Themenschwerpunkt "Islamic Finance": Die IZ-Reihe über den Alltag der Muslime. Von Sulaiman Wilms

(iz). Das Interessante am Publicity-Rummel ist, dass alle ihn ernst nehmen, auch wenn sich am Ende nichts ereignet. Ein Geschmack vom Verhältnis zwischen Hype und Realität konnten Deutschlands Muslime in den letzten Jahren in Sachen Halal-Lebensmittel machen. Obwohl angesagte Branding-Firmen wie der US-Riese Ogil­vy gar, die auf Muslime spezialisierte Tochterfirma Ogilvy-Noor gründete, und eine globale Halal-Konferenz die nächste jagt, ist von dem Trend beim deutschen Verbraucher nichts zu spüren.

Das soll nicht heißen, dass so mancher Branchenriese der Industrie nicht mit „Halal-“Industrieprodukten horrende Gewinne einfahren würde, aber der Hype hat sich noch nicht einmal in den Produktregalen der tristen Lebensmitteldiscounter niedergeschlagen. Zu verängstigt reagierte bisher die Führung des deutschen Einzelhandels.

Genauso verhält es sich „am Boden“ mit dem sagenumwobenen „Islamic Banking“ beziehungsweise dem Zweig der Finanzindustrie, der auf den muslimischen Endverbraucher abzielen soll. Anders als in Großbritannien – einem Zentrum der globalen Finanzindustrie – lässt der Antrag einer türkischen Bank auf die Erteilung einer Vollbanklizenz durch die deutsche Aufsichtsbehörde BaFin seit einiger Zeit auf sich warten.

Bisher sieht es mau aus
Sehen wir vom PR-Rummel und der oft wiederholten Beteuerung ab, backt das so genannte „Islamische Finanzwesen“ hier seit Jahren eher kleine Brötchen. Von der Handvoll unabhängiger Finanzdienstleister und Agenturen, die zumeist als Zwischeninstanzen für so genannte „scharia-kompatible Anlageformen“ beziehungsweise konventionelle Modelle – wie Edelmetalldepots, die mit dem islamischen Recht vereinbar sind – werben, geht es daheim eher ruhig und beschaulich zu. Diese Vermittlungsfirmen, deren Hauptgeschäft aus Provisionen besteht, finden ihre Kundschaft oft auf Veranstaltungen von Muslimen, wo sie mit Infoständen und als Sponsoren vertreten sind.

Am mangelnden Interesse von Muslimen, die etwas auf die Hohe Kante legen wollen, oder die auf der Suche nach islam-kompatiblen Kaufverträgen sind, kann es nicht liegen. Seit Jahren ­erhalten wir im Rahmen unserer redaktionellen Arbeit regelmäßige Anfragen von Lesern und Freunden. Diese Fragen sind ­relativ häufig: Was soll ich mit Zinsen machen, die ich für meine Einlage bekommen? Wie kann ich den Kauf meines neuen Autos finanzieren, ohne dafür Zinsen zahlen zu müssen? Wer vermittelt mir Optionen für den Kauf eines Hauses jenseits der konventionellen Möglichkeiten? Bisher fällt es schwer, auf diese Frage eine plausible und befriedigende Antwort zu geben.

Muslimische Verbände begrüßen Entwicklung
Wenn es nach einigen muslimischen Verbänden in Deutschland geht, soll sich das bald ändern. Die Vorlage des britischen Premiers Cameron (siehe S. 17) auf dem diesjährigen World Islamic Economic Forum, London zum führenden Handelsplatz für „islamische Anlageformen“ machen zu wollen, begrüßten der Zentralrat der Muslime und auch der Islamrat den Verstoß. Beide forderten die Bundesregierung auf, die Bedingungen auch in Deutschland für das „Islamic Banking“ vorteilhaft zu gestalten. Ali Kizilkaya, Vorsitzender des Islamrates, erklärte seine Zustimmung: „Es ist erfreulich, dass alternative Wirtschaftsformen gesucht und anerkannt werden.“

