„IZ-Begegnung“ mit dem Penzberger Imam Benjamin Idriz

„Das Studium der islamischen Theologie in Deutschland hat, meiner Meinung nach, vertikal angefangen, aber in die falsche Richtung, nämlich von oben her. Wie jede Ausbildung muss auch die islamische Theologie von unten nach oben studiert werden, analog zum Bau eines Hauses.“

(iz). Der Penzberger Imam Benjamin Idriz arbeitet seit Jahren an den Plänen für eine repräsentative Moschee in München. Er könne nicht noch zehn Jahre investieren, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. „In einer absehbaren Frist“ müsse es Fortschritte geben. Dem scheidenden Münchner Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) hält der Imam vor, das Projekt zwar unterstützt, aber nie zur Chefsache gemacht zu haben. Der Name des Projektes lautet „Münchener Forum für Islam“ (MFI).

Seit 2007 setzt sich Benjamin Idriz für eine Moschee in München ein. Dazu sollen ein Gemeindezentrum, eine Islam-Akademie mit Imam-Ausbildung, ein Museum und eine Bibliothek kommen. Doch bisher gibt es noch nicht einmal einen Standort. Ein zunächst ins Auge gefasstes städtisches Grundstück kommt inzwischen nicht mehr in Frage. Mit ihm sprach die Islamische Zeitung über das Projekt sowie über die Rolle, die es für den Islam in Deutschland insgesamt spielen könnte.

Islamische Zeitung: Was ist die Absicht Ihres Vorhabens?

Benjamin Idriz: Unsere Initiative will nicht einfach noch eine große Moschee bauen, sondern entscheidend dazu beitragen, dass für Muslime wie Nicht-Muslime sichtbar wird: Islam ist nichts Fremdes in Deutschland und nichts Anachronistisches im 21. Jahrhundert. Die Muslime, die in unserem Fall in München zuhause sind und bleiben, die sich sprachlich und kulturell nicht oder nicht mehr in erster Linie an anderen Ländern orientieren wollen und die sich vom Islam zur Kooperation mit der Gesellschaft, zu Pluralismus und Demokratie, Gleichberechtigung und Religionsfreiheit inspirieren und verpflichten lassen, sollen eine repräsentative Adresse in der Stadt bekommen.

Wir haben das ursprünglich „Zentrum für Islam in Europa – München (ZIE-M)“ genannt, weil es um Islam im Hier und Jetzt geht. Die Bezeichnung ist aber von islamfeindlichen Extremisten propagandistisch instrumentalisiert wollen, die den Menschen einreden wollten, es ginge um ein „europäisches Islamzentrum“ in München. Nachdem Unterstützer, die das Projekt gern in München verwirklicht sehen wollen, dazu geraten haben, haben wir nach langen internen Entscheidungsprozessen kürzlich beschlossen, die Initiative umzubenennen. Sie heißt jetzt: „Münchner Forum für Islam“ (MFI).

Islamische Zeitung: Gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ mahnten sie Fortschritte auf Seiten der politischen Entscheidungsträger an. Was muss Ihrer Ansicht nach Geschehen, damit es zu erkennbaren Fortschritten kommt?

Benjamin Idriz: Wir erfahren schon lange ein eindrucksvolles Maß an Unterstützung quer durch die demokratische Parteienlandschaft und von allen wichtigen Institutionen des öffentlichen Lebens, die großen Kirchen eingeschlossen. Dort ist bekannt, dass wir das, was wir in München verwirklichen wollen, seit vielen Jahren in Penzberg Tag für Tag umsetzen.

Vor mittlerweile vier Jahren haben alle Stadtratsfraktionen gemeinsam eine Beschlussvorlage für die Unterstützung des Projektes formuliert. Für alles Weitere ist aber eine tragfähige Finanzierung Voraussetzung – und darum bemühen wir uns weiterhin. Wir hoffen insbesondere, dass der neue Oberbürgermeister (OB Ude kann bei den bevorstehenden Kommunalwahlen nicht mehr antreten) das Projekt entschlossen unterstützt und wir in enger und guter Kooperation dann zügig vorankommen.

Islamische Zeitung: Welche Elemente sind in Ihrem Projekt vorgesehen? Wie soll es finanziert werden?

Benjamin Idriz: Natürlich ist eine zentral gelegene Gebetsstätte, eine schöne Moschee, Bestandteil des Projekts, die architektonisch in unsere Zeit passt und mit der Umgebung in Einklang steht; aber auch ein Gemeindezentrum, das den Austausch mit allen interessierten Bürgerinnen und Bürgern der Stadt pflegt, eine Akademie für die Aus- und Weiterbildung von Religionspädagogen/innen, ein Museum, das die Verflechtungen der islamischen Kultur und Geschichte mit Europa, und auch ganz speziell mit München, thematisiert, eine öffentliche Bibliothek über den Islam und interreligiösen Dialog. Das alles macht natürlich nur dann Sinn, wenn es nicht am Stadtrand oder in Industriezonen stattfindet, sondern dort, wo städtisches Leben pulsiert.

Die Finanzierung soll möglichst breit aufgestellt sein, damit auch dadurch zum Ausdruck kommt, wie weit die Unterstützer der Idee reichen. Jeder ist eingeladen, auch nur symbolische Bausteinchen mit beizutragen! Wir freuen uns über Spender jedweder Herkunft, auch über die Unterstützung durch andere Religionen – wir erwarten nur, dass die Sponsoren das Konzept und die Idee des „Münchner Forum für Islam“ befürworten. Was auf jeden Fall ausgeschlossen sein wird, ist eine inhaltliche Einflussnahme durch Geldgeber auf unsere Arbeit, auf die Ausrichtung des MFI.

