, , ,

Minarette in den Bergen – auf den Spuren Evliya Çelebis im Westbalkan

Minarette

„Als ich aufwuchs, wusste ich nicht, dass es in Europa Städte gibt, in denen der Adhan ein so normaler Teil der Landschaft ist. Ich hätte mir sicher nicht vorstellen können, dass eine solche Stadt nur tausend Meilen weiter östlich liegt und nicht Kairo oder Istanbul heißt.“

(iz). Es gibt nicht viele Bücher über Islam und Muslime in Europa, die schon beim Lesen eine verändernde Wirkung haben – von Begeisterung ganz zu schweigen. Dem englischen Reiseschriftsteller und Fotografen Tharik Hussain ist mit „Minarets in the Mountains“ ein solches Buch gelungen. Der Brite hat in der Vergangenheit unter anderem für BBC gearbeitet und mehrere Reiseführer über Länder wie Saudi Arabien, Bahrein oder Thailand veröffentlicht.

Der Autor, der selbst immer wieder über diese „anderen“ europäischen Muslime erstaunt ist, lässt seine Reise, die von den Wegen des großen osmanischen Reisenden Evliya Çelebi inspiriert ist und sie oft nachempfindet, in Bosnien beginnen. Von dort forscht er den selten gewordenen Spuren der Muslime in Serbien nach, besucht die muslimische Provinz Serbiens, das Sandschak, und reist über das Kosovo nach Nordmazedonien. Von dieser Republik nördlich von Griechenland geht es dann über Albanien, wo er in Vergessenheit geratene muslimische Städte findet, und Montenegro wieder zurück nach Bosnien.

Den Anfang nimmt die Reise allerdings in den Bergen Bulgariens an der Grenze zu Rumänien, wo Tharik Hussain sein Buch beginnen lässt. Hier treffen die Reisenden (ein Großteil des Trips ist als langer Familienausflug aufgelegt) inmitten halbverfallener Ortschaften auf kleine Dorfmoscheen und -Friedhöfe. Teppiche in ihnen machten ihm klar, dass sie durchaus noch in Betrieb waren: „Das waren lebendige muslimische Dörfer. Aber was um Himmels willen hatten sie hier zu suchen?“, fragt Tharik Hussain. Eigentlich war man nach einer Woche in der Heimat des berüchtigten Dracula auf der Suche nach einem Öko-Bauernhof.

„Minarett in the Mountains“ beschreibt beileibe nicht bloß eine Reise in der Gegenwart. Es ist auch stets ein Rückgriff auf die oft (manchmal durch Gewalt) vergessene Geschichte unseres Kontinents. Hussain erinnert seine Leser auch daran, dass Muslim- und Europäer-Sein kein Widerspruch sein müssen. Ihn selbst, so mancher Eintrag, überrascht dieser Sachverhalt selbst am häufigsten.

Es sei lange her, seitdem europäische Reisende Osteuropa als einen Raum von Muslimen geschrieben hätten. Wie die maurische Präsenz in Spanien, Portugal oder Sizilien „werden sie niemals als Teil einer regionalen Geschichte von den Touristenbüros einer Gegend“ beschrieben. Die lange religionsfeindliche Periode der Kommunisten habe die Fußspuren früherer Besucher verblassen lassen. „Das populäre Bild des modernen Osteuropas als säkularer, harter, grauer Ort, der von ethnischen Kriegen heimgesucht wird, ist das Bild, das ein Großteil der Welt akzeptiert hat. Es ist ein Bild, das die sechs Jahrhunderte muslimischer Geschichte der Region und ihre große einheimische muslimische Bevölkerung völlig ignoriert.“ Kein Wunder, dass bulgarisch-muslimische Dörfer mit ihren kleinen, weißen Moscheen ein Schock für ihn waren.

Der vorherige Aufenthalt (der Auftakt zu „Minarets in the Mountains“) habe ihnen die Augen geöffnet, dass es „dort“ noch ein lebendiges einheimisches „muslimisches Europa“ gäbe. Den Reisenden sei aber auch bewusst geworben, wie empfindlich seine Existenz sei und dass es immer noch Bemühungen gäbe, es auszuradieren. Seiner Ansicht nach sei ihr Erbe auch das seiner Kinder, die sowohl Europäer als auch Muslime seien. Als Familie mit einem Anteil an britischen Wurzeln würden gerade Hussains Kinder diese Orte mit anderen Augen sehen. „Als europäischer Muslim fühle ich, dass all dieses alte muslimische Erbe auf dem Balkan auch mein Erbe ist. Es ist das Erbe aller europäischen Muslime und Nicht-Muslime, und wir können viel davon lernen“, sagt Tharik Hussain seinem Gastgeber Aldin in Sarajevo.