Bereits im Mai 2012 forderte der Verantwortliche des Zentralrates der Muslime für die „Islamic Finance“, Michael Saleh Gassner, „mögliche Anbieter auf, die Muslime als Kundensegment wahrzunehmen und das attraktive Potenzial zu nutzen“. Und am 19. Januar 2013 beschäftigte sich die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) auf einer „hochkarätig besetzten Veranstaltung“ (so die Frankfurter Rundschau) mit „dem Islamischen Bankwesen“. Der ­Zentralrat wurde bereits vor geraumer Zeit selbst Akteur in der Debatte um die „Islamic Finance“. So half er der Westdeutschen Landesbank (WestLB) bei der „Zertifizierung“ eines „risikoreduzierten Investments in die zehn größten islamkonformen Unternehmen Deutschlands“.

Kritik vom Experten
Konträre Meinungen zur „Islamic Finance“ kommen in den Stellungnahmen und Events muslimischer Organisationen und auf akademischen Veranstaltun­gen (für Anfang 2014 ist ein Symposium an der Universität Osnabrück vorge­sehen) bisher nicht vor, obwohl diese eigentlich auf einer qualifizierten Ebene zu finden sind.

Ein muslimischer Jurist und Fachmann, der ungenannt bleiben wollte, sprach von seinen großen Zweifeln bezüglich der geplanten Anleihe von London. „Grundsätzlich würde ich diese Anleihe wie jede andere einschätzen. Komplizierend kommt hinzu, dass sie als ‘islamisch’ bezeichnet wird und die Frage, wie die muslimische Community darauf reagieren wird. Dies alles löst weitere Beobachtungen aus: a.) unser Umgang als Gemeinschaft mit Banking als solche, b.) unsere Einstellung zu Wirtschaftsethik, Armutsfragen und natürlich auch zum Kapitalismus“, beschreibt der international aktive Fachmann das britische Vorhaben, welches in Deutschland ein solch positives Feedback erhielt.

Das Projekt dürfte die Form von Sukuk annehmen. Wahrscheinlich werde die Einkommenssumme am LIBOR [tagesabgängiger Interbanken-Zinssatz] „gefixt“ und es dürfte auch eine Auffangklause geben, wenn bestimmte Rückfluss­summen wegen des gefixten LIBOR-Tatbestands nicht erfüllt würden. „So wird im Prinzip ein fixierter Rückfluss erzeugt. Das ist dann identisch mit ­einem Zinssatz. Auch wenn ich die Einzelheiten nicht kenne, ist dies der Regelfall. Es würde mich wundern, wenn sie jetzt ein neues, revolutionäres Produkt einführen würden“, war seine ernüchternde Einschätzung.

Die Zweifel wachsen
„Grundsätzlich ist mein Problem mit dem ‘Islamic Banking’, dass das, was ‘scharia-konform’ genannt wird, überwiegend von Gelehrten besiegelt wird, die auch von diesen Banken bezahlt werden. Jeder Anwalt kann eine Meinung äußern. Nur ein Richter kann entscheiden, ob diese Ansicht etwas taugt oder nicht. Leider haben wir, soweit es ­Fatwas betrifft, kein Gericht in der Welt, dass autorativ entscheiden könnte, ob eine bestimmte islamische Meinung scharia-konform ist oder nicht“, ist der grundle­gende Zweifel unseres Gesprächspartners.

Die öffentliche Positivität muslimischer Organisationen gegenüber dem Vorschlag Camerons sei für ihn ein „Wer­begag“. „Die Verbände haben nicht das notwendige Know-how beziehungsweise nicht die nötige, diversifizierte Meinung. Sie folgen einer Schule zu Unguns­ten einer anderen und werden wahrscheinlich einseitig beraten“, lautet ­seine Kritik. Er bedauere, dass die hörbaren muslimischen Stimmen „nicht bankkritischer“ seien.