Das gilt natürlich auch für größere Sponsoren – denn realistischerweise wird es so sein, dass für ganz große Anteile – wir reden hier ja von zweistelligen Millionenbeträgen – nur wenige Spender in Frage kommen können. Das Emirat Qatar hat sich hier seit längerem sehr interessiert gezeigt, und eben erst hat der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude am Rande der so genannten Sicherheitskonferenz in München mit dem qatarischen Außenminister ein Gespräch dazu geführt. Die Signale sind jetzt recht ermutigend.

Islamische Zeitung: In der Vergangenheit mussten Sie Erfahrungen mit Attacken durch so genannte „Islamkritiker“ in München machen. Wie ist die Politik und die Öffentlichkeit mit diesen umgegangen?

Benjamin Idriz: Tatsächlich findet derzeit in München die größte Hetzkampagne gegen Angehörige einer bestimmten Religion statt, die es seit 1945 in Deutschland gegeben hat! Natürlich ist es einerseits so, dass etwas derartiges, wenn es sich gegen eine andere Religion richten würde, nicht im Ansatz geduldet werden würde. Viele Muslime – aber nicht nur Muslime! – sind entsetzt und verstehen nicht, wieso es erlaubt sein kann, dass sie und ihre Religion praktisch täglich per Megaphon in der Fußgängerzone und auf den Straßen und Plätzen der Stadt derart beschimpft werden.

Andererseits erleben wir aber auch, dass die Stadt das ihr Mögliche tut und im Rahmen der Gesetze das Treiben der Rechtspopulisten einschränkt. Es hat sich ein breites politisches und gesellschaftliches Bündnis gegen diese neuen Formen des Extremismus, des Rassismus und der Menschenverachtung gebildet – worin die vielleicht wichtigste Errungenschaft liegen dürfte, die vor dem Hintergrund unseres Projektes jetzt schon verwirklicht wurde. Der Bayerische Verfassungsschutz hat (nachdem dort jahrelang in eine ganz andere Richtung gesteuert worden war) jetzt erstmals die Kategorie „islamfeindlicher Extremismus“ eingeführt und bezeichnet den Landesverband der Mini-Partei „Die Freiheit“ und deren hyperaktive Führungsgestalt, einen gescheiterten Sportjournalisten, der von einer eigenen politischen Karriere träumt, damit ausdrücklich als verfassungsfeindlich. Zu befürchten ist, dass diese Figur bei den bevorstehenden Kommunalwahlen in den Münchner Stadtrat einziehen wird – so wie das bisher vorher schon einem NPD-Mann gelungen war.

Islamische Zeitung: Seit Monaten diskutiert die muslimische Gemeinschaft in Deutschland auch das Thema „Islamische Theologie“. Kann Ihr Projekt auch einen Beitrag zu dieser sich entwickelnden Wissenschaft leisten?

Benjamin Idriz: Die Islam-Akademie des MFI versteht sich als Plattform für den wissenschaftlichen Diskurs. Hier kann an der Entwicklung einer Islamischen Theologie in Deutschland mitgearbeitet werden. Eine theologische Aus- und Fortbildung bringt nicht nur eine Dynamik in die Entwicklung einer Theologie ein, sondern reagiert auch auf das religiöse Leben der Muslime, insbesondere auf das Verlangen der neuen Generationen, ihre Religion in den deutschen Kontext einzubinden, und auf das Bedürfnis der Mehrheitsgesellschaft nach Aufklärung durch kundige Muslime.

Mit den universitären Zentren für islamische Studien strebt MFI eine Kooperation an und will Studierenden die Möglichkeit bieten, in Form von Praktika Gemeindeerfahrung zu erwerben. Hier begegnen die Studierenden den Menschen mit ihren Fragen und Problemen, die eben im Mittelpunkt ihrer Ausbildung stehen müssen, denn nur an der Basis, an den Graswurzeln, wird der akademische Prozess seine Bodenhaftung finden. In Deutschland haben wir mittlerweile in 6 verschiedenen Universitäten theologische Zentren, was wir ausdrücklich begrüßen. Diese Zentren bilden keine Imame aus, auch wenn die Medien das gern so darstellen.

Das Studium der islamischen Theologie in Deutschland hat, meiner Meinung nach, vertikal angefangen, aber in die falsche Richtung, nämlich von oben her. Wie jede Ausbildung muss auch die islamische Theologie von unten nach oben studiert werden, analog zum Bau eines Hauses. Erst steht das Fundament, dann die Wände und dann kommt das Dach. Eine theologische Ausbildung, welche nur an der Uni stattfindet, ist genauso, als wenn jemand ein Haus bauen will und dabei nur an das Dach denkt! Einige, die dort studieren, die kein Fundament haben, lernen erst die arabischen Buchstaben, und das ist dann so, als wenn ein Student der Mathematik erst an der Uni die Zahlen und Nummern lernt.

In islamischen Ländern gibt es zuerst voruniversitäre, anerkannte Schulen mit Schwerpunkt Islamische Theologie, wie „Imam-Hatip Lisesi“ in der Türkei, „Ma’had al-ulum al-schar’iyyah“ in arabischen Länder oder hier in Europa „Medresa“ wie es in Bosnien, Kroatien, Kosovo oder Mazedonien der Fall ist. Nach deren Abschluss erweitern die Schüler ihre Kenntnis an den islamischen Fakultäten.

In Deutschland ist dies leider nicht so, und deswegen ist es fraglich, inwieweit die Universitätsabsolventen entsprechend produktiv für die Gemeinden sein können, und ob überhaupt die Moscheegemeinden bereit sein werden, die Absolventen als Imame einzustellen. Diese Lücke zu schließen kann eine wichtige Funktion der Initiative MFI werden.

Islamische Zeitung: Lieber Benjamin Idriz, vielen Dank für das Gespräch.