Ein Blick auf die Karte Europas machte klar, wohin die Reise für „Minarets in the Mountains“ gehen sollte. Der beste Ort, wo man dieses Erbe des „muslimischen Europas“ heute noch findet, sei der Westbalkan. Eine Sammlung aus sechs Ländern mit Jahrhunderten islamischer Geschichte und umfangreichen muslimischen Bevölkerungsanteilen: Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Albanien sowie – weil sie alte Gemeinschaften haben – Serbien, Nordmazedonien und Montenegro.

Für diese Sommerreise wollte der Autor einen Führer an der Hand haben, der das muslimische Europa wirklich kannte, jemand aus dem Osten. „In Wahrheit gab es nur einen Kandidaten: den großen osmanischen Reisenden des Mittelalters, Evliya Çelebi. Evliya hatte nicht nur viele der Städte auf der von uns zusammengestellten Reiseroute besucht, sondern dies auch in der Mitte des 17. Jahrhunderts getan, als das Osmanische Reich die absolute Grenze seiner Expansion nach Europa erreicht hatte. Evliyas Europa war das ‘muslimischste’, das es je sein würde, und er reiste als Mitglied der kultiviertesten Gesellschaft der Welt durch dieses Europa“, beleuchtet der Autor seine Entscheidung.

Von den 40 Jahren, die Çelebi – oft an der Seite von Paschas – auf Reisen verbrachte, ereigneten sich zehn auf dem Balkan (1660-70). Aus diesem Grund bieten Evliyas Reiseberichte einen spannenden und einzigartigen Einblick in das muslimische Europa. Die Nachfolge in den Spuren „eines solch kultivierten Experten des historischen, muslimischen Europas“, während sie sich auf die Suche nach seinem modernen Gegenstück machten, bedeutete, dass die Reisenden selbst bei einem Verschwinden von Dingen, die Çelebi gesehen hatte, doch eine Erinnerung davon bekamen, wie „muslimisch“ Europa einmal war.

Was „Minarets in the Mountains“ neben vielen anderen Aspekten so lesenswert macht, ist der Fakt, dass sich Tharik Hussain der Allgemeinplätze und Stereotypen enthält. Ja, er kommt nicht umhin, über Orte in Bosnien auch den Krieg und seine Spuren zu erwähnen, aber er belässt es nicht dabei. Ebenso bemerkenswert: In vielen Einträgen aus den sechs Ländern bekommen wir nicht nur selber Lust aufs Reisen, wir lernen auch immer wieder Etwas. Darüber hinaus behandelt „Minarets in the Mountains“ die real existierenden Menschen an diesen Orten nicht als bloße Kulisse. An beinahe jedem Ort zwischen Bosnien und Montenegro begegnet die Reisegruppen Charakteren, die selbst eine Geschichte zu erzählen haben.

Am Ende geht es nicht um steinerne Gebäude, Ruinen, Ortsnamen oder verstaubte Manuskripte, sondern um die Menschen, die sie hervorbrachten, und diejenigen, die heute in und mit ihnen leben.

Tharik Hussein, Minarets in the Mountains: A Journey into Muslim Europe, Bradt Travel Guides, August 2021, Taschenbuch, 338 Seiten, ISBN 978-1784778286, Preis: EUR 12,50

Reformiertes ­Lehrsystem

(iz). Als der große Imam Malik, Allahs Gnaden auf ihm, mit dem Studium des Islam begann, ermahnte seine Mutter ihn vor allem, das Verhalten seines Lehrers zu erlernen. Schon immer […]

IZ+

Weiterlesen mit dem IZ+ (Monatsabo)

Mit unserem digitalen Abonnement IZ+ (Monatsabo) können Sie weitere Hintergrundbeiträge, Analysen und Interviews abrufen. Gegen einen Monatsbeitrag von 3,50 € können Sie das erweiterte Angebot der Islamischen Zeitung sowie das ständig wachsende Archiv nutzen.

Abonnenten der IZ-Print sparen beim IZ+ Abo 50%.

Wenn Sie bereits IZ+ Abonnent sind können Sie sich hier einloggen.

* Einfach, schnell und sicher bezahlen per Paypal, Kredit-Karte, Lastschrift oder Banküberweisung. Das IZ+ Abo verlängert sich automatisch um einen Monat, wenn es nicht vorher gekündigt wurde. Sie können ihr bestehendes Abo jederzeit auf der Mein Konto-Seite kündigen.