Außerdem werde übersehen, dass das Ziel gar nicht „Ali“ und „Fatima“ in Deutschland seien, sondern die großen Bestände „an Liquidität am Golf und in Asien“. Indien alleine verfüge über 400 Millionen Muslime. Da reiche „nur ein kleiner Anteil“.

Ganz konkret sind weitere Zweifel an „Islamischen Banken“ angebracht. Jeder Rechtsanwalt oder Ökonom wird auch in einigen modernen Finanzprodukten „islamischer Banken“ schnell den einen oder anderen Taschenspielertrick erkennen. Dazu gehört die Umwertung der Murabaha-Verträge (s.u.), die einen großen Platz in der „Islamic Finance“ einnehmen.

Sind auch „Islamische Banken“ haram?

(iz). Es gehört wohl zu den Ergebnissen der Säkularisierung, dass ­viele Menschen sich längst ein Leben ohne Gott vorstellen können, allerdings kaum mehr ein Leben ohne Banken. Die Einrichtung der „Zettelbanken“ im 18. Jahrhundert haben eine ganze Epoche verändert, ihre neuen Finanzierungstechniken den Lauf der Poli­tik ganzer Jahrhunderte mitbestimmt und nicht zuletzt auch die islamische Welt entscheidend geprägt. Der Zusam­menbruch muslimischer Souveränität und die Erscheinung der Banken fällt dabei zusammen.

Heute erscheint das „moderne Banking“ nicht nur alternativlos, es wird auch als institutionelle Garantie für Wohlstand und Zivilisation gepriesen. Nur, ist das wirklich so? Im Westen hat längst eine breite Debatte über Sinn und Wirkung des Bankensystems begonnen. Zahl­reiche Veröffentlichungen, Bücher und Beiträge beschreiben das Unwesen der Banken, deren Kernkompetenz nach wie vor die Schaffung von Geld aus dem Nichts ist. Aber, es scheint kaum alternative Wirtschaftsmodelle zu geben, die ohne Banken auskommen können und die in diesem Falle nicht sofort unter den Verdacht der naiven Träumerei oder einer abgründigen Rückwärtsgewandtheit stehen. Mehr noch, uns wird heute glauben gemacht, dass ein Leben mit moder­ner Technologie, aber ohne Banken ein absoluter Widerspruch sei. Wer will aber schon zurück zur Steinzeit? Gibt es also wirklich kein ökonomisches Modell, das die Banken ersetzt und die Errungenschaften der Moderne nicht radikal in Frage stellt?

Es lohnt sich hier gerade als Muslime kurz innezuhalten und sich auch nach alternativen Denkansätzen in der eigenen Lebenspraxis umzuschauen. Natürlich, auch in der islamischen Welt ist der Siegeszug der Banken, genauer, der islamischen Banken nicht zu übersehen. Insbesondere der Modernismus der arabischen Welt sah in der Kopie dieser Finanztechnik den Weg zur bitter ­nötigen ökonomischen Machtsteigerung, dem Grunde nach der einzige Weg, das ­eigene Machtdefizit gegenüber der expansiven, westlichen Welt auszugleichen. Heute hat sich aber der Blickwinkel abermals geändert. Das Bankensystem erscheint inmitten der größten Finanzkrise der Menschheitsgeschichte nicht mehr nur als Methode zur Machtsteigerung, sondern vielmehr als Ballast von Gesellschaften, die keinen Ausweg mehr aus der erdrückenden Schuldenlast und dem drohenden Kollaps genau dieser Banken sehen.

In der islamischen Welt wird daher das Phänomen der „islamischen Bank“, also einer Bank die moralischer sein will als „normale“ Banken, spürbar kritischer gesehen. Diese Emanzipation gegenüber den gängigen Modellen zeigt gerade ein ungewöhnlicher Rechtsfall in Pakistan.

Pakistan als der Standort einer intelligenten Debatte über ökonomische Alternativen mag dabei zunächst überraschen. Das Land wird ja mit vielen poli­tischen und ökonomischen Problemen in Verbindung gebracht, dabei gibt in dem geschundenen Land in prekärer Lage weiß Gott auch viele offensichtlich untaugliche oder radikale Lösungsansät­ze. Es gibt aber auch eine Elite, die ganz neue Fragen stellt.