Münchner Moschee-Projekt: Benjamin Idriz drängt

München (KNA). Der Penzberger Imam Benjamin Idriz drängt auf Entscheidungen beim Plan für eine repräsentative Moschee in der Münchner Innenstadt. Er könne nicht noch zehn Jahre investieren, sagte Idriz der „Süddeutschen Zeitung“ (Donnerstag). „In einer absehbaren Frist“ müsse es Fortschritte geben. Dem scheidenden Münchner Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) hielt der Imam vor, das Projekt zwar unterstützt, aber nie zur Chefsache gemacht zu haben. Nach seinen Worten sind Sponsoren bereits gefunden, die wissen wollten, wie das Projekt aussehe. „Aber ohne Grundstück kann kein Architekt einen Entwurf machen.“

Seit 2007 setzt sich Idriz für eine Moschee in München ein. Dazu sollen ein Gemeindezentrum, eine Islam-Akademie mit Imam-Ausbildung, ein Museum und Bibliothek kommen. Doch bisher gibt es noch nicht einmal einen Standort. Ein zunächst ins Auge gefasstes städtisches Grundstück kommt inzwischen nicht mehr in Frage.

Der Imam bedauerte, dass viel Zeit verloren gegangen und viel Energie investiert worden sei. Herausgekommen sei nichts außer „hyperventilierende Rechtspopulisten“. Idriz spielte damit auf regelmäßige Demonstrationen und Unterschriftensammlungen in der Münchner Innenstadt durch die Partei „Die Freiheit“ an, die das Projekt mit einem Bürgerentscheid zu Fall bringen will.

Idriz setzt nun alle Hoffnung auf den neuen Münchner Oberbürgermeister, der im März gewählt wird. Auch auf die Europawahl im Mai werde man wohl noch Rücksicht nehmen müssen, bis eine Entscheidung falle.

„Wir Muslime leiden unter dem, was in der islamischen Welt schief läuft“, sagte der Imam. Islamophobie habe viel Gründe, die Muslime leider mitverursachten. Das Münchner Projekt könnte aber dazu beitragen, das Image der Muslime zu verbessern, so seine Vision. „Wir müssen unser Islamverständnis hinterfragen. Das geht nur in einer Einrichtung, in der frei diskutiert wird und jeder erlebt, dass Islam und die Werte unserer freien und modernen Gesellschaft sehr wohl zueinander passen.“

Einen neuen Namen hat das Projekt bereits: Es heißt nicht mehr „Zentrum für Islam in Europa“ (ZIEM), sondern „Münchner Forum für Islam“ (MFI).

Griechenland und die Türkei haben große Differenzen wegen Moscheen und Muftis

(SETimes). Obwohl man sich nach mehreren Treffen zwischen den Staatschefs eigentlich näher gekommen war, streiten sich Griechenland und die Türkei wegen eines Vorschlages des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan zur Öffnung des Priesterseminars in Halki. Die Bedingung dafür soll die Wiederbelebung zweier Moscheen in Athen sein sowie das Recht der griechischen Muslime, ihre eigenen Muftis zu wählen.

Erdogan und der griechische Ministerpräsident, Antonis Samaras, pflegten freundschaftliche Beziehungen und einigten sich bei einigen, zuvor umstrittenen Fragen. Aber Religion und antike Feindschaften sind schwerer zu bezwingen als erwartet. Beide erklärten, sie wollten die verwirrenden Schwierigkeiten lösen, die sich aus religiösen Fragen ergäben.

Griechenland wies den Ausgleich zwischen Seminar-für-Moscheen zurück, auch wenn Samaras der erste griechische Führer ist, der eine geplante Renovierung der Athener Gebäude durchsetzen will und sich für Religionsfreiheit einsetzt. Aber das Halki-Seminar, das 1971 in Folge des Zypernkrieges von der Türkei geschlossen wurde, hat für Griechen eine besondere Bedeutung. Sie warfen der Türkei vor, sich mehrfach von einer Eröffnung zurückgezogen zu haben.

Es bestanden Hoffnungen, dass zu Erdogans kürzlich vorgestelltem Demokratisierungsprogramm auch die Wiedereröffnung von Halki gehören sollte. Die Abwesenheit des Seminars von dem Gesetzespaket war insbesondere für die nichtmuslimische Gemeinschaft eine Enttäuschung. Sie geht davon aus, dass es sich dabei um einen “Verhandlungsgegenstand” der Regierenden handle, der unter dem Konzept der “Gegenseitigkeit” wieder auftauchte.

Die rechtliche Basis dafür findet sich im Artikel 45 des Lausanner Vertrags, der besagt: “Die Rechte der nichtmuslimischen Minderheiten der Türkei werden gleichzeitig den muslimischen Minderheiten von Griechenland auf seinem Gebiet übertragen.”

Zusätzlich zur Eröffnung der beiden Moscheen forderte Erdogan das Recht zur Wahl von Muftis in West-Thrazien, wo mehr als 150.000 Muslime leben. “Wenn wir uns dazu entscheiden, etwas zurückzugeben, dann haben wir auch das Recht, etwas im Gegenzug zu erwarten”, erklärte Erdogan. Er beschrieb auch, dass die Türkei 18 Geistlichen die Staatsbürgerschaft verliehen hat, aber die griechischen Behörden ernennen die Muftis in West-Thrazien. “So wie ich nicht die Verwaltung des Patriarchat ernennen kann, können Sie nicht die Muftis bestimmen”, meinte er.

Laki Vingas, Beiratsmitglied der Türkischen Generalverwaltung der Stiftungen, sagte SETimes, dass die Neueröffnung von Halki von der Politik getrennt zu betrachten sei – weil es sich dabei um eine Frage der Menschenrechte handle. “Wir, als in der Türkei lebende Nichtmuslime, sind der Reden über Gegenseitigkeit müde. Wir fühlen die gleiche Traurigkeit, wenn wir sehen, dass bedeckte Damen ins Ausland reisen müssen, um ihre Universitätsbildung zu bekommen. Genauso müssen nichtmuslimische Menschen diese Gebiete verlassen, weil sie keine Ausbildung im Priesterseminar von Halki bekommen können”, meinte Ingas.

