sehr aufgeklärtes Kollektivbewusstsein. Und wir haben bei solchen Versuchen immer versöhnend eingegriffen. Es gab mittlerweile acht oder neun Massaker, die das Regime mit solch einer Stoßrichtung durchgeführt hat.

Natürlich führt das Vorhandensein von Waffen dazu, dass verschiedene Gruppierungen gegen einander kämpfen, aber wir wissen, dass die Opposition, auch die Freie Syrische Armee, organisiert ist. Natürlich mache ich mir als Syrer auch Sorgen um die Zukunft. Wir müssen daran arbeiten, ein solches Szenario zu vermeiden. Dafür brauchen wir unsere Freunde in der internationalen Gemeinschaft, die eigentlich schnell agieren müssten. Leider hat die Welt bisher im Wesentlichen versagt. Es wurde viel geredet, aber wenig getan.

Islamische Zeitung: Wäre ein sofortiger Waffenstillstand nicht das Beste für Syrien?

Dr. Sadiqu al-Mousllie: Man muss sich fragen, wer denn die Waffen niederlegen sollte. Die Freie Syrische Armee hat bisher nur auf Angriffe durch das Regime reagiert. Das Regime macht aber keinen Unterschied zwischen Zivilisten oder Bewaffneten Menschen und beschießt Häuser auch. Wer hat denn die Feuermacht in Syrien? Wer hat die Waffen, Panzer und Raketen? Das Regime, das mit aller Kraft von Russland und vom Iran unterstützt wird, hat sie. Bis heute kommt es noch zu Waffenlieferungen.

Die Freie Syrische Armee und die Opposition haben in den ganzen Monaten – während der Annan-Mission – eine Feuerpause akzeptiert. Das Regime hat diese nicht getan und weitergemacht. Seine bewaffneten Einheiten und Panzer waren auf den Straßen. Manche Ortschaft wurde in dieser Zeit komplett zerstört. Wir haben in diesem Fall beobachten können, was das Regime will. Es kümmert sich überhaupt nicht um die ganzen Verhandlungsangebote.

Wir müssen nur einen Blick auf die Chronik der Ereignisse werfen. Assad kümmert sich überhaupt nicht um die internationale Gemeinschaft. Am Anfang der Auseinandersetzungen wurden täglich 10-20 Menschen getötet. Dann steigerte es Sicht auf 30-40 erhöht. Zum Zeitpunkt der Mission der Arabischen Liga waren wir bei täglichen Opferzahlen von 50-60 Menschen. Als die Annan-Mission anfing, lag der Blutzoll bei 80-100. Nach deren Ende sprechen wir von 200-300 Menschen, die pro Tag ums Leben kommen. Assad hat gesehen, dass die Weltgemeinschaft über die letzten 18 Monate nichts Entscheidendes gemacht hat, und daher die Zahl seiner Opfer kontinuierlich gesteigert.

Das Regime wird überhaupt keine Lösung mehr annehmen. Und es macht auch keinen Sinn, mit einer Regierung, die so viel Blut vergossen hat, politisch zu sprechen.

Islamische Zeitung: Lieber Dr. al-Mousllie, vielen Dank für das Gespräch.