Eine graduelle Abschaffung des gegen­wärtigen Banksystems in Pakistan, ­wegen ihres – aus islamischer Sicht – ­verbotenen rechtlichen Charakters wurde nun im so genannten Riba-Verfahren [arab. für ­ungerechtfertigte Kapitalvermehrung] gefordert. Der langjährige Prozess um das grundsätzliche Verhältnis der pakis­tani­schen Verfassung zur modernen Ökono­mie ist vor dem Bundesstaatlichen Scharia-Gericht (FSC) anhängig. Nachdem in dem Verfahren zwischenzeitlich zehn Jahren untätig vergangen sind, kommt nun neuer Schwung in die Verhandlungen. Eine Partei in diesem vielbeachteten Verfahren zum Thema Riba, stellte inzwischen sogar die Gültigkeit des ganzen pakistanischen Bankwesens – also inklusive Zentralbank und der „Islamischen Banken“ – im Licht der islamischen Lehre in Frage. Dieser kritische Ansatz ­sorgte für einige Aufregung.

Wichtiger Kopf in der wachsenden Fraktion der Bankkritiker, die aus allen gesellschaftlichen Schichten kommen, ist eine mutige Frau. Die ehemalige Abgeordnete des Bundesstaates Punjab, Dr. Humaira Shahid, die eine der Klägerinnen in diesem Fall ist, bemüht sich bei jeder ihrer Wortmeldung darum Alterna­tiven zu dem gegenwärtigen System aufzuzeigen. Das eigentliche islamische Finanzsystem definiert sie dabei durch die Regeln der Muamalat. Die couragierte Geschäftsfrau nimmt bei ihren Ausführungen auch auf das islamische Establishment im Land wenig Rücksicht. Zum Schrecken von Millionen Pakistanern, die ihre Ersparnisse in den letzten ­Jahren bei den „Islamischen Banken“ unterbrachten, eben um Riba zu vermeiden, hat die Antragstellerin in ihrem schriftlichen, dem FSC vorgelegten Dokument, ausdrücklich auch die „Islamischen Banken“ als „haram“ bezeichnet.

„Wir fechten die Idee einer Islamisie­rung von kapitalistischen Einrichtungen und Instrumenten als Täuschung an, die statt zu einer Abschaffung von Riba dazu führte, dass ‘Riba halal’ gemacht wurde“, heißt es in dem Dokument zur Klage. Außerdem seien „Islamische Banken“ und die Nutzung von Papiergeld, so liest man dort, nichts anders als eine Täuschung.

Damit noch nicht genug geht sie auch weiter in die Offensive. „Der ­Murabaha-Vertrag“ so Humaira Shahid ­“wurde zu einem der wichtigsten Instrumente der Islamischen Banken gemacht, um Riba hinter der Fassade des islamischen Vertragsrechts zu verstecken.“ Murabaha ist aus Sicht der Ökonomin ein Verkaufs-Vertrag und gerade keine Vereinbarung zur Finanzierung. Der Preisaufschlag im Murabaha sei nur ein Weg zur Feststellung des Preises von verkauften Güter. Er könne keine Bedingung für eine vorherige Vereinbarung sein, wie es im verbotenen Fall der ‘zwei Verkäufe in ­einem’ geschehe.“

Sie betonte gleichzeitig, dass sich jeder Versuch der Abschaffung von Riba auch darauf konzentrieren müsse, was die Alternative dazu sei. „Dies liegt daran, weil wir nicht etwas abschaffen können, das verboten ist, ohne eine Alterna­tive von dem anzubieten, das erlaubt ist“ erklärt Humaira Shahid.

Bezüglich einer solchen Alternative argumentiert sie nun, dass ein Modell dessen, was halal sei, bereits existiere, und es so auch innerhalb des des Rahmens des islamischen Rechts und der pakistani­schen Verfassung umgesetzt werden könne. Dieses Modell seien, so das Dokument, die Muamalat, das sozio-ökonomischen Modell aller islamischen Gesell­schaften vom Anfang des Islam bis zum Fall des Kalifats.