Früher wurde die orthodoxe Geistlichkeit in Halki ausgebildet, das auf einer Insel vor Istanbul liegt. Die Türkei, ein Land mit einer absolut muslimischen Bevölkerungsmehrheit, entschied sich kürzlich, die Grundstücke des Seminars zurückzugeben, die 1943 beschlagnahmt wurden.

Muslimische Sorgen nach Brandanschlag auf Londoner Moschee

Der Brand eines islamischen Zentrums in London sendet Schockwellen durch die muslimische Gemeinschaft Großbritannien und verstärkt – nach der brutalen Ermordung eines Armeesoldaten – wachsende Befürchtungen vor einer neuen, anti-muslimischen Welle.

(OnIslam.net). „Muslime sind verängstigt und fühlen sich vollkommen unverstanden“, meint Massoud Shadjareh, Vorsitzender der Islamic Human Rights Commission (IHRC) gegenüber der „International Business Times“ am 6. Juni. „Sie wurden physisch angegriffen, Moscheen niedergebrannt, Friedhöfe beschädigt und die sozialen Netzwerke sind voller anti-muslimischem Hass und Drohungen von Gewalt.“

Vorgehen verlangt
Muslimische Vertreter riefen die Regierung zum Vorgehen gegen anti-muslimische Ressentiments auf. „Dies war der letzte Vorfall in einer ganzen Reihe von Angriffen seit dem schrecklichen Mord an Lee Riby“, erklärte Farooq Murad, der Generalsekretär vom Muslim Council of Britain (MCB). „Es ist an der Zeit für ein ernsthaftes Vorgehen gegen solche Verbrechen.“

Nach der Ermordung hat die rechtsgerichtete EDL (English Defenve League) divese Proteste gegen Muslime und ihre Moscheen abgehalten. Laut Murad habe es diverse Verurteilungen des EDL-Vorgehens gegeben, aber keine daraus resultierenden Handlungen. „Wir brauchen eine wirkliche Antwort von den Polizeiführungen, angefangen bei der nationalen Polizei, in dieser Frage. Lokale Polizeieinheiten und Bezirkskommandanten haben sich in respektabler Weise mit den Gemeinschaften in Verbindung gesetzt. Jetzt müssen wir vom Leiter der Polizei von Groß-London und den Verantwortlichen der Vereinigung der Polizeichefs hören, was sie für den Schutz vor steigenden Angriffen zu tun gedenken.“

Muslime während des 2. Weltkriegs: Zwei Filme beleuchten die Rolle von Muslimen, die verfolgten Juden halfen

„Diese Leute (…) haben bei der Résistance mitgemacht. Das heißt, Muslime spielen auch eine Rolle in der französischen Geschichte. Bis jetzt werden sie aber ausgeschlossen.“ (Ismail Ferroukhi)

(iz). Filmhelden sind – zumindest im Massenkonsum – banale Gestalten mit hohem Wiedererkennungswert. Auch wenn Quentin Tarrantino (in „Inglorious Basterds“) oder Guy Richie mit ihren Charakteren spielen, bleiben auch ihre Anti-Helden dem Mainstream verhaftet. Ange­sichts des in Hollywood verbreiteten Vorurteils gegen Muslime und insbesondere Araber muss der Filmfreund länger suchen, bis er interessante Streifen findet, in denen die Rolle des Helden einem Muslim beziehungsweise einer Muslimin zukommt.

2011 wurden gleich zwei Filme vorgestellt, in deren Zentrum Muslime stehen, die sich um die Rettung verfolgter Juden während des Zweiten Weltkriegs verdient gemacht haben. Dabei handelt es sich um den Dokumentarfilm „The Turkish Passport“ des türkischen Regisseurs Arliel sowie um den Spielfilm „Les Hommes Libres“ vom französisch-marokkanischen Filmemacher Ismael Ferroukhi, der bereits 2004 mit seinem langen Film „Rihla al-Kubra“ ein furioses Debüt hatte. Bedauerlicherweise ist es in Deutschland bisher noch sehr schwierig, beide Filme als DVD oder als kommerzielle Downloads zu beziehen.

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„The Turkish Passport“ beleuchtet die gemeinhin vergessene Leistung türkischer Diplomaten im besetzten Europa, die halfen, im Ausland lebenden Juden türkischer und anderer Nationalität durch Flucht in die Türkei in Sicherheit zu bringen. In Interviewpassagen mit Überleben­den, Fachleuten sowie in nachgestellten Szenen und anhand von Archivmaterial erfahren die Zuschauer, wie sich die mutigen Diplomaten um die Rettung von Verfolgten bemühten. Sie retteten die Betroffenen aus Durchgangslagern oder sogar aus Zügen, die sie ihrem tödlichen Ende zuführen sollten. „Solange es gute Menschen gibt, die bereit zum Handeln sind, kann das Böse nicht gewinnen“, ist eine der Erkenntnisse dieses bedeutsa­men Dokumentarfilms.

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Ferroukhis Spielfilm „Les Hommes Lib­res“ handelt von Muslimen und Juden, die 1942 im besetzten Frankreich leben mussten und den Schergen Hitlers Widerstand leisten. Angelehnt an wahre Begebenheiten stehen neben den Helden Younes, einem algerischen Einwanderer und Schwarzmarkthändler, und dem ­jüdisch-nordafrikanischen Sänger Salim vor allem Si Kaddour Benghabrit, der dama­lige Direktor der Großen Moschee von Paris im Zentrum der Handlung. Ben Ghabrit hatte die Moschee, wo sich ­Younes und Salim begegnen, zu einem Schutzraum für Verfolgte gemacht. „Diese Leute (…) haben bei der Résistance mitgemacht. Das heißt, Muslime spielen auch eine Rolle in der französischen Geschichte. Bis jetzt werden sie aber ausgeschlossen“, sagte Ferroukhi.