Europa: Die Menschenrechtsorganisation veröffentlicht Bericht über Diskriminierung von Muslimen. Von Sulaiman Wilms

(iz). Manche Organisationen und Einzelpersonen genießen so einen guten Ruf, dass ihre Wortmeldungen gehört werden. Dazu gehört auch die Menschenrechtsorgani­sation Amnesty International, die sich seit Jahrzehnten um die Rechte diskrimi­nierter Menschen bemüht. Umso genau­er sollten die europäischen ­Rechtsstaaten, die im Vergleich zu anderen eine gute Menschenrechtsbilanz haben, hinhören, wenn eine NGO wie Amnesty auf Diskrimierungen von Muslimen hinweist. Eine gute Nachricht gibt es aber für die deutschen Muslime: Im Vergleich zu anderen, ausgewählten EU-Staaten ­wurden der Bundesrepublik keine gesonderten Kapitel gewidmet.

In ihrem Bericht „Choice and Prejudice (Wahlfreiheit und Vorurteil)“ beklagt Amnesty in einem Ende April vorgestellten Bericht die „Diskriminierung von Muslimen in Europa“ und forderte gleichzeitig von der EU und ihren Mitgliedern einen verstärkten Einsatz dage­gen. „Vor allem am Arbeitsplatz oder in der Schule würden Muslime häufig benachteiligt und am Tragen religiöser Kleidung, wie beispielsweise Kopftüchern gehindert“, hieß es in dem am 24. April in Brüssel veröffentlichten Report der Menschenrechtsorganisation. Ein solches Verbot könne zum Ausschluss von muslimischen Mädchen von der Ausbil­dung führen.

Der Amnesty-Bericht befasst sich mit der Situation in Belgien, Frankreich, den Niederlanden, Spanien und der Schweiz und dokumentiert Beispiele von Diskri­minierung aufgrund von Religion oder Glauben sowie den Einfluss auf das ­Leben von Muslimen. Demnach hätten Belgien, Frankreich und die ­Niederlande die Gesetze gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz noch immer nicht vollständig umgesetzt. „Anstatt, dass gegen ­solche Vorurteile gekämpft wird, schwimmen politische Parteien und öffentliche Vertreter zu oft mit dem Strom, um ­diese Stimmungen auf der Suche nach Wähler­stimmen auszunutzen“, sagte Marco Perolini, der bei Amnesty für Diskriminie­rung zuständig ist.

Namentlich das Tragen von religiösen und kulturellen Symbolen beziehungsweise Bekleidungen sei Teil der Meinungs- und Glaubensfreiheiten. „Und die Rechte stehen allen Glaubensüberzeugungen gleichermaßen zu“, so Perolini.

Neben der Diskriminierung von Indi­viduen beziehungsweise Gruppen steht der Bau von Orten der Anbetung im Blickpunkt des Amnesty-Berichts. „Das Recht zum Bau von Gebetsstätten ist ein Kernelement der Religions- und Glaubensfreiheit, die in einigen europäischen Staaten eingeschränkt wird – trotz der staatlichen Verpflichtung, sie zu schützen, zu respektieren und ihre Erfüllung zu ermöglichen.“

,

Ein kurzer Abriss über die Gebetsstätten unseres Kontinents. Von Prof. Nevzat Yalcintas

„Wahrlich, der allein vermag die Erhaltung der Moscheen Allahs vorzunehmen, der an Allah und an den Jüngsten Tag glaubt und das Gebet verrichtet und die Zakah entrichtet und keinen außer […]

IZ+

Weiterlesen mit dem IZ+ (Monatsabo)

Mit unserem digitalen Abonnement IZ+ (Monatsabo) können Sie weitere Hintergrundbeiträge, Analysen und Interviews abrufen. Gegen einen Monatsbeitrag von 3,50 € können Sie das erweiterte Angebot der Islamischen Zeitung sowie das ständig wachsende Archiv nutzen.

Abonnenten der IZ-Print sparen beim IZ+ Abo 50%.

Wenn Sie bereits IZ+ Abonnent sind können Sie sich hier einloggen.

* Einfach, schnell und sicher bezahlen per Paypal, Kredit-Karte, Lastschrift oder Banküberweisung. Das IZ+ Abo verlängert sich automatisch um einen Monat, wenn es nicht vorher gekündigt wurde. Sie können ihr bestehendes Abo jederzeit auf der Mein Konto-Seite kündigen.