„Dieses Modell war überraschenderweise mehr oder weniger allen vor-kapitalistischen Gesellschaften (darunter einigen nichtmuslimischen) zu eigen und war zur Zeit von Madina Al-Munawwara vollkommen“, fügte die Klägerin hier hinzu.

Natürlich schließt sie dabei nicht die Nutzung moderner Technologien, wie besipielsweise internetbasierte Zahlungs­systeme auf der Grundlage von Gold oder Silber aus. Humaira Shahid weiß natürlich, dass keinen Weg zurück gibt. „Moderne“ ökonomische Modelle, die dennoch in Harmonie mit dem islamischen Wirtschafstrecht stehen, seien bereits in einigen muslimischen Ländern, wie Malaysia und Indonesien eingeführt worden, betonte Dr. Humaira.

Allerdings glaubt sie nicht an die Möglichkeit der Reform von bestehenden Banken. Im Verfahren fügte sie dann auch hinzu, dass die gegenwärtigen Banken und Finanzinstitutionen dem Gericht bereits selbst mitgeteilt hätten, dass ihre Institutionen nicht ohne Riba operieren könnten.

Über das Modell der Muamalat erfährt man nun vor dem Gericht, dass dazu nicht nur vertragliche Aspekte gehörten, sondern auch Einrichtungen und Ins­trumente, die unterstützen und fördern, was halal sei. Dazu gehörten Golddinare, Silberdirhams, Wadias (Einrichtungen zur sicheren Aufbewahrung), Suqs (offene Märkte), Karawanen (offene Ins­titutionen des fairen Handels), Gilden (offene Produktionseinrichtungen), Waqf/Auqaf (Institutionen der Wohlfahrtspflege), Bai Salam (ein landwirtschaftliches Handelssystem), Bait ul Mal etc. Im Zusammenspiel der Einrichtungen geht es um die Etablierung fairen, globalen Handels und die Bekämpfung von Monopolen.

„Das Problem ist“ so Humaira Shahid „dass viele Muslime diese Modelle und damit ihre Aktualität in der ­momentanen Lage der Finanzmärkte einfach nicht mehr kennen“. In dem von ihr vorgeleg­ten Konzept wird erläutert, dass insbesondere die Einführung von Golddinaren und Silberdirhams, die auch in der Region als Scharia-Währung bekannt sind, wesentlich für die Einführung der Muamalat und damit letztlich für die Abschaffung von Riba seien. Kurzum, das bestehende, inflationäre Papiergeld­system ist für die Klägerin in sich das Problem.

Bezüglich der Praktikabilität solcher Systeme gibt es auch schon praktische Erfahrungen auf die sie verwiesen kann. Dr. Humaira Shahid zeigte in ihren Pressekonferenzen auf, dass 2008 die Regierung des malaysischen Bundesstaates Kelantan sich für die Einführung von Dinar und Dirham als Zahlungsmittel im ihrem Gebiet entschied und allen Staatsangestellten anbot, bis zu 25 Prozent ihres Gehalts in Dinar und Dirham auszuzahlen. „Es geht auch im 21. Jahrhundert ohne Banken“ davon ist die Akademikerin inzwischen völlig überzeugt.

Thema Riba, Handel und Islamic Banking

(iz). Ein junger Student von durchschnittlicher Intelligenz ist in der Lage, die folgen­den Regeln zu verstehen. Dies führt zu der Frage, warum die größten Muftis unserer Tage daran scheitern.