Veteranin des Islam in Deutschland: Fatima Grimm ist verstorben

„Ihre kleine liebevolle Madrassa war eine kleine, aber eine feine Institution: Man konnte sich dort Rat holen, beten, den Qur’an lesen und verstehen lernen, (…) einen Streit schlichten lassen, und schließlich fanden viele die Rechtleitung in dieser gesegneten Räumlichkeit und legten die Schahada ab.“ (Mustafa Yoldas über das Ehepaar Grimm)

(iz). Es gibt Menschen, die sind einem nahe, auch wenn man ihnen nur einige Male und mit großen Zeitintervallen dazwischen begegnet. So war es auch der Fall mit dem Ehepaar Fatima und Abdul Karim Grimm, die wir bei verschiedenen Gelegenheiten – wie auf den beinahe legendären Treffen Deutschsprachiger Muslime (TDM) oder bei Besuchen in Weimar – trafen. Egal wie groß die Zeitspannen zwischen unseren Begegnungen waren: Jedes Mal war es, als hätte man sich gerade erst verabschiedet.

Wie heute bekannt wurde, ist die deutsche Muslimin, Autorin und Vortragsrednerin Fatima Grimm nach schwerer Krankheit am Montag, den 6. Mai, in Hamburg verstorben. Ihre Ehemann Abdul Karim verschied bereits 2009.

Von ihrer umfangreichen und jahrzehntelanger muslimischen Arbeit ganz abgesehen, war diese Familie ein Ruhepol und eine Inspiration für viele Muslime in Hamburg – wie auch in ganz Deutschland. Das zeigte sich in ihrem langjährigen lokalen Engagement oder auch im herzlichen Beisammensein auf den TDM.

Fatima Grimm wurde 1934 in München geboren. Ihre Englischkenntnisse, die sie sich in jungen Jahren daheim und bei einem Englandaufenthalt aneignete, halfen ihr später bei der Übersetzung von Büchern ins Deutsche, die zu den ersten gehörten, die in Deutschland im Rahmen der anfänglichen muslimischen Gemeinschaft veröffentlicht wurden.

//3//In einem Interview mit der Islamischen Zeitung berichtete sie, wie sie zum Islam fand. Sie „konvertierte 1960 bei einem russischen Imam, der in Bayern für die Flüchtlinge aus seiner Heimat zuständig war“.

Nach einem längeren Auslandsaufenthalt in Pakistan kam sie 1962 nach Deutschland zurück, wo sie in München am Aufbau einer dortigen Moscheegemeinde beteiligt war. „Ich war dabei und hörte den ersten Adhan unter ‘meinem’ weißblauen Himmel. Dort war ich dann lange ehrenamtlich aktiv, kümmerte mich um die Einrichtung eines muslimischen Friedhofs, den muslimischen Kindergarten und die Schule für die islamische Gemeinschaft.“

1984 heiratete sie Abdul Karim Grimm und zog zu ihm nach Hamburg. In den folgenden Jahren wurde Fatima Grimm zu einer Institution der muslimischen Gemeinschaft in Hamburg.

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„Der Islam wird nach außen hin oft noch als Ausländerreligion betrachtet, obwohl wir meiner Meinung nach doch schon längst hier angekommen sind. Deshalb haben Abdul Karim und ich uns auch für die Deutsche Muslim-Liga eingesetzt, die es immerhin schon seit mehr als 50 Jahren im Deutschen Vereinsregister gibt. Wir sind Gott sei Dank immer gut mit allen muslimischen Geschwistern ausgekommen und haben stets gute Beziehungen zu vielen Vereinen und Gemeinden unseres Glaubens in Deutschland gepflegt.“

Bis zu ihrer Krankheit hat sich Fatima Grimm engagiert um die Belange der muslimischen Gemeinschaft gekümmert. Neben ihren Übersetzungen und ihrer schreibenden Tätigkeit war sie häufig eine beliebte Rednerin auf Vortragsveranstaltungen wie die universitären Islamischen. „Oft werde ich von Leuten aus der muslimischen Community angerufen und um Rat gefragt, auch in Sachen Heirat. Da ist oft guter Rat sehr schwierig! Aber ich bin unendlich dankbar, dass ich noch so aktiv sein kann, ebenso wie für all die schönen und manchmal herausfordernden Jahre, die hinter mir liegen“, berichtete sie noch vor wenigen Jahren im Gespräch mit der Islamischen Zeitung.

Der Verfassungsschutz auf „islamistischen“ Abwegen. Wenn Behörden Muslime stigmatisieren

(Deutschlandradio). Das Bundesamt für Verfassungsschutz soll seine Arbeits­weisen überdenken. So will es der neue Präsident Hans-Georg Maaßen. Die deutschen Muslime hören diese Ankündigung wohl, aber nehmen sie mit Skepsis auf. Denn sie haben die Erfahrung machen müssen, dass Verfassungsschützer nicht etwa aufklären, sondern das muslimische Leben in Deutschland beeinflussen – einseitig und überhaupt nicht positiv.

Erst recht ist das Vertrauen in die Sicher­heitsbehörden enttäuscht, seit bekannt wurde, dass eine Serie von Fahndungspannen verhindert hat, die Morde der Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) frühzeitig zu stoppen. Stattdessen verdächtigte die Polizei viele Jahre lang die Opfer und ihre Familien, Mittäter in einem kriminellen Milieu zu sein. Während der Verfassungsschutz im Bund wie in den Ländern geheimniskrämerisch die Strafverfolgung hintertrieb.

Und kürzlich berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ von einem lange schwe­lenden Konflikt im Bundesamt, der sich an islamfeindlichen und rassistischen Äußerungen entzündet habe. Sie werden ausgerechnet Mitarbeitern angelastet, welche die islamische Gemeinschaft zu beobachten haben.

Verfassungsschutzberichte markieren Muslime und deren Gemeinden nicht selten als „islamistisch“. Der Begriff ist so verbreitet wie unbestimmt. Über ­seine Deutung bestimmen Behörden und Islam­kritiker, nicht die Muslime selbst. Er stellt sie unter einen Generalverdacht, der weder bewiesen noch widerlegt werden kann. Die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) und viele andere etwa leiden seit langen Jahren unter dieser „Herrschaft des Verdachts“.

Als „islamistisch“ könnten streng gläubige Muslime angesehen werden. Ihre Koranauslegung, ihre Lebensweise und ihr Wertekanon mögen nicht in die Moderne, in die westliche Gesellschaft passen. Aber heißt dies, dass sie deswegen gleich unfriedlich und gefährlich sind, vielleicht gar Extremisten, die Gewalt predigen und anwenden, außerdem Recht und Demokratie ablehnen? Das könnte so sein. Aber dann müsste ­ihnen dies auch konkret vorgehalten und nachgewiesen werden.

Muslime gehen gesellschaftlich einen ebenso weiten Weg, wie es vor ihnen evangelische und katholische Christen in Deutschland taten. Auch sie lebten und leben noch immer mit doppelten Standards, mit den religiösen in ­Familie und Gemeinde, mit den öffentlichen in der Politik. Gerade aus diesen Erfahrun­gen heraus sollte Muslimen, die um ihre Identität ringen, geholfen werden, sich in das demokratische Gemeinwesen allmählich hineinzufinden, anstatt ihnen Steine aus Vorurteilen in den Weg zu ­legen.

Das amtliche Verdikt, „islamistisch“ zu sein, wirkt verheerend in der Öffentlichkeit und grenzt aus. Journalisten beispielsweise übernehmen es gern, ohne eigene Recherchen anzustellen. Und auch viele Muslime lassen sich infizieren und distanzieren sich von so bezeichneten Moschee-Vereinen und Verbänden.

Das provoziert Gegenwehr. Dadurch haben Gruppen und Personen etwa aus dem salafistischen Milieu, die in der Tat extremistisches Gedankengut transportieren, einfaches Spiel – besonders ­unter jungen Muslimen. Noch weniger hat es mit einem säkularen Staatsverständnis zu tun, wenn Mitarbeiter der Verfassungsschutzämter in der politischen Bildung unterwegs sind, als Islamismus-Experten vor pädagogischen Lehrkräften auftreten und über die „Grundlagen des Islams und muslimischen Lebens in Deutschland“ referieren. Es wäre wohl besser, sie überließen dies anderen.

Von Beamten und Behörden wird dagegen erwartet, dass sie differenzieren, die Mehrheit der Muslime davor schützen, mit einer problematischen Minderheit verwechselt zu werden. Wird etwa den Kirchen angelastet, wie viele Christen im kriminellen Milieu zu Hause sind? Denn so, wie der Begriff „islamistisch“, gebraucht wird, bezeichnet er nicht isla­misches oder religiöses, sondern kriminelles Verhalten.

Der Artikel wurde zuerst am 16.04.2013 als Audiobeitrag für das Deutschlandradio ­verfasst.

Mit wie vielen Musliminnen hat FEMEN überhaupt gesprochen?

(iz). Wie nicht anders zu erwarten machte das globale – und gegen alles Mögliche protestierende – Demonstrationsunternehmen FEMEN jüngst durch seinen „Globalen barbusigen Jihad“ von sich Reden, als es vor ausgesuchten Moscheen in aller Welt nicht nur gegen den Fall einer angeblich bedrohten tunesischen Bloggerin protestierte, sondern auch die angebliche „Unterdrückung der Frau im Islam“ anprangern wollte. Entgegen der Erwartungen des im Umgang mit den Medien versierten Netzwerkes halbnackter Demonstrantinnen, dessen Finanzierung bis heute Fragen aufwirft, haben muslimische Frauen ihre Befreierinnen von Außen nicht mit offenen Armen empfangen.

Global antworteten Musliminnen auf ihre Vereinnahmung durch die in der Ukraine gegründete Gruppe mit witzigen und pointierten Aktionen. Ihre Botschaft ist simpel wie prägnant: Ihre Freiheit hat nichts mit nackter Haus zu tun und sie können auf die „Imperialistinnen“ gut verzichten. Dazu führten wir ein Interview mit Sofia Ahmed, die für das internationale Kollektiv von Muslim Women against FEMEN Rede und Antwort stand.

Islamische Zeitung: Liebe Sofia, Sie haben sehr schnell auf die Gruppe namens FEMEN reagiert. Was war Ihr erstes Bauchgefühl?

Sofia Ahmed: Unsere ursprüngliche Reaktion war Schock angesichts der Unverfrorenheit dieser Gruppe. Aber auch Abscheu wegen der Art und Weise, in der sie islamfeindliche und rassistische Rhetorik und Bildersprache zur Förderung ihres „barbusigen Jihads“ einsetzte. Wir fühlten die dringende Notwendigkeit, gegen diese negative Form der Vorurteile Stellung zu beziehen.

Islamische Zeitung: Ist dieser Typ des PR-orientierten Protests überhaupt in der Lage, etwas Positives zum Wandel bestehender Diskriminierungen von muslimischen Frauen in aller Welt beizutragen?

Sofia Ahmed: Unsere Kampagne belegt, dass soziale Medien als Kraft für das Gute dienen können und dabei helfen, Tausende in aller Welt zu mobilisieren. Das positive Feedback seitens muslimischer Männer und Frauen – aber auch von Nichtmuslimen – ist unwahrscheinlich groß. Der Dialog und Austausch von Ideen auf diesem Niveau ist immer eine gute Sache und kann helfen, Vorstellungen zu verändern und negative Stereotypen zu dekonstruieren.

Islamische Zeitung: Gab es eigentlich irgendwelche Versuche von FEMEN, in einen direkten Austausch mit Musliminnen zu treten und einen direkten Dialog zu beginnen?

Sofia Ahmed: Es gab seitens von FEMEN überhaupt keinen Versuch, Kontakt mit uns aufzunehmen. Sie benutzen die Medien und versuchen mit ihrer Hilfe, unsere Anstrengungen zu unterminieren und unsere gemeinschaftliche Stimme von der Hand zu weisen.