Anmerkungen von Imran Ahsan Khan Nyazee

Die folgenden Ableitungen basieren auf einer bekannten Überlieferung von ‘Ubada ibn As-Samit, möge Allah mit ihm zufrieden sein. Im Folgenden findet sich hier dieses Hadith, bei der sechs Waren beschrieben werden. Der Prophetengefährte überlieferte: „Der Gesandte ­Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, sagte: ‘Gold für Gold, Silber für Silber, Weizen gegen Weizen, Gerste gegen Gerste, Datteln für Datteln, Salz gegen Salz. Die gleiche Sache gegen die gleiche Sache, Gewicht gegen Gewicht [das heißt, mit gleichem Gewicht und Maßen] und von Hand zu Hand. Wenn die Gattungen verschieden sind, dann verkauft, solange es von Hand zu Hand geschieht.“ (Sahih Muslim)

Diese Überlieferung beinhaltet drei direkte Anweisungen, auf deren Grundlagen die Juristen den Sarf-Vertrag entwarfen. Erläuternd hinzuzufügen ist, dass es zwei Arten von Riba gibt. Riba Al-Fadl – oder ein Übermaß bei Gewicht oder Volumen –, den man als Überschuss der Menge bezeichnen könnte. Derart fällt jede Summe (beispielsweise 10 ­Dina­re), die in Form von Zinsen bezahlt ­werden, unter die Kategorie von Riba Al-Fadl.

Riba An-Nasi’a – oder ein Überschuss an Zeit – ergibt sich aus dem Gebrauch des Geldes im Laufe der Zeit. Es wird auch als Zeitwert des Geldes bezeichnet. In Wirklichkeit ist dies die Art Riba, für die Riba Al-Fadl (als Vermietung von Geld) gezahlt wird. Ein Beispiel dafür ist ein Kredit, bei dem A 100 Dinare an B gibt und B innerhalb von einem Jahr 10 Prozent Zinsen darauf zahlen muss. In der Sprache des Rechts können wir sagen, dass A 100 Dinare an B für 110 Dinare gegen Kredit verkauft. Das reicht, um zu verstehen, was Riba ist.

Wenn erkennbar ist, dass die beiden Seiten – A und B – den obigen Handel abschließen, greift die erste Anweisung der Überlieferung: „Gewicht gegen Gewicht.“ Mit anderen Worten, die weiteren zehn Dinare, die von B bezahlt werden, sind untersagt. Diese Summe wird gemeinhin als „Zins“ verstanden und es ist dieser Zins, der von Banken erhoben wird. Die Islamischen Banken stimmen zu, dass diese Art von Zinserhebung verboten ist. Daher kann ihre Gültigkeit nicht auf dieser Grundlage in Frage gestellt werden.

Nach der Durchführung der ersten prophetischen Anweisung und der Entfernung dieser zehn Dinare, verbleibt die restliche Transaktion: A leiht B 100 Dinare, die nach einer Verzögerung von einem Jahr zurückgezahlt werden müssen. Diese Transaktion zieht die nächste Anweisung nach sich: den augenblicklichen Austausch beider Werte oder „von Hand zu Hand“. Es ist dieser Passus, der ein Problem für das Islamic Banking darstellt. Wenn wir diesen Austausch genau betrachten, finden wir nicht mehr als ein „zinsloses Darlehen“. Die Folge dieser Anweisung ist, dass keine Verzögerung erlaubt ist und die Parteien ihr Gold sofort austauschen müssen. Heißt diese Aussage, dass es kein Darlehen geben kann, selbst wenn kein Zins erhoben wird? Die Antwort ist „Ja“. Wenn kein Kredit vergeben werden kann, dann würde dies das Ende von Isla­mic Banking bedeuten – oder des gesam­ten Bankwesens, soweit es das betrifft. Der Grund dafür ist, dass jedes Konto, das bei einer Bank eröffnet wird – Gehaltskonto, Sparguthaben, Festgeldeinlagen usw. –, in Wirklichkeit ein Kredit ist. Dieser kann im Kontext jener Überlieferungen nicht gegeben werden.

Diese Bestimmung bedeutet für manche ein weiteres Problem. Wenn ein Kredit untersagt ist, so werden sie fragen: Was ist mit einem zinslosen Darlehen, das auch als Qard Hasan bezeichnet wird?