Islamische Zeitung: Warum haben einige muslimische Frauen diese halbnackten Proteste als „imperialistisch“ und „rassistisch“ kritisiert? Gibt es eine untergründige Verbindungen zwischen westlichem Feminismus und anti-muslimischen Ressentiments?

Sofia Ahmed: FEMEN sagt im Wesentlichen, dass der westliche Feminismus am besten weiß, was Frauen in aller Welt brauchen. FEMEN bedient sich dabei ausgesuchter Individuen aus dem Nahen Osten, die vollständig von der Vorstellung westlicher Befreiung eingenommen sind und fühlen, dass dies der beste Weg sei.

FEMEN glaubt, dass die Körper der Frau von Männern beansprucht werden und dass die barbusige Zurschaustellung ein Symbol der Machtergreifung über ihre Körper sei. In der Vergangenheit kamen von FEMEN Sätze wie „als Gesellschaft waren wir nicht in der Lage, die arabische Mentalität gegenüber Frauen auszuradieren“. Für uns ist das rassistisch, aber auch ein Anzeichen für eine kolonialistisch-feministische Rhetorik, in der arabische/muslimische Frauen als unterdrückt beschrieben werden.

Sie benutzen das Bild der „unterdrückten“ muslimischen Frauen, um ihre Proteste vor Moscheen zu rechtfertigen und die Rolle der Frau im Islam anzuschwärzen. Es ist unglaublich unpassend und beleidigend, dass sie sich dabei jener Stereotypen bedienen, denen muslimische Frauen ausgesetzt sind, um ihre Sache voranzutreiben.

Die von ihnen geäußerte Annahme lautet, dass wir unterworfene Kreaturen sind, die von Männern kontrolliert werden. Wir müssen daher von einer Gruppe perfekt herausgeputzter weißer Frauen befreit werden, die sich nackt zur Schau stellen und mit dem Mittel des Schocks operieren. Wir fragen uns, mit wie vielen muslimischen Frauen sie wirklich gesprochen haben.

Islamische Zeitung: Wie reagierten die Frauen, die an Ihrer Initiative teilgenommen haben?

Sofia Ahmed: Wir haben Rückmeldungen aus der ganzen Welt erhalten. Frauen aus Indonesien, Indien, den USA, Südamerika und Australien haben an unserer Kampagne teilgenommen. Wir sind auch überwältigt von der Unterstützung, die wir seitens von nichtmuslimischen Frauen erhielten. Eine Frau aus den USA schneiderte sich sogar selbst einen Hidschab, um sich mit unserer Sache zu solidarisieren und für das Recht auf Kopftuch einzutreten.

Islamische Zeitung: Haben Sie Pläne für die nächste Zukunft?

Sofia Ahmed: Wir fühlen, dass dies eine seltene Gelegenheit für muslimische Frauen ist, dass ihre Stimmen gehört werden. Zu lange schon wurden wir ausgegrenzt. Muslimische Frauen in allen Teilen des Erdkreises interessieren sich dafür, an unserer Kampagne teilzunehmen und wir arbeiten momentan daran, sie voranzutreiben.

Islamischen Zeitung: Liebe Sofia, vielen Dank für das Interview! (Interview: Laila Massoudi/Übersetzung: Ali Kocaman)

Musliminnen in aller Welt reagierten souverän auf die Agitprop-Hooligans von Femen

(iz). Den Neo-Jakobinerinnen der Allzweckprotestmaschinerie Femen (mehr dazu in unserer kommenden Printausgabe) muss am 4. April ziemlich kalt gewesen sein. Die für das Wetter augenscheinlich unpassend (un-)bekleideten Mitglieder der Deutschland-Niederlassung des – global agierenden PR- und Medienfranchise – nutzten diesen Tag für einen so genannten „barbusigen Jihad“.

Dass sich die Deutschen Ableger des passiv-aggressiven Protestnetzwerkes [das gelegentlich recht aggressiv mit dem Gesetz aneinander gerät] dabei ausgerechnet eine Moschee im verschlafenen Berliner Stadtteil Wilmersdorf aussuchten, hat der medienwirksamen Aktion mehr als nur eine humoristische Note verliehen. Nach Medienmeldungen wollten die Frauen gegen die angebliche „Unterdrückung der Frau im Islam“ protestieren. Konkret wollten sie damit auch auf die Situation einer tunesischen Bloggerin aufmerksam machen, die sich angeblich in Lebensgefahr befinden soll. Dies wurde allerdings von ihrer Anwältin dementiert.

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Dem Happening wurde der Wind wohl auch dadurch aus den Segeln genommen, dass die betroffene Gemeinde nicht – wie es das PR-Drehbuch wohl offenkundig vorsah – wütend reagierte, sondern das Ganze schlicht und einfach verpasste. Wie der in Berlin erscheinende „Tagesspiegel“ berichtete, habe der Imam den halbnackten Auftritt „sprichwörtlich verschlafen und kann deshalb den Polizisten auch nichts erzählen“. Bisher war unklar, ob die Berliner Aktion strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen wird.

Muslimische Frauen in aller Welt – und mit den unterschiedlichsten Hintergründen – haben nicht, wie Femen es möglicherweise kalkulierte, mit Begeisterung auf die „Befreiung“ von Außen reagiert. In Deutschland und im Ausland haben muslimische Frauen schnell und souverän auf die Vereinnahmung des Netzwerkes geantwortet, das sich nun allerorten im Kampf für das Gute entblößt.

In Deutschland nutzten Musliminnen unter „#MuslimahPride“ die sozialen Netzwerke, auf denen sie ihre organisierte Antwort auf Femen koordinierten. So wurde am Freitag, den 5. April, ein Gegen-Happening vor derselben Moschee veranstaltet, auf denen muslimische Aktivistinnen darauf aufmerksam machten, dass sie sich von den ukranischen Medienlieblingen alles andere vertreten fühlen.

„Gestern hat eine kleine Gruppe von FEMEN-Aktivistinnen vor der Berliner Ahmadiyya Moschee gegen die 'Unterdrückung der muslimischen Frau' demonstriert. Das finden wir insofern stark, als dass wir auch gegen Unterdrückung sind. Wir sind nur ein wenig eingeschnappt, dass die Party ohne uns stieg. (…) Gegen die BEVORMUNDUNG der muslimischen Frau“, postete das spontane Bündnis auf Facebook. Auf den Bilder finden sich Slogans wie „There is more than one way to be free“ oder „Islam is my choice“.

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Im gleichen Zeitraum wie die Frauen in Deutschland formierte sich international eine ähnliche Gruppe auf Facebook: Muslim Women against FEMEN. Sie möchte dokumentieren, dass die Aggro-Demonstrantinnen weder in ihrem Namen sprechen können, noch dass Femen überhaupt ein echtes Interesse am Leid muslimischer Frauen habe, berichtete das englischsprachige online-Medium „Huffington Post“. „Wäre es da nicht“, fragte eine Frau, „auch angebracht, gegen den tausendfachen Mord an syrischen Frauen und Mädchen zu protestieren?“

„Femen hat unsere Stimme gestohlen“ und „Femen, ich bin eine starke Frau. Sehe ich so aus, als würde ich Imperialisten brauchen, die mich von Unterdrückung befreien?“, hieß es beispielsweise auf den Plakaten, mit denen Frauen sich unter #MuslimahPride in aller Welt ablichten ließen. Die US-amerikanische Aktivisten Ilana Allazeh sagte „Huffington Post“, dass sie unter anderem den stereotypen Gebrauch von Bilder wie Turbanen und Bärten kritisiere. Für sie sei die Vorstellung eines „Internationalen Tages des barbusigen Dschihad“ rassistisch und beleidige muslimische Frauen.

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Dass Femen – wie bei anderen Aktionen gegen die Objekte ihrer Kritik – nicht an einem Dialog gelegen zu sein scheint, lässt sich auch aus der Reaktion der Femen-Führerin Schewtschenko ablesen. Ihr Kommentar auf Muslim Women against Femen war eher einfach gestrickt: „Die gesamte Menschheitsgeschichte hindurch haben alle Sklaven geleugnet, dass sie Sklaven sind.“ Eine echte Begegnung zwischen Aggro-Feministinnen und muslimischen Frauen muss wohl auf später verschoben werden. (lm/ak)

Link zur Facebook-Seite der deutschen Aktivistinnen.

Die IZ wird die Aktionen der muslimischen Frauen in den nächsten Wochen mit weiteren Beiträgen verfolgen.

Exklusiv aus der neuen Ausgabe – Schwerpunkt "Wissen": Gesucht werden freie Orte echter Wissensvermittlung. Von Khalil Breuer

(iz). Bekanntlich sollten Glauben und Handeln eins sein und Theorie und Praxis kein Gegensatz. Um so wichtiger ist es, heute die islamische Lehre und damit die Lebenspraxis selbst, nicht in eine Art der Weltfremdheit abgleiten zu lassen. Es geht uns als ­Muslime um das Hier und Jetzt, das Innen und Außen, das Materielle und Spirituelle.

Diese Einheit der Glaubensüberzeugungen symbolisiert von jeher der Zusammenhang von Moschee und Markt. Die erste Gemeinschaft ist um diesen Zusammenhang gebaut und ohne Kennt­nisse hierüber grundsätzlich missverstan­den. Über Jahrhunderte waren ­diese beiden religiösen Bezugspunkte – wie man in jeder historischen Stadtanlage der ­islamischen Welt unschwer erkennt – ­untrennbar miteinander verbunden. ­Jeder Muslim, unabhängig vom Bildungsgrad, kannte den Ritus und vollzog die ­wichtigsten inneren und ­äußeren Glaubenspraktiken.

Moschee und Markt sind dabei die gro­ßen Freiräume, die der Politik entzo­gen sind. Die großen, auch kontroversen, oft auch feinsinnigen Debatten der Theolo­gen fanden zu jeder Zeit statt, allerdings auf der Grundlage, dass die einfachsten Gesetzlichkeiten, zwischen Gebet und Zakat, nicht etwa zur Disposition standen. Als Muslime müssen wir immer wieder neu lernen: die einfachen Positionen der Glaubensüberzeugungen und die Richtlinien des gerechten Handelns.

Wer sich berufen fühlt, über den ­Islam zu lehren, den kann es nicht kalt lassen, wenn ganze Pfeiler des Islam wegzubrechen drohen. Die erste Frage an die Authentizität des Gelehrten, dem es um das Wohl der Muslime geht, muss heute daher die Frage nach der Zakat sein. Natür­lich erfordert jede Zeit zudem die Betonung und Vertiefung einer bestimmten Seite der Offenbarung und der Lehre.

Es ist logisch, dass eine Lebensform wie der Kapitalismus, die quasi religiöse Züge bekommt und massiv die Schöpfung herausfordert, von jeder Lehre kritisch hinterfragt werden muss. Hier, wenn es um den Kern unserer Zeit geht, müssen wir unsere Quellen – innerhalb einer freien Lehre – entsprechend genau studieren.

Die Authentizität dieser Lehre zeigt sich auch hier im Mittelweg: Der Islam bejaht Eigentum, fordert die freie Marktwirtschaft und tritt für den Handel auf fairer Gegenseitigkeit ein.

Die Debatte um die islamische ­Lehre, die nicht nur dem Leben entfernte Theologie sein will, muss sich ihres eigenen Standpunktes bewusst werden. Das islamische Leben findet nicht in den Türmen der Wissenschaft statt, es kreist noch immer um das alltägliche Wissen über den Gottesdienst in Moscheen und auf Marktplätzen.