Die Antwort darauf ist, dass die obige Regel über das Verbot von Krediten die ursprüngliche Regel ist, der in allen Trans­aktionen gefolgt wird. Die ­einzige Ausnahme dazu ist ein zinsloses Darlehen, das eine Ausnahme oder Rukhsah zur allgemeinen Regel darstellt. Es hat den gleichen Status wie das Ausleihen von Gerätschaften oder anderen Dingen, die zurückgegeben werden. Es ist unter gewissen Bedingungen gestattet. Vorran­gig dabei ist, dass keine Zahlungsfrist festgelegt werden kann – der Verleiher kann die Summe am nächsten Tag zurückfordern oder die Rückzahlung für unbestimmte Zeit zurückstellen. Qard ist die Bereitstellung der „nutzbaren Menge“ auf Seiten des Gebers aus anderen Gründen als einem ­Profitinteresse in geschäftlicher oder persönlicher Hinsicht. Der Leiher kann die Summe nach eigenem Ermessen benutzen. Diese Form des Darlehens wird in der Scharia als ­Sadaqa behandelt – und nicht in Hinblick kommerzieller Regeln.

Die oben beschriebenen Transaktionen legen gemeinsam den Schluss nahe, dass ein handelsüblicher, verzinster Bankkre­dit beide Formen von Riba beinhaltet, die jeweils verboten sind. Riba Al-Fadl – vertreten durch die 10 Dinar – und Riba An-Nasi’a – repräsentiert durch die „Verzögerung“ – sind beide verboten.

Aufbauend auf diesen beiden, untersagten Grundmodellen kommen wir zu fragwürdigen Methoden,um das, im ­oberen Segment erläuterte Verbot zu umgehen. Eine dieser Methoden sind die ­heutigen Murabaha-Verträge. In dieser Vertragsform fragt A den Händler B, etwas für ihn auf dem Markt zu kaufen. Anstatt, dass dieser eine Gebühr verlangt, kann er einen deutlich aufgeschlüsselten Profit verlangen. Der ursprüngliche Vertrag basierte auf Vertrauen und Zusammenarbeit. Eine Person vertraut dem Urteils­vermögen einer anderen. Wegen dieser Beziehung glaubt A, dass B ehrlich vorgeht und den korrekten Originalpreis mit einem rationalen Profit verlangt. Auf Grundlage dieses gegenseitigen Vertrau­ens ist keine Veränderung der ursprüng­lich vereinbarten Summe zugelassen.

Die erste und wichtigste Regel für diese Transaktion besagt, dass der Originalpreis aufrechterhalten werden muss und weder verändert, reduziert oder gesteigert werden darf. Die zweite, wichtige Regel – wie dies von dem Texten der Rechtsgelehrten nahelegt wird – lautet: Es darf keine Verzögerung in der Transaktion geben, da dies die Möglichkeit für die Erhebung von Riba ermöglicht. Der entsprechende Handel erklärt sich von selbst. A kauft von B Weizen im Wert für 100 Dinare. Die Originalkosten, die nicht geändert werden dürfen, beliefen sich auf 90 Dinare, während der angegebene Gewinn bei 10 Dinaren liegt. Es ist offensichtlich, dass für Transport und Auslagen weitere Kosten auf den ursprünglichen Preis aufgeschlagen werden können. Aber diese sind für uns hier vernachlässigenswert. Die wichtige Sache dabei ist, dass es keine Verzögerung in dieser Transaktion geben darf und dass es ein promptes Geschäft ist.

Die Islamischen Banken haben ein Element der „Verzögerung“ in die ursprüng­liche Transaktion eingeführt. Dies lässt sie unrechtmäßig werden. Hier bestehen zwei Möglichkeiten.

Erstens ist der Abschluss mehr oder weniger wie der normale Murabaha, außer dass die Verzögerung von einem Jahr eingeführt wurde. Es ist bekannt, dass eine Person bei einem Kredit mehr verlangt als bei einem Bargeschäft. Der Grund dafür ist, dass er, wenn er für den ­gleichen Preis verkauft, nicht die gleiche Summe wie bei einem Bargeschäft erhält. Die Verzögerung (und Inflation) verringern den Preis und damit den Wert dieser Transaktion. In dieser Situation würde die Bank, wenn sie zum Einkaufspreis und dem festgelegten Profit verkauft, nicht mehr den Preis für die Ware reali­sieren, den sie ausgeben musste, sondern – dank der Verzögerung – einen verringerten Preis erzielen. Der Nutzen geht hier an den Kunden. Diese Transaktion ist daher erlaubt. In der echten Praxis würde die Bank diesem Vertrag nie zustimmen, da er zu einem Verlust für sie führen würde. Wir müssen uns daher der zweiten Möglichkeit zuwenden.

Im zweiten Fall, verdoppelt die Bank – um einen Gewinn zu erzielen – den angegebenen Profit; sagen wir einmal: 10 für die Verzögerung und 10 für den vernünftigen, angegebenen Profit. Muraba­ha trifft nicht länger zu, da dies hier einen zweimaligen Profit beinhaltet. Selbst, wenn wir davon ausgehen würden, dass die gesamten 20 Dinare als ein angegebe­ner Gewinn behandelt werden würde, wäre dieser Vertrag immer noch unrecht­mäßig, da der Ursprungspreis wegen der Verzögerung reduziert wird (den die Bank dadurch auszugleichen sucht, indem sie einen erhöhten, ausgewiesenen Profit angibt). Kurz gesagt: Die Einführung des Elements von Verzögerung in den Murabaha-Vertrag macht ihn unrechtmäßig. Ohne jene Verzögerung aber wäre er nutzlos für die Bank.

Man könnte nun fragen, warum die Bank dieses Geschäftsmodell als Murabaha bezeichnen möchte, während die gleiche Sache durch einen normalen Kreditverkauf abgewickelt werden kann, bei dem die Bank mehr als den normalen Gewinn einfordert. Der Grund ist offenkundig und führt uns schließlich zum Leasingvertrag. Die meisten Leasingverträge beruhen auf einem Kreditverkauf oder einer ­anderen Kreditform. So kauft eine Bank beispiels­weise ein Auto für 10.000 US-Dollar und verkauft es ihrem Kunden für 13.000 US-Dollar. Eine Summe, die über einen Zeitraum von drei Jahren gezahlt ­werden muss. Die zusätzlichen 3.000 ­US-Dollar gelten für die Zeit der verzögerten Perio­de von drei Jahren. Dies wäre dem islami­schen Recht zufolge zulässig.

Es ist aber nach dem islamischen Recht nicht zulässig, dass die Bank den Eigen­tumstitel bei Vertragsabschluss nicht an ihren Kunden abtritt. Unter dem islamischem Recht geht dieser Titel augenblicklich an den Kunden über und das Auto wird bei Vertragsschluss zu seinem Eigentum. Dies schafft ein Problem für Islamischen Banken und sie folgen dabei nicht den Regeln für den Kreditverkauf und die Übertragung von Eigentumstiteln. Aus diesem Grund haben sie auch keinen Interesse daran, Kreditverkauf als Ersatz für Murabaha zu benutzen. Die Bank hätte das Recht, nach einer Sicherheit zu fragen oder sogar eine Verpfändung des gleichen Autos zu verlangen, aber sie kann dies nur tun, wenn der Eigentumstitel vorher an den Kunden abgetreten wurde. Darüber hinaus ist die Erhebung von Strafzahlungen für verzö­gerte Raten absolut unrechtmäßig, selbst wenn diese unter den Armen usw. verteilt werden.

Ohne eine Einordnung bleibt die „Errungenschaft“ der islamischen Bank unverstanden. Von Abu Bakr Rieger, Berlin

(iz). Seit nunmehr einem Jahrhundert ist der sogenannte islamische Modernismus fasziniert von den Machtinstrumenten des Westens. Die Kraft dieser technologischen Errungenschaften, die letztendlich zum Souveränitätsverlust der arabischen Welt führten, spiegelte […